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Veröffentlicht am 21.09.2023

Mord im Schatten des Berges

Stille Sainte-Victoire
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Cay Rademacher hat mit Stille Sainte Victoire den 10. Krimi um Roger Blanc und seine Mannschaft geschrieben. Diese Krimis sind ohne Vorkenntnis lesbar, aber es schadet gar nichts, sie alle zu kennen und ...

Cay Rademacher hat mit Stille Sainte Victoire den 10. Krimi um Roger Blanc und seine Mannschaft geschrieben. Diese Krimis sind ohne Vorkenntnis lesbar, aber es schadet gar nichts, sie alle zu kennen und es macht natürlich Spaß, immer wieder so tief in den Süden Frankreichs einzutauchen.

Ein Mann ist auf bizarre Weise ermordet worden. Das Mordinstrument war der versteinerte Zahn eines Dinosauriers, das Mordopfer ein Ingenieur, der damit beauftragt war, den Staudamm am Lac de Bimont zu untersuchen. Da ergibt sich zunächst kein Zusammenhang. Erst als sich für Roger Blanc und seine Kollegen herausstellt, dass das Mordopfer einen Zwillingsbruder hatte, der genau in dieser Gegend nach Saurierknochen gräbt, ergeben sich erste Anhaltspunkte. Die Gegend zwischen Sainte Victoire, Velaux und dem Fluss Arc ist ein Eldorado der Paläontologie und es wurden schon einige bis dahin unbekannte Saurierarten entdeckt.

Eigentlich ist der Täterkreis von vornherein ziemlich eingeschränkt, nur ergibt sich von keiner Seite aus ein Motiv. Und wenn es Motive gibt, dann sind die Falschen umgebracht worden. Auch der zweite Tote hilft zunächst einmal nicht weiter, die Ermittler tappen trotz der Ermittlungen auch über die Osterfeiertage vollkommen im Dunkeln. Aber natürlich wird der Fall in einem spannenden Finale gelöst.

Die Krimis von Cay Rademacher mag ich, weil sie fast immer reale Ereignisse aufgreifen, sich an Besonderheiten der Region orientieren, seien sie alter oder neuerer Geschichte. Man lernt auch immer neue Seiten an unserem Nachbarland kennen. Darüber hinaus transportieren sie französisches Lebensgefühl, aber nicht so übertrieben, dass der begleitende Fall nur noch konstruiert wirkt.

Die Spannung leidet ein bisschen darunter, dass die Ermittlungen sich so lange hinziehen, dass die gleichen Personen immer und immer wieder befragt werden müssen und sich erst langsam ein ganzes Bild ergibt. Trotzdem werde ich wohl auch in Zukunft mon capitaine treu bleiben.

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Veröffentlicht am 10.09.2023

Der Geschmack von Apfelringen

Sylter Welle
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Ein brennender Strandkorb ist ein ungewöhnliches Motiv für ein Buchcover. Strandkörbe verbindet man eigentlich mit unbeschwerter Zeit, mit Urlaub und Entspannung. Auch wenn das Motiv im Buch nicht aufgegriffen ...

Ein brennender Strandkorb ist ein ungewöhnliches Motiv für ein Buchcover. Strandkörbe verbindet man eigentlich mit unbeschwerter Zeit, mit Urlaub und Entspannung. Auch wenn das Motiv im Buch nicht aufgegriffen wird, so muss ein brennender Korb eigentlich das Ende von etwas bedeuten und hier ist es wohl das Ende der gemeinsamen Urlaube von Max mit seinen Großeltern. Der Buchtitel nimmt den Bezug zu Sylt auf, Sylter Welle heißt das Quartier, in dem sie die Ferienwohnung gemietet haben.

Max verbringt ein Wochenende mit seinen Großeltern auf Sylt. Das hat er von klein auf getan, mit den Eltern, mit den Onkeln, mit den Cousins. Weibliche Wesen scheinen keine große Rolle zu spielen, jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, dass auch Max' Schwester einmal in den Episoden aufgetaucht wäre. Oma hat nicht so gerne Konkurrenz neben sich und ihr Verhältnis zur Schwiegertochter ist gespalten. Omma ist der "Feldherr", die Macherin in der Familie.

Oma Lore und Opa Ludwig hatten die Söhne und Enkel gerne um sich und Oma Lore hat sie alle bekocht und verwöhnt und zwar auf ihre Art.

Das Leben und Verhalten der Großeltern ist strukturiert, dogmatisch und vorhersehbar. Manche Dinge waren schon immer so und sind anders auch nicht denkbar, da gibt es keine Diskussionen darüber.

Es scheint so zu sein, wie es in vielen Familien ist: da ist ein besonderes Verhältnis zwischen Großeltern und Enkeln. Die Chance der Eltern kommt, wenn sie selbst einmal Großeltern sind.

Max schildert sich selbst als Kind. Ganz einfach war es wohl nicht mit ihm, er verhielt sich nicht immer so, wie es vom ihm erwartet wurde. Wie sagt die Oma so schön: „unkontrolliert“. Erst mit den Jahren wurde es besser.

In zeitlich wechselnden Episoden erinnert er sich an gemeinsame Zeiten und oft kommt er vom „Hölzchen aufs Stöckchen“, ein Stichwort gibt das andere und er schweift weit ab, bevor er wieder zu dem kommt, was er eigentlich erzählen wollte.

Tag 1 des Wochenendes ist ausgefüllt mit allen möglichen eher positiven Erinnerungen. Ganz anders Tag 2: Hier überwiegt die Melancholie, es kommen die Schicksalsschläge zur Sprache, die der Familie über die Jahre zugesetzt haben und sie so haben werden lassen, wie sie jetzt sind. Hier erhält das Buch auch deutlich mehr Tiefgang.

Am dritten Tag kündigt sich schon der Abschied an, der Alltag kehrt ein und Max ist in Gedanken und selbst in Taten schon wieder zurück in seinem eigenen Leben. Omas Abendessen verschmäht er und macht noch einen Abstecher zu Mac Donalds, um satt zu werden. Mir schien es wie ein Abnabeln, ein Schritt in die Selbstständigkeit, die zwar nicht unbedingt besser aber selbstbestimmt ist.

Die Apfelringe, die sonst immer den Urlaub eingeläutet haben, markieren jetzt das Ende der gemeinsamen Zeit auf Sylt. Sie wirken wie ein Abschiedsgruß.

Ich bin mir immer noch unsicher, wie ich zu dem Buch stehe. Es liest sich gut und flüssig, auch wenn das Abschweifen den Leser manchmal rat- und orientierungslos zurücklässt. Omma ist der bestimmende Charakter, Oppa bleibt neben ihr blass und fällt höchstens durch seine Schrullen und seine immer wieder eingestreuten schlesischen Begriffe auf. Die "fetzige Lerge" hat mich bis zum Schluss irritiert. Gegen Oma aufbegehrt hat er wohl in erster Linie durch Wutausbrüche, die aber erst im letzten Abschnitt thematisiert werden. Jetzt im Alter wirkt er eher hilflos und abhängig. Doch auch Oma Lore ist nicht mehr die, die sie war. Als Feldherrin scheint ihr das Heer abhanden gekommen zu sein, da ist mit Opa Ludwig nur noch ein einziger müder und alter Soldat übrig geblieben.

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Veröffentlicht am 01.09.2023

Ist der Gärtner immer der Mörder?

Teufelstropfen
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Das war mein erster Krimi von Gina Greifenstein. Ich hatte nach dem Titel vielleicht ein bisschen mehr Infos um den Wein erwartet, das wurde aber nur am Rande erfüllt. Ich hatte das Gefühl, selbst in der ...

Das war mein erster Krimi von Gina Greifenstein. Ich hatte nach dem Titel vielleicht ein bisschen mehr Infos um den Wein erwartet, das wurde aber nur am Rande erfüllt. Ich hatte das Gefühl, selbst in der Pfalz trinkt man mehr Schorle als echten Wein. Aber klar, wenn das Auto vor der Tür steht.
Aber immerhin ist es der Teufelstropfen, der fast jemanden vom Leben zum Tod befördert hätte. Von daher ist er wenigstens das Mordinstrument.

Paula Stern, ursprünglich aus Franken, hat es als Kommissarin in die Pfalz verschlagen und dort versieht sie zusammen mit dem älteren Kollegen Bernd Keeser ihren Dienst. Nur ist Keeser nach einer Schussverletzung längere Zeit krankgeschrieben und man stellt ihr plötzlich einen Kollegen zur Seite, den sie auf den Tod nicht ausstehen kann.

Ihr Leihhund Othello, den sie im Auftrag einer Nachbarin für mehrere Wochen hütet, gräbt in der Pause eines Konzerts einen menschlichen Finger aus. Wie sich herausstellt, ist der Rest auch noch vorhanden, nur weiß niemand, wer dort unter dem Kirschlorbeer vergraben wurde. Die Ermittlungen beginnen und natürlich mischt sich auch der eigentlich krankgeschriebene Keeser in die Arbeit ein.
Wie gut, dass jedes Dorf eine Tratschtante hat, auch wenn deren Aussagen nicht immer geglaubt werden kann. Aber immerhin liefern sie manchmal zumindest einen ersten Ansatzpunkt.

Natürlich spielen auch die persönlichen Befindlichkeiten der Ermittler immer eine Rolle, das Ende und ein „Souvenir“ aus einer ehemals glücklichen Beziehung, der Anfang einer neuen Liebe, obwohl es anfangs gar nicht danach aussah. Pfälzische Küche spielt auf jeden Fall eine wichtige Rolle und den Weg von Landau nach Minfeld würde ich vielleicht auch schon finden.

Auch wenn die Ermittler etwas länger brauchten, das Umfeld des Täters erschloss sich mir relativ früh, dennoch lag ich zum Schluss knapp daneben.

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Mehr Raum für sich allein

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Schon der Titel des Buches suggeriert etwas Unmögliches: etwas vollständig zu erfassen, was ich eigentlich vergessen habe. Er fällt auf und war auch ursprünglich der Grund, mich für das Buch zu interessieren.

Das ...

Schon der Titel des Buches suggeriert etwas Unmögliches: etwas vollständig zu erfassen, was ich eigentlich vergessen habe. Er fällt auf und war auch ursprünglich der Grund, mich für das Buch zu interessieren.

Das Cover ist farblich harmonisch abgestimmt, ansonsten nicht so unbedingt das, was mir ins Auge gefallen wäre.

Eine Frau, zwischen 50 und 60, steht an einem Wendepunkt. Die Kinder werden erwachsen, wollen ihr eigenes Leben leben und dazu gehört auch eine eigene Wohnung oder zumindest eine Wohngemeinschaft mit Gleichaltrigen. Wir begleiten sie in ihren Gedanken und ihrer Entscheidungsfindung, wie ihr zukünftiges Leben aussehen soll. Ihre große Mietwohnung kann sie aus finanziellen Gründen nicht halten. Da ist zum Anfang viel Unzufriedenheit, auch Schuldzuweisung an die Eltern, den ehemaligen Partner, da ist außerdem einiges an Selbstmitleid, obwohl es ihr objektiv betrachtet so schlecht gar nicht geht. Immerhin nennt sie ein Landhaus und eine kleine Stadtwohnung ihr Eigen. Mithilfe vieler Gespräche macht sie sich ihre Situation zunehmend bewusst und gibt auch zu, dass sie in ihrer eigenen Legende gefangen war. Eigentlich hat das sich Erinnern für sie einen therapeutischen Effekt.

Doris Knecht baut den Roman so auf, dass sich kurze Kapitel aneinanderreihen. Kapitel, die ihrer Erinnerung entspringen und oft gar nichts miteinander zu tun haben. Da geht es um Freundinnen, die sie schon fast vergessen hat, um Mitbringsel aus verschiedenen Urlauben, um ihren Status in der Familie, um ihre Kinder und ihre Beziehungen, um das, was gut lief und das was sie vergessen will.

Wenn man sich erst einmal eingelesen hat und ihre Umgebung ein wenig kennt, liest sich das Buch gut und flüssig und das trotz der vielen Gedankensprünge.

Ich hatte mir merkenswerte Stellen mit farbigen Stickern markiert und das Buch strotzt davon. An manchen Stellen war ich bei ihr, an anderen Stellen konnte ich ihren Gedankengängen und Entscheidungen nicht so ganz folgen. So entscheide ich mich für 4 von 5 Punkten.

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Veröffentlicht am 10.08.2023

Ein kleiner Schritt...in den Tod

Canaria Criminal
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Der Autor Daniel Verano alias Daniel Wehnhardt lebt zwar in Nordhessen, ist aber nach einem längeren Aufenthalt auf den Kanaren dem Charme der Inseln verfallen und kehrt seither jährlich für einige Zeit ...

Der Autor Daniel Verano alias Daniel Wehnhardt lebt zwar in Nordhessen, ist aber nach einem längeren Aufenthalt auf den Kanaren dem Charme der Inseln verfallen und kehrt seither jährlich für einige Zeit dorthin zurück.

Es gibt einen ersten Krimi in dieser Serie – Canaria mortal – den ich bisher noch nicht kenne. Ich wäre nun aber durchaus daran interessiert, weil doch hin und wieder darauf Bezug genommen wird. Der zweite Kanaren-Krimi spielt auf Gran Canaria. Wie in ganz Europa so gibt es auch in Spanien Rechtspopulisten. Einer von ihnen ist Francisco Fraude, frisch gewählter Parteichef der rechtsextremen RAZÓN, der auf den Kanaren Wahlkampf macht und seine Chancen mit einem spektakulären Fallschirmsprung erhöhen möchte. Die Insel-Bevölkerung ist gespalten, während man ihm 30 % der Stimmen zutraut, sind viele auch vehement gegen ihn und fürchten den Rechtsruck der Insel.

Gegen ihn sind vor allem die linksgerichteten Zeitungen der Insel, unter ihnen LA VIDA, bei der Felix und Candela arbeiten. Der Chefredakteur hat sich sogar einer Gruppierung angeschlossen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ihn zu verhindern.

Francisco Fraude macht seine Ankündigung wahr und springt… in den Tod. Der Fallschirm öffnet sich nicht und er schlägt mit voller Wucht auf den Felsen auf. Hier kommt nun die Polizei ins Spiel, war es ein Unfall oder war es Mord? Technisches Versagen kann praktisch ausgeschlossen werden, also muss jemand nachgeholfen haben.

Ana Montero ermittelt zusammen mit ihrem Kollegen Ruiz. Ihr Weg führt sie kreuz und quer über die Insel. Dabei kommt allerdings bei einem Tempo von 160 km/h wenig entspannte Urlaubsstimmung auf.

Felix und Candela ermitteln auf eigene Faust im eigenen Milieu und stoßen auch da auf einige Ungereimtheiten. Erst ganz spät treffen sich Anas und Felix Wege wieder und tatsächlich kann dieses Treffen in dem Fall zur Lösung beitragen.

Ein dritter Handlungsstrang ist in der Ich-Form geschrieben und bleibt anonym. Hier spricht der Täter, den man allerdings erst sehr spät identifizieren kann.

Neben der Lösung des Falles liegt in diesem Krimi auch ein starker Fokus auf den gefühlsmäßigen Befindlichkeiten der einzelnen Protagonisten. Dadurch lernt man die Personen besser kennen, aber es lenkt natürlich auch von den Ermittlungen ab.

Das Buch liest sich flüssig, ist immer wieder mit spanischen Floskeln durchsetzt, die aber nicht stören, zumal man die Übersetzungen am Ende des Buches findet. Bei einem so umstrittenen Mordopfer gibt es auch genügend Verdächtige, so dass das Buch bis zum Schluss spannend bleibt. Als Cozy würde ich es nicht unbedingt bezeichnen, dafür kommt der Landschaft, den Menschen, der Küche, dem Wein nicht genügend Bedeutung zu, aber gewaltsam und blutrünstig ist es auf jeden Fall auch nicht.

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