Literarisch interessant, inhaltlich etwas unverbindlich
Du liest diesen Beitrag vermutlich auf deinem Smartphone. Bist du viel online? Würdest du sagen, du hast deinen digitalen Konsum im Griff?
Wie überschneiden sich deine virtuellen und analogen Verbindungen ...
Du liest diesen Beitrag vermutlich auf deinem Smartphone. Bist du viel online? Würdest du sagen, du hast deinen digitalen Konsum im Griff?
Wie überschneiden sich deine virtuellen und analogen Verbindungen und Beziehungen?
Nicht nur bei mir sind diese Fragen mittlerweile Bestandteil und tägliche Überlegungen meines Leben geworden, sondern unser ganzes Zeitalter und unser Zusammenleben ist geprägt von Digitalisierung und Algorythmen.
Jem Calder hat diese Themen zum Inhalt seines ersten und bereits viel gelobten Romans gemacht.
Allein der Roman selbst spiegelt in seiner Form schon die Hyperkonnektivität (das Wort ist dem Klappentext entnommen) unserer Zeit wieder. Der Aufbau ist durchbrochen und erinnert mit seinen unabhängigen Einschüben an Kurzgeschichten. Es ist ein roter Faden erkennbar, ich sehe die bekannten Figuren im nächsten Kapitel plötzlich als Nebenfigur aus einer ganz anderen Perspektive.
Bestimmt der Kontext, wie ich von andern gesehen werden? Habe ich digital mehr Einfluß auf meine Außenwirkung?
Der britische Autor Jem Calder analysiert in seinem Text viele Aspekte, die mich im Zusammenhang mit digitalen Medien beschäfftigen. Besonders mochte ich den Abschnitt über die beiden User*innen beim Onlinedating.
„Mehrmals ging sie in Gedanken ihre Gesamtstrategie durch, die darin bestand, dem User eine hübsche, übertrieben unbeschwerte Light-Version von sich zu präsentieren; ein menschenförmiges Set attraktiver Gesten und Reaktionen, dessen Umriss sie dann später, nach und nach, mit Elementen ihrer wirklichen Persönlichkeit befüllen könnte.“
Ich fand, hier arbeitet Calder das, was ich als sein Hauptthema zu erkennen glaube, am deutlichsten heraus.
Diesen Widerspruch, dass ich online zwar schneller mit anderen Menschen in Kontakt treten kann, die Verbindungen aber letztendlich oft beliebig und unverbindlich bleiben. Ich sehe eine große Einsamkeit seiner Figuren und einen großen Wunsch nach wahrer und tiefgehender Verbindung.
Sie sind alle connected aber doch isoliert.
Ich bin gerne in diesen Roman eingetaucht und habe mich an Calders facettenreicher Erzählform erfreut. Dennoch, in einigen Abschnitten ist der Funke bei mir nicht übergesprungen. Calders Roman selbst bleibt mir zu unverbindlich, oder besser: Emotional nicht verfügbar.
Auch wenn mein eigenes Leben immens von der digitalen Welt beeinflusst wird, stehe ich doch an einem ganz anderen Punkt in meinem Leben, an dem viele der von Calders aufgegriffenen Aspekte (noch) nicht (mehr) im Vordergrund stehen.
Wäre der Roman vielleicht für dich ein Match?