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Veröffentlicht am 05.09.2023

Ruhrpott meets Burgenland

Tod am Neusiedler See
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Ruhrpott meets Burgenland - genau mein Ding! Ich hatte es ja hin und wieder mal erwähnt, ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Zu meinen liebsten Urlaubszielen gehört Österreich, so ist es wenig überraschend, ...

Ruhrpott meets Burgenland - genau mein Ding! Ich hatte es ja hin und wieder mal erwähnt, ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Zu meinen liebsten Urlaubszielen gehört Österreich, so ist es wenig überraschend, dass ich schnell Gefallen an diesem Krimi gefunden habe.

Nikolaus Lauda, der aus nachvollziehbaren Gründen nicht Niki genannt werden will, ist ein österreichischer Polizist, der viele Jahre im Ruhrgebiet gearbeitet und die Mafia verfolgt hat. Die hat den Spieß nun umgedreht und trachtet ihm nach dem Leben. Seine Frau ist dem Ruhrpott-Clan schon zum Opfer gefallen und trotzdem oder gerade deswegen hat er ihr Elternhaus in Rust (nein, nicht das mit dem Europapark) am Neusiedler See, nahe der Grenze zu Ungarn im Burgenland, als temporäres Versteck auserkoren.

Dort angekommen findet er sich in einem Mordfall wieder, gehört als „Zuagraster“ (Zugereister) zu den ersten Verdächtigen und wird dann, gewissermaßen als Privatdetektiv, vom Bruder des Opfers mit privaten Ermittlungen beauftragt. Schnell ist er mittendrin in der Dorfgemeinschaft und sucht nach dem Täter - nicht zuletzt, um selbst aus dem Fokus der Ermittlungen zu gelangen. Die Geschehnisse um den Mordfall sorgen allerdings auch dafür, dass die Mafia seine Spur wieder aufnimmt…

Die kleinen Reminiszenzen an Essen und Umgebung (Ruhrschnellweg, Baldeneysee, etc.) geben dem eigentlich tief im „Castle Land“ verorteten Geschehen eine besondere Note, die zumindest mich Ruhrpottkind sehr erfreut hat.

Der Schreibstil ist erfrischend und eigenständig, leicht und oft ironisch. Mir hat der Sprachwitz sehr gefallen. Mit spitzer Feder kommentiert Lukas Pellmann über seinen in der Ich-Perspektive durch die Geschichte führenden Protagonisten das Geschehen - humorvoll, ohne albern, übertrieben oder gar unangenehm gewollt komisch zu sein.

Die Kriminalgeschichte selbst trat bei meinem Leseerlebnis etwas in den Hintergrund - wirklich interessiert hat es mich ehrlicherweise nicht, wer nun genau hinter dem Mord steckte. Irgendwie blieb dieser Part der Story für mich seltsam irrelevant, weit spannender waren die Entwicklung und die Erlebnisse von Nikolaus Lauda selbst.

Ich vergebe für ein rundes, unterhaltsames, kurzweiliges und empfehlenswertes Leseerlebnis vor allem, aber nicht nur für Ruhrpott- und Austria-Afficionados 4,5 von 5 Punkten. Ich bin auf den nächsten Band gespannt: „Rache am Neusiedler See“ (erschienen am 24.08.2023).

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Lesenswerter Thriller

Wenn sie wüsste
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„Wenn sie wüsste“ gehört zu den Hype-Büchern des Sommers 2023 und wie üblich löst das in mir eine ambivalente Mischung aus Skepsis und Erwartung aus. Fazit: Hype berechtigt, das Buch ist wirklich sehr ...

„Wenn sie wüsste“ gehört zu den Hype-Büchern des Sommers 2023 und wie üblich löst das in mir eine ambivalente Mischung aus Skepsis und Erwartung aus. Fazit: Hype berechtigt, das Buch ist wirklich sehr gut und hat mich von Beginn an gefesselt.

Als Thriller deklariert, ist es dabei ein eher ruhiger Vertreter dieses Genres. Es ist durch die zahlreichen Andeutungen, subtilen Bedrohungen und undurchsichtigen Situationen dauerhaft mit einem spürbaren Spannungslevel geladen, ohne jedoch atemberaubend zu werden. Das meine ich durchweg positiv, auch Nicht-Thriller-Fans können diesem Buch etwas abgewinnen.

Auszug aus dem Klappentext: „Wenn ich dieses Haus verlasse, dann nur in Handschellen. Ich hätte weglaufen sollen, als ich noch die Möglichkeit hatte. Jetzt habe ich keine Chance mehr. Jetzt, da die Polizisten schon im Haus sind und entdeckt haben, was oben ist, gibt es kein Zurück.“

Worum geht es: Millie, aus deren Ich-Perspektive das Buch in Teil I geschrieben ist, versucht nach einem Gefängnisaufenthalt einen Neuanfang und wähnt sich mit einem Sechser im Lotto gesegnet, als sie als Hausmädchen bei der reichen Nina anfangen darf. Ein luxuriöses Haus, ein attraktiver Gärtner und ein noch attraktiverer Ehemann lassen sie über die launische Hausherrin und ihr verzogenes Kind hinwegsehen - zumal Millies Alternativen äußerst überschaubar sind. Verliert oder verlässt sie diesen Job, muss sie wieder in ihrem Auto schlafen. Da sind selbst die karge Dachkammer, die nur von außen abgeschlossen werden kann, und die Ausraster ihrer Chefin kein Grund zu gehen.

Nach und nach verdichten sich die Anzeichen, dass im Leben dieser Familie einiges im Argen liegt - doch die Plottwists, die dann kamen, habe ich so absolut nicht erwartet. Ich liebe Bücher, die mich überraschen - und das hat „Wenn sie wüsste“ definitiv geschafft. Deswegen will ich auch gar nicht zu viel verraten - lest selbst!‚

Ein spannendes, lesenswertes Buch, dem ich 4,5/5 Sternen gebe.

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Veröffentlicht am 14.06.2023

Goosens bestes Buch

Spiel ab!
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Natürlich bin ich bei der Bewertung eines Buches befangen, das von einem Autor stammt, dessen künstlerisches und literarisches Werk bereits seit Jahrzehnten zu meinen Favoriten zählt. Angefangen bei Tresenlesen ...

Natürlich bin ich bei der Bewertung eines Buches befangen, das von einem Autor stammt, dessen künstlerisches und literarisches Werk bereits seit Jahrzehnten zu meinen Favoriten zählt. Angefangen bei Tresenlesen (ich besitze Kassetten, jawohl, Kassetten der Liveprogramme der 90er Jahre) und später als Solokünstler habe ich Frank Goosen unzählige Male live gesehen (bzw. vor allem gehört) und zahlreiche seiner Bücher gelesen. Er war im Aufsichtsrat meines Lieblingsfußballvereins und vermag es wie kein anderer, die Schönheit des Ruhrpotts und insbesondere meiner Heimatstadt Bochum auf den Punkt zu bringen. Schön is’ dat nich’, aber meins - und woanders is’ auch scheiße!

„Spiel ab!“ Dreht sich wieder um die Kumpels Förster, Fränge und Brocki. Wir kennen sie bereits aus „Förster, mein Förster“, ihrem Roadtrip an die Ostsee, und „Kein Wunder“, dem Rückblick ins Berlin der Wendezeit. Diesmal werden die drei Trainer einer Jugendfußballmannschaft und wer auch nur minimal fußballinteressiert ist oder gar selbst Nachwuchs in einer solchen Mannschaft hat, wird seine Freude haben an den Erlebnissen der Quereinsteiger mit ihrem Team.

Goosen versteht es auf wunderbare Weise, Sprachwitz und eine ganz besondere Art Humor in die Geschichte einzubauen. Die Charaktere entwickeln eine ganz eigene Dynamik in den Dialogen, die ich in dieser Form von wenigen Autoren kenne. Es kommt das ganz spezielle Ruhrpott-Feeling rüber - authentisch, ohne anbiedernd zu sein. Goosen schafft es, Alltägliches besonders werden zu lassen. Es sind nicht die Begebenheiten selbst, die besonders spektakulär wären - durch den Blickwinkel der Protagonisten, die Würdigung der Details wird es erst ein Leseerlebnis.

Ich habe viel gelacht bei der Lektüre, oft gedacht „ja, so isses!“ und habe das Buch praktisch in einem Zug durchgelesen. Ich habe mir ausgemalt, welche Freude Fußballexperte Goosen bei der Entwicklung der Figur Förster gehabt haben muss - der hat nämlich mit Fußball gar nicht viel am Hut und wird nach und nach zum Insider, zitiert berühmte Trainer und wird von der Faszination des Amateur- und Jugendfußballs gepackt. Hier, wo das Herz noch zählt…

Musik spielt in Goosens Romanen stets auch eine wichtige Rolle und während ich im Fußball durchaus auf einem gewissen Level mitreden kann, lese ich staunend über die Fülle der musikalischen Anspielungen und Verweise hinweg - bis hin zum Mick Jagger-Fluch (den ich natürlich kannte), der den Brückenschlag zwischen Musik und Fußball vollendet.

Für mich ist „Spiel ab!“ eines der besten Bücher von Frank Goosen, das in der hier üblichen Sternebewertung eine 4,5/5 verdient.

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Veröffentlicht am 03.06.2023

Ich bin begeistert!

DAS ENDE – Dein letzter Tag ist gekommen
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Darum geht es: Menschen, die scheinbar nichts miteinander verbindet, werden vor laufender Kamera ermordet. Die ganze Welt kann ihnen dabei in einem Livestream zusehen. Für Europols Topermittler Inga Björk ...


Darum geht es: Menschen, die scheinbar nichts miteinander verbindet, werden vor laufender Kamera ermordet. Die ganze Welt kann ihnen dabei in einem Livestream zusehen. Für Europols Topermittler Inga Björk und Christian Brand beginnt die Suche nach dem Täter und dem roten Faden. Ausgerechnet ihre neue Chefetage macht es ihnen nicht leicht, denn sie will die Ermittlungen der beiden unbedingt öffentlich inszenieren.

Hier handelt es sich bereits um den vierten Teil der Reihe rund um die Europol-Ermittler Inga Björk und Christian Brand. „Das Ende“ habe ich in einem Tag verschlungen, ein echter Page-Turner!

Wie es für die Bücher von Jan Beck typisch ist, schreibt er die Geschichte gleich aus mehreren Perspektiven. Ich finde, es ist eine besondere Gabe, wenn man sich in viele verschiedene Personen so hineinversetzen kann, dass das Geschriebene glaubwürdig rüberkommt und garantiert für Gänsehautmomente sorgt. In diesem Buch hat mich besonders die Sicht der Seniorin Margarethe Stramm eingenommen und berührt.

Bis zum Schluss habe ich keine Verbindung gesehen und war gebannt vom Geschehen. Dabei ist für mich das Ermittlerduo unumstritten der Star der Geschichte. Inga Björk, die kein Gesicht vergisst, mit ihrer dunklen Vergangenheit und Christian Brand, mit seiner Risikobereitschaft und seinem Hang die Sachen anzupacken, haben nicht nur neue Seiten von sich gezeigt, sondern mich auch wieder total begeistern können. Eben weil sie nicht dem Standard entsprechen, um die Ecke denken können und durch ihre Ecken und Kanten eine Anziehungskraft haben, nicht nur mir gegenüber.

Die blutigen Sequenzen sind hier für meinen Geschmack wohldosiert und waren auch für mich gut erträglich. Trotzdem war ich das eine oder andere Mal geschockt und spürte ordentlich Thrill. Was Lesende außerdem bekommen, sind Spannung, Action, Überraschungen und somit beste Thrillerunterhaltung.

Am Ende gipfelt alles in einem Showdown, mit dessen Ausgang ich so nicht gerechnet hatte.

Einziger Kritikpunkt: Das Ende war zu kompliziert für mich und ich hatte schließlich einen Knoten im Kopf. Das trübte aber nur ein bisschen mein Leseerlebnis und fällt unter die Kategorie „Jammern auf hohem Niveau“. 4,5/5 Sternen

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Veröffentlicht am 05.05.2023

Zurück im Lilienpalais

Ein Graf auf Abwegen
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Wir sind zurück im Lilienpalais in München vor rund 200 Jahren. Diesmal erleben wir die Geschichte aus der Perspektive des Dienstmädchens Louisa und des Erbgrafen Maximilian von Seybach. Die Grundstory ...

Wir sind zurück im Lilienpalais in München vor rund 200 Jahren. Diesmal erleben wir die Geschichte aus der Perspektive des Dienstmädchens Louisa und des Erbgrafen Maximilian von Seybach. Die Grundstory ist schnell erzählt, der Graf verguckt sich in das Dienstmädchen, die seine Gefühle erwidert - doch kann ihre Liebe Standesgrenzen überwinden? Das Sujet ist natürlich alles andere als neu, aber die Umsetzung hat mir sehr gut gefallen.

Die Liebesgeschichte ist detailreich und authentisch gestaltet, noch besser als in Band 1. Ich konnte mit den beiden mitfühlen, mitfiebern und (etwas) mitleiden. Die Emotionen wirkten auf mich echt und nachvollziehbar. Im Verglich zu anderen historischen Stoffen, wie beispielsweise von Ken Follet, mutet Hannah Conrad (bzw. die dahinterstehenden Autorinnen) ihren Protagonisten weiterhin keine allzu großen Dramen zu. Das habe ich allerdings auch nicht vermisst (wie schon in Band 1), die Entwicklung der Liebesgeschichte allein und die Art, wie die Schwierigkeiten gemeistert wurden, hat für Lesegenuss gesorgt. Und ein kleiner Plotttwist, den ich so nicht erwartet hatte, ist auch dabei.

Insgesamt ist der Inhalt von „Ein Graf auf Abwegen“ relevanter als der erste Teil der Reihe. Standesunterschiede, Armut, Krankheiten und ihre Lösungen, persönliche Entfaltung und Erwartungen der Gesellschaft, die Folgen unehelicher Schwangerschaften - während sich Band 1 noch stark um die bessere Gesellschaft von München und ihre kleinen und großen (empfundenen) Dramen drehte, wird es nun anspruchsvoller und konkreter. Was die Protagonisten denken und tun hat mich mehr berührt, als es bei Johanna und Alexander in „Eine fast perfekte Debütantin“ war - allerdings erst im Rückblick. Ich bin mir sehr bewusst, welches Glück und Privileg es ist, in der westlichen Welt geboren worden zu sein - und dass ich im 21. und nicht im 19. Jahrhundert lebe. Auch wenn es hier und da im Buch bei der Unterscheidung zwischen arm und reich etwas zu schwarz/weiß dargestellt ist.

Die Liebesszenen sind weitaus expliziter als im ersten Band, ohne ins Pornografische abzudriften. Dass es nicht bei vagen, züchtigen Andeutungen bleibt, sondern das Geschehen detailliert beschrieben wird, empfand ich ebenfalls als schöne Steigerung.

Dass Hannah Conrad“ keine real existierende Autorin ist, sondern aus den vier Autorinnen Laila El Omari, Frieda Bergmann, Monika Pfundmeier und Persephone Haasis besteht, hatte ich bereits in der ersten Rezension erwähnt und mich gefragt, ob je eine von ihnen einen der vier Bände verfasst hat. Die Antwort habe ich nicht recherchiert, sehe meine These aber nach Lektüre des zweiten Bandes erhärtet - ich hatte das starke Gefühl, hier einen anderen Schreib- und Erzählstil vor mir zu haben.

Nachdem Band 1 von mir 4 Sterne bekam, muss Band 2 natürlich höher bewertet werden - 4,5 Sterne gibt es von mir. Band 3 (mit Maximilians Schwester Isabella und Nachbarsohn Leopold in den Hauptrollen) erscheint in Kürze, meine Rezension bestimmt auch. Auch hier mit dem Disclaimer, dass man natürlich eine gewisse Offenheit für Adelsromanzen und historische Stoffe mitbringen muss.

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