Profilbild von bookloving

bookloving

Lesejury Star
offline

bookloving ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bookloving über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.08.2023

Beeindruckende Autobiografie

Die Zeitreisende
0

MEINE MEINUNG
Anlässlich ihres im Juli anstehenden 60. Geburtstags nimmt uns die international erfolgreiche Grande Dame des Chansons Ute Lemper in ihrer Autobiografie „Die Zeitreisende“ tatsächlich mit ...

MEINE MEINUNG
Anlässlich ihres im Juli anstehenden 60. Geburtstags nimmt uns die international erfolgreiche Grande Dame des Chansons Ute Lemper in ihrer Autobiografie „Die Zeitreisende“ tatsächlich mit auf eine höchst spannende Reise „Zwischen Gestern und Morgen“ und beschert uns einen aufschlussreichen Blick auf ihr ereignisreiches Leben und ihre eindrucksvolle Karriere als eine gefeierte Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin mit einem beeindruckend umfangreichen Repertoire. Als Musicaldarstellerin, Showstar und Chanson-Interpretin genießt sie weltweit höchste Anerkennung.
Ute Lemper blickt zurück auf die vielen Stationen ihres künstlerischen und privaten Lebens, gewährt uns überraschend persönliche Einblicke auf die Höhen und Tiefen und erzählt über persönliche Glücksmomente, Enttäuschungen, Kummer und Sehnsüchte. Die vielfältigen Einblicke in ihre Erfahrungen und Bewältigung der Herausforderungen zeigen auf faszinierende Weise auf, wie sie zudem dank harter Arbeit, ihrem großen Talent und ungebrochenem Engagement zu der Ausnahmekünstlerin wurde, die sie heute ist. Hierbei spart sie auch einige traumatische Situationen in ihrem Leben nicht aus und lässt uns an zutiefst menschlichen, verletzlichen Aspekten teilhaben, die über das von den Medien über sie als Powerfrau und emanzipierte Femme Fatale portraitierten Glamourbildes hinausgehen und eher die Realität abbilden.
Die melancholisch-kraftvolle Stimme von Ute Lemper spiegelt sich auch in ihrem oft poetischen, variantenreichen und ausdrucksstarken Schreibstil. Mühelos konnte ich sie mir als sanft- verführerische Diva im Marlene Dietrich-Styling mit einem Glas in der Hand lasziv auf einem Barhocker sitzend vorstellen und zugleich in ihre Lebenserinnerungen eintauchen.
Die herausragende Ausnahme-Künstlerin spricht sehr offen und ungeschönt über die Anfänge ihrer Karriere in den 80er-Jahren, ihre großen und kleinen Erfolge, die Herausforderungen ihres Nomadenlebens, ihre spannenden künstlerischen Projekte aber auch herben Rückschläge im Laufe ihrer langen Karriere, während sie gleichzeitig ihre Rolle als Mutter von vier Kindern auszubalancieren hatte. Es ist aber auch ein faszinierender Blick zurück auf eine bewegte Zeitgeschichte mit bedeutsamen zeitgeschichtlichen Erlebnissen und politischen Geschehnissen, an die auch wir uns zurückerinnern können.
Spannend sind ihre Schilderungen über wichtige künstlerische Begegnungen und Zusammenarbeit mit vielen berühmten Künstler*innen aus verschiedensten Ländern und Kontinenten, bei denen sich oft neue kreative Richtungen und inspirative Projekte ergaben.
Besonders beeindruckend fand ich die eingefügten Passagen aus ihrer ersten Autobiografie „Unzensiert“, die im Jahre 1995 erschienen ist. Hier erleben wir eine faszinierende Gegenüberstellung von Vergangenheit und Gegenwart, die sich deutlich in Sprache und Emotionalität unterscheidet. Sehr aufschlussreich ist es, die damals so enthusiastischen und leidenschaftlichen Schilderungen zu Beginn ihrer Karriere zu lesen, über die Häme und ungnädigen, verletzenden Kritiken durch die deutsche Presse zu erfahren und kommentierend Lempers retrospektive, reife und deutlich abgeklärtere Sichtweise auf die Vergangenheit und Neubewertung der Geschehnisse und ersten Erfolge aber auch der Persönlichkeit ihres jüngeren Ichs mitzuerleben.
Im Laufe der fesselnden literarischen Zeitreise macht sie sich schließlich auch Gedanken über die Weltgeschichte und parallele historischen Ereignisse in einer sich immer schneller verändernden Welt.
Abgerundet wird die interessante Autobiografie im Mittelteil mit sehr stimmungsvoll zusammengestellten Fotografien der Künstlerin aus ihren vergangenen künstlerischen Schaffensphasen, die ihre Entwicklung so anschaulich dokumentieren.

FAZIT
Eine interessante literarische Reise durch das Leben einer beeindruckenden Künstlerin mit bewegter Vita und faszinierenden Persönlichkeit sowie ein eindrucksvolles Dokument unserer Zeitgeschichte.
Nicht nur für Ute Lemper Fans eine mitreißende Lektüre!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.08.2023

Berührende, tiefsinnige Erzählung

Die Erinnerungsfotografen
0

MEINE MEINUNG
Für ihren originellen und wundervoll warmherzigen Roman „Die Erinnerungsfotografen“ hat die japanische Autorin Sanaka Hiiragi eine berührende und nachdenklich stimmende Geschichte ersonnen, ...

MEINE MEINUNG
Für ihren originellen und wundervoll warmherzigen Roman „Die Erinnerungsfotografen“ hat die japanische Autorin Sanaka Hiiragi eine berührende und nachdenklich stimmende Geschichte ersonnen, die mich mit ihrer poetisch-mystischen Note und tiefgründigen Botschaft rasch gefangen genommen hat.
In drei sehr einfühlsam erzählten Episoden nimmt uns die Autorin an einen faszinierenden Ort, der eine Art Zwischenreich darstellt, in das man kurz nach dem irdischen Ableben übergangsweise gelangt, bevor man sich auf den endgültigen Weg ins Reich der Toden begibt. Hier haben die Verstorbenen die Möglichkeit, ihre kostbarsten Emotionen und glücklichsten Erinnerungen aufleben und so ihr Leben noch einmal Revue passieren zu lassen. Im Mittelpunkt steht der liebenswürdige Erinnerungsfotograf Hirasaki, der Verstorbene in seinem gemütlichen Fotoatelier willkommen heißt und ihnen dabei hilft, sich zu erinnern und Ungelöstes zu klären, um sich endgültig von der irdischen Welt verabschieden zu können. Mit Hilfe von für jedes Lebensjahr ausgewählten Fotos sollen die Gäste von Herrn Hirasaki bedeutungsvolle Stationen ihres Lebens in einer Art Kaleidoskop rekonstruieren und können so schließlich in Frieden ihre letzte Reise ins Jenseits antreten.
Der feinfühlige Schreibstil mit seiner Leichtigkeit und der richtigen Prise Humor lässt eine außergewöhnliche Atmosphäre mit viel japanischem Flair entstehen.
Ob nun die betagte Kindergärtnerin, das ermordete Yakuza-Mitglied oder das vernachlässigte Mädchen – mit feinen Strichen fängt die Autorin die Lebensschicksale und Persönlichkeiten dieser so unterschiedlichen Menschen ein und bringt uns ihre jeweilige Vorgeschichte eindringlich nahe. Der Autorin gelingt es hervorragend, uns aufschlussreiche Einblicke in die spirituellen Hintergründe der japanischen Kultur zu vermitteln und insbesondere den besonderen Umgang mit dem Tod in der japanischen Gesellschaft, der tief in Traditionen und religiösem Aberglauben verwurzelt ist, näher zu bringen.
Die beeindruckende Schlichtheit und die sorgsam durchdachte Inszenierung der tiefsinnigen Geschichte mit ihren subtilen Details und vielen Lebensweisheiten versprühen einen ganz einzigartigen Charme.
Nach einer überraschenden Wendung fügt sich am Ende alles zu einem logischen, stimmigen Ganzen zusammen. Der tröstliche Ausklang und die wundervolle Botschaft dieses recht kurzen, aber sehr bewegenden Werks über die Kunst des glücklichen Erinnerns konnten mich sehr begeistern.


FAZIT
Eine berührende, einfühlsam erzählte Geschichte über geglücktes Leben, die Schönheiten des Alltags und die friedvolle Reise ins Jenseits mit hochinteressanten Einblicken in die japanische Spiritualität und Kultur.
Für Liebhaber von eher leisen Geschichten sehr empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.04.2023

Ein sehr beeindruckender Roman

Sibir
0

MEINE MEINUNG
In ihrem neuen Roman „Sibir“ widmet sich die deutsche Autorin Sabrina Janesch einem wenig bekannten, vergessenen Kapitel deutsch-russischer Geschichte.
Hunderttausende deutschstämmige Zivilisten ...

MEINE MEINUNG
In ihrem neuen Roman „Sibir“ widmet sich die deutsche Autorin Sabrina Janesch einem wenig bekannten, vergessenen Kapitel deutsch-russischer Geschichte.
Hunderttausende deutschstämmige Zivilisten aus den Ostgebieten wurden 1945 nach Ende des 2. Weltkriegs von der Sowjetarmee in die kasachische Steppe nach Sibirien verschleppt. Viele von ihnen durften erst 1955 gemeinsam mit den Kriegsgefangenen aus den Gulags nach Deutschland heimkehren.
Zugleich spürt Janesch ihrer eigenen Familiengeschichte nach, denn das Schicksal der Deportation nach Sibirien ist auch ihrem Vater und seiner Familie widerfahren. Nach ihrer Heimkehr nach Deutschland blieben die Aussiedler in ihrem eigenen Land Fremde, gehörten nie wirklich dazu und wurden als „Russen“ ausgegrenzt.
So finden sich in ihrer sehr bewegenden, teilweise fiktiven Familiengeschichte, die sich über mehrere Generationen erstreckt, auch viele autobiografische Bezüge und aufschlussreiche Elemente ihres eigenen Erlebens.
Mitreißend und bildgewaltig erzählt Sabrina Janesch in ihrem vielschichtigen Roman die Geschichte zweier Kindheiten, einmal die des jungen Josef Ambacher in Zentralasien nach dem Zweiten Weltkrieg und zum anderen die seiner Tochter Leila, die viele Jahre später in den 90ger Jahren in Norddeutschland mit diesem „Anderssein“ aufwächst. Dabei verwebt sie diese beiden Erzählebenen virtuos miteinander, lässt die Geschichten ineinanderfließen und beleuchtet anschaulich ihre Parallelen.
Gekonnt stimmt uns Janesch in ihrer einfühlsam und eindringlich geschilderten Rahmenhandlung in die Ausgangslage ein, die mich mit ihrer Intensität rasch in ihren Bann gezogen hat.
Dem plötzlich vor sich hinsprechenden Vater der Protagonistin und Ich-Erzählerin Leila wird die Diagnose Demenz gestellt. Offenbar hat Josef mit den Stimmen der Vergangenheit von einem entlegenen Ort in der kasachischen Steppe zu kämpfen. Quälende Erinnerungen an bedrückende Geschehnisse und verdrängte Schuldgefühle brechen hervor, während andere Erinnerungen in einem zähen Nebel auf immer ins Vergessen zu entgleiten drohen. Leila beschließt, die alten Geschichten ihres Vaters aufzuschreiben und ihre Leerstellen zu rekonstruieren, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Zugleich versucht sie dieses wichtige „Erbe“ ihres Vaters an sie festzuhalten und dem Ganzen ihre eigene Stimme entgegen zu setzen.
Man spürt beim Lesen sehr deutlich die vielfältigen persönlichen Bezüge der Autorin zum Thema und Verbundenheit zu ihrer Familie.
Auf den meisterlich komponierten Erzählebenen gewährt uns Janesch Einblicke in ein bewegendes Familienschicksal, das auch die Nachfahren nachhaltig geprägt hat. Zugleich erzählt sie eindrücklich über Verdrängen, über Generationen weitergereichte Traumata, über die Suche nach Heimat und die Bedeutung des Miteinanderredens. Durch einen Wechsel der Handlungsstränge und den verschiedenen Schauplätzen wird der Spannungsbogen allmählich immer mehr gesteigert.
Hervorragend gelungen ist der Autorin auch die einfühlsame, vielschichtige Zeichnung ihrer faszinierenden Charaktere, die sehr authentisch und lebendig wirken.
Mich persönlich haben vor allem die Schilderungen des Überlebenskampfs in der unwirtlichen Steppe und des unvorstellbar harten Alltagslebens der verschleppten Zivilgefangenen in Kasachstan beeindruckt. Sehr gelungen sind auch die Einblicke in die nomadische Kultur und die beeindruckenden Schilderungen der Wildnis und der Naturgewalten.

FAZIT
Eine äußerst bewegende Familiengeschichte und ein faszinierender Roman über ein wenig bekanntes Kapitel deutsch-russischer Geschichte – grandios komponiert und eindrucksvoll erzählt!
Ein absolutes Lesehighlight!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.04.2023

Hochinteressanter autobiografischer Roman

Das glückliche Geheimnis
0

MEINE MEINUNG
Bei dem neuen Roman „Das glückliche Geheimnis" des mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichneten österreichischen Schriftstellers Arno Geiger handelt es sich um ein autobiografisches Werk, ...

MEINE MEINUNG
Bei dem neuen Roman „Das glückliche Geheimnis" des mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichneten österreichischen Schriftstellers Arno Geiger handelt es sich um ein autobiografisches Werk, in dem er sehr persönliche, bemerkenswert ehrliche und höchst aufschlussreiche Einblicke in sein Leben gibt.
Hierin blickt er auf sein nunmehr 25jähriges, bewegtes Schriftstellerleben zurück und offenbart uns hierin ein Geheimnis, das er jahrzehntelang beinahe schamvoll geheim gehalten hat, obwohl es ihn anfangs als junger Autor quasi über Wasser gehalten, inspiriert, körperlich ertüchtigt und oftmals richtig glücklich gemacht hat. Eindringlich, selbstironisch und mit erfrischender Offenheit berichtet er uns über sein „schmutziges Montagsgewerbe", seine große Leidenschaft und sein erstaunliches Doppelleben. „Hier das Leben als öffentliche Person. Dort das Leben als Lumpensammler in den Straßen Wiens. Meine neue Normalität.“
Seine Touren führten ihn zu den Altpapiercontainern Wiens, um das, was andere für Wertlos hielten und wegwarfen, zu retten und dem Vergessen zu entreißen. Seine Sammlung von Büchern, Briefkonvoluten, Tagebüchern und Postkarten wurde eine Ressource seiner Arbeit und hat sein eigenes Werk nachhaltig beeinflusst. Äußerst spannend ist es zu erfahren, wie aus den weggeworfenen Fundstücken, insbesondere Lebensberichten völlig fremder Menschen, neue Einsichten erlangen, kreative Anregungen für neue Geschichten herausziehen konnte und dieses Material in seine Werke einfließen ließ.
„Meine künstlerische Entwicklung wurde nicht nur von Weltliteratur vorangetrieben, sondern ganz wesentlich auch von Abfall, von Hingeschmiertem und Verworfenem.“
In seinen Rückblicken gewährt uns der Autor sehr persönliche Einblicke in sein Privatleben, seine chaotische Liebesbeziehungen aber auch seinen spannenden schriftstellerischen Werdegang, der keineswegs einfach war. So lässt er uns Anteil nehmen an seinen erfolglosen Anfängen als Schriftsteller, seinen Selbstzweifeln und Existenzängsten, bis hin zu seinen ersten Erfolgen.
Gekonnt lässt er ebenfalls aufschlussreiches Hintergrundwissen über seine früheren Romane in seine Geschichte einfließen, was mich sehr neugierig auf seine früheren Romane gemacht hat.
FAZIT
Ein hochinteressanter autobiografischer Roman, in dem der Autor nicht nur über sein bisher geheimes Leben erzählt, sondern uns auch spannende Einblicke in seine Werke gibt – unterhaltsam, selbstironisch und sehr persönlich!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.04.2023

Farbenprächtiger historischer Roman

Florentia - Im Glanz der Medici
0

MEINE MEINUNG
Nach ihrem großartigen Debüt „Raffael - Das Lächeln der Madonna“ hat die deutsche unter dem Pseudonym Noah Martin schreibende Kunsthistorikerin, Verlagslektorin und Autorin mit „Florentia ...

MEINE MEINUNG
Nach ihrem großartigen Debüt „Raffael - Das Lächeln der Madonna“ hat die deutsche unter dem Pseudonym Noah Martin schreibende Kunsthistorikerin, Verlagslektorin und Autorin mit „Florentia – Im Glanz der Medici“ einen neuen fesselnden historischen Roman vorgelegt.
Gekonnt nimmt uns Martin auf eine Reise in die schillernde, bewegte Zeit der Renaissance in Italien, die zugleich durch grausame Eroberungskriege, Intrigen, Korruption und Mordkomplotte gekennzeichnet war. Diese kulturhistorisch faszinierende Epoche, in deren Blütezeit unzählige einzigartige Kunstwerke, grandiose Bauwerke und bedeutende Gemälde geschaffen wurden, war auch eine Epoche des steten Wandels, die nicht nur Adeligen, sondern auch normalen Bürgern wie Bankiers und Künstler gesellschaftlichen Aufstieg und beachtlichen Wohlstand bescherte.
Dank des lebendigen, anschaulichen Schreibstils tauchen wir rasch ein in die glanzvolle Kulisse des opulenten Florenz der Medici ein und erleben eine mitreißend erzählte, wendungsreiche Geschichte um erbitterte Machtkämpfe, ein skrupelloses Komplott und eine beinahe aussichtslose Liebesgeschichte. Zur besseren Orientierung im historischen Florenz findet sich eine hübsche, farbig illustrierte Karte der Stadt mit den wichtigsten Schauplätzen der Geschichte.
In Anlehnung an historische Quellen entwirft Martin ein äußerst prächtiges und glaubhaftes Bild jener Zeit, in der viele Männer aber auch Frauen Großes geleistet haben. Ihr ist es hervorragend gelungen, ein facettenreiches Sittengemälde jener Zeit zu zeichnen. So erhalten wir neben anschaulich vermittelten kunsthistorischen Details und sorgfältig recherchierten historischen Fakten auch aufschlussreiche Einblicke in die komplexen politischen Verwicklungen, das damalige Alltagsleben sowie die alltäglichen Ängste, Sorgen und Nöte der Menschen.
Die Autorin hat die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Handlung über eine Zeitspanne von 10 Jahren angelegt, in die zahlreiche spannende Hintergrundgeschichten eingewoben sind. Die verschiedenen Erzählstränge und häufigen Szenenwechsel sorgen für viel Abwechslung und lassen die Spannung zunehmend ansteigen.
Im Mittelpunkt des Romans steht die berühmte Familie de Medici in Florenz, die als erfolgreiche Bankiersfamilie ein faszinierendes, unglaublich erfolgreiches Familienunternehmen leiteten und über lange Zeit ihre unangefochtene Machtstellung in der Stadtrepublik bewahren und stärken konnten. Mit Lorenzo, dem Prächtigen lernen wie das wohl berühmteste Mitglied der Medici besser kennen, der sich mit großem Ehrgeiz, seiner Begabung als genialen Politiker und uneingeschränkter Opferbereitschaft den Bankgeschäften widmete. Hautnah sind wir dabei, wie die Familie immer wieder gegen die vielen Intrigen, politischen Widerstände, drohende Kriege und hinterlistige Verschwörungen anzukämpfen hat, um die Vorherrschaft in der Signoria und ihren politischen Einfluss zu halten. Dabei mussten sich auch die übrigen Familienmitglieder insbesondere Giuliano als Zweitgeborener immer wieder mit einbringen und sich unter Verzicht auf persönliche Belange den familiären Interessen unterordnen, so dass auch heftige Streitigkeiten nicht ausblieben. Anschaulich widmet sich die Autorin dem engen, vertrauensvollen, aber nicht immer harmonischen Verhältnis zwischen Lorenzo und seinem jüngeren Bruder Giuliano. Sehr fesselnd ist es aus einer weiteren Perspektive mitzuerleben, wie die Pazzis als zweitmächtigste Familie von Florenz und erbitterte Widersacher der Medici geschickt Zwietracht säen und ein undurchsichtiges Netz an Intrigen spinnen, mit dem Ziel, die Medici durch einen großen hinterlistigen Komplott endgültig zu stürzen und die Macht an sich zu reißen.
In einem weiteren Handlungsstrang lernen wir als eine weitere historische Persönlichkeit die ehrgeizige junge Fioretta Gorini kennen, die als Tochter des Medici-Leibarztes im Haushalt der Familie aufwächst und sich aufgrund ihrer Talente vorgenommen hat, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen und Malerin zu werden. Ihre heimliche Liebe zum jungen Giuliano Medici steht aufgrund der Standesunterschiede allerdings unter keinem guten Stern. Fioretta, über die in den Geschichtsbüchern leider wenig überliefert ist, steht stellvertretend für viele bedeutende Künstlerinnen der Renaissance, deren außergewöhnliche Leistungen hinter dem Ruhm ihrer männlichen Künstlerkollegen kaum gewürdigt und meist völlig in Vergessenheit gerieten. Des Weiteren spielen in der Geschichte mit Leonardo da Vinci und Sandro Botticelli auch die beiden berühmten Schüler aus der Werkstatt von Andrea Verrocchio eine wichtige Rolle, die damals als junge Künstler noch am Anfang ihrer Karriere standen. Äußerst spannend ist es dem jungen Leonardo und seiner Sicht auf die Welt zu begegnen, der seinen Weg in der Kunst aber auch in der Liebe noch nicht gefunden hat. Besonders gut haben mir die Passagen gefallen, in denen wir die Erstellung von Kunstwerken wie beispielsweise einiger bekannter Gemälde miterleben und sehr anschaulich künstlerische Stilmittel bezüglich Komposition, Lichtwirkung oder Studien zur Perspektive erläutert bekommen.
Im Laufe der vielschichtigen Handlung begegnen wir vielen fiktiven Figuren und bekannten historisch verbürgten Persönlichkeiten. Die zahlreichen Charaktere sind allesamt mit ihren Stärken und Schwächen vielschichtig ausgearbeitet und wirken sehr authentisch. Glücklicherweise ist dem Roman neben einem Stammbaum der Familie Medici mit dem “Dramatis personae“ ein umfangreiches Personenverzeichnis vorangestellt, so dass man stets den Überblick behält. Wie Martin in ihrem interessanten Nachwort erläutert, hat sie sich weitgehend an die übermittelten historischen Fakten gehalten, hat sich aber auch einige künstlerische Freiheiten bei der Ausgestaltung ihrer Geschichte und der Figuren genommen.
Geschickt verknüpft die Autorin die verschiedenen Handlungsfäden zu einer hochspannenden Geschichte, die schließlich in einem dramatischen Finale gipfelt.

Dieser sehr gelungene historische Roman hat mich nicht nur neugierig auf die Werke der außergewöhnlich talentierten Künstler aus der Renaissance gemacht, sondern auch auf das beeindruckende Wirken und bewegende Schicksal der mächtigen Medici in Florenz, so dass ich mich gerne hierzu noch weiter belesen möchte.

FAZIT
Ein beeindruckender, fesselnder historischer Roman über die Medici in Florenz zu Zeiten der Renaissance – eine facettenreiche, unterhaltsame und äußerst lehrreiche Geschichte, mitreißend erzählt und hervorragend recherchiert. Sehr lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere