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Veröffentlicht am 10.09.2023

Ein Hakawati erzählt

Wenn du erzählst, erblüht die Wüste
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Der weise König Salih beherrscht im 19. Jahrhundert ein arabisches Land. Seine Tochter ist verliebt in einen armen Fischer und verfällt in tiefe Melancholie, weil sie sich am Tod ihrer Mutter schuldig ...

Der weise König Salih beherrscht im 19. Jahrhundert ein arabisches Land. Seine Tochter ist verliebt in einen armen Fischer und verfällt in tiefe Melancholie, weil sie sich am Tod ihrer Mutter schuldig fühlt. Kaffeehauserzähler Karam will die Prinzessin mit Geschichten heilen. Jeden Abend wird von ihm und anderen Personen im Palast von Mut und Feigheit, Freund- und Feindschaft, Liebe und Weisheit des Herzens erzählt. Diese Hommage ans Erzählen erinnert an „Tausendundeine Nacht“; das Hörbuch wird gesprochen von Wolfgang Berger.
Das Cover erinnert mit seinen bunten Kacheln sofort an den Orient; Wolfgang Berger spricht langsam und ausdrucksvoll und versetzt den Hörer zurück in eine ferne Zeit. Dennoch ist es dem Autor gelungen, die Geschichten in die heutige Zeit zu „übersetzen“ und zu modernisieren. Viele Anspielungen in Fabeln und anderen Anekdoten erinnern durchaus an gegenwärtige Zustände und kritisieren diese. König Salihs Herrschaftsgebiet ist ein fiktives Land im arabischen Raum, in dem Personen verschiedener Glaubensbekenntnisse friedlich zusammenleben; Händler und Gelehrte, Bettler und Handwerker – alle vertragen sich. Im Gegensatz dazu sind die sechs Nachbarländer alle untereinander zerstritten.
Die Geschichten in diesem Buch sind unterschiedlich lang, doch jede einzelne von ihnen ist sehr aussagekräftig. Sie stellen nicht nur schlechte Herrscher, sondern auch betrügerische Glaubensmänner an den Pranger. Immer wieder spielen Frauen eine Hauptrolle; es sind starke und kluge Personen, die sich durchaus selbst verteidigen können und sich frei bewegen dürfen.
Durch die Vielfalt der Geschichten eignet sich das Hörbuch hervorragend zum mehrmaligen Hören. Ein paar Minuten reichen, um wieder zum lauschenden Kind zu werden.

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Veröffentlicht am 27.08.2023

La Gioconda im Paris der Lichter und der Schatten

Die Erfindung des Lächelns
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Als 1911 Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ aus dem Louvre gestohlen wird, beginnt eine aufregende Jagd im Paris der Belle Époque. Trotz Straßensperren durch den Polizeipräfekten bleibt „La Joconde“ verschwunden ...

Als 1911 Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ aus dem Louvre gestohlen wird, beginnt eine aufregende Jagd im Paris der Belle Époque. Trotz Straßensperren durch den Polizeipräfekten bleibt „La Joconde“ verschwunden und Kommissar Juhel Lenoir steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe.
Die Jagd führt in Künstlercafés auf dem Montmartre, in Spelunken an der Place Pigalle, in die Opéra Garnier und an andere Pariser Schauplätze. Man trifft auf den Maler Picasso, den Dichter Apollinaire, die Ausdruckstänzerin Duncan, und andere Künstler, auf den Satanisten Crowley, die Anarchisten der Bonnot-Bande und auf Bertillon, Frankreichs größten Detektiv, und erkennt dadurch in diesem historischen Roman ein eigenes Gemälde.
Das Bild auf dem Cover zeigt die Terrasse eines Cafés zur Zeit der Belle Époque in Paris und versetzt den Leser sofort in die passende Atmosphäre. Eingerahmt von geheimnisvollem Prolog und aussagekräftigem Nachwort, umfasst der historische Roman Kapitel in angenehmer Länge, die in einem sehr einnehmenden Schreibstil verfasst sind. Auf einige Passagen, die in nüchterner Sprache verfasst sind, folgt meist eine Pointe; Auszüge aus Vernehmungsprotokollen oder Zeitungsartikeln in anderer Schriftart unterstreichen die Authentizität des Geschichte.
In voneinander getrennten Erzählsträngen informiert der Autor von den Geschehnissen im Paris jener Zeit. Immer wieder gelingt es ihm dabei auf überaus geschickte Weise, die Protagonisten unterschiedlicher sozialer Schicht und Nationalität – zufällig oder gewollt – aufeinandertreffen zu lassen. Er gibt deren Gedanken wieder, baut unerwartete Handlungen und Wendungen ein, die das Buch zu einem sehr unterhaltsamen Katz-und-Maus-Spiel werden lassen. Humor und Ernst, Beschaulichkeit und Brutalität halten einander dabei sehr gut durchdacht die Waage; die Rivalität zwischen Präfektur und Sûreté nationale, der Klassenkampf und das Ringen junger Künstler um Anerkennung finden ebenso ihren Platz in diesem recht intelligent verfassten Werk, das in all seiner Turbulenz wirklich Unterhaltung auf sehr hohem Niveau bietet.

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Geschichte humorvoll vermittelt

Wikinger
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John Haywood hat als Experte für mittelalterliche Geschichte schon etliche Bücher über Wikinger veröffentlicht. Dieser außergewöhnliche Karriereführer versetzt den Leser ins 10. Jahrhundert und beantwortet ...

John Haywood hat als Experte für mittelalterliche Geschichte schon etliche Bücher über Wikinger veröffentlicht. Dieser außergewöhnliche Karriereführer versetzt den Leser ins 10. Jahrhundert und beantwortet Fragen zur siegreichen Karriere als Pirat, Räuber und Plünderer.
Bereits Titel, Untertitel und die Abbildung eines Wikingers in seiner Kampfausrüstung am Cover bereiten den Leser – etwas - auf den Inhalt vor. Wie humorvoll und kurzweilig man diesen Geschichtsabschnitt allerdings vermitteln kann, erwartet man nicht sofort; selbst trockene historische Daten werden unterhaltsam erklärt. Der Ratgeber ist im Jahr 992 angesetzt. Interessierte erfahren alles über das Leben als Wikinger – mit allen Vor- und Nachteilen. Gesellschaftliche Hierarchien, Sitzordnung bei Festmählern, Checkliste für Waffen, sogar eine Sternebewertung für die Reiseziele der Plünderer findet seinen Platz.
Der Autor spricht die Leser direkt an, stellt relevante Fragen und gibt aussagekräftige Antworten; daraufhin kann der Leser selber entscheiden, ob er überhaupt dazu taugt, ein erfolgreicher Plünderer zu werden. Die zehn Kapitel sind jeweils von passenden Zitaten eingeleitet; zahlreiche schwarz-weiß-Abbildungen erläutern das Geschriebene; optisch vom Text abgehoben befinden sich in grau hinterlegten Kästchen Tipps (auch zur Handhabung des Buchs) und Zitate aus alten Texten, wie z.B. Sagas. Der informative Anhang beinhaltet eine Landkarte der Wikingerwelt und ein Glossar, sowie die Quellenangabe, einen Stichwortindex und einen Bildnachweis.
Insgesamt verdient dieser kurzweilige Ratgeber eine absolute Leseempfehlung. Schön, dass man Geschichte auch humorvoll in ein lehrreiches Werk verpacken kann.

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Pizza – verständlich und mit viel Liebe erklärt

PIZZA CON AMORE
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Die Tortora-Brüder Angelo und Roberto führen in Baden-Baden das „´87 Mamma Lina“ und verraten in diesem Buch nicht nur das Rezept für den perfekten Teig, sondern auch für die verschiedenen Arten von Belag. ...

Die Tortora-Brüder Angelo und Roberto führen in Baden-Baden das „´87 Mamma Lina“ und verraten in diesem Buch nicht nur das Rezept für den perfekten Teig, sondern auch für die verschiedenen Arten von Belag. Dabei beschränken sie sich nicht nur auf die Tradition aus Neapel, sondern variieren auch mit regionalen Zutaten.
Das Cover ist appetitlich und ansprechend – kein Wunder, dass bereits ein Stück der abgebildeten Pizza in der aufgeklappten Schachtel fehlt. Auch innerhalb des Buches findet man zahlreiche hochwertige Fotos der Rezepte. Außerdem gibt es einen Einblick in die Familiengeschichte, die das italienische Lebensgefühl noch unterstreicht.
Die Rezepte reichen von herzhaft bis süß, auch vegetarische Varianten gibt es; dazu werden unterschiedliche Pizzasoßen vorgestellt. Die Rezepte sind Schritt für Schritt – auch mit Bildern – erklärt, mit Zutatenliste und hilfreichen Tipps. Die verwendeten Mehlsorten werden ebenso vorgestellt; diese sind im lokalen Handel oft nicht leicht erhältlich, durch die genauen Beschreibungen kann man aber gut improvisieren.
Das Buch ist jedem zu empfehlen, der sich vom Verzehr der Tiefkühlpizzas verabschieden will – Sie werden es nicht bereuen! Und wer sich trotz der detaillierten Beschreibungen immer noch nicht traut, köstliche Pizzen selber zu backen, dem sei das Buch als kleiner Urlaub nach Italien empfohlen – Sehen Sie sich einfach die großartigen Fotos an und fühlen Sie die große Portion „Amore“, die in diesem Werk steckt!

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Veröffentlicht am 01.08.2023

Ein Foto zeigt niemals die Wirklichkeit

Paradise Garden
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Das Leben der 14-jährigen Billie in einer Hochhaussiedlung ist zwar materiell eingeschränkt, doch ihre Mutter Marika schafft es mit ihrer Fantasie, das Leben schön und bunt zu gestalten. Bis die Großmutter ...

Das Leben der 14-jährigen Billie in einer Hochhaussiedlung ist zwar materiell eingeschränkt, doch ihre Mutter Marika schafft es mit ihrer Fantasie, das Leben schön und bunt zu gestalten. Bis die Großmutter aus Ungarn anreist und sich plötzlich alles verändert. Da sie ihre Mutter nicht mehr nach ihrem Vater fragen kann, macht sich Billie mit dem alten Nissan allein auf den Weg ans Meer, vom dem sie zwar oft geträumt hatte, aber noch nie dort gewesen war.
Das Cover – typisch für Diogenes – ist schlicht und sehr ansprechend; es zeigt das Porträt einer jungen Frau. Ich-Erzählerin Billie gibt ihre Geschichte in Kapiteln mit angenehmer Länge wieder, vor allem aber in einer großartigen Sprache. Einerseits teils ihrem Alter entsprechend, andererseits sehr literarisch. Der Schreibstil der Autorin ist sehr bildhaft, bringt dem Leser auch Details aus dem Leben der Kleinfamilie näher – und diese umfassen durchaus auch ernste Themen. Dennoch liegt eine gewisse Leichtigkeit in den Wörtern. Die Geschichte wird von Anfang bis Ende großartig und unterhaltsam erzählt; mit viel Herz, aber auch Humor.
Das Mädchen auf der Suche nach ihren Wurzeln ist sehr sympathisch gezeichnet. Genau wie ihre Mutter, die Lösungen für Probleme findet, die andere gar nicht haben; der Freiheit über alles geht, und die aus genau diesem Grund Zigaretten nur zur Hälfte raucht. Elena Fischer erzählt die Geschichte dieser ungewöhnlichen Frauen mit viel Empathie. Charaktere und Handlung sind wie aus dem Leben gegriffen und selbst Geschehnisse, die einem nicht ganz glaubhaft erscheinen mögen, könnten nicht besser in diesen Roman passen, weil sie einfach jene Hoffnung erzeugen, die man der Protagonistin von Herzen wünscht.
Insgesamt also: eine absolute Leseempfehlung für diesen Debütroman.

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