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Veröffentlicht am 14.08.2023

Beeindruckendes Romandebüt

Das Pferd im Brunnen
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MEINE MEINUNG
In ihrem äußerst beeindruckenden Romandebüt „Das Pferd im Brunnen“ erzählt die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin und Debütautorin Valery Tscheplanowa eine außergewöhnliche Familiengeschichte, ...

MEINE MEINUNG
In ihrem äußerst beeindruckenden Romandebüt „Das Pferd im Brunnen“ erzählt die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin und Debütautorin Valery Tscheplanowa eine außergewöhnliche Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt von vier starke Frauen im Russland des 20. und 21. Jahrhunderts stehen.
Es ist ein autobiografisch inspirierter Roman, denn ähnlich wie ihre Protagonistin Walja wurde Tscheplanowa 1980 im sowjetischen Kasan geboren und kam sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder im Alter von acht Jahren nach Deutschland.
Der Roman besteht aus zahlreichen, unchronologisch zusammengetragenen Momentaufnahmen, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden und zunächst irgendwo ihren Anfang und ihr Ende nehmen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Geschickt hat die Autorin ihre sehr atmosphärischen und ergreifenden Episoden, in denen sie schlaglichtartig die schicksalhaften Lebensgeschichten und das Seelenleben der faszinierenden Frauen beleuchtet, mit einander verwoben, so dass sich am Ende schließlich ein bewegendes und sehr nachdenklich stimmendes Portrait der Familie zusammenfügt.
Mit ihrer wundervoll poetischen Sprache und einem literarisch anspruchsvollen, bildgewaltigen Schreibstil umreißt die Autorin in ihren recht kurzen, tiefgründigen Geschichten die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten vor dem Hintergrund des jeweiligen politischen Systems, die Härten und Entbehrungen sowie die teils bedrückenden und prägenden Erlebnisse der vier Frauengenerationen, die deutliche Spuren in ihrem Leben und in den Beziehungen zueinander hinterlassen haben. Ihre beklemmenden Erfahrungen mit dem sozialistischen Alltag, der bisweilen zu bizarren Auswüchsen und grotesken Handlungen führt und mit einer großen Portion Pragmatismus begegnet wird, bringt die Autorin geradezu schmerzlich scharfsinnig auf den Punkt.
Es sind sehr eindrückliche Geschichten, die tiefe Einblicke in die verschiedenen Facetten des menschlichen Daseins gewähren - mit teils amüsanten Highlights, teils sehr nachdenklich stimmenden Begebenheiten aus ihrem einfachen Leben, den vielfältigen Widersprüchlichkeiten und oft erstaunlichen Entwicklungen.
Gekonnt erzählt die Autorin von Ausgrenzung, Verzicht, Verlust und Entfremdung aber auch von Leid und Verzweiflung, gescheiterten Liebesbeziehungen und Einsamkeit.
In verschiedensten Episoden lernen wir die beeindruckenden Protagonistinnen mit ihren Eigenheiten und beeindruckenden Stärken kennen. Ob nun die Ich-Erzählerin Walja, die sich nach dem Tod ihrer hartherzigen Großmutter Nina auf Spurensuche nach ihrer „ in Stücke geschlagenen“ Familie macht, die bodenständige, vereinsamte Urgroßmutter Tanja oder ihre Mutter Lena, die ihr Glück im Westen an der Seite eines abgehalfterten Alleinunterhalters in Deutschland suchte - sie alle sind wundervoll vielschichtige, verletzliche Charaktere, die man einfach ins Herz schließen muss.
Trotz der Kürze der Episoden versteht es die Autorin hervorragend, verschiedenste Aspekte sehr eindrücklich und authentisch auf den Punkt zu bringen und dennoch auch immer vieles im Vagen zu belassen, so dass man stets zwischen den Zeilen der Bedeutung des Gelesenen nachspüren muss.
Zum Hörbuch
Der verhältnismäßig kurze Roman wird nicht von einer professionellen Sprecherin sondern von der Autorin selber gelesen, was das Hörbuch zu einem besonders eindrücklichen Erlebnis macht. Die talentierte Schauspielerin erweist sich als versierte und sehr überzeigende Sprecherin. Umso mehr, da sie ihre beeindruckende Geschichte uns exakt so vermitteln kann, wie sie in ihrem Kopf entsprungen ist. Nuancenreich, einfühlsam und eindringlich zugleich lässt sie uns an den intensiven Momentaufnahmen und ergreifenden Schicksalen ihrer vier charakterstarken Frauen teilhaben. Eine lebendige, bildgewaltige Lesung, die es mühelos vermag, die farbenprächtigen Bilder direkt in unsere Köpfe zu transportieren.
Eine absolute Hör-Empfehlung!
FAZIT
Ein sehr beeindruckendes und farbenprächtiges Debüt - mit tiefgründigen und berührenden Geschichten über vier starke Frauen im Russland des 20. und 21. Jahrhunderts.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Packende Fortsetzung des Mafia-Epos

City of Dreams (ungekürzt)
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MEINE MEINUNG
Nach dem großartigen Auftakt „City on Fire“ setzt der gefeierte US-amerikanische Bestseller-Autor Don Winslow nun mit „City of dreams“ seine packende Mafia-Trilogie fort.
Inspiriert von der ...

MEINE MEINUNG
Nach dem großartigen Auftakt „City on Fire“ setzt der gefeierte US-amerikanische Bestseller-Autor Don Winslow nun mit „City of dreams“ seine packende Mafia-Trilogie fort.
Inspiriert von der griechischer Tragödie rund um den Trojanischen Krieg und den Helden Aeneas geht die Saga um zwei amerikanische Gangsterfamilien – dem italienischen Mafiaclan Moretti und den irisch-stämmigen Murphys weiter, in der uns Winslow seine interessante Neuinterpretation des klassischen Stoffs im zeitgenössischen Gewand präsentiert. Nach langjährigen einvernehmlichen Geschäftsvereinbarungen hatte sich im ersten Band ein verhängnisvoller Krieg der beiden Clans um Kontrolle, Macht und Geld entsponnen, der im weiteren Verlauf vollkommen aus dem Ruder lief und eine Spur von Blutvergießen, Gewalt und Tod nach sich zog.
Geschickt lässt Winslow uns in seine brutale, blutrünstige Geschichte eintauchen, die in den 1980er Jahren angesiedelt ist und lückenlos an den ersten Band anknüpft. Mühelos tauchen wir in eine knallharte, unbarmherzige Gangsterwelt ab, in der für Sentimentalitäten, Moral und Gewissen kein Platz ist. Mit seiner klaren, prägnanten Erzählweise versteht er es hervorragend, die Szenen sehr plastisch und eindringlich einzufangen, so dass das eigene Kopfkino problemlos anspringen kann. Die knackigen, bissigen Dialoge vermitteln zudem für ein authentisches Flair.
Im Mittelpunkt der wendungsreichen Handlung steht erneut Danny Ryan als Protagonist, Oberhaupt des irischen Mobster-Clans und unfreiwilliger Held. Nach dem Krebstod seiner Frau Terri ist er nun im Zuge des Bandenkriegs auf der Flucht aus seiner Heimatstadt Providence. Er befindet sich zusammen mit seiner kleinen Gefolgschaft, seinem kleinen Sohn und dementen Vater auf einem Roadtrip Richtung Westen, fest entschlossen zunächst für FBI und die italienische Mafia auf ihrem Rachefeldzug unter dem Radar zu bleiben. Um ganz aussteigen und ein neues Leben in der City of Dreams im sonnigen Kalifornien beginnen zu können, lässt Danny sich auf einen heiklen Deal mit den Behörden ein und wird schließlich aber doch von seiner Vergangenheit eingeholt.
Winslow hat sich für seinen deutlich ruhigeren zweiten Band eine spannende und abwechslungsreiche Story ausgedacht, die mich mit gekonnt platzierten, bitterbösen Seitenhieben auf den Amerikanischen Traum, die Filmindustrie sowie die Inkompetenz und Korruption der US-Strafverfolgungsbehörden bestens unterhalten hat. Äußerst amüsant und originell fand ich insbesondere die Episode im glamourösen Hollywood, in der Danny und seine Entourage an einer Filmproduktion beteiligt sind, in der ausgerechnet ihr legendärer Bandenkrieg in Providence verfilmt wird, und es nicht lange dauert bis Danny sich mit der Mafia im Filmbusiness vor Ort anlegt. Neben vielen temporeichen und actiongeladenen Szenen gibt es sogar einer kleine Liebesgeschichte und ruhigere Episoden, in denen der Autor seinem Protagonisten erstaunlich viel Raum zur Trauerbewältigung, Selbstreflektion und Neuorientierung gibt. Nach einigen überraschenden wie tragischen Wendungen spitzen sich die Ereignisse schließlich im letzten Drittel enorm zu und gipfeln in einem beinahe apokalyptischen Showdown.
Seine recht sperrigen Figuren hat Winslow sehr facettenreich und glaubwürdig angelegt. Er verwendet viel Zeit darauf, uns ihre unterschiedlichen Charaktere und Hintergrundgeschichten nahe zu bringen, so dass man ihre Motive und ihre Entwicklung nachvollziehen kann.
Nach dem erstaunlichen Ausgang des zweiten Teils bin ich sehr gespannt, wie Winslow sein fesselndes Epos zum Abschluss führen wird und freue mich auf das große Finale.
ZUM HÖRBUCH
Der renommierte Hörbuchsprecher Dietmar Wunder ist mit seiner angenehmen, markanten Stimme eine ideale Besetzung für diesen Thriller. Mit viel Ausdruck, gekonnter Betonung und dem richtigen Gespür für die Atmosphäre der jeweiligen Szenen zieht er uns rasch in die Geschichte hinein.
Spannende Szenen unterstreicht er zudem gekonnt durch Anziehen des Sprechtempos. Dank seiner facettenreichen Stimmvielfalt gelingt es ihm hervorragend, den vielen Charakteren, denen wir im Laufe der Geschichte begegnen, Leben einzuhauchen und lebendig erscheinen zu lassen. Wunder fängt die verschiedenen Persönlichkeiten und ihre emotionale Verfassung sehr authentisch und lebendig ein und verleiht ihnen einen individuellen Tonfall, so dass sie stimmlich stets unterscheidbar und auf Anhieb zuzuordnen sind. Ein toller Hörgenuss!

FAZIT
Eine packende, aber deutlich ruhigere Fortsetzung der brillant angelegten Thriller-Trilogie über den brutalen Krieg zweier Gangsterfamilien mit viel Sex, Drugs und Blutvergießen.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Mitreißende Fortsetzung der japanischen Krimiklassiker-Reihe

Mord auf der Insel Gokumon
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MEINE MEINUNG
Nach dem viel versprechenden Auftaktband „Die rätselhaften Honjin-Morde“ liegt nun mit „Mord auf der Insel Gokumon“ ein weiterer fesselnder Krimiklassiker des in Japan bekannten und vielfach ...

MEINE MEINUNG
Nach dem viel versprechenden Auftaktband „Die rätselhaften Honjin-Morde“ liegt nun mit „Mord auf der Insel Gokumon“ ein weiterer fesselnder Krimiklassiker des in Japan bekannten und vielfach ausgezeichneten Kriminalautors Seishi Yokomizo (1902 – 1981) in deutscher Übersetzung vor. Im Mittelpunkt seiner nach Ende des 2. Weltkriegs begonnenen und insgesamt 77 Fälle umfassenden Krimireihe steht der junge Privatdetektiv Kosuke Kindaichi.
Ganz im Stile von Werken aus der Feder von Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle bietet dieser japanische Krimiklassiker jede Menge Rätselspaß und einen sehr raffinierten Kriminalfall! Zudem konnten mich das exotische japanische Flair und die faszinierende Zeitreise in die japanische Kultur und Geschichte sehr begeistern.
Angesiedelt ist der im Jahr 1949 spielende Fall auf der kleinen Insel Gokumon, auf der man hauptsächlich von der Fischerei lebt und deren Bewohner von Sträflingen abstammen. Auf der Heimreise nach Kriegsende verspricht Privatdetektiv Kosuke Kindaichi seinem schwer verletzten Kriegskameraden und Erben des Fischereigroßunternehmen - Chimata –im Falle seines Ablebens seine Familie auf Gokumon über seinen Tod zu informieren und zugleich seine drei Schwestern vor ihrem sicheren Tod zu bewahren. Angekommen auf der seltsamen Insel nimmt Kosuke seine ungewöhnliche Mission auf, stellt unauffällig Erkundigungen an, jedoch ist ihm völlig rätselhaft, wie er Chimatas mysteriöse Vorausahnung verhindern soll, bis es zu seinem Entsetzen auch schon zum ersten Todesfall kommt.
Der »Meister teuflischer Wendungen«, wie Seishi Yokomizo auch liebevoll genannt wird, hat einen sehr fesselnden Fall mit einem außergewöhnlichen Setting entworfen, die uns in eine unbekannte Welt mit befremdlichen Bräuchen und Traditionen entführt und uns zudem aufschlussreiche Einblicke in die alten Strukturen des japanischen Feudalismus gibt. Es entwickelt sich eine äußerst komplexe Handlung mit etlichen undurchsichtigen Akteuren und einigen höchst überraschenden Wendungen, die viel Raum zum eigenen Rätseln und Spekulieren lässt.
Der Autor hat mit seinem sympathischen Privatdetektiv Kosuke Kindaichi einen interessanten, authentisch wirkenden Protagonisten geschaffen. Auch wenn er sich bisweilen etwas ungeschickt anstellt und etwas unbedarft wirkt, sollte man seine gute Beobachtungsgabe und kriminalistischen Spürsinn nicht unterschätzen. Sein Ermittlungsstil hat mich oft an den des genialen Meisterdetektivs Hercule Poirot erinnert. Es macht großen Spaß, ihn bei seinen Befragungen und späteren Ermittlungen über die Schulter zu schauen und mitzuerleben, wie er dank beharrlicher Vorgehensweise, seiner akribischen Detailarbeit und cleverer Schlussfolgerungen den erschütternden Fall schließlich aufklären kann. Auch wenn für uns das Motiv und tragischen Hintergründe der Taten zunächst sehr befremdlich wirken, gelingt es dem Autor hervorragend, uns auch eingehende Einblicke in die Gedankenwelt und Sichtweise des Mörders zu geben, wodurch ihr persönliches Handeln und ihre bizarren Beweggründe offen gelegt werden. Dies trägt insgesamt dazu bei, die Tat aus ihrer Perspektive und im Hinblick auf die kulturellen Hintergründe besser nachvollziehen zu können.
ZUM HÖRBUCH:
Mit seiner angenehmen, gefühlvollen Stimme nimmt uns Schauspieler Denis Moschitto mühelos auf eine ungewöhnliche Zeitreise ins Japan der 1940er Jahre mit. Es gelingt ihm sehr gut, die befremdliche Atmosphäre und angespannte Stimmung auf der Insel einzufangen. Trotz der etwas antiquiert anmutenden Sprache und dem nüchternen, distanzierten Erzählstils schafft es Moschitto mit leichten Temposteigerungen und Stimmvariationen uns in die sich langsam entwickelnde Geschichte hinein zu ziehen, und die subtile Spannung schrittweise aufzubauen. Gekonnt versetzt er sich in die einzelnen Figuren hinein und schafft es, diese authentisch darzustellen, so dass sie vor unseren inneren Auge lebendig werden. Große Probleme hatte ich allerdings mit der Vielzahl an doch etwas gewöhnungsbedürftigen japanischen Namen und deren rasche Zuordnung im Handlungsverlauf.
Mit seiner eher zurückhaltenden Lesung unterstreicht Dennis Moschitto hervorragend die exotische Atmosphäre und den besonderen Charakter dieses tollen japanischen Krimiklassikers!

FAZIT
Eine spannende Fortsetzung der interessanten Krimiklassiker-Reihe aus Japan mit Kultstatus, der uns in faszinierende längst vergangene Zeiten entführt! Den sympathischen Privatermittler Kosuke Kindaichi sollte man unbedingt kennen lernen!

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Spannender Krimi um einen politisch brisanten Kunstraub

Die Akte Madrid
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MEINE MEINUNG
„Die Akte Madrid" des deutschen Autors Andreas Storm ist der zweite Band seiner neuen spannenden Raubkunst-Krimi-Reihe, in deren Mittelpunkt der Kunsthistoriker und Experte für Beutekunstforschung ...

MEINE MEINUNG
„Die Akte Madrid" des deutschen Autors Andreas Storm ist der zweite Band seiner neuen spannenden Raubkunst-Krimi-Reihe, in deren Mittelpunkt der Kunsthistoriker und Experte für Beutekunstforschung Lennard Lomberg steht.
Auch in der packenden Fortsetzung seiner Reihe mit interessanten kunsthistorischen Hintergrundinformationen ist es Storm erneut hervorragend gelungen, sorgsam recherchierte historische Fakten und Geschehnisse, politische Zusammenhänge sowie Biografien von historischen Persönlichkeiten mit seiner fiktiven Geschichte zu verweben. So bekommt man viele Zusatzinformationen, um auf eigene Faust weitere Themenbereiche zu recherchieren.
Wie der Autor ausführlich in den Anmerkungen im Anhang erläutert, basiert beispielsweise eine seiner Figuren zu großen Teilen auf dem realen Vorbild des ehemaligen BRD-Honorarkonsuls in Malaga und mutmaßlichen Mitglied der Gestapo Hans Hoffmann, der noch lange Zeit nach dem zweiten Weltkrieg enge Kontakte zu führenden deutschen Politikern pflegte.
Der vielschichtige Krimi ist in verschiedene, sich abwechselnde Handlungsstränge angelegt, die uns an diverse Schauplätze in Spanien, nach Bonn und Südfrankreich führen. Zugleich sind diese auf drei Zeitebenen angesiedelt; neben Rückblicken ins Jahr 1928 und in die 1940er Jahre spielt die Haupthandlung in der Gegenwart von 2016.
Im neuen Lomberg-Fall geht es um ein gestohlenes, während der Franco-Diktatur requiriertes und später verschollen geglaubtes surrealistisches Portraitgemälde, das Lomberg nun in geheimer Mission für den deutschen Verteidigungsminister aufspüren soll. Ein höchst brisanter Fall für ihn, lassen sich doch rasch unsägliche Verbindungen zur dunklen Vergangenheit von dessen Vater und seiner sorgsam vertuschten Rolle bei den brutalen Enteignungen von politischen Gegnern und Veräußerung von Kunstwerken während des Franco-Regimes herstellen. Vieles spricht dafür, dass das blutige Erbe des Vaters seine Karrierepläne gefährden könnte. Bei den Recherchen vor Ort in Granada wird Lomberg von seiner Lebensgefährtin Kriminalrätin Sina Röhm unterstützt. Mit Hilfe der „Akte Madrid“ decken sie politische Verstrickungen mit den Behörden der jungen Bundesrepublik auf, die auf Hinterzimmerkonspirationen zur Vertuschung von unliebsamen Wahrheiten sowie einer Unterstützung von Francos Unrechtsregime in Madrid hindeuten, und stechen damit in ein Wespennest. Doch neben den politischen Intrigen scheinen auch Lombergs persönliche Konflikte eine wichtige Rolle zu spielen.
Nach dem äußerst packend gestalteten Einstieg nimmt die komplexe, sehr raffiniert verwobene und wendungsreiche Handlung immer mehr an Fahrt auf. Gekonnt entführt Storm uns nicht nur in die faszinierende Welt der Kunstgeschichte, sondern gibt uns auch Einblicke in wichtige Hintergründe zu Kunstraubzügen in Spanien während der Franco-Diktatur, bei denen auch einige skrupellose Nazi-Schergen beteiligt waren, den grausamen Diktaturverbrechen an den politischen Gegnern, aber auch der erst spät einsetzenden Aufarbeitung der franquistischen Repression und ihrer zahllosen Opfer.
Die zahllosen Charaktere mit ihren Hintergrundgeschichten auf den unterschiedlichen Zeitebenen, immer neue aufgedeckte Puzzleteilchen und bedeutsame Details sorgen für viel Spannung und Abwechslung beim Miträtseln. Um den Überblick nicht zu verlieren, kann man die Übersichtskarten von Granada und Bonn mit den wichtigsten Schauplätzen auf der Innenseite der Umschlagklappen sowie das ausführliche Personenregister im Anhang zurate ziehen.
Storm ist es gelungen, seinen Protagonisten Leonard Lomberg mit seinen Ecken und Kanten vielschichtig und plastisch auszuarbeiten, so dass ich mich inzwischen recht gut in ihn hineinversetzen konnte. Auch die vielen Nebenfiguren sind interessant und facettenreich angelegt, so dass sie ausreichend lebendig wirken.
Nach der schlüssigen Aufklärung des Falls und dem verheißungsvollen Ausklang, bin ich schon sehr gespannt, welcher neue Fall Kunsthistoriker Lomberg in London warten wird.

FAZIT
Eine fesselnde, komplex angelegte Fortsetzung rund um einen politisch brisanten Kunstraub in Spanien – erneut hervorragend recherchiert, mit einer höchst unterhaltsamen Mischung aus Fiktion und Fakten und vielen überraschenden Wendungen!

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Veröffentlicht am 06.08.2023

Ein fesselnder Page-Turner

Die Affäre Alaska Sanders
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MEINE MEINUNG
Mit seinem neuesten Roman „Die Affäre Alaska Sanders“ hat der Franko-Schweizer Bestsellerautor Joël Dicker erneut einen großartigen, hochkomplexen Kriminal- und Gesellschaftsroman verfasst, ...

MEINE MEINUNG
Mit seinem neuesten Roman „Die Affäre Alaska Sanders“ hat der Franko-Schweizer Bestsellerautor Joël Dicker erneut einen großartigen, hochkomplexen Kriminal- und Gesellschaftsroman verfasst, der mich trotz seines enormen Umfangs mit seinem packenden Plot und den lebensnah gezeichneten Charakteren außerordentlich fesseln konnte.
Im Mittelpunkt des ereignisreichen Romans steht ein 11 Jahre zurückliegender Kriminalfall um den brutalen Mord an der jungen Alaska Sanders 1999 in der Nähe der Kleinstadt Mount Pleasant in New Hampshire, der damals recht schnell aufgeklärt und die mutmaßlichen Täter ermittelt wurden. Der uns bereits von vorherigen Romanen bekannte Protagonist und Ich-Erzähler ist der inzwischen beruflich erfolgreiche Autor Marcus Goldman. Dieser wird von Sergeant Perry Gahalowood, seinem alten Bekannten aus dem Fall um seinen früheren Mentor und charismatischen Universitätsprofessor Harry Quebert und ehemals an den Mordermittlungen Involvierten, auf den Mordfall aufmerksam gemacht. Ein neuer anonymer Hinweis lässt nun erhebliche Zweifel an den damaligen Geschehnissen aufkommen, so dass die beiden beschließen, den alten Fall erneut aufzurollen. Rasch wird klar, dass bei der Affäre um die schöne Alaska Sanders nichts so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint!
Es entspinnt sich eine äußerst verschachtelte, aber genial angelegte Handlung, bei der ein ständiger Wechsel zwischen unterschiedlichen Erzählperspektiven und den in Vergangenheit und Gegenwart angesiedelten Handlungssträngen erfolgt. Hierdurch erhalten wir einen facettenreichen Blick auf die Ereignisse und erfahren zudem in den clever eingebauten Rückblenden wichtige Fakten aus der Vergangenheit. Es bereitet großes Vergnügen in den immer rätselhafter werdenden Fall einzutauchen, die sympathischen Ermittler bei ihren Nachforschungen zu begleiten, Mitzurätseln und den wahren Ereignissen auf die Spur zu kommen. Zudem gibt es einen weiteren Handlungsstrang, in dem Marcus Goldman versucht, den verschwundenen Harry Quebert aufzuspüren. Ganz nebenbei werden zudem immer wieder Details aus Dickers genialem Erstling „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" aufgegriffen.
Es ist bei der Vielzahl an Figuren, ihren sorgsam gehüteten Geheimnissen und immer neuen verdächtigen Details äußerst schwierig noch den Überblick zu behalten. Nach und nach lässt Dicker geschickt die vielen Fäden seiner zahllosen Handlungsstränge zusammenlaufen, deckt immer neue Intrigen und persönliche Verstrickungen auf. So manche heiße Spur erweist sich als Irrweg und offensichtlich Verdächtiges als geschickt platzierte falsche Fährte, so dass man bis kurz vor der überraschenden Auflösung des vielschichtigen Falls, der Enthüllung des wahren Täters und seiner Beweggründe, die uns schließlich in erschreckende Abgründe der menschlichen Psyche blicken lassen, weitgehend im Dunkeln bleibt.
Dicker ist es hervorragend gelungen, seine zwei außergewöhnlichen Hauptfiguren sehr vielschichtig und mit einigen Ecken und Kanten auszuarbeiten, Sie erhalten durch Rückblicke in ihre tragische Vergangenheit zusätzliche Tiefe und Glaubwürdigkeit. Auch die übrigen Nebenfiguren sind eine bunte Mischung an unterschiedlichsten Charakteren, die insgesamt nachvollziehbar geschildert sind.
Dicker ist es mit seinem mitreißenden Erzählstil, seiner komplexen Geschichte und etlichen Twists und Turns erneut gelungen, mich so zu fesseln, dass ich den Roman gar nicht mehr aus der Hand legen konnte, bis sich schließlich alle Puzzleteile zu einem schlüssigen Bild zusammengefügt hatten.

ZUM HÖRBUCH:
Mit dem Sprecher Torben Kessler wurde eine sehr gute Wahl getroffen. Mit seiner angenehmen, einfühlsamen Stimme versteht er es hervorragend, uns sofort in die fesselnde Geschichte hinein zu ziehen und an die unterschiedlichen Handlungsorte mitzunehmen. Mit leichten Temposteigerungen und Verändern der Sprechlautstärke sorgt er für Abwechslung, fängt unterschiedliche Stimmungen ein und lässt gekonnt Spannung aufkommen. Die Stimmen der unterschiedlichen Figuren differenziert er nur mit feinen Nuancen, wobei man dennoch stets den jeweils Sprechenden erkennt. Aufgrund der vielen, abwechselnden Handlungsstränge und unzähligen Figuren ist allerdings einer gewisse Disziplin und Aufmerksamkeit notwendig, um dieser komplexen und wendungsreichen Geschichte folgen zu können. Dennoch ein sehr mitreißendes und lohnendes Hörerlebnis!

FAZIT
Ein äußerst fesselnder und unterhaltsamer Page Turner - mit einem komplexen Kriminalfall und lebensnah gezeichneten Charakteren!

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