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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.08.2023

Hauptfigur und ihr sozialen Beziehungen im Fokus

Mein schrecklich schönes Leben
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»Zeit ist zerbrechlich. Jeder Besenstrich kann Konsequenzen nach sich ziehen.«

Die 31-jährige Cassandra scheint vom Pech verfolgt. Ihr Job und ihr Freund Will gehören der Vergangenheit an und alles an ...

»Zeit ist zerbrechlich. Jeder Besenstrich kann Konsequenzen nach sich ziehen.«

Die 31-jährige Cassandra scheint vom Pech verfolgt. Ihr Job und ihr Freund Will gehören der Vergangenheit an und alles an einem Tag. Keiner in ihrem Umfeld scheint sie zu mögen, ihre Beziehungen halten nicht lange und Cassandra fragt sich, was sie so unsympathisch macht, dass sie unfreiwillig in einer WG leben muss und ihr Notfallkontakt ihre Friseurin ist. Dann schlägt das Schicksal zu und Cassandra erlebt nicht nur den selben Tag, sie beherrscht sogar die Fähigkeit, beliebig in der Zeit zu reisen. Das verleitet natürlich direkt zu korrigieren - was nicht gutgehen kann. Sie versucht herauszufinden, was schief gelaufen ist, um ihren Ex-Freund Will zurückzugewinnen. Aus der Ich-Perspektive geschrieben, ist dieses Leseerlebnis sehr emotional und interessant. Denn Cassandra hat ihre Schwierigkeiten mit sozialen Interaktionen. Small Talk fällt ihr schwer und schon immer sagen die Leute über sie, sie sei schräg und speziell. Dabei weiß sie nur nicht, wie sie auf andere reagieren soll. Was ihr dabei für Gedanken und Gefühle kommen, war authentisch und gut nachvollziehbar. Ihr enormes Gedächtnis ist faszinierend und ihre Zwangshandlungen, sensibilisieren für Menschen, die anders denken und handeln, als man es gewohnt ist. Mehr möchte ich gar nicht verraten, weil sich vieles erst später offenbart. Man lernt Cassandras Persönlichkeit immer besser verstehen. Nach und nach zeigt sich, wer sie wirklich ist, wie sie auf andere wirkt und welches große Geheimnis sie hat. Diese Entwicklung mitzuerleben, hatte einen emotionalen Unterhaltungsfaktor, genauso wie ihre vielen Vergleiche mit dem antiken Griechenland. Mit vierhundert Seiten ist die Story sehr ausführlich beschrieben. Da der Fokus des Buches sehr konzentriert auf Cassandra ist, hat sich der Roman für mich ein bisschen zu lang angefühlt, dafür war ihre persönliche Entwicklung aber realistisch dargestellt, es gab einige Überraschungen und eine schöne Botschaft.

Im Kern geht es es Selbstfindung, Persönlichkeitsentwicklung und den Mut, sich zu zeigen, wie man ist, gerade wenn man anders wahrgenommen wird. Holly Smale packt diese Themen in etwas Übernatürliches und driftet immer wieder in einen selbstironisch, komödiantischen Erzählton ab, sodass ich häufig schmunzeln musste. Ein leichtfüssig erzählter Roman, mit angenehmer Tiefgründigkeit und authentischer Hauptfigur. Sehr lesenswert, lernenswert und empfehlenswert.

Veröffentlicht am 31.07.2023

Stimmungsvolle Bilder

Die Neapolitanische Saga 1: Meine geniale Freundin
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Die Graphic Novel "Meine geniale Freundin" ist die Comic-Adaption des Welt-Bestellers von Elena Ferrante. Es geht um zwei Freundinnen, die in einem ärmlichen Viertel von Neapel in den Fünfzigern aufwachsen. ...

Die Graphic Novel "Meine geniale Freundin" ist die Comic-Adaption des Welt-Bestellers von Elena Ferrante. Es geht um zwei Freundinnen, die in einem ärmlichen Viertel von Neapel in den Fünfzigern aufwachsen. Der Auftakt der Tetralogie erzählt von ihrer Kindheit und Jugend aus der Ich-Perspektive von Elena.

Die Handlung in der Comic-Adaption wird verkürzt dargestellt, jedoch finde ich, dass die Autorinnen die richtigen Schwerpunkte gesetzt haben. Dabei legen sie ihren Fokus auf die Bilder, meistens zwei pro Seite und verzichten auf viel Text, Erklärungen und zahlreiche Nebenfiguren. Denn die beiden Freundinnen stehen im Vordergrund. Die Illustrationen sprechen für sich, sind sehr atmosphärisch und prägend, vor allem dann, wenn der Fokus auf die Gesichter gelenkt wird, in denen sich beispielsweise Entsetzten oder Abscheu widerspiegelt. Insgesamt passt der stimmungsvolle Zeichenstil hervorragend zur Geschichte, der manchmal ganz klar und dann wieder verwaschen wirkt und die düstere Armut und Gewalt einfängt, während ab und zu der blaue Himmel Akzente setzt. Viele Element aus dem Roman finden sich auch in der Comic-Adaption wieder und beide haben auf ihre Art gemeinsam, dass viel Interpretationsspielraum bleibt. Da die Graphic Novel mit einem Cliffhanger endet, hoffe ich sehr, dass es auch die Fortsetzungen als Comic-Adaption geben wird.

Insgesamt ist eine besondere Graphic Novel, die auch für sich alleine stehen könnte. Ich habe den Roman erst im Anschluss gelesen (konnte dadurch Zusammenhänge noch besser verstehen) und fand es interessanter, über die Kunst in die Handlung einzutauchen, auf Details zu achten und mir Zusammenhänge zu erschließen. Dadurch ist die Graphic Novel eine tolle Erfahrung, wenn man Geschichten gern visuell entdeckt und erweitere damit die Angebotsvielfalt - zumal schon eine Verfilmung geplant ist. Wer dann neugierig geworden ist, sollte unbedingt den Roman lesen, um die offen gebliebene Fragen zu beantworten.

Fazit: Ich kann nur empfehlen, diese besondere Geschichte einmal ohne Hintergrundwissen durch die Graphic Novel zu entdecken und die Bilder wirken zu lassen.

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Veröffentlicht am 25.07.2023

Ein Café und seine Menschen

Das Café ohne Namen
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"Das Café ohne Namen" ist ein ganz unaufgeregter Roman, der seinen Blick auf das Leben und die Menschen richtet, die im Café arbeiten und es besuchen. Das Café dient als unverwüstliche Kostante, während ...

"Das Café ohne Namen" ist ein ganz unaufgeregter Roman, der seinen Blick auf das Leben und die Menschen richtet, die im Café arbeiten und es besuchen. Das Café dient als unverwüstliche Kostante, während sich alles drumherum verändert. Robert Simon hat 1966 das Café in Wien eröffnet und sich damit einen großen Traum erfüllt. Er lebt mit einer alten Witwe zusammen und kümmert sich die ersten Jahre rund um die Uhr um das Café.

Robert Seethaler schreibt mit einem angenehmen Blick für das Detail. Die Dialoge passen zur der Zeit, zu den Menschen und strahlen eine Ruhe aus, selbst wenn etwas Dramatisches oder Trauriges passiert. Man fühlt sich als Beobachter, der Menschen, der Jahre und genießt die Lektüre, in der es um Tragödien, Liebe, Trunkenheit, Tod und Abschied geht. Mir hat besonders gefallen, wie authentisch man Robert Simon auf seinem Weg begleiten und in die 60er und 70er eintauchen konnte. Ein Weg, der zeigt, wie schnell erfüllte Sehnsüchte zur Selbstverständlichkeit werden und irgendwann ihr Ende finden. Sehr empfehlenswert und wunderbar zu lesen.

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Veröffentlicht am 24.07.2023

„Schöner Humor. Und eine charmante Schreibe.“

Treacle Walker
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Als der Lumpensammler vorbeigefahren kommt, tauscht der kleine Joseph Coppock seinen Pyjama gegen ein rundes Keramiktöpfen. Dabei staunt er nicht schlecht, als auf diesem plötzlich auf magische Weise sein ...

Als der Lumpensammler vorbeigefahren kommt, tauscht der kleine Joseph Coppock seinen Pyjama gegen ein rundes Keramiktöpfen. Dabei staunt er nicht schlecht, als auf diesem plötzlich auf magische Weise sein Name erscheint. Als er den Lumpensammler schließlich einlädt, verrät dieser seinen Namen: Treacle Walker. Er spricht in Rätseln und bleibt eine geheimnisvolle Figur, die auftaucht und wieder verschwindet, dabei aber stets eingeladen werden möchte, bevor er das Haus betritt. Beim Lesen fragt man sich, was das alles zu bedeuten hat, so temporeich schreitet die Handlung in kurzen Kapiteln voran. Die magisch anmutenden Merkwürdigkeiten häufen sich. Es erfordert höchste Konzentration beim Lesen, um auch das zu erfahren, was nicht in Buchstaben auf den Seiten zu finden ist. Vielleicht ist deswegen nach jedem Kapitel ein bisschen Luft - zum Durchatmen wohlmöglich. Denn selbst Hauptfigur Joe fragt sich, was mit ihm und seinen Augen passiert, als der Spiegel ihm Streiche spielt und sein Comic zum Leben erwacht. Er sieht Dinge, die doch niemals wahr sein können. Außerdem begegnet er merkwürdigen Gestalten. Ich erinnere mich gern an Thin, dem Joe im Sumpf begegnet, nachdem er einige Zeit im Wald war und Schwierigkeiten hatte, den Heimweg zu finden. Es ist eine anregende Wundertüte an Ideen. Dieser verspielt fantasievolle Ansatz findet sich auch in der Wortwelt wieder, geprägt von Reimen und Altertümlichkeit, die herausfordernd sein kann, und kreiert scheinbar märchenhaft ein Verwirrspiel aus Wirklichkeit und Magie, angesiedelt in der britischen Folklore. Die Dialoge wirken spontan und zwanglos - hier sind es die Dinge, die ohne Erklärungen geschehen und Raum für Interpretation lassen.

Fazit: Kurzweilige Geschichte, die unsere Welt auf magische Weise auf den Kopf stellt. Für alle empfehlenswert, die Lust auf eine etwas andere Leseerfahrung haben und ihre Vorstellungskraft herausfordern wollen.

Veröffentlicht am 13.07.2023

Ungewöhnliche Geschichte in Reimform

Jessi, die Raubhäsin (Klein, aber oho!)
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Am Anfang ist da diese kleine, kuschelige Mini-Häschen namens Jessileinchen, mit riesigen Kulleraugen, brav, angepasst und niedlich. Die kleine Häsin wächst, wird groß und reift zu einem Pupertierchen ...

Am Anfang ist da diese kleine, kuschelige Mini-Häschen namens Jessileinchen, mit riesigen Kulleraugen, brav, angepasst und niedlich. Die kleine Häsin wächst, wird groß und reift zu einem Pupertierchen heran. Dann folgt ein Zeitsprung und man sieht eine wilde Häsin durch die Wildnis streifen: finsterer Blick, strubbeliger Fell und eingerissene Ohren. Jessi ist kaum wiederzukennen! Sie passt sich nicht an, macht ihre ganz eigenen Regeln und wird im Wald gefürchtet. Sie raubt Fuchs, Schlange und Eule die Beute vor der Nase weg. Umgekehrte Welt, Rebellion gegen die Natur, die Räuber gehen lehr aus, die Beute wird gerettet. Das ist natürlich eine sehr oberflächliche Ansicht, wenn man bedenkt, dass die Fressfeinde mit leerem Magen schnell selbst zur Beute werden, weil der Kreislauf unterbrochen wird. Darüber sollte man als Erwachsener einmal großzügig hinwegsehen, vor allem, wenn man das Ende kennt, wobei das auch zu Gesprächen einladen könnte. Kinder haben dazu ihre ganz eigenen Gedanken. Die geretteten Tiere sind Superhäsin Jessi nämlich sehr dankbar für ihre Hilfe und sie inspiriert als Heldin zur Nachahmung. Angebote Freundschaft lehnt Jessi jedoch ab, sie möchte lieber allein und unabhängig sein. Hier kündigt sich schon Entwicklungspotenzial an, die letztlich in einer tollen Botschaft mündet.

Das große Buchformat räumt dem vielen Text und der etwas längeren Geschichte genügend Platz ein. Die Reime sind (meistens) klangvoll und humorvoll, was beim Vorlesen immer besonders vergnüglich ist, aber nicht immer ganz einfach beim Selberlesen. Dabei wiederholt sich stets der Satz „Dieser Wald, so viel ist klar, ist nicht mehr, was er früher war.“ Den kann man dann irgendwann auswendig mitsprechen. Das kommt gut an! Bei den Illustrationen hätte ich mir mehr Detailreichtum gewünscht. Durch das große Buchformat wirken die Illustrationen etwas verwaschen und unscharf - oft gewollt, um Bewegung darzustellen. Dazu muss man sagen, dass Jessi auf manchen Bildern wirklich unheimlich aussieht. Jessi hat Potenzial und ich würde es empfehlen, wenn man ungewöhnliche Bilderbücher sucht, die in Reimform geschrieben sind.