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Veröffentlicht am 22.01.2024

Nicht ganz überzeugend

Das Tal der Blumen
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"Das Tal der Blumen" von Niviaq Korneliussen ist ein Roman aus Grönland und das, muss ich zugeben, hat mich sehr neugierig gemacht. Denn als ich darüber nachgedacht habe, welche grönländische Autorinnen ...

"Das Tal der Blumen" von Niviaq Korneliussen ist ein Roman aus Grönland und das, muss ich zugeben, hat mich sehr neugierig gemacht. Denn als ich darüber nachgedacht habe, welche grönländische Autorinnen und Autoren ich kenne, da ist mir niemand eingefallen.

Erwartet habe ich eine Geschichte über die Probleme von jungen Erwachsenen in Grönland. Ich wollte darüber lesen, was die Gründe für die hohen Selbstmordraten sind, wie die Gesellschaft damit umgeht und was es mit ihr macht.

Und all das erfährt man auch in "Das Tal der Blumen". Der Roman legt Missstände offen. Er zeigt zum Beispiel, dass die grönländischen Krankenhäuser Depressionen nicht ernst nehmen und nicht behandeln wollen, dass aber auch die Suizidhotline nur zu bestimmten Zeiten erreichbar ist und dann lediglich bis zum Dienstschluss in der Leitung bleibt und keine Minute länger. Die Jugendlichen werden vertröstet, von einem zum anderen geschickt. Niemand fühlt sich verantwortlich:

"Wir haben heute viele Patienten [...]. Ich würde vorschlagen, du erzählst das entweder jemandem, dem du vertraust, oder du fragst bei der Gemeinde nach, ob es dort einen Erwachsenen gibt, der dir helfen kann."

Die Kritik an den Strukturen, die nicht dazu beitragen, dass Suizidgefährdeten geholfen wird, trägt für mich die Geschichte. Aber jetzt kommt für mich der Wermutstropfen: Einige der anderen Elemente des Romans konnten mich leider weniger überzeugen. Die Beziehung der Protagonistin fand ich beispielsweise zu ausufernd. Sie hat einen zu großen Teil der Story eingenommen, ohne ihr dabei Tiefe zu verleihen. Viel lieber hätte ich stattdessen mehr über den Kulturschock gelesen, der ein Umzug nach Dänemark für Menschen aus Grönland bedeutet.

Das hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass der Roman am Ende für mich an Kraft verloren hat. Trotzdem ist es ein Roman, den ich wegen des Eintauchens in ein ganz anderes Land und seine Kultur und wegen seines klaren Blicks auf die Probleme empfehlen möchte! Die Neugier verzeiht die eine oder andere Schwäche.

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Veröffentlicht am 30.09.2023

Außergewöhnliche Wohngemeinschaft zu Corona-Zeiten

The Marmalade Diaries
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Es ist die Corona-Zeit. Winnie, 85 Jahre alt und verwitwet, sucht jemanden, der ihr im Haus hilft. Ben, Anfang 30, kann sich die Mieten in London nicht leisten und meldet sich spontan. Das ungleiche Paar ...

Es ist die Corona-Zeit. Winnie, 85 Jahre alt und verwitwet, sucht jemanden, der ihr im Haus hilft. Ben, Anfang 30, kann sich die Mieten in London nicht leisten und meldet sich spontan. Das ungleiche Paar findet sich während der Pandemie mit ihren Ausgangssperren in einer Art Wohngemeinschaft wieder.

Die Ausgangsidee des Romans hat natürlich Potential: zwei Menschen unterschiedlicher Generationen leben zusammen, lernen voneinander usw. Das hat in der Literatur schon oft großartig funktioniert. Ein relativ neues Beispiel ist "Offene See" von Benjamin Myers.

Ben Aitkens Roman vermag jedoch leider nicht in jeder Hinsicht zu überzeugen. Auf mich wirkte das Erzählte irgendwann zu repetitiv und eintönig. Ben schreibt in seinem Tagebuch über das Alltagsleben der beiden, über das gemeinsame Kochen, über die Gartenarbeit, über alltägliche Aufgaben. Zunächst liest man das auch ganz gerne, aber dann verliert es doch sehr schnell seinen Reiz, weil es zu trivial ist. Es fehlt der Geschichte an Tiefe.

Einzig Winnie sticht in dem Ganzen durch ihre schrullige Art hervor. Sie gibt der Geschichte einen Touch vom Besonderen, aber leider reicht das alleine noch nicht aus, um den Roman zu einer wirklich lohnenswerten Lektüre zu machen.

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Veröffentlicht am 15.08.2023

Reise in die Tiefen des Meeres

Weil da war etwas im Wasser
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Irgendwo in den Tiefen des atlantischen Ozeans berührt ein Riesenkalmar ein Unterwasserkabel. Und plötzlich fangen seine Arme an zu reden. Sie erzählen vom Leben in der Tiefsee, davon, was es bedeutet, ...

Irgendwo in den Tiefen des atlantischen Ozeans berührt ein Riesenkalmar ein Unterwasserkabel. Und plötzlich fangen seine Arme an zu reden. Sie erzählen vom Leben in der Tiefsee, davon, was es bedeutet, ein Kalmar zu sein. Sie erzählen aber auch von menschlichen Schicksalen, widmen sich Jules Verne ebenso wie einer Praktikantin auf einem Frosttrawler. Was dabei entsteht ist ein Mosaik an Lebensformen und an Verknüpfungen zwischen Lebewesen.

Eins zunächst mal vornweg: Erzählende Tentakel, das kann auch schnell schief gehen. Nicht selten liest man Bücher aus der Perspektive von Tieren, die einfach nicht gelungen sind. Bei Luca Kieser ist das glücklicherweise nicht der Fall. Der Anfang des Romans hat mich in seinen Bann gezogen und ich fand die Reise in die Tiefen des Meeres und in das Bewusstseins eines Lebewesens, über dessen Denken und Fühlen wir so wenig wissen, faszinierend.

Aber im Mittelteil leidet der Roman dann unter einem Zuviel an Figuren und Perspektiven. Er ist überfrachtet mit Erzählsträngen, Zeitensprüngen und Informationen. Es entsteht ein Gewirr, in dem sich vieles verliert. Vor allem leider das Potential dieses eigentlich so vielversprechenden Debüts.

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Veröffentlicht am 03.05.2023

Unterhaltungsroman mit Makeln

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
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Nachdem sie von ihrem Freund enttäuscht wurde, kündigt die Takako ihren Job und zieht zu ihrem Onkel. Dieser betreibt ein Buch-Antiquariat in Tokios Bücherviertel Jinbocho. Zunächst schwelgt Takako in ...

Nachdem sie von ihrem Freund enttäuscht wurde, kündigt die Takako ihren Job und zieht zu ihrem Onkel. Dieser betreibt ein Buch-Antiquariat in Tokios Bücherviertel Jinbocho. Zunächst schwelgt Takako in Gefühlen von Traurigkeit, doch schon bald gibt ihr die Zeit im Buchladen die Möglichkeit, zu sich zu kommen und zu reflektieren. Auch die Bücher, die sie dort entdeckt und liest, tragen dazu bei. Der Roman ist somit eine Geschichte des Erwachsenwerdens, eine Geschichte der Reifung.

“Das Antiquariat Morisaki lag einsam und verlassen an einer Ecke des quirligen Antiquariatsviertels. Es ist klein, alt und macht nicht besonders viel her. Viele Kunden hat es auch nicht.”

Satoshi Yagisawa schreibt in einer leichten Sprache, an die man sich gewöhnen muss und an die sich vielleicht nicht jeder Leser gewöhnen kann. Auch die Geschichte wirkt manchmal etwas zu kindlich und die Figuren erscheinen in ihrem Verhalten naiv, ja fast schon oberflächlich.
Aber dennoch verbirgt sich hinter diesen Makeln eine Geschichte, die erzählenswert ist und für Momente, in denen einem nach leichter Unterhaltung ist, auch lesenswert.

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Ideenroman

Flauschig
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In Hanna Bervoets Roman “Flauschig” tauchen kleine flauschige Bällchen im Leben der Menschen auf. Sie fangen plötzlich an zu reden, beteuern den Menschen, dass sie für sie da sind, stellen philosophische ...

In Hanna Bervoets Roman “Flauschig” tauchen kleine flauschige Bällchen im Leben der Menschen auf. Sie fangen plötzlich an zu reden, beteuern den Menschen, dass sie für sie da sind, stellen philosophische Fragen, erzählen Geschichten und gehen auf die Psyche der Menschen ein.

Da ist zum Beispiel Maisie, eine Masterstudentin, die an Selbstzweifeln leidet, nicht genug an sich glaubt und deren Beziehung zu Florence vor Kurzem in die Brüche gegangen ist. Als Florence ihr ein Knäuel zukommen lässt, fühlt sie sich weniger einsam und “sie merkt, dass sie immer unruhiger wird, wenn das Knäuel ein paar Stunden hintereinander nichts sagt”.
Diek ist ein Mann um die sechzig, der mit seinem Hund Maxie lebt. Seine Beziehungen zu Frauen bricht er stets nach kurzer Zeit wieder ab. Er will und kann sich nicht binden. Aber “was er selbst sucht, weiß er eigentlich nicht”. Auch bei ihm landet einer der Bälle.
Im Laufe der Geschichte werden zahlreiche weitere Personen zum Besitzer der Bälle.

Der Roman erzählt von der Distanz, die zwischen den Menschen herrscht. Er erzählt von Verlust, von Trennungen, vom Vermissen und der Einsamkeit. Das Verhalten der Charaktere zeichnet sich oft dadurch aus, dass sie anderen aus dem Weg gehen, obwohl sie sich nach Nähe sehnen. Die Bälle treten in das Leben dieser Menschen ein und bringen das, was sie voneinander und von sich selbst trennt, zum Vorschein. Sie füllen die Leere und Stille, die durch fehlende oder fehlerhafte Beziehungen zu Mitmenschen entstanden sind. Sie geben ihren Besitzern das Gefühl, dass sie ihnen zuhören, dass sie sich um sie sorgen, für sie da sind und sprechen sie stets mit “Geliebtes Wesen” an.

Der Begriff des Ideenromans ist eine treffende Beschreibung für Bervoets Buch. Allerdings erweitert der Roman nicht, wie das Zitat auf dem Cover verspricht, die Grenzen der Literatur. Er bietet abwechslungsreiche Innenansichten, dringt in das Bewusstsein seiner Figuren ein, aber bleibt stets im Rahmen einer zugänglichen Literatur, die keine übermäßig hohen Anforderungen an den Leser stellt. Der Roman liest sich leicht, ist gekonnt geschrieben und macht Lust darauf, weitere Bücher der Autorin zu entdecken.

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