EIN WASSERFALL AN GEFÜHLEN
So schön das Cover aussieht, so schrecklich sieht Jos Vergangenheit aus. Niemanden lässt sie die Wahrheit über ihre Narbe auf der Wange und die damit verbundenen Traumata wissen, bis sie Evan trifft, der ...
So schön das Cover aussieht, so schrecklich sieht Jos Vergangenheit aus. Niemanden lässt sie die Wahrheit über ihre Narbe auf der Wange und die damit verbundenen Traumata wissen, bis sie Evan trifft, der ebenfalls eine schlimme Geschichte zu verarbeiten hat. Die beiden nähern sich trotz aller Widrigkeiten an, doch dann werden die beiden durch ein tragisches Ereignis wieder auseinandergerissen…
Emma Scotts Geschichte hat mein Herz gleich mehrfach gebrochen und wieder repariert. Jo und Evan sind so liebenswerte Charaktere und es gibt wenig Pärchen, denen man eine glückliche Beziehung so sehr gönnen würde wie den beiden. Doch das Leben meint es nicht gut mit den beiden – das Buch ist voller Tiefe und schwerer Schicksale, welche mich tief drin berührt, schockiert und zum Schluss mit mehr Verständnis für Betroffene von sexuellem Missbrauch, häuslicher Gewalt und toxischen Familienverhältnissen wieder losgelassen haben. Emma Scott schafft es wie fast keine andere Autorin, so intensive Emotionen im Leser zu wecken: man fiebert, leidet und liebt mit, und ich habe selten so eine Wut auf fiktive Charaktere verspürt wie auf Shane und Lee. Auch genügen wenige Worte, und schon hat man so lebendige Bilder im Kopf, dass man wie von selbst in Evans und Jos Welt hinübertreibt und darin versinkt.
Der zweite Teil war allerdings nicht mehr so überzeugend wie der erste Teil. Für mich waren einige Aspekte unlogisch und für meinen Geschmack beruht die storyline zu auf dem „Gut gegen Böse“–Schema: Evan und Jo kämpfen allein gegen den Rest der Welt und die wenigen Nebencharaktere sind mit zwei Ausnahmen alle „die Bösen“. Hier hat mir ein wenig die Vorbild – bzw. Lernfunktion gefehlt. Trotz des schwachen Mittelteils und aller Kritikpunkte hat der hochemotionale Schluss mit einem krassen plot twist das Ruder aber noch einmal herumgerissen.
Ich habe das Buch geliebt und werde den zweiten Teil der Dilogie definitiv auch lesen, allerdings muss man als Leser wegen der hochkonzentrierten Dosis an traurigen Themen (Triggerwarnungen beachten!) viel Leid verarbeiten und darf sich nicht in der drückenden Atmosphäre verlieren. Daher würde ich das Buch niemandem empfehlen, der gerade eher eine Aufmunterung braucht oder nur eine schöne Liebesgeschichte erwartet.