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Veröffentlicht am 28.10.2023

Ein letztes Mal mit den Großeltern auf Sylt

Sylter Welle
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Max hat im Laufe der Jahre viele Sommer mit seinen Großeltern auf Sylt verbracht. In diesem Jahr haben sie angekündigt, ein letztes Mal auf die Insel zu fahren. Der erwachsene Max besucht sie für drei ...

Max hat im Laufe der Jahre viele Sommer mit seinen Großeltern auf Sylt verbracht. In diesem Jahr haben sie angekündigt, ein letztes Mal auf die Insel zu fahren. Der erwachsene Max besucht sie für drei Tage. Dabei reflektiert er die Beziehung zu seiner Oma Lore und seinem Opa Ludwig. In welcher Hinsicht hat sich seine Rolle als Enkel verändert, und was ist heute noch immer genau so wie er es in Erinnerung hat?

"Sylter Welle" ist der erste Roman von Max Richard Leßmann und eine Autofiktion, zu welcher er inspiriert wurde, als er tatsächlich seine Großeltern auf Sylt besucht hat. Das Buch beginnt mit Max' Eintreffen auf der Insel, wo ihn seine Oma Lore zu Fuß abholt. Er erinnert sich daran, dass sie ihn früher immer mit einem Opel Vectra abgeholt hat, in dem es nach Apfelringen roch.

Die drei Tage auf Sylt sind der Rahmen für eine gedankliche Zeitreise, auf die Max sich begibt. Immer wieder taucht er in neue Szenen und unterschiedlich alte Erinnerungen ein. Dabei lernte ich Max' Großeltern als Charaktere kennen, die in ihrem Leben viel durchgemacht haben, ihre Gefühle dabei aber nie sonderlich stark nach außen getragen haben. Ihre Liebe zu Max und den anderen Familienmitgleidern drückt sich eher in Taten aus.

Mich haben die Schilderungen dazu gebracht, die Beziehung zu meinen eigenen Großeltern zu reflektieren und nach Ähnlichkeiten und Unterschieden zu suchen. Viele Beoabchtungen zeigen das grundsätzliche Spannungsfeld zwischen den Generationen auf, in denen ich mich oftmals wiederfinden konnte. Der Wandel der Rolle des Enkelkinds wird gelungen dargestellt. In mancherlei Hinsicht hören die Großeltern nicht auf, sich zu kümmern, doch es kommt vermehrt zu Situationen, in denen sich dies umkehrt.

Die Erinnerungen beschränken sich nicht nur auf Max und seine Großeltern, sondern beziehen auch seinen Vater und dessen Geschwiester sowie seine Mutter mit ein. Verschiedene Anekdoten über Vorfälle in Max' Familie oder die Reaktionen auf seine eigenen Verfehlungen ließen mich mal schmunzeln, mal stimmten sie nachdenklich. Das Beziehungsgeflecht der Familie mit seinen Allianzen und Konflikten wird im Laufe des Romans herausgearbeitet, denn was wäre eine Familie ohne sie?

Mit diesem ruhigen Roman, in dem Gegenwart und Vergangenheit so eng miteinander verwoben sind, dass die Grenzen beinahe verschwimmen, hat der Autor seinen Großeltern ein Denkmal gesetzt. Für mich hätten die Erlebnisse in der Gegenwart und Sylt als Handlungsort mehr Platz einnehmen dürfen. Ingesamt ist "Sylter Welle" für mich ein lesenswerter Roman über die Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkindern und deren Entwicklung im Laufe der Jahre.

Veröffentlicht am 07.10.2023

Ideen für besondere Mitbringsel der essbaren Art

Selbstgemachte Geschenke zum Aufessen
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"Selbstgemachte Geschenke zum Aufessen" ist der inzwischen 16. Band der illustrierten Lieblingsbücher-Reihe von Kat Menschik. Hierfür hat sie sich mit Veronique Witzigmann zusammen getan, die bereits mehrere ...

"Selbstgemachte Geschenke zum Aufessen" ist der inzwischen 16. Band der illustrierten Lieblingsbücher-Reihe von Kat Menschik. Hierfür hat sie sich mit Veronique Witzigmann zusammen getan, die bereits mehrere Kochbücher veröffentlicht hat. Auf knapp über 100 Seiten finden sich hier Rezepte für sowohl herzhafte als auch süße Speisen, die sich zum Verschenken eignen. Dabei handelt es sich sowohl um Mitbringsel, die länger haltbar sind als auch um solche, die sofort verzehrt werden sollten.

Das Buch ist mit seinem lilanen Buchcover und dem ebenso lilanen Buchschnitt und Lesebändchen wieder ein echter Hingucker und ein neuer Farbtupfer in der bunten Reihe. Die Illustrationen von Kat Menschik machen große Lust, die Rezepte auszuprobieren. Diesmal befinden sich im Buch sowohl ganzseitige gemalte Bilder als auch Zeichnungen, mit denen der Platz unter den Rezept-Texten gefültl wird. Wie Kat Menschik selbst im Nachwort schreibt hat sie hier bewusst unterschiedliche Techniken nebeneinander gesetzt. Das Ergebnis ist überaus gelugnen.

Nach "Essen essen" ist dies bereits das zweite Kochbuch der Lieblingsbücher-Reihe. Während bei ersterem auch die Hinweise zur Zubereitung gezeichnet sind und dadurch das ganze Rezept ein optisches Erlebnis ist, sind sie diesmal als Text abgedruckt. Da die Instruktionen hier noch einmal deutlich länger sind, war das in meinen Augen eine sinnvolle Entscheidung. Auch das allgemeine Schwierigkeitsniveau der Rezepte ist hier höher. Während "Essen essen" mehr für den Alltag gedacht ist, handelt es sich hier um Speisen, die wirklich etwas Besonderes sind. Eine gelungene Ergänzung der Reihe!

Veröffentlicht am 16.09.2023

Ein Neuanfang in altbekannter Umgebung

Tage im warmen Licht
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Eigenbedarfskündigung - dieses Wort bedeutet für Maria und ihre Tochter Linnea das Ende ihrer Zeit in einer Münchener Dreizimmerwohnung. Da es Maria unmöglich erscheint, in dieser Zeit eine vergleichbare ...

Eigenbedarfskündigung - dieses Wort bedeutet für Maria und ihre Tochter Linnea das Ende ihrer Zeit in einer Münchener Dreizimmerwohnung. Da es Maria unmöglich erscheint, in dieser Zeit eine vergleichbare und bezahlbare Wohnung in der Stadt aufzutreiben, trifft sie schweren Herzens eine Entscheidung: Sie und Linnea werden vorübergehend in das Haus von Oma Hanne ziehen, die es ihr nach ihrem Tod im vorherigen Jahr vererbt hat. Nach über zwanzig Jahren kehrt Marie in das Provinznest zurück, mit dem sie zahlreiche schöne Erinnerungen und eine schmerzhafte Flucht verbindet. Die Begegnungen mit den Personen ihrer Vergangenheit lassen nicht lang auf sich warten. War es die richtige Entscheidung, zurückzukehren?

Der Roman beginnt mit einer bittersüßen Erinnerung an Marias Kindheit: In dieser sitzt sie nach der Beerdigung ihres Opas mit ihrer Oma Hanne und ihrem besten Freund Henning im Garten der Nachbarin und isst kalten Pudding direkt aus der Schüssel. An diesem Tag kommt Hanne die Idee, sich einen Hund zu kaufen. Zwanzig Jahre später ist Hanne seit über einem Jahr tot und ihr Marie kümmert sich nicht nur um ihre Teenager-Tochter Linnea, sondern auch um Hannes Hund Bootsmann.

Nach wenigen Seiten machen sich Maria und Linnea mit Bootsmann auf den Weg hinaus aus der Stadt, um vorübergehend in Hannes altes Haus zu ziehen. Martha, die Nachbarin und gute Freundin von Hanne, ist gleich zur Stelle, um den beiden zu helfen. Ihr Angebot an Maria, einem Frauenclub beizutreten, der sich regelmäßig bei ihr versammelt, lehnt sie jedoch skeptisch ab. Weitere Begegnungen mit Menschen aus ihrer Vergangenheit lassen nicht lang auf sich warten. Bald holen die Erinnerungen an die Ereignisse von damals, die dafür gesorgt haben, dass Maria nach München geflüchtet und bis heute nicht zurückgekehrt ist, sie wieder ein.

Als Leserin hatte ich schnell eine grobe Idee, was damals passiert ist, auch wenn die Details erst nach und nach als Erinnerungsfetzen preisgegeben werden. Marias alte Freunde reagieren sehr unterschiedlich auf ihre Rückkehr, die meisten wissen nicht einmal, warum sie damals gegangen ist. Ich erlebte eine Protagonistin, die mit sich ringt, ob sie Nähe zulassen soll oder lieber weiter auf Distanz bleibt, um nicht verletzt zu werden. Es setzt ein Heilungsprozess ein, in dem es viele kleine Schritte in die richtige Richtung, aber auch Rückschritte gibt und auf dem ich Maria gerne begleitet habe. Gestört hat mich lediglich, dass entscheidende Gespräche immer wieder aufgeschoben wurden und sich die Handlung dadurch etwas in die Länge zog.

Neben Marias eigenem Weg erlebte ich ebenfalls, wie ihre Tochter Linnea in der neuen Umgebung aufblüht. In München hatte sie mit Schulangst zu kämpfen und findet nun ein Umfeld, das sie bestärkt und in dem sie sich sicher fühlt. Der Roman legt seinen Fokus auf Freundschaft und Zusammenhalt, um sich gegenseitig zu stärken, zu wachsen und die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Eine einfühlsame und berührende Lektüre, perfekt für einen sonnigen Herbsttag.

Veröffentlicht am 27.08.2023

Eintauchen in ein pulsierendes New York

Cleopatra und Frankenstein
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Cleo und Frank lernen sich am Silvesterabend in einem Fahrstuhl kennen. Beide sind gerade dabei, die Party vor Mitternacht zu verlassen. Eigentlich sollte Frank nur Eiswürfel holen, doch die beiden reden ...

Cleo und Frank lernen sich am Silvesterabend in einem Fahrstuhl kennen. Beide sind gerade dabei, die Party vor Mitternacht zu verlassen. Eigentlich sollte Frank nur Eiswürfel holen, doch die beiden reden so lange, dass das neue Jahr längst angebrochen ist und er sie nach Hause bringt. Sechs Monate später findet die Hochzeit des ungleichen Paares statt. Sie ist Britin, Mitte 20, eine Künstlerin - er Amerikaner, Mitte 40, Besitzer einer Werbeagentur. Doch es warten einige Herausforderungen: Frank arbeitet ununterbrochen und trinkt zu viel Alkohol, Cleo sucht nach ihrem Platz im Leben und einer erfüllenden Aufgabe. Wird es den beiden gelingen, sich dem gemeinsam zu stellen?

Der Roman beginn mit dem Kennenlernen der beiden Hauptcharaktere am Silvesterabend. Aus diesem ersten Gespräch geht der Titel des Buches hervor, die Namen Cleopatra und Frankenstein geben die beiden sich als Neckerei. Auch wenn sie aus ganz verschiedenen Welten stammen, ist die gegenseitige Faszination von Beginn an spürbar. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass das Buch nach dieser ersten Szene gleich sechs Monate in die Zukunft und zur Hochzeit der beiden springt.

Insgesamt umfasst der Roman einen Zeitraum von etwa zwei Jahren und wirft Schlaglichter auf einzelne Phasen in der Beziehung der beiden. Außerdem wechselt die Perspektive nach jedem Kapitel, sodass ich auch mehr über Cleos besten Freund Quentin, Franks Schwester Zoe, seine Mitarbeiterin Eleanor sowie über Santiago erfuhr, auf dessen Party das erste Kennenlernen stattfand. Sie alle erleben Umbrüche in ihrem Leben und treffen wegweisende Entscheidungen, bei denen ich hautnah dabei war.

Ich hatte zu Beginn mit einem Roman gerechnet, der sich gänzlich auf die tielgebenden Figuren fokussiert und war daher zunächst irritiert, dass diese immer wieder zu Nebencharakteren degradiert werden. Nach den ersten paar Kapiteln fand ich aber zunehmend Gefallen am Stil der Autorin und ließ mich auf die Erlebnisse der ganz unterschiedlichen Personen ein. Tatsächlich fiel es bis zum Schluss schwer, einen richtigen Zugang zu Frank und Cleo zu finden. Die Kapitel rund um Zoe sowie Santiago haben mir noch besser gefallen als das dramatische Auf und Ab in der Ehe der beiden. Dem Lesesog dieses Romans konnte ich in Summe aber nach den ersten Anlaufschwierigkeiten nicht mehr widerstehen. Gern empfehle ich das Buch an alle Leser:innen weiter, die Lust haben, in ein pulsierendes New York und die Geschichten ganz unterschiedlicher Charaktere in dieser Stadt abzutauchen.

Veröffentlicht am 19.08.2023

Auf der Jagd nach einem verschollenen Kartenfragment

Die Bücherjägerin
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Sarah hat von ihrer Tante Amalia alles gelernt, was es über den Handel und die Restauration von antiquarischen Büchern zu wissen gibt. Jahrelang haben sie zusammen gearbeitet. Doch nun ist Amalia tot, ...

Sarah hat von ihrer Tante Amalia alles gelernt, was es über den Handel und die Restauration von antiquarischen Büchern zu wissen gibt. Jahrelang haben sie zusammen gearbeitet. Doch nun ist Amalia tot, und Sarah sitzt allein mit einem Schuldenberg in dem großen Haus voller Bücher. Bis eines Tages Benjamin Ballantyne von der Britischen Bibliothek vor ihrer Tür steht. Dieser wurde von Amalia kontaktiert, weil sie scheinbar etwas über den Verbleib des verschollenen Teils der mittelalterlichen Tabula Peutingeriana wusste. Der Fund dieses Teils wäre eine wahre Sensation. Ben kann Sarah überzeugen, sich mit ihm auf die Suche zu machen, und so folgen die beiden den wenigen Anhaltspunkten, die ihre Tante hinterlassen hat.

Titel und Cover des Buches vermitteln auf den ersten Blick, dass es sich hier um eine durch und durch bibliophile Geschichte handelt. Ich als Leserin begegnete Sarah erstmals sechs Monate nach dem Tod ihrer geliebten Tante Amalia. Diese hat sich um Sarah gekümmert, seit sie als Kind ihre Eltern bei einem Unglück verloren hat. Mit der Deutung von sozialen Situationen und ihrer souveränen Bewältigung tut Sarah sich häufig schwer. Amalia hat ihr hier stets geholfen und sie in Schutz genommen. Nun ist Sarah auf sich gestellt und hat dazu noch einiges an Schulden geerbt.

Der Aussicht auf ein Abenteuer steht Sarah zunächst skeptisch gegenüber. Doch Ben kann sie überzeugen, dass der Fund des Kartenteils nicht nur von ideolischen Wert, sondern für sie auch in finanzieller Hinsicht attraktiv wäre. So beginnt schließlich ein Roadtrip gen Frankreich, der meine Neugier weckte, was die beiden wohl erleben werden. Die beiden harmonieren sehr gut miteinander. Ich fand ihre Dialoge amüsant und es war einfach schön, den vorsichtigen Beginn einer möglichen Liebesgeschichte mitzuerleben.

Die Kapitel in der Gegenwart werden sehr häufig von solchen unterbrochen, in denen sich Sarah an ihr bisheriges Leben beginnend beim Tod ihrer Eltern und ihrem Einzug bei Amalia bis hin zu den letzten Wochen mit ihr erinnert. Die Erinnerungen sind bittersüß und für Sarah ein wichtiger Teil ihrer Trauerarbeit. Auch die Beziehung zu ihrer Schwester Milena, von der sie sich distanziert hat, seit diese ihr Leben zunehmend nach den Wünschen ihres Mannes ausrichtet, wird intensiv beleuchtet.

Für meinen Geschmack war der Anteil der Erinnerungskapitel etwas zu groß, wodurch die Dynamik des Roadtrips von Sarah und Ben immer wieder ausgebremst wurde. Ich hätte hier noch mehr Hinweise und Stationen erwartet. Die Suche gestaltet sich jedoch als eher gemächlich und erfordert wenig detektivisches Gespür. Mit der Zeit wird immer deutlicher, dass das Finden der Karte nicht das wichtigste Thema ist, sondern vielmehr Sarahs Trauerprozess und ihre Suche nach dem Leben, das sie in einer Welt ohne Amalia führen möchte. Ich habe mit der Geschichte schöne Lesestunden verbracht und empfehle es daher gerne an alle weiter, die Bücher lieben.