Viel Spice, wenig Plot, aber doch tiefgründiger als man denkt
IcebreakerVielen lieben Dank an den Lyx-Verlag und die #bloggerjury für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.
Aufmachung:
Ich ...
Vielen lieben Dank an den Lyx-Verlag und die #bloggerjury für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.
Aufmachung:
Ich mag es sehr, dass der deutsche Verlag das Originalcover übernehmen konnte, da ich es wirklich süß finde und Stassie und Nate gut darstellt. Der pastellige Hintergrund gefällt mir auch optisch sehr und dass sich die Schlittschuhspuren auf dem Eis mit dem Titel verbinden, ist ein schönes Detail.
Man darf sich von dem süßen, unschuldigen Cover allerdings nicht in die Irre leiten lassen, der Inhalt ist nämlich bei Weitem nicht so unschuldig, wie das Cover vermuten lässt! :D
Das Lektorat hat hier allerdings überhaupt nicht sorgfältig gearbeitet. Ständig bin ich über unnötige Satzzeichenfehler, fehlende Worte oder Sätze, in denen Worte vorkommen, die dort offensichtlich nicht hingehöre, gestolpert. So etwas kann natürlich immer mal passieren, niemand ist schließlich perfekt. Aber gerade bei so einem großen Verlag wie Lyx, dem nunmal einiges an Geld für ein anständiges Lektorat zur Verfügung steht, erwarte ich durchaus, dass sich solche Fehler in Grenzen halten. Hier war es aber offensichtlich wichtiger, das Buch so schnell wie möglich auch auf den deutschen Markt zu bringen, als auf Qualität zu achten. Da kann natürlich die britische Autorin nichts für, deshalb merke ich das hier in der Aufmachung an, die wie immer nicht in die Bewertung einfließt, aber ich halte es doch für wichtig noch einmal zu unterstreichen, dass ich den Lyx-Verlag dafür stark kritisiere.
Meine Meinung:
Natürlich habe ich von dem Booktok- und Bookstagram-Hype um dieses Buch gehört, der vor allem von den spicy Szenen herrührt. Dass ich wusste, dass das Buch sich in der Hinsicht nicht zurückhält, trägt vermutlich wesentlich dazu bei, dass meine Bewertung besser ausfällt als so manch andere LeserInnenstimmen, denn ich finde, der Klappentext ist absolut irreführend.
Ja, Anastasia trainiert sehr hart für die Olympischen Spiele, und ja, Nate muss ihr durch eine unglückliche Verkettung von Vorfällen auch dabei helfen, obwohl er Eishockeyspieler und kein Eiskunstläufer ist. Meines Erachtens ist das im gesamten Plot aber eigentlich eher nebensächlich, zumal vorher im Buch bereits einiges passiert, bevor Nate dann etwa ab der Hälfte für Stassies Eiskunstlaufpartner einspringt.
Der Klappentext suggeriert, dass es sich viel um die Eiskunstlaufszenen zwischen Nate und Stassie drehen wird, die auch Grund für ihr Näherkommen sein werden, aber das ist eigentlich gar nicht der Fall. Die beiden treffen nämlich schon viel früher aufeinander und haben bereits eine Form von Beziehung, als sie anfangen, zusammen miteinander zu trainieren.
Das also alles zusammengefasst, kann man vorab auf jeden Fall sagen, dass man sich vielleicht eher die Leseprobe und andere LeserInnenstimmen durchlesen sollte, als sich nur auf Klappentext und Cover zu verlassen, denn sonst erwartet man etwas ganz anderes und wird höchstwahrscheinlich enttäuscht.
Ich wusste aber ja, dass „Icebreaker“ für seine spicy Szenen bekannt war und habe auch vorher den Klappentext nicht gelesen (mache ich selten), daher war ich nicht allzu überrascht davon, dass es direkt auf den ersten paar Seiten heiß hergeht und sich beide Protagonisten generell nur wenig zurückhalten. Wenn man also nicht gerne Spice liest, kann man „Icebreaker“ von vornherein gleich für sich ausschließen – lange ist das nämlich das einzige, was in diesem Buch passiert.
Davon war ich zwar nicht gelangweilt – gerade, wenn mir der Sinn nach leichterer Unterhaltung steht, lese ich durchaus gerne mal no plot, just spice –, aber wiiiirklich gut unterhalten war ich auch nicht. Versteht mich nicht falsch: Die sexy Szenen sind durchaus gut geschrieben, aber ich habe schon besseres gelesen. Das liegt hauptsächlich an zwei Aspekten, die gleichzeitig auch meine größten Kritikpunkte an diesem Buch sind:
Zunächst einmal der Schreibstil von Hannah Grace. Man merkt einfach, dass „Icebreaker“ ihr Debüt ist. Einiges kann natürlich auch an der Übersetzung liegen (die ja, wie erwähnt, nun wahrlich nicht das Gelbe vom Ei ist), aber oft hatte ich Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen, weil die Autorin in dem Moment gefühlt ohne Überleitung von einem Punkt zum anderen gesprungen ist. Nicht selten musste ich diese Passagen mehrfach lesen, um wirklich sicherzugehen, dass ich nicht einfach etwas überlesen habe. Dieses Holprige, Sprunghafte hat dazu geführt, dass abgesehen davon, dass es mich beim Lesen natürlich immer wieder etwas rausgebracht hat, sich die Handlung insgesamt wenig natürlich angefühlt hat.
Zum anderen sind Stassie und Nate, ebenso wie in der Folge natürlich auch ihre Beziehung sowie viele Konflikte und Themen für meinen Geschmack einfach zu oberflächlich geblieben. Ich habe hier natürlich, wie gesagt, nicht das Tiefgründigste der Welt erwartet; wenn ein Buch wegen seines Spice bekannt wird, dann ja wohl aus gutem Grund. Dennoch sind beide Protagonisten durchweg etwas blass geblieben, was natürlich ebenfalls dazu führt, dass die Szenen zwischen ihnen eher distanziert wirken.
Dabei werden viele wichtige Themen angesprochen wie Leistungsdruck, Fat- und Slutshaming und Ernährung; die Autorin verarbeitet hier wirklich eine Menge guter Gedanken, die das Potenzial gehabt hätten, aus dem Buch so viel mehr als no plot, just spice herauszuholen – was alleine, um das noch einmal zu betonen, natürlich auch gut sein kann! Ein Buch muss nicht zwingend tiefgründig mit besonderer Message sein. Allerdings wünsche ich mir, wenn dann solche Themen angesprochen werden, dass dies dann auch mit der erforderlichen Aufmerksamkeit geschieht. Hier hatte ich durchweg das Gefühl, dass die Autorin nur an der Oberfläche kratzt und nicht ganz an das herankommt, was ihrer Geschichte innewohnt. Wie gesagt, man merkt eben, dass das ihr Debüt ist, und ich glaube, für zukünftige Werke hat sie definitiv das Potenzial, ein Gespür für solche Dinge zu entwickeln und alles aus ihrer Geschichte herauszukitzeln. Hier fehlt es aber, was nicht nur für Oberflächlichkeit, sondern auch für Vorhersehbarkeit sorgt.
Sobald sich ein Konflikt nämlich abgezeichnet hat, war mir schon relativ schnell klar, wie die Autorin ihn lösen würde; in der Hinsicht war „Icebreaker“ etwas unspektakulär.
Trotzdem, das möchte ich einmal betonen: Ich habe einen unterhaltsamen no brainer erwartet. Den bekommt man hier zwar die meiste Zeit auch, aber dass die Autorin überhaupt Themen einbaut, die durchaus zum Nachdenken anregen, hat mich positiv überrascht und gibt dem Buch etwas, wenn auch nicht viel, Tiefe.
„‚Womit habe ich dich bloß verdient?‘
Ich presse die Lippen an ihre Stirn und überlege, wie ich am besten antworte. Mir fällt nichts ein, deshalb muss ich mich damit begnügen. ‚Ich weiß es nicht, aber ich würde dich auch mögen, wenn du statt Händen Krabbenscheren hättest.‘“ (S. 340/560)
Was mir wirklich richtig gut gefallen hat, und was vielleicht die größte Stärke von „Icebreaker“ ist: die Kommunikation zwischen Stassie und Nate.
Leider immer noch viel zu oft muss ich gerade im Romancebereich fehlende Kommunikation bemängeln. Ich kann nichts weniger leiden als Protagonisten, die ein Riesendrama veranstalten, nur weil sie es einfach nicht gebacken kriegen miteinander zu reden – Anastasia ist hier ein wunderbares Beispiel dafür, dass man auch dann 500 Seiten gut gefüllt kriegt, wenn die Protagonistin von vornherein klar ausdrückt, was sie möchte und was ihr nicht gefällt. Natürlich steht auch sie vor Herausforderungen und muss sich auch oft genug überwinden, etwas zu tun, aber sie ist vor allem mit sich selbst ehrlich und redet, wenn ihr etwas auf dem Herzen liegt, ebenso Nate. Die beiden streiten, sie missverstehen sich und natürlich gibt es auch ein wenig Drama – aber eben nicht künstlich aufgebauscht und völlig unnötig, sondern komplett natürlich und nachvollziehbar. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Protagonisten, sondern für die meisten relevanten Nebenfiguren auch. Das fand ich wirklich toll!
„Sie hat mir beigebracht, dass Kommunizieren nicht bedeutet, dass alles perfekt sein muss, es heißt nicht, dass wir keine Meinungsverschiedenheiten haben. Es bedeutet, dass wir an unseren Schwächen arbeiten, und wenn wir uns nicht einigen können, wissen wir zumindest, warum der andere so empfindet, auch wenn wir unsere Meinung nicht ändern werden.“ (S. 410/560)
Was mir am Buch aber am allerwenigsten gefallen hat: der Epilog. Ich möchte nicht spoilern, daher bleibe ich mal sehr nebulös, aber alle, die das Buch gelesen haben, wissen sicher, wovon ich spreche. Das ist bestimmt auch viel Geschmackssache, aber in meinen Augen hat das, was dort passiert, überhaupt nicht zu dem gepasst, wie Anastasia und Nate sich in der Geschichte zuvor verhalten haben, unabhängig davon, dass ich es wirklich jedes Mal hasse, wenn so etwas passiert. Meines Erachtens widerspricht es einfach den Grundzügen von vor allem Anastasias Charakter, daher hätte ich mir gewünscht, dass die Autorin dieses Detail einfach weggelassen hätte.
Um die Rezension aber positiv abzuschließen – schließlich ist ja auch mein Grundeindruck von „Icebreaker“ positiv –, möchte ich einmal erwähnen, wie sehr ich insbesondere Nates Freund Henry und Stassies Freund Ryan geliebt habe. Vor allem die beiden, aber eigentlich sämtliche Nebenfiguren sind mindestens genauso lebendig wie die Protagonisten und wachsen einem schnell ans Herz – wobei ich zugeben muss, dass ich gerade anfangs Schwierigkeiten hatte, Nates Teamkameraden auseinander zu halten, gerade bei Bobby und Robbie kam ich immer durcheinander. Das kann aber auch daran liegen, dass ich mir generell Namen nicht so gut merken kann und es bei mir immer tödlich ist, wenn zwei Figuren sehr ähnlich heißen. Ich hoffe jedenfalls, wir bekommen auch ihre Geschichten, denn Potenzial ist auf jeden Fall da!
Fazit:
Wer nur das Cover sieht und den Klappentext liest, geht ziemlich sicher mit falschen Erwartungen an „Icebreaker“ heran und wird auch höchstwahrscheinlich enttäuscht. Das Buch ist nicht so niedlich und unschuldig, wie das Cover vermuten lässt, und das, worauf im Klappentext eingegangen wird, passiert erst relativ spät in der Handlung und ist auch eigentlich wenig relevant für die gesamte Geschichte. Wenn ihr wissen wollt, ob das Buch etwas für euch ist, lest am besten die Leseprobe und LeserInnenstimmen und macht euch auf jeden Fall auf viel Spice gefasst. Wer letzteres nicht mag, braucht gar nicht erst zum Buch zu greifen.
Wer aber Lust auf einen no brainer mit viel Spice und wenig Plot hat, der bekommt hier definitiv einige unterhaltsame Lesestunden, die zum Teil sogar doch tiefgründiger ausfallen, als man erwartet. Trotzdem: Erwartet jetzt nicht zu viel, der Spice steht im Vordergrund und alles andere bleibt eher oberflächlich. Mit dem sprunghaften Schreibstil hatte ich auch meine Schwierigkeiten, wozu aber auch das schlechte Lektorat des Lyx-Verlages beigetragen haben könnte – ich bin über übermäßig störend viele Fehler und Ungereimtheiten gestolpert, die in dem Ausmaß bei einem so großen Verlag einfach nicht vorkommen dürfen. Wer also gut englisch lesen kann, liest das Buch wohl besser im Original.
Der Epilog war für mich eine einzige Katastrophe (IYKYK), aber das ist viel Geschmackssache, weshalb ich ihn einfach für den Rest meines Lebens ignorieren werde.
Zusammenfassend ist „Icebreaker“ ein vielversprechendes Debüt, dessen Potenzial nicht voll ausgeschöpft wurde, das aber doch viel Spaß gemacht hat!
4/5 Lesehasen.