Beklemmendes Jugenddrama aus der Londoner Vorstadt
Die Inhaltsangabe zu No way back hat mich gleich angesprochen, besonders nachdem ich nach langer Zeit mal wieder über ein Buch mit einem schwierigeren Thema lesen wollte. Es erwartete mich eine etwas ...
Die Inhaltsangabe zu No way back hat mich gleich angesprochen, besonders nachdem ich nach langer Zeit mal wieder über ein Buch mit einem schwierigeren Thema lesen wollte. Es erwartete mich eine etwas andere Geschichte, als ich vermutet hatte, aber trotzdem konnte sie mich fesseln. Vor allem die Hauptfigur. Jaylon ist nicht DAS typische Gangmitglied, das alles für ein bisschen Ruhm, Ansehen und Geld aufs Spiel setzt. Er erkennt schon früh, in welche ausweglose Situation er sich hineinmanövriert hat, leider nur nicht früh genug, wie er glaubt. Er ist eher ein Denker, manchmal fast schon philosophisch, der weder feige noch radikal mutig handelt. Es gibt soviel, was ihn gewollt oder ungewollt anspricht, das er jedoch vor seinen Kumpels verheimlicht, weil das für ihn gefährliche Konsequenzen haben könnte. Man bekommt schnell eine Ahnung davon, was alles aus ihm noch hätte werden können, hätte er sich anders entschieden. Das macht ihn zu einem sehr interessanten Charakter, der weder besonders böse noch wirklich gut ist, sondern ein Mensch voller Ängste, Schwächen und Wut auf seine Umgebung, die er nicht immer kontrollieren kann. Die übrigen Protagonisten bestechen dagegen zum einen durch ihre manchmal realistisch erbarmungslose Darstellung, zum anderen durch ihre Skurrilität (besonders die Obdachlosen Londons). Aber auch so manches Klischee taucht bei ihrer Gestaltung auf, das nicht ganz überzeugen kann.
Der Schreibstil passt zu dem Milieu, in dem die Story spielt. Angelehnt an die Jugendsprache ist er eher knapp und direkt gehalten, weshalb er sich flüssig lesen lässt. Dabei erzeugt er eine düstere, schmutzige Atmosphäre, die das Bandenleben eher eindringlich statt übertrieben brutal darstellt. Genau das ist mir positiv aufgefallen. Ich hatte eigentlich beim Lesen der Inhaltsangabe mit mehr Action gerechnet, doch die manchmal fast schon unspektakulär wirkende Gewalt machte auf mich einen weitaus realistischeren Eindruck als übertrieben blutig dargestellte Mordszenen. Die Tötungen erscheinen nicht übersteigert dramatisch, vielmehr sind sie Affekthandlungen, die man erst spät wirklich realisiert. Genau das ist aus den Augen des Buchhelden gesehen, der eigentlich kein sadistischer Mensch ist, weitaus glaubhafter. Was mich allerdings besonders zum Ende hin gestört hat, waren die vielen religiösen Bezüge. In Verbindung mit den verrückten Begegnungen, die Jay immer wieder hat, nehmen sie der Handlung mehr und mehr ihre Echtheit und Lebensnähe und verklären sie zu sehr. Meiner Meinung nach hat der Autor das Ende ein bisschen zu überzogen. In der Hinsicht wäre weniger deutlich mehr gewesen.
Fazit
No way back von John Lucas ist ein eindringliches Drama über das Bandenleben in der Londoner Vorstadt. Mit einem Hauptcharakter, der vor allem durch seine realistische Darstellung überzeugen kann und einer nachdenklichen stimmenden Geschichte konnte mich der Autor an die Handlung fesseln.
Leider schmälerte der übersteigerte religiöse Schluss meinen positiven Eindruck, sodass ich für mich nur 4 Sterne vergeben kann.
Wer aber gerne Bücher über Jugendkriminalität liest, über die man auch über die letzte Seite hinaus nachgrübeln kann und die nicht vor Action oder blutiger Gewalt überquellen, der sollte auf diesen Roman mal ein Auge werfen.