Einen gut recherchierten Thriller wie diesen habe ich lange nicht mehr gelesen. Die Autorin Christina Kovac hat lange Zeit als Produzentin und Redakteurin beim Fernsehen gearbeitet, entsprechend authentisch sind ihre Schilderungen des Alltags ihrer Protagonistin. Gerade bei einem Thriller, der in einem politischen Umfeld spielt, ist es wichtig, dass der Laie das Gefühl bekommt, die Dinge könnten sich in der Realität ganz genauso abspielen. Das ist Kovac in ihrem Debüt gut gelungen.
Das Buch startet langsam, denn obwohl die Hauptfigur Virginia gleich zu Beginn über das Bild der vermissten Frau stolpert, zeichnet sich zunächst nicht ab, welche Bedeutung ihr Verschwinden bekommen würde. Tatsächlich dauert es etwa bis zur Hälfte des Thrillers, bis sich den Helden die Größe dessen offenbart, womit sie es zu tun haben. Das ist realistisch gestrickt, da auch Menschen, die ihr täglich Brot mit politischem Journalismus verdienen, selten damit rechnen, in eine riesige Intrige zu stolpern. Die Art, wie Virginia zusammen mit ihren Kollegen Ben, Isaiah und anderen Informanten befragt und langsam das Puzzle zusammensetzt, baut ganz langsam, aber unaufhaltsam Spannung auf.
Während auf der einen Seite die Ermittlungen zum Verschwinden der Frau voranschreiten, bekommen wir auch Einblicke in das Privatleben und das berufliche Umfeld der Personen. Auf der einen Seite entwickelt sich eine sehr vorsichtige, und genau deswegen realistische Liebesgeschichte zwischen Virginia und ihrem Kollegen, während gleichzeitig Personalkürzungen und betriebsinterne Intrigen allen Beteiligten das Leben schwer machen. Auch das Verhältnis der Journalisten zu ihren Quellen, seien es Zivilisten oder Polizeiangehörige, wird immer wieder beleuchtet. Als jemand, der selbst für verschiedene Zeitungen und Radios gearbeitet hat, kann ich bestätigen, dass Loyalität und Vertrauen zwischen Reportern und Informanten das Fundament jeglicher journalistischer Arbeit ist. Der ständige Kampf, eine Geschichte auf Basis präsentierbarer Fakten zu produzieren, und Quellen zu beschützen und bei der Stange zu halten, ist manchmal ein Spagat, der kaum machbar ist.
Die Geschichte selbst ist solide dargestellt, realistisch insbesondere im Kontext von Washington, und entwickelt sich in einem angemessenen Tempo. Trotzdem konnte das Buch mich nicht überzeugen. Das Problem liegt bei dem Erzählstil: Wir haben es mit einer Ich-Erzählerin zu tun, das Buch wird konsequent ausschließlich aus der Perspektive von Virginia geschrieben. Paradoxerweise führt das dazu, dass Virginia ein oberflächlicher Charakter bleibt. Zwar bekommen wir immer wieder kurze Einblicke in ihren Hintergrund und ihre Kindheit, doch werden diese Pfade nicht wirklich weiter verfolgt und entwickeln keine Relevanz für ihren Charakter. So gut sie in ihrer Arbeit als Journalistin ist, bleiben die präsentierten Mängel ihres Charakters immer oberflächlich. Einige ihrer Entscheidungen sind für mich entsprechend nicht nachvollziehbar, insbesondere das Ende – welches ich hier nicht verraten werde – hat mich vollkommen sprachlos und ungläubig hinterlassen. In meinen Augen ist ihr Charakter nicht entwickelt genug, um sie wirklich verstehen zu können.
Das ist schade, denn dieser Thriller lebt von den zwischenmenschlichen Beziehungen. Insbesondere in jenen Momenten, da es um verletzte Eitelkeiten und Affären geht, hat das Buch seine Stärken. Sogar die angedeutete Sexszene ist herausragend ausgeführt. Leider blieb Virginia immer kalt für mich, wenn ich mit Charakteren mit litt und um sie bangte, waren es immer die anderen, nicht sie selbst. Ich frage mich, ob eine andere Erzählperspektive, die erlaubt hätte, Virginia von außen zu sehen, der Geschichte geholfen hätte, die Hauptfigur tiefer zu gestalten.
Fazit:
Der Thriller „Stadt der Intrigen“ ist ein gelungenes Debüt von Christina Kovac. Die immer größer werdenden Kreise, welche die Intrige rund um das Verschwinden der Frau zieht, sind gekonnt inszeniert und bauen systematisch Spannung auf. Wir erhalten tiefe Einblicke in die Nachrichtenwelt und das politische System von Washington, wo anscheinend jeder seine ganz eigenen Motive hat. Leider bleibt die Hauptfigur Virginia Knightley bis zuletzt blass, so dass manche Entscheidungen und Entwicklungen nicht so nachvollziehbar und authentisch sind, wie sie sein sollten. Trotzdem konnte ich die Lektüre mehr als genießen.