Nilz Bokelberg auf sozialen Netzwerken, in Podcasts oder auch in Dokumentationen durch seine VIVA-Zeit zu folgen, ist ein großes Vergnügen.
Ihm zu den Urlaubsorten seiner Vergangenheit von Renesse bis ...
Nilz Bokelberg auf sozialen Netzwerken, in Podcasts oder auch in Dokumentationen durch seine VIVA-Zeit zu folgen, ist ein großes Vergnügen.
Ihm zu den Urlaubsorten seiner Vergangenheit von Renesse bis Rom zu folgen, aber ein noch größeres. Und dabei war ich bislang weder im niederländischen Seebad noch in der ewigen Stadt im Herzen Italiens. Und noch verrückter: Auch wenn längst nicht alles pracht- und wundervoll ist, möchte ich die Orte abklappern. Am liebsten natürlich mit Nilz, aber gut, das wird wohl nix. Su ne driss!
Dass wir Menschen unsere Inspiration aus der Natur beziehen, ist klar. Spätestens nach der Lektüre des im vergangenen Jahr bei Seemann erschienenen Kinderbuchs „Von Ameise bis Wombat – Tierisch geniale ...
Dass wir Menschen unsere Inspiration aus der Natur beziehen, ist klar. Spätestens nach der Lektüre des im vergangenen Jahr bei Seemann erschienenen Kinderbuchs „Von Ameise bis Wombat – Tierisch geniale Bautricks für unsere Zukunft“. Mit „Geniale Powerpflanzen – Vorbilder für unsere Zukunft“ liegt jetzt quasi der florale Nachfolger vor. Bloß das Autoren-Illustratoren-Duo hat gewechselt, jetzt nehmen uns Clive Gifford und Gosia Herba zusammen mit Steppenhexe Kali mit auf die Reise in die Pflanzenwelt. Und das macht fast noch mehr Spaß.
Das Buch ist in sechs Überkategorien eingeteilt und zeigt Vorbilder und Inspiration zu Strukturen, Robotik, Energie, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Materialien, die in der faszinierenden Welt der Blumen, Bäume und anderen Pflanzen zu finden sind. Wusstet ihr beispielsweise, dass Pomelos einen eingebauten Stoßdämpfer haben, um Stürze von bis zu 15 Meter hohen Bäumen abzufedern? Dass Forscher:innen in Singapur Roboterarme an ein Fangblatt einer Venusfliegenfalle gebunden haben, damit dieser schneller zugreifen kann? Oder sie versuchen, aus dem Blatt des Madagaskar-Immergrüns ein Leukämie-Mittel für Kinder zu entwickeln?
All diese und noch viele, viele weitere Themen werden in diesem Kinderbuch ab fünf Jahren behandelt. Ob man den Vorgänger nun kennt oder nicht, spielt keine Rolle. Hier wurde lediglich das Quiz am Ende des Buchs vermisst. Der Illustrationsstil von Gosia Herba ist dem von Yeji Yun sehr ähnlich, die beiden Bücher haben also trotz des unterschiedlichen Teams einen klaren Wiedererkennungswert. Und einen hohen Spaßfaktor, schließlich gucken alle Pflanzen total fröhlich aus der Wäsche und auf fast allen Seiten gibt es etwas zu entdecken und zu lachen.
Die Lieblingskapitel im Haus sind die Klette, die das Prinzip des Klettverschlusses wunderbar erklären, der maisterhafte (sic!) Mais, aus dem nicht nur Essen, sondern auch schnell abbaubares Geschirr gewonnen wird, und natürlich der mega-stinkende Titanenwurz. Aber auch die Steppenhexe, bekannt aus Wild-West-Filmen, deren Tumbleweed-Struktur als Inspiration für den nächsten Mars-Rover dienen kann. Und von da, ist es nicht mehr weit bis zum Star Wars-Liebling BB-8. Tierisch gut, ääh, nee, natürlich pflanztastisch, oder?
Die fetten Jahre? Gibt’s nur in Geschichten. Zumindest für die Ich-Erzählerin. Weder auf dem Land zu Abi-Zeiten noch in der Studi-Großstadt ist das Leben laut, bunt und aufregend. Stattdessen gibt’s nur ...
Die fetten Jahre? Gibt’s nur in Geschichten. Zumindest für die Ich-Erzählerin. Weder auf dem Land zu Abi-Zeiten noch in der Studi-Großstadt ist das Leben laut, bunt und aufregend. Stattdessen gibt’s nur Apfelschorle in der Kneipe, ruhige WG-Abende, Geburtstagsbrunch statt wilder Reinfeier – und genau zur einzigen richtig-wichtigen Party einen grippalen Infekt. Soll das so? Vermutlich. Denn das ist, mit Freddie Mercury-Stimme gesungen, the real life.
Ilona Hartmann war vor Jahren ja eine der gehypten Twitter-Autorinnen. Leider aber auch ein gutes Beispiel, dass launige Tweets nicht auch launige Bücher bedeuten. Ihr Debütroman „Land in Sicht“ war zu bemüht, zu konstruiert und insgesamt eher langweilig. Die gute Nachricht: All das hat sie in „Klarkommen“ abgestreift.
Ihr neues Buch ist authentisch, gut geschrieben, nicht mit berufsjugendlichen Buzzwords vollgeknallt. Der Ton passt ideal zur Geschichte. Kurze, nur wenige Worte oder Zeilen lange Kapitel, eher Gedankenfetzen, wechseln sich mit Erlebnissen der Protagonistin ab. Mein Handy war nach der letzten Seite voller Fotos von Zitaten. Nicht unbedingt pointiert, aber nachfühlbar und selbst erlebt. Ein Beispiel für einen dieser schönen Sätze: „Jedes Mal, wenn wir freiwillig oder zufällig Nachrichten gelesen hatten, beschlich uns das beklemmende Gefühl, dass wir uns mit dem Aufblühen beeilen mussten.“ Übrigens ist das auch das ganze Kapitel mit der passenden Überschrift „Druck“.
Und genau dieses Nachvollziehbare, dieses Echte ist das Alleinstellungsmerkmal von „Klarkommen“: Der Roman ist kein wilder Road-Trip durch Jugend- und Studijahre, keine Dauerparty, kein Coachella-Insta-Life. Keine Realitätsflucht in andere Leben, die so viel bunter, glamouröser und aufregender sind als das einzige. Stattdessen ein Spiegel des eigenen Großwerdens und dadurch auch ein klares „Dein Leben ist in Ordnung, auch wenn du denkst, du verpasst was, denn anderen geht es genau wie dir.“-Statement. Coming-of-Age ist eben mehr Magerkost als Vollfettware, egal was alle behaupten. Und genau das macht Ilona Hartmanns 2024er Buch zu einem ersten Highlight des noch jungen Lesejahres.
Irgendwie ja passend, dass Kristina Pfister nach „Ein unendlich kurzer Sommer“ mit ihrem zweiten Roman „Tage im warmen Licht“ direkt in den Herbst übergeht. Und dieser Herbst ist eine wundervolle Mischung ...
Irgendwie ja passend, dass Kristina Pfister nach „Ein unendlich kurzer Sommer“ mit ihrem zweiten Roman „Tage im warmen Licht“ direkt in den Herbst übergeht. Und dieser Herbst ist eine wundervolle Mischung aus Mariana Leky und Gilmore Girls, leicht und tragisch zugleich, ein perfektes Abbild dieser Jahreszeit zwischen bunten Blättern und Nebeltagen, Taylor Swift-Platten und Pumpkin Spice Latte.
Maria hat das Haus ihrer Oma geerbt. Auf dem Land, wo sie groß geworden ist und wo sie auf gar keinen Fall je wieder hin zurückwollte. Sie hat keinen Job mehr, aus ihrer Wohnung wird sie auf Eigenbedarf rausgeklagt und ihr Ex kümmert sich lieber um seine Familie als um die gemeinsame Tochter Linnea. Also: Raus aufs Land. Übergangsweise.
Pfisters Herbstroman lebt von seinen großartigen Figuren. Maria, die mit der Rückkehr hadert aufgrund einer furchtbaren Situation in ihrer Vergangenheit, die erst nur angedeutet wird, dann aber Stück für Stück klarer wird. Ihre Tochter Linnea, die im Dorf aufblüht, neue Freundschaften knüpft. Martha, die Nachbarin der Oma, schon immer eine Art Mittelpunkt für Maria und ihre Freunde und nun auch für Linni. Henning, der alte Jugendfreund. Britta, die Schulsekretärin. Nele, die mit blauem Auge Unterschlupf sucht. Bootsmann, Omas alter Hund, der aufblüht, kaum dass er zurück in seiner Heimat ist. Alle sind charmant gezeichnet, fast alle haben ihr Päckchen zu tragen. Alle sind da für Maria und Linnea, wenn sie es brauchen. Und das tun sie.
Eine andere Ebene, die den Roman für mich so schön macht, sind die vielen popkulturellen Referenzen, das ähnliche Alter der erwachsenen Hauptfigur(en) und ihre dadurch ebenso ähnlichen Jugenderinnerungen, von Filmen wie The Craft bis zu Musik von Tori Amos. Da sind zufällige Hübschheiten wie gleiche Namen im privaten Umfeld, gleiche Erlebnisse. Da sind aber auch einfach diese netten Verhuschtheiten, die in den Figuren und ihren Handlungen auftauchen, die das Buch für mich so wholesome machen. Ein echter Kürbiskuchengewürzroman, wie gemacht für den Spätsommer und Frühherbst. Bevor dann Kristina Pfisters Winterroman erscheint. Nächstes Jahr dann, okay?
22 Bahnen ist keine Liebesgeschichte. Keine Familiengeschichte. Keine Coming-of-Age-Geschichte. Also schon, alles mehr oder weniger. Aber vor allem: 22 Bahnen ist eine Verarbeitungsgeschichte. Denn zu ...
22 Bahnen ist keine Liebesgeschichte. Keine Familiengeschichte. Keine Coming-of-Age-Geschichte. Also schon, alles mehr oder weniger. Aber vor allem: 22 Bahnen ist eine Verarbeitungsgeschichte. Denn zu verarbeiten gibt es für die Figuren in Caroline Wahls Debütroman einiges: Alkoholismus, Depressionen, Zukunftsängste. Und dabei ist das Buch vor allem eines: sehr, sehr gut. Vor allem dank Ida.
Tilda lebt mit ihrer jüngeren Schwester Ida bei ihrer alkoholkranken Mutter. Aufgrund deren Sucht hat sie den Absprung nach dem Abitur nicht gewagt, kein Work & Travel, kein Studium in einer fernen Stadt. Sie wollte und musste da sein für ihre jüngere Schwester, wenn ihre Mutter mal wieder austitschte, zu viel trank, um sich schlug. Und jetzt: ein Promotionsangebot. Im fernen Berlin. Tilda ist völlig überfordert. Auch, weil Viktor wieder da ist. Ivans Bruder, mit dem sie eine kurze, gemeinsame Vergangenheit hatte, bevor es zum Unfall kam.
Es ist ein Buch der leisen Töne. Ein Buch voller schöner kleiner Beobachtungen, vom Boden des Schwimmbeckens, an der Supermarktkasse, auf dem Dach eines Hochhauses. Ein Buch, das durchaus das Leben und die Probleme der Millennials auffängt, aber ihre Lebensweise nicht glorifiziert, persifliert oder verkitscht. Und ein Buch voller Liebe zweier Schwestern, die sich Kraft geben und sich den Rücken stärken – erst die eine, dann die andere.
Und da wären wir wieder bei Ida. Die kleine Schwester, die zu einer großartigen Person heran- und über sich hinauswächst. Die für staunende, amüsierte Blicke Tildas sorgt, die sich über Idas Verhalten beömmelt und freut. Und auch hier wieder: ganz unaufgeregt, ganz nebenbei, unglaublich sympathisch und realistisch. Die Liebe und der Stolz einer großen Schwester, wundervoll aufgefangen in und zwischen den Zeilen. Jedes weitere Wort wäre ein Spoiler des dritten Teils von 22 Bahnen.
Eigentlich könnte man noch viel mehr schreiben, über diesen eigentlich recht kurzen Roman. Drei Teile in 208 Seiten, die sich am Stück wegatmen lassen. Der tragische Unfall von Viktors Familie, nie ganz klar umrissen und dennoch von enormer Fülle. Tildas Hadern für die richtige Zukunftsentscheidung. Die Entfremdung ihrer Jugendfreunde Marlene und Leon. Die kurzen Schnacks mit Ursula im Schwimmbad. Und aus zweiundzwanzig täglich geschwommenen Bahnen, die langsam, aber stetig von Verdrängung zu Verarbeitung werden, für Tilda wie für Viktor. Das ist ihre Geschichte - und sie ist tieftraurig und wunderschön zugleich.