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Veröffentlicht am 25.08.2023

Ein stimmungsvoller Einblick in eine magische Zeit voll von Mode, Kunst und Musik zwischen Swinging London und Paris

Der Glanz der Zukunft. Loulou de la Falaise und Yves Saint Laurent
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Yves Saint Laurent, Karl Lagerfeld, das britische Königshaus, Mick Jagger, Andy Warhol… die Liste könnte noch weitergehen, denn es gibt kaum einen Namen der High Society zwischen Manhattan, London und ...

Yves Saint Laurent, Karl Lagerfeld, das britische Königshaus, Mick Jagger, Andy Warhol… die Liste könnte noch weitergehen, denn es gibt kaum einen Namen der High Society zwischen Manhattan, London und Paris der 60er und 70er Jahre, der in Glanz der Zukunft nicht vorkommt. Im Mittelpunkt Loulou de la Falaise und ihre ganz besondere Beziehung zu Yves Saint Laurent.

Das Buch ist ein Roman und keine Biografie. Dennoch orientierte sich die Autorin an wahren Begebenheiten und Aussagen. Glaubt man dem Roman waren die 60er und 70er ein einziger progressiver Aufbruch zwischen Manhattan, London, Marrakesch, Paris, Rom und LA, in dem jeder jeden kannte, sei es aus Kunst, Mode, Ballett, dem Adel oder der Musik.

Michelle Marly lässt uns eintauchen in die Entstehung von Modekollektionen und ihre Inspiration, in den britischen Adel und seine Normen, in eine Welt aus tausend und eine Nacht in Marokko als Erholungs- und Aussteigeradresse der damaligen Zeit, und nicht zuletzt ins Swinging London immer in Konkurrenz zum lebendigen Paris dieser Epoche. Die Beschreibungen wie Loulou über Flohmärkte streift und ihren Stil findet und verfeinert sind unglaublich lebendig und inspirierend, ebenso wie Yves Saint Laurents Entwürfe und Modenschauen.

Die besondere Beziehung zwischen Loulou und Yves, ebenso wie ihr Entstehen wird sehr feinfühlig und liebevoll nachgezeichnet. Loulou erscheint zunächst als ein zurückhaltendes, junges Mädchen, unsicher was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Im Laufe der Geschichte macht sie eine beeindruckende Entwicklung durch, hin zu einer selbstbewussten, erfolgreichen Frau und Designerin, die ganz sicher viel mehr war als eine Muse.

Ein kurzweiliges, gut geschriebenes Buch mit interessanten Details und Einblicken, nicht nur für Modebegeisterte.

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Die Unzulänglichkeit der Erinnerung und die Macht von Veränderung - über eine Frau, die ihren Weg sucht, findet und mit Stärke geht

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Veränderungen können gut oder schlecht sein, manchmal fühlen sie sich jedoch vielleicht auch zunächst nur schlecht an, einfach weil sich überhaupt etwas verändert, was man gerne beibehalten hätte. Erst ...

Veränderungen können gut oder schlecht sein, manchmal fühlen sie sich jedoch vielleicht auch zunächst nur schlecht an, einfach weil sich überhaupt etwas verändert, was man gerne beibehalten hätte. Erst im Rückblick stellen sie sich dann im positivsten Sinne als die richtigen Veränderungen zur rechten Zeit dar.

In diesem Dilemma bewegt sich auch die Ich-Erzählerin in Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe. Wir begleiten eine Frau Mitte 50, Alleinerziehend, 2 Kinder, die gerade ihr Abitur abgelegt haben und ausziehen werden. Ihre Wohnung wird sie ohne die Alimente nicht halten können. Es ist angesichts der letzten knapp 20 zwar herausfordernden doch trotzdem stabilen Jahre, eine große, vielleicht sogar die letzte große Veränderung. Wie wird sie wohnen, abgesichert sein, wie wird ihr Leben als Mutter nun erwachsener Kinder? Alles steht auf dem Prüfstand.

Der Roman wird so zum einen zum Resümee ihres bisherigen Lebens und gleichzeitig ein Ausblick, das Nachdenken über den Umgang mit Ängsten, Sorgen und Hoffnungen für die Zukunft. Im lockeren eingängigen Schreibstil, mit viel Wortwitz (beispielsweise auch das Buch übers Erinnern, hat sie vergessen) und kurzen Kapiteln als anekdotische Episoden setzt Doris Knecht das Bild einer Frau zusammen, die sich oft unzulänglich fühlt, zweifelt, unsicher ist und doch letztlich mit beeindruckender Stärke durchs Leben geht, arbeitet, zwei Kinder allein großzieht, Feministin ist und trotz aller Hindernisse und Herausforderungen des Lebens immer wieder zu sich selbst findet.

Die zu Beginn dominierende Melancholie und Vergleiche zu Menschen, denen es vermeintlich besser geht, ohne Blick auf ihre eigenen Privilegien und Sinn für die vielen Menschen, die in einer wesentlich schlechteren sozialen und wirtschaftlichen Lage sind, waren für mich stellenweise schwer auszuhalten. Aber auch das macht das Buch stark. Der ungeschönte Blick auf und in das Innenleben einer durchschnittlich privilegierten Frau an einem entscheidenden Punkt ihres Lebens, mit allen Sorgen und Ängsten die damit verbunden sind.

Spätestens ab dem zweiten Drittel des Buchs ändert sich jedoch der Blickwinkel der Ich-Erzählerin, wird viel differenzierter und reflektierter, mit fast schon ethnographischem Spürsinn (im Sinne Ernauxs als Ethnografin ihrer selbst) beschreibt sie das Aufwachsen in einem Arbeiterhaushalt im katholisch geprägten ländlichen Österreich der 70er Jahre, die Enge, die Normen, die Erwartungen, die für viele andere Sicherheit und Glück bedeuten, doch sie will etwas anderes, will mehr und zahlt auch einen Preis dafür, der immer währende Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit. Aber auch (gewollte und ungewollte) Schwangerschaft, Mutterschaft, Frausein in einer Welt und Gesellschaft, die von patriarchalen Erwartungen und Mustern geprägt war und ist, kommen zur Sprache. Hier entwickelt die Erzählung für mich ihre wahre Stärke, in einem noch immer eingängigen, fast schon leichten Ton mit präzisen Sätzen, analysiert die Ich-Erzählerin ihre Herkunft, Prägung, Entwicklung, Erfahrungen und Empfindungen des Frauseins, Mutterseins, Unabhängigseins, Erwachsenseins und Älterwerdens.

Während ich noch am Anfang skeptisch war und keine wirkliche Sympathie für die Ich-Erzählerin entwickeln konnte, hat sich diese langsam, mit jedem weiteren Kapitel, mit jeder weiteren Zeile, Empfindung und zuweilen komisch anekdotischen Erzählung in mein Herz geschrieben. Für mich ein überraschendes Buch im positivsten Sinne mit einer klaren Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 01.07.2024

Ein Roman über internalisierte weibliche Schuld und Scham

Ich stelle mich schlafend
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Yasemin ist Mitte 30 und steht in einer Hochaussiedlung vor der abgebrannten Ruine, die einmal ihr Zuhause war. Was ist passiert? Behutsam und in poetischer Sprache entwirft Deniz Ohde eine Erzählung über ...

Yasemin ist Mitte 30 und steht in einer Hochaussiedlung vor der abgebrannten Ruine, die einmal ihr Zuhause war. Was ist passiert? Behutsam und in poetischer Sprache entwirft Deniz Ohde eine Erzählung über eine Frau, die schon seit ihrer Kindheit ein bestimmtes Frauenbild internalisiert hat. Die Frau als nettes, gefälliges Wesen, das Übergriffe geschehen lässt, auch gegen die eigenen Bedürfnisse, gegen den eigenen Willen. So sieht sie es bei ihrer Mutter, so erlebt sie es bei ihrer Freundin Lydia. Doch wo bleiben in solch einem Entwurf ihre eigenen Wünsche, Träume und Bedürfnisse. Wie ist, ist überhaupt unter diesen Bedingungen eine gesunde Partnerschaft möglich? Diese Frage verhandelt Ohde mit dem Eintritt Vitos in Yasemins Leben.

Körperlichkeit, Verletzlichkeit und auch Übergriffigkeit wie sie Yasemin durch Männer erfährt spiegelt die Autorin auch immer wieder über die Skoliose Yasemins und deren Behandlung wider. Diese Parallelen und Referenzen sind sehr gelungen, wie auch die Beschreibung Yasemins Behandlung.

Phasenweise hat der Roman für mich einen echten Sog entwickelt, was ist passiert? Wie wird sich Yasemin entwickeln? Leider kann er für mich nicht vollständig an Streulicht anschließen. Sprachlich wirkten auf mich einige Bilder, gerade im ersten Drittel zu gewollt. Stark wird der Roman, wenn er innere Beweggründe und Widersprüche aufzeigt. Hier taucht die Autorin tief in die menschliche Psyche und sozialen Beziehungen ein. Doch auch in der Handlung wirkte der Roman auf mich in einigen Abschnitten zu gewollt und konstruiert, sodass sich die absolute Begeisterung leider bei mir nicht einstellen konnte.

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Veröffentlicht am 22.06.2024

Botanisch angehauchter Cosy-Roman an der englischen Küste

Forgotten Garden
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Luisa ist Mitte 30 und doch fühlt sich ihr Leben an, als wäre es schon einmal gelebt. Ihr Mann Reuben ist nur wenige Jahre nach der Hochzeit verstorben, und mit ihm hat sie nicht nur ihre große Liebe sondern ...

Luisa ist Mitte 30 und doch fühlt sich ihr Leben an, als wäre es schon einmal gelebt. Ihr Mann Reuben ist nur wenige Jahre nach der Hochzeit verstorben, und mit ihm hat sie nicht nur ihre große Liebe sondern auch ihre Passion für Gärten und Gartenarchitektur verloren. Denn dies war es, was beide verbunden und im gemeinsamen Studium ursprünglich zusammengeführt hat. Ein gemeinnütziger Gemeinschaftsgarten war immer ihrer beider Vision, scheiterte jedoch an fehlenden Investoren. Viele Jahre nach Reubens Tod arbeitet Luisa nun als Sekretärin für eine menschlich scheußliche Chefin einer Gartenfirma, verschwendet ihr Talent und überlebt mehr als dass sie wahrhaftig lebt. Bis ein Anruf von Reubens Patenonkel diese selbst verordnete Lethargie ins Wanken bringt. Er möchte Luisa ein Grundstück überschreiben, um den Traum zu verwirklichen, den sie und Reuben immer hatten. Luisa ist hin und her gerissen, bedeutet doch der Garten sich nicht nur ihren eigenen Träumen sondern auch ihrer Trauer um Reuben auf andere Art zu stellen, als sie es in den vergangenen Jahren getan hat.

Ihre Schwester ist sofort begeistert von der Idee und drängt Luisa es zu versuchen, und obwohl, oder vielleicht gerade weil, das Grundstück ein verlassenes Industriegelände in einer deindustrialisierten Küstenstadt mit vielen sozialen Problemen ist, lässt sich Luisa schließlich darauf ein. Der Garten, wird schnell klar, ist mehr als ein Projekt, er ist Luisas Weg zurück zu sich selbst. Und da ist vor Ort auch noch der sozial engagierte Lehrer Cas, mit dem Luisa nicht nur das soziale Engagement zu verbinden scheint…

Besonders gut hat mir gefallen, dass die Autorin für den Ort des Gartens eine deindustrialisierte Region Großbritanniens wählt, und so auch sozial-politisch relevante Probleme, allen voran Armut und Hoffnungslosigkeit in diesen Regionen, mit all ihren Folgen thematisierst.

Sowohl Luisa, als auch die Nebenfiguren, allen voran Cas und die toughe junge Harper aus seinem Jugendprojekt sind authentisch gezeichnet und versetzen beim Lesen direkt in die Handlung. Sprachlich ist dieser Cosy-Roman, der durchaus auch ernste Themen, wie Verlust, Trauer, Armut, Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen anspricht, sehr flüssig geschrieben, und die perfekte Lektüre für ein paar Stunden ganz eigenen Leseurlaub.

Mit Forgotten Garden zeigt Sharon Gosling wie echte Gemeinschaft, aber auch nur echtes Interesse und Zuwendung, Menschen wie Orte zum Blühen bringen können und wie man so zusammen etwas schaffen kann, das größer ist, als die Summe seiner Teile.

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Veröffentlicht am 09.06.2024

Vom Aufwachsen im Ruhrpott hinein in die Theaterwelt

Der Lärm des Lebens
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Der Schauspieler Jörg Hartmann gibt in der Lärm des Lebens sehr persönliche Einblicke in die Anfänge seiner Schauspielkarriere Anfang der 90er Jahre und das Aufwachsen in einem klassischen Arbeiterhaushalt ...

Der Schauspieler Jörg Hartmann gibt in der Lärm des Lebens sehr persönliche Einblicke in die Anfänge seiner Schauspielkarriere Anfang der 90er Jahre und das Aufwachsen in einem klassischen Arbeiterhaushalt der 70er Jahre im Ruhrpott.

Sehr informativ sind nicht nur die Einblicke in die Theaterwelt, die Hürden und Erfolge als Jungschauspieler und das aufregende Berlin nach dem Mauerfall. Der Schauspieler erzählt ebenso über das Aufwachsen im Deutschland der 60er und 70er, noch geprägt von der Schuldfrage des Nachkriegsdeutschlands, dem Wiederaufbau und zeichnet so eine kleine Sozialstudie des klassischen Arbeitermilieus in seiner Heimat Herdecke zu dieser Zeit.

Berührt haben mich die Begegnungen mit und Reflexionen über seinen Vater, der mittlerweile an Demenz erkrankt ist. Hier zeigt Hartmann, dass er nicht nur ein hervorragender Schauspieler, sondern auch ein aufmerksamer und emphatischer und nicht zuletzt sozialkritischer Beobachter der Gesellschaft, seiner Mitmenschen und Angehörigen ist.

Die Struktur ist für mich nicht vollständig gelungen. Auch wenn die Geschichte von Anekdoten lebt, hätte ich mir oft eine deutlichere zeitliche und geographische Verortung, sei es im Text oder durch Überschriften gewünscht.

In der Gesamtschau ist der Lärm des Lebens ein gelungenes Debüt mit berührenden Reflexionen über das Leben und Aufwachsen des Schauspielers im Ruhrpott mit all seinen (auch sprachlichen) Eigenheiten und interessanten Einblicken in die Theater- und Schauspielwelt.

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