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Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein Sachbuch, das die Frauen und ihre Leistungen in den Vordergrund rückt

Beklaute Frauen
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„Beklaute Frauen“ klingt nach einem reißerischen Titel. Der mich sofort anspricht und in mir die Hoffnung sät, dass ich tatsächlich in die Geschichte eintauchen kann und erfahre, welche Frauen wirklich ...

„Beklaute Frauen“ klingt nach einem reißerischen Titel. Der mich sofort anspricht und in mir die Hoffnung sät, dass ich tatsächlich in die Geschichte eintauchen kann und erfahre, welche Frauen wirklich um ihre Leistungen gebracht wurden. Welche bedeutsamen Frauen im Lauf der Zeit im Dunkeln der Geschichte verschwanden und warum.

Der Einstieg in „Beklaute Frauen“ ist stark. Leonie Schöler geht weit zurück in die Steinzeit, um genau zu sein. Dabei zeigt sie anhand neuster Forschungen auf, dass durchaus auch Frauen Anführerinnen gewesen sind und von der Gesellschaft ihrer Zeit mit Anerkennung sowie Respekt überschüttet wurden. So stellte sich zum Beispiel heraus, dass das Grab eines hoch angesehenen Herrschers in Wahrheit das einer Frau war. Wissenschaftlich bewiesen anhand von DNA-Tests.
Es sollte einen erstaunen, doch ich denke wirklich, dass vieles, was wir über die Geschichte glauben zu wissen, nicht der Wahrheit vollumfänglich entspricht. Das kann es auch nicht, da die Forschenden bei der Aufstellung ihrer Thesen auch selbst – ob gewollt oder ungewollt – auf ihre eignen Erfahrungsschätze und Denkstrukturen zurückgreifen. Auch das beleuchtet Leonie Schöler interessant und erklärt es verständlich.

Dann gibt es einen gewaltigen Zeitsprung und die rund letzten 200 Jahre werden meist aus geschichtlicher Sicht beleuchtet. Dabei pickt sich Leonie Schöler mal Frauen als Kollektiv heraus, wie beispielsweise die Frauen, welche für die Revolution 1848/49 auf die Straße gingen, oder einzelne Persönlichkeiten und beleuchtet, auf welche Art und Weise diese zu den gesellschaftlichen Veränderungen beitrugen. Und wie sie am Ende ins dunkle Vergessen gerieten.
Es ist spürbar, dass sich Leonie Schöler intensiv mit den Frauen beschäftigt und viel Recherchearbeit investiert hat.

„Beklaute Frauen“ scheint auf den ersten Blick klar strukturiert und nach Themenfeldern aufgebaut zu sein. Das gefällt mir. Der Schreibstil ist locker und verständlich erklärend. Er ist sogar so gestaltet, dass sich das Sachbuch spannend lesen lässt. Abgerundet wird das Ganze durch Infokästen, Bildern, Zitate und am Ende durch zahlreiche Verweise auf Quellen und Literaturempfehlungen.

Die einzelnen Abschnitte von „Beklaute Frauen“ werden mit weiblichen Persönlichkeiten beleuchtet und zwar so, dass sie exakt auf das Thema passen. Das ist mir persönlich ein wenig zu eindimensional. Nehmen wir zum Beispiel die Ehe. Sie nimmt viel Raum in diesem Buch ein und schnell wird klar, Leonie Schöler hält rein gar nichts davon. Und so wird unter anderem der Werdegang von Mileva Marić, der Ex-Frau von Albert Einstein, genau darauf projiziert. Ich finde das superschade, denn auf der einen Seite berührt mich das Schicksal von Mileva Marić, auf der anderen Seite rutscht die Autorin gelegentlich ins Feld der Mutmaßungen ab, obwohl sie das eigentlich nicht möchte. Damit geht die Sachlichkeit verloren.

Zwischendurch schweift Leonie Schölern ab, bezieht sich mal auf aktuelle Themen oder kramt schon besprochene Themendetails wieder heraus. Das ermüdet beim Lesen und ich muss längere Lesepausen einlegen. Mir fehlt der erhoffte durchgängige rote Erzählfaden.
Generell werden in „Beklaute Frauen“ nicht nur jene Frauen beleuchtet, die tatsächlich um ihre Leistungen gebracht und mit aller Macht diskreditiert oder der Vergessenheit anheimgegeben wurden. Sondern es kommen auch Themen auf den Tisch, die meiner Meinung nach nicht in dieses Sachbuch gehören. Nicht, weil es nicht wichtig ist, über die LGBTQIA+-Gemeinschaft, Behinderte und Farbige zusprechen oder auch für sie zu kämpfen. Sondern weil das Sachbuch und auch der Klappentext suggerieren, dass hier wertungsfrei aufgezeigt wird, weshalb Frauen Unterdrückung erfuhren und um die Anerkennung ihrer Leistungen gebracht wurden.

Bei aller Kritik, Leonie Schöler hat interessante Persönlichkeiten vorgestellt und mich an ihrem Wirken teilhaben lassen. Dabei werden die Frauen und ihre Geschichten ins Licht gestellt, wo sie auch ganz klar hingehören. Wo deutlich hervorgeht, dass es nicht in Ordnung ist, sich mit fremden Federn zu schmücken, nur weil der Mann glaubt, dass es einer Frau nicht zu Gesicht steht, solche Errungenschaften selbst zu schaffen und zu behalten. Teile von „Beklaute Frauen“ haben wirklich ein Aha-Effekt für mich. Sie zeigen auf, wie beschwerlich der Kampf für die Freiheit und Anerkennung der Leistung von Frauen war und auch noch ist. Es zeigt ebenfalls, wie wichtig es ist, sich bewusst zu machen, dass wir noch lange nicht in einer Gesellschaft leben, wo es egal ist, welche Hautfarbe, Geschlecht oder Gesinnung jemand hat und wo es akzeptiert wird, dass jeder erfolgreich sein kann, der es ist und dies anerkannt wird.

Fazit:
„Beklaute Frauen“ ist ein wichtiges Buch über Sichtbarkeit und Teilhabe. Nur fehlt es manches Mal an Sachlichkeit und die Fähigkeit, beim eigentlichen Thema zu bleiben.

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Veröffentlicht am 07.04.2024

Eine lockere Unterhaltungslektüre

Season Sisters – Frühlingsgeheimnisse
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„Season Sisters – Frühlingsgeheimnisse“ ist der erste Band der Tetralogie um die vier Season Schwestern. In jedem Band wird eine andere Schwester die Hauptrolle spielen, in diesem ist es Spring. Auf Spring ...

„Season Sisters – Frühlingsgeheimnisse“ ist der erste Band der Tetralogie um die vier Season Schwestern. In jedem Band wird eine andere Schwester die Hauptrolle spielen, in diesem ist es Spring. Auf Spring bin ich echt neugierig, aber „Season Sisters – Frühlingsgeheimnisse“ beginnt ganz anders, als ich es vom Klappentext her vermutet hätte.

Im Prolog reise ich nach Nordwales des Jahres 1876 und finde es sofort spannend. Der Einstieg ist atmosphärisch, das Setting düster. Im ersten Moment bin ich traurig, dass ich im ersten Kapitel schon in die Gegenwart geholt werde. Viel lieber hätte ich erfahren, wie es weitergeht.
Doch ich lerne nun Spring Season kennen. Sie ist Protagonistin, und obwohl sie wegen Drogenmissbrauch sowie Diebstahl zu Sozialstunden verdonnert wurde, ist sie mir auf Anhieb sympathisch. Äußerlich wirkt Spring ziemlich rebellisch, doch davonlassen weder ich mich, noch Sophia Fowler abschrecken. Bei der alten Lady muss Spring ihre Sozialstunden ableisten. Die Kombination der Charaktere finde ich gut gewählt. Ich mag es, dass zwischen den beiden schnell eine besondere Harmonie herrscht. Spring und Sophia bei ihrem gemeinsamen Alltag zu begleiten finde schön.

Während ich mich noch frage, wie der Prolog aus der Vergangenheit zur Gegenwart passen wird, freue ich mich, dass ich schon im nächsten Kapitel wieder zurückreisen darf. Hier ist das Bauernmädchen Daphne Marcy die Protagonistin. Bei diesem Handlungsstrang gibt es kleinere und größere Zeitsprünge. Sie werden so flüssig gesetzt, dass ich nie den Eindruck erhalte, dass Detail unterwegs verloren gegangen sind.

Der personale Erzähler führt durch beide Handlungsstränge und macht dies auf eine lockere Art. Der Schreibstil ist flüssig und an den richtigen Stellen mit Emotionen und Bildlichkeiten aufgeladen, sodass er mich durch die unterschiedlichen Lebensgeschichten trägt.
Das historische Setting ist reizvoller für mich. Die englische Atmosphäre mit seinen damaligen Lebensverhältnissen und gesellschaftlichen Regeln ist interessant sowie verständlich aufbereitet. Daphnes Lebensweg berührt mich mehr als der von Spring. Auch leide und fiebere ich mehr mit Daphne mit.

Anna Helford erschafft in „Season Sisters – Frühlingsgeheimnisse“ zwei unterschiedliche Liebesgeschichten. Beide sind in ihrer Art nicht neu, aber süß. Nur bei Spring und ihrer Jugendliebe ist mir das Ganze ein bisschen zu glattgebügelt. Daphne hingegen hat viel mehr um ihre Liebe zu kämpfen, was zwar oft vorhersehbare Züge trägt, aber mich insgesamt stärker mitreißt.
Dafür bringen die Geheimnisse Spannung in die Geschichten. Es ist teilweise schon wie ein kleiner Krimi und so gelingt es Anna Helford immer wieder überraschende Wendungen einzuflechten, die nie in die Richtung einschlagen, die ich vermute.
Im weiteren Handlungsverlauf werden die Geheimnisse drängender. Die Spannungskurve steigt dabei gut an, sodass sich auch die enthaltene Dramatik perfekt entfalten kann.

„Season Sisters – Frühlingsgeheimnisse“ ist ein Buch voller Liebe, Lügen, Verrat und Freundschaft. Die Mixtur gefällt mir insgesamt. Die Liebesgeschichten berühren mich, die Tragik darin führt mir vor Augen, dass nicht jedes Glück ohne einen entsprechenden Preis zu haben ist.
Beide Handlungsstränge steuern auf ihren Showdown zu und besonders beim Vergangenheitsstrang bin ich regelrecht am Mitfiebern. Auch wenn nicht alles davon unvorhergesehen kommt, so kann er mich insgesamt und vor allem mit dem Ende wirklich überzeugen.
Anders sieht es leider mit dem Finale in der Gegenwart aus. Das kann mich nicht richtig überzeugen. Insgesamt ist mir das Ende zu glatt, zu glücklich, zu viel gewollt voller Liebe. Das passt für meinen Geschmack nicht zur Vergangenheit der Season Schwestern und macht dadurch diesen Abschluss unglaubwürdig. Aber vielleicht wird das noch durch die anderen Bände aufgefangen, denn der Gegenwartsstrang wird noch weitergeführt werden.

Fazit:
Der Titel ist Programm und es gibt für die Season Sisters so einige Geheimnisse zu lösen. Die stimmungsvollen Liebesgeschichten kommen mit leichten Krimielementen daher und bieten eine lockere Unterhaltungslektüre.

(Zur Sterne-Bewertung: Der Gegenwartsstrang erhält von mir 3 von 5 Sternen, die Vergangenheit 4,5 von 5 Sternen. Macht also insgesamt gute 4 Sterne)

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Veröffentlicht am 25.10.2023

Sehr stimmungsvoller und ruhiger Thriller

Schere, Stein, Papier
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Von Alice Feeney habe ich bisher nur ein Buch gelesen. „Glaube mir“ war mein Lesehighlight 2021 und dementsprechend hohe Erwartungen hatte ich nun an „Schere, Stein, Papier“.

Der Einstieg in die Geschichte ...

Von Alice Feeney habe ich bisher nur ein Buch gelesen. „Glaube mir“ war mein Lesehighlight 2021 und dementsprechend hohe Erwartungen hatte ich nun an „Schere, Stein, Papier“.

Der Einstieg in die Geschichte fällt mir nicht leicht. Ich lerne Amelia in dem Moment kennen, als sie mit ihrem Mann Adam auf dem Weg nach Schottland zu einem Wochenendtrip ist. Ziel soll eine Kapelle sein, welche zu einem Ferienhaus umgebaut wurde. Schnell ist spürbar, dass die Ehe von Adam und Amelia am seidenen Faden hängt und dieses Wochenende den endgültigen Bruch vermeiden soll. Amelias Ausführungen zu folgen ist nicht so einfach, ihre Gedanken springen fröhlich durch aktuelle und vergangene Geschehnisse.
Dann lerne ich Adam kennen, der einen Hang dazu hat, mir lange und unbekannte Wörter zu präsentieren. Jedes Mal muss ich sie nachschlagen, weil ich die Bedeutung nicht kenne. Dies nimmt aber zum Glück recht schnell ab, sodass ich dann nicht ständig aus dem Lesefluss gerissen werde. Die Begeisterung für Wörter liegt ihm im Blut, da er beruflich Drehbuchautor ist.

Beide Charaktere lassen sich nicht richtig greifen und zu Beginn des Buches ist mir Amelia deutlich sympathischer als Adam. Sein neurologischer Defekt Prosopagnosie, besser bekannt als Gesichtsblindheit, finde ich hingegen sehr interessant. Es eröffnet viele Möglichkeiten in welche Richtung sich der Thriller entwickeln könnte.

Unterbrochen von den Ich-Perspektivwechseln von Amelia und Adam wird „Schere, Stein, Papier“ von Briefen aus der Vergangenheit von Adams Ehefrau an ihn unterbrochen. Sie sind chronologisch und jeder Brief steht für ein vergangenes Ehejahr. Dadurch erfahre ich viel, wie sich die Ehe verändert hat, welche Höhen und Tiefen das Paar zu meistern hatte. Zwar mag ich die Idee dahinter, aber der Bruch, welcher erzeugt wird, wenn von der Gegenwart in Vergangenes gewechselt wird, beginnt mich im Verlauf zu stören. Meist kommt dieser Schnitt immer dann, wenn es besonders spannungsvoll wird, sodass die abrupte Ausbremsung meine Lesefreude dämpft.

Das verschneite und leicht gruselig angehauchte Kapellen-Setting schafft eine bedrohliche Atmosphäre, welche die Startschwierigkeiten zu Beginn schnell vergessen lässt. Alice Feeney gelingt es durch leise Untertöne und viele sarkastisch-ironischer Bemerkungen ein verzwicktes Verwirrspiel über die beteiligten Personen und deren Motive hinter den Handlungen aufzubauen.
Der Thriller ist ruhig erzählt und kommt prima ohne große Effekthascherei aus.

Der Schreibstil von Alice Feeney ist unglaublich flüssig und so meisterlich, dass ich einen Plot Twist alleine durch ihre Art zu schreiben noch vor dem entscheidenden Moment durchschaut habe. Eine weitere Wendung erahne ich ebenfalls vor der großen Enthüllung, sodass der Überraschungseffekt leider an mir abperlt.
Zudem gibt es immer mal wieder klitzekleine Unstimmigkeiten in der Geschichte, die zwar oft an mir vorbeirauschen, aber eben auch dafür sorgen, dass es keinen runden Gesamteindruck gibt.

„Schere, Stein, Papier“ ist außerdem eine interessante Hommage an die Schriftsteller und ihre einsame Arbeit. Zudem ist es ein spannender Blick hinter die Kulissen, auch was die Arbeit eines Drehbuchautors und dessen Adaption zu einem Film anbelangt. Zudem geht es um die Entscheidungen, die wir im Leben unweigerlich treffen und wie sie unsere Zukunft beeinflussen. Sowohl die guten als auch die schlechten Entscheidungen.
Das Finale ist packend, wenn auch nicht gänzlich überraschend und ein wenig flott abgehandelt. Ein, zwei offene Fragen bleiben, dafür söhnt mich Alice Feeney mit ihrem Epilog aus.

Fazit:
Insgesamt ein sehr stimmungsvoller und ruhiger Thriller, der sich überwiegend gut lesen lässt und sich prima zum Mitraten eignet.

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Veröffentlicht am 25.09.2023

Spannungsvoller Thriller

Die Villa
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Der Start in den Thriller gelingt mir gut und ist vor allem durch die Einführung der Charaktere gekennzeichnet. Auch atmosphärisch ist spürbar, dass etwas Unheilvolles in der Luft liegt. Doch bevor sich ...

Der Start in den Thriller gelingt mir gut und ist vor allem durch die Einführung der Charaktere gekennzeichnet. Auch atmosphärisch ist spürbar, dass etwas Unheilvolles in der Luft liegt. Doch bevor sich das Gefühl verdichten kann, lerne ich die Polizeischülerin Johanna Böhm kennen. Sie ist ein interessanter Charakter und obwohl mir die Informationen ein bisschen zu viel auf einmal sind, vermute ich, dass diese Details später noch relevant sein werden.

Leon Sachs gibt einen kleinen Einblick in die Ausbildung der Polizei und bringt mir dadurch Johanna näher. Zudem lerne ich ihre Freunde kennen und bekomme ein besseres Gefühl für Johannas Umfeld.
Die Spannung baut sich langsam auf und das gefällt mir. So habe ich Zeit, mit den Figuren warm zu werden und es gibt mir die Gelegenheit, in der Geschichte anzukommen. Denn eins wird im Verlauf deutlich, manche Akteure haben eine Verbindung zu einander, die weiter zurückreicht als „Die Villa“ beleuchtet. Das liegt daran, dass es vor diesem Buch noch einen anderen Thriller gab. „Der Zirkel“ ist der erste Band rund um die Polizeischülerin Johanna. Das erklärt auch, warum ich manche Beziehungen nicht in ihrer vollumfänglichen Tragweite erfasse. Dennoch lässt sich „Die Villa“ ohne Vorkenntnisse lesen, da Leon Sachs viel Wert daraufgelegt hat, wichtige Knotenpunkte zwischen den Ereignissen verständlich und kurz zusammenzufassen. Das steigert zudem meine Neugierde auf „Der Zirkel“.

Die kurzen Kapitel und der leichte Schreibstil sorgen für einen rasanten Lesefluss. Häufige Szenenwechsel erhöhen nicht nur den Spannungsbogen, sondern lassen auch vielfältige Ansatzpunkte erahnen, welche wiederum unterschiedlichste Emotionen in mir hervorrufen. Außerdem weiß ich durch verschiedene Perspektivwechsel mehr als die Akteure. So wird mir auch klar, welche möglichen Schwierigkeiten auf sie warten, während sie auf ihre gut durchdachten Pläne vertrauen. Dies erhöht meine Aufregung und motiviert mich zum Raten, was als nächstes passieren wird.
Die Charaktere sind ganz unterschiedlich ausgelegt, vom Sympathieträger bis hin zu abscheulichen Figuren ist alles dabei. Durch den personalen Erzähler wird alles gekonnt vereint, sodass „Die Villa“ in einem homogenen Fluss zu lesen ist.

Moderne Sklaverei ist leider kein Mythos, sondern traurige Realität. Das beweist auch Leon Sachs einfühlsam, indem er eine Figur erklären lässt, wie Menschenhändler junge Frauen gefügig machen können. Das dies mitunter viel einfacher ist als gedacht, erschreckt mich sehr. Wahrheit und Fiktion verschmelzen zu einem mitreißenden Thriller. Auch psychologisch greift Leon Sachs tief in seine Repertoire-Kiste, sodass mir manchmal der Atem stockt. Die Entwicklung der Ereignisse ist größtenteils unvorhersehbar, was meine Lesefreude konstant hochhalten lässt.

Stück für Stück werden Verbindungen sichtbar und eine alte Fehde flammt wieder auf. Dabei werden neue Komponenten mit eingearbeitet, was die Explosivität der weiteren Entwicklung gnadenlos erhöht. Vieles führt in die Vergangenheit, zeigt dabei auf, was für schreckliche Dinge aus früheren Entscheidungen entstehen können.
Der Showdown bahnt sich unheilvoll an und entlädt sich in einer sehr überraschenden Wendung.

Das Ende bildet einen entspannteren Ausstieg aus der Geschichte, sorgt für Auf- und Erklärung. Ein bisschen schade finde ich es, dass eine Perspektive abhandengekommen zu sein scheint, dabei hätte ich mich gerade beim Schlussteil ehrlich darüber gefreut zu erfahren, wie die Person die finalen Entwicklungen, die zweifelsohne auch ihr Leben beeinflusst haben, empfindet. So bleibt mir in diesem Fall nur die eigene Fantasie dafür, um eine Antwort zu finden.
Jedoch muss ich ebenfalls sagen, dass das Ende recht realistisch ausgestaltet wurde und damit genauso schonungslos aufzeigt, dass manchmal nur die Spitze des Eisbergs erklommen werden kann.

Fazit:
Ein Thriller mit einem breit gefächerten und emotional aufgeladenen Themengebiet. Kopfarbeit und Action kommen nicht zu kurz, ebenso wenig wie das psychologisch perfide Spiel mit der Angst junger Menschen.

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Veröffentlicht am 26.08.2023

Ein sehr tiefgründiger Kriminalroman

Kinder der Wut
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Dieser Kriminalroman ist anders. Das ist schon gleich zu Beginn spürbar. Die Struktur ist ungewohnt, direkte Rede wird nicht wie gewohnt mit Anführungsstrichen sichtbar gemacht. Stattdessen wird sie mithilfe ...

Dieser Kriminalroman ist anders. Das ist schon gleich zu Beginn spürbar. Die Struktur ist ungewohnt, direkte Rede wird nicht wie gewohnt mit Anführungsstrichen sichtbar gemacht. Stattdessen wird sie mithilfe eines Gedankenstrichs kenntlich gemacht, doch nach dem Reden wird nahtlos ins Erzählerische gewechselt. Das hat mich anfänglich irritiert, weil ich noch kein Gespür habe, wann die wörtliche Rede endet. Doch das gibt sich relativ schnell und ich kann gut in die Geschichte abtauchen.
Selbstverständlich machen mir auch ein paar typische tschechische Begrifflichkeiten und Namenseigenheiten Schwierigkeiten. Dadurch ist das Lesen manchmal etwas herausfordernd, aber mit ein bisschen mehr Konzentration komme ich durch diese kleinen Unebenheiten gut durch.

„Kinder der Wut“ hat einen spannenden Aufbau. Es gibt mehrere verschiedenen Erzählfäden, welche ein gut konzipiertes Handlungsgerüst ergeben und durch pfiffig überlegte Rückblenden Nähe zu den unterschiedlichen Charakteren schaffen. Hinzukommt die sehr interessant ausgestaltete Kulisse von Ostrava. Sie ist eine Großstadt in Tschechien, die ich persönlich aber noch nie besucht habe. Das von Nela Rywiková gezeichnete Bild ist eher düster und beklemmend, ich bin mir nicht sicher, ob dies der Stadt wirklich gerecht wird. Dem Setting und der Geschichte aber steht die Atmosphäre sehr wohl.

Innerhalb der Geschichte gibt es zwei Zeitebenen. Beide entwickeln sich in ihrer Zeit chronologisch weiter. Lange bleibt unklar ob, und wie diese beiden Stränge zueinanderpassen. Das schmälert aber nicht den Leseeindruck, denn ich finde die Idee dahinter sehr klug durchdacht. Erst am Ende wird sich alles so klar auflösen, dass ein spannender Aha-Effekt auftritt.

Der historische Erzählfaden berührt mich sehr. Er ist nicht so stark ausgeprägt wie jener aus der Gegenwart und hierbleibt überwiegend dieselbe Person im Fokus des personalen Erzählers. Der Blick auf die tschechische Kriegs- und Nachkriegsvergangenheit geht mir nahe. Im Zentrum steht eine deutsch-jüdische Familiengeschichte, die beschämend aufzeigt, wie grausam die Verfolgung damals war. Auch wie die Auswirkungen auf das unmittelbare Umfeld der Betroffenen waren und wie schnell sich der Wind drehen kann, ist erschütternd. Ich habe mit den Figuren gelitten und es ist durchgängig spürbar, dass hier ein realistischer Blick in die Vergangenheit geworfen wurde.

In der Gegenwart dominieren mehrere Figuren das Handlungsgeschehen. Lange war mir nicht klar, wie manche Charaktere zum Kriminalfall passen. Spannend ist hier, dass Nela Rywiková die Beschreibung der Nebenfiguren nicht so ausführlich ausgestaltet hat wie die der Hauptakteure. Es gelingt ihr dennoch, alles Wichtige auf den Punkt genau zu konzentrieren, auch wenn ich bei dem ein oder anderen Nebencharakter gerne mehr Informationen gehabt hätte.

Sehr deutlich wird allerdings bei dem Gegenwartsstrang, dass sich offenbar zwei Welten überschneiden. Die soziale Ungerechtigkeit kommt in vielen kleinen Details zum Vorschein, die geschickt im Handlungsgeschehen eingebettet werden. So wird recht deutlich, wie stark die Schere bei der sozialen Unterschicht und der modernen Elite auseinanderklafft.

Die Welt der Sozialschwachen ist interessant und vielschichtig beschrieben. Die Authentizität ist berührend und ich meine hier auch den sozialkritischen Unterton herauslesen zu können. Manchmal lasse ich mich davon ein wenig ablenken, sodass in meinem Hinterkopf der Kriminalroman ein bisschen aus dem Fokus rutscht.
Generell erinnert die Geschichte eher an einen klassischen Detektivroman, der sich mit einer Reihe von persönlichen Schicksalen vermengt. Nela Rywiková richtet ihr Augenmerk viel auf die Tragödie des echten Lebens, wodurch der Mordfall manchmal nur die zweite Geige spielt. Das Ermittlerteam um Adam Vejnar und seiner Kollegin Zuzana Turková holt diesen aber immer wieder in mein Gedächtnis. Der Einblick in die Ermittlungsarbeit der hiesigen Polizei ist interessant, besonders auch die internen Ränkespielchen.

Was mir sehr gefällt, ist, dass sich Nela Rywiková Zeit genommen hat, eine sensible Analyse von verschiedensten mentalen Entwicklungsprozessen der Charaktere durchzuführen. So lebt „Kinder der Wut“ förmlich und macht die Geschichte richtig greifbar.
Stück für Stück entblättert sich so eine unglaubliche Tragödie, deren Wurzeln tief und weit reichen.

Das Finale ist unglaublich packend, die Ereignisse überschlagen sich und „Kinder der Wut“ gipfelt in einem Meer aus Blut und verlorenen Träumen. Das Ende ist unglaublich berührend und sehr realistisch. Die Auflösung ist genial. Denn im Grunde offenbart sich am Ende, worauf Nela Rywiková die ganze Zeit hingearbeitet hat und das Motiv für den Mord und die Zurschaustellung des Opfers erklärt sich fast von alleine.

Fazit:
Der Kriminalroman ist nicht immer leicht zu lesen und lenkt oftmals auch vom eigentlichen Fall ab. Dafür stehen im Blickpunkt immer wieder einzelne Schicksale, was den Krimi unglaublich lebendig und mitfühlend macht.

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