Brillante und unterhaltsame Aufarbeitung Karl-May-Debatte
Im Sommer 2022 war es mal wieder soweit: Bis dahin bereits auf eine Fan-Gemeinde und Forschungsprojekte beschränkt, wurde Karl May wieder ins Licht der Öffentlichkeit geholt, nach so vielen Jahren des ...
Im Sommer 2022 war es mal wieder soweit: Bis dahin bereits auf eine Fan-Gemeinde und Forschungsprojekte beschränkt, wurde Karl May wieder ins Licht der Öffentlichkeit geholt, nach so vielen Jahren des Vergessens, hatte plötzlich jeder eine Meinung zu ihm – und selten eine gute. Fachleute kamen zu Wort, die die Vorwürfe von Rassismus und Antisemitismus untermauern sollten. Vorwürfe, die so alt sind wie der Streit um Karl May selbst, der mit den Prozessen gegen ihn begann.
Thomas Kramer legt mit diesem Buch eine fundierte Auseinandersetzung mit der hitzigen Debatte vor und geht einem Vorwurf nach dem anderen detailliert und erfreulich unaufgeregt nach. Das Ergebnis ist eine sachliche, informative und dabei äußerst unterhaltsame Lektüre, die Fans und Gegnern des Autors einen tiefen Einblick in Werk, Text-, Forschungs- und nicht zuletzt Zeitgeschichte gibt.
Dieses Buch ist die perfekte Antwort, auf den gellenden Aufschrei, der 2022 die Medien durchzitterte. Besonders gefiel mir, dass Thomas Kramer den aggressiven Ton aus der Debatte nimmt, sachlich bleibt und jedes Argument ernsthaft auf Stichhaltigkeit untersucht. Man merkt mit jeder Zeile, dass er weiß, wovon er spricht und dass er sich mit Textforschung auskennt – so stützt er sich als seriöser Forscher zum Beispiel auf die historisch-kritische Ausgabe von Karl Mays Werk, wenn es um Belege aus dem Primärtext geht und nicht auf die die gängigen Populär-Publikationen, die unterschiedliche Stadien der Bearbeitung aufweisen (können).
Bei seiner Analyse beschränkt sich Thomas Kramer nicht nur darauf, im Primärtext die Vorwürfe im Einzelnen zu belegen oder zu widerlegen, sondern er zieht den gesamten zeitlichen Kontext heran - von Karl May bis zum 3. Reich. Zeitgenossen, Politik und Kultur werden genau beleuchtet und die Ergebnisse lassen den Leser in vielerlei Hinsicht staunen. Sehr detailliert setzt sich Thomas Kramer mit dem Interview Jürgen Zimmerers auseinander und kommt dabei zu bemerkenswerten Schlüssen.
Nicht zuletzt der humorvolle Ton, der die perfekte Antwort auf die aggressive Pauschalität der Debatte ist, macht dieses Buch zu einem köstlichen Leseerlebnis, das dazu anregt wieder mal zu einem Original-Werk Karl Mays zu greifen und auch einen Blick auf weitere Fachliteratur zu Autor und Werk zu werfen.
Dieses Buch ist für Fans und Gegner des Autors gleichermaßen informativ und unterhaltsam. Wer wissen will, was an den erhobenen Vorwürfen wirklich dran ist, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.