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Veröffentlicht am 31.08.2023

Das, was uns verbindet ist stärker als die Entfernung, die uns trennt

Geteiltes Land – Zwischen Hoffnung und Aufbruch
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Lydia ist zwischenzeitlich in der Sportschule erfolgreich und trainiert fleißig für die Aufnahme in die Olympiamannschaft. Gemeinsam mit Freundin Christina versucht sie, das harte Trainingspensum zu absolvieren ...

Lydia ist zwischenzeitlich in der Sportschule erfolgreich und trainiert fleißig für die Aufnahme in die Olympiamannschaft. Gemeinsam mit Freundin Christina versucht sie, das harte Trainingspensum zu absolvieren und dem enormen Leistungsdruck ihrer mehr als ehrgeizigen Trainerin standzuhalten. Doch was sind das für Veränderungen, die da plötzlich in ihrem Körper vor sich gehen ? Auch Christiane hegt so ihre Zweifel und kommt ins Trudeln, aber nicht was ihre Leistung betrifft, sondern in Bezug auf ihre Eltern. Heimlich wühlt sie in den Dokumenten ihres Vaters und was sie dort entdeckt, stellt ihre ganz Welt von jetzt auf gleich auf den Kopf....

Mit dem dritten Teil ihrer DDR-Saga zeigt Farina Eden das schmutzige Geschäft im Leistungssport der DDR und führt die Leser:innen tief hinein in den Dopingsumpf, der aus unschuldigen Sportlerinnen und Sportlern regelrechte Maschinen macht. Mit der Trainerin Katja stellt sie den Mädchen in der KJS eine skrupellose und vom Ehrgeiz zerfressene Trainerin an die Seite, die nicht davor zurückschreckt, auch über die sprichwörtlichen Leichen zu gehen und Menschen, die ihr nahe stehen, an die Stasi zu verraten bzw. ihren Schülerinnen mit der Gabe von Dopingmitteln vorsätzlich gesundheitlichen Risiken auszusetzen.

Lydia und Christiane stehen hier im Fokus der Handlung und es gelingt der Autorin, nicht nur die Tore der Kaderschmiede zu öffnen, sondern auch den Leser:innen einen Zugang zur Gefühls- & Gedankenwelt der beiden jungen Frauen zu ermöglichen. Gerade Christiane hat es mit Mutter Cathleen nicht einfach, denn dort, wo andere Menschen ein Herz sitzen haben, ist bei dieser Frau - ähnlich wie beim Holländer Michel - ein kalter Stein. Gefühllos und abstoßend, ja fast schon verächtlich behandelt sie ihre Tochter und ich möchte dieser Frau einfach nur mal den Kopf zurecht rücken und ihr so richtig meine Meinung sagen.

Lydia muss am eigenen Leib erfahren, wie schnell der Absturz von der erfolgreichen Sportlerin zur Klassenfeindin in der DDR erfolgen kann, wenn durch einen Spitzel herauskommt, dass Familienangehörige im Westen leben. Ihre Geschichte hat mich ebenfalls berührt und ich kann nicht anders, als meinen Hut vor ihr zu ziehen. Denn das, was Lydia ertragen muss, geht wirklich auf keine Kuhhaut mehr.

Fesselnd erzählt, erleben die Leser:innen hier tragische Ereignisse, schicksalsträchtige Wendungen und schockierende Enthüllungen, die zum Alltag in der DDR gehört haben. Farina Eden verpackt ihre eigene Familiengeschichte in mitreißende Worte, die die Leser;innen voller Neugier regelrecht verschlingen und die Seiten blättern sich wie von selbst um. Ein Stück deutsch-deutscher Vergangenheit, das sehr authentisch und plakativ aus den Tiefen der Archive hervorgeholt wird und ein Stück Zeitgeschichte erlebbar macht. Sehr sauber recherchiert und durch den persönlichen Bezug der Schreibenden noch eindringlicher erzählt und dargestellt, ist dieser dritte Teil ein fulminanter Abschluss. Ich würde diese Buchreihe gerne verfilmt sehen, denn eine solche Zeitreise, von der Teilung bis zum Mauerfall mit allen damit verbundenen Schicksalen, muss einfach einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

5 Sterne für eine Geschichte zum Anfassen, nachfühlen und miterleben.

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Veröffentlicht am 27.08.2023

Wenn du nicht die Vergangenheit sterben lässt, wird dich die Vergangenheit nicht leben lassen

Düstergrab
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Frida steht am Grab ihre Schulfreundes und nimmt Abschied. Doch schon am nächsten Tag muss sie erneut auf den Friedhof, da ausgerechnet das Grab ihres Schulfreundes geschändet wurde. Nach dem Öffnen der ...

Frida steht am Grab ihre Schulfreundes und nimmt Abschied. Doch schon am nächsten Tag muss sie erneut auf den Friedhof, da ausgerechnet das Grab ihres Schulfreundes geschändet wurde. Nach dem Öffnen der letzten Ruhestätte erwartet alle Anwesenden ein skurriler Anblick, denn der Sarg ist nicht leer, wie zunächst vermutet, sondern es befindet sich darin eine zweite Leiche. Das Totenkleid des jungen Mädchens mutet seltsam altmodisch an und sieht irgendwie nach einer Art Verkleidung aus - Schürze mit gehäkelter Spitze und ein Kopftuch mit Punkten. Die Ermittlungen ergeben, dass es sich hier um einen Vermisstenfall handelt, der seit vier Jahren in den Akten schlummert. Bjarne Haverkorn tritt wieder an die Seite seiner ehemaligen Partnerin und es heißt für beide, jeden Stein umzudrehen und den Geheimnissen auf die Spur zu kommen...


Mit "Düstergrab" gelingt Romy Fölck die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, in dem sie einen alten Fall aufrollt und so Bjarne und Frida wieder als eingespieltes Team ermitteln lässt. Atmosphärisch sehr geschickt anleget, dürfen hier die Leser;innen einen sehr gut recherchierten Einblick in die Lebensweise der Hutterer nehmen, die für uns, die wir permanent erreichbar sind und uns den Zwängen der modernen Technik unterworfen haben, eine eher antiquierte und enthaltsame Lebensführung aufzeigt.

Es ist ein Wiederlesen mit liebgewonnenen Figuren, die im Verlauf der Buchreihe zu guten Freunden geworden sind. Die Zusammenarbeit von Frida und Bjarne klappt immer noch wie am Schnürchen und beide können sich auf den jeweils anderen verlassen. Doch es scheint in den eigenen Reihen einen Maulwurf zu geben, denn auf Fridas neuen Partner wird ein Attentat verübt und Frida wird die Bilder nicht los.

Der Fall baut sich wie immer sehr gut auf und der Plot überzeugt mit vielen guten und vor allen Dingen sehr abwechslungsreichen Ideen, die an viele Schauplätze führen und somit die Spannung immer hochhalten. Die Neugier wird immer wieder befeuert und die Leser;innen bleiben quasie an den Sieten kleben, nur um zu erfahren, wie der alte Fall und das Auffinden der Leiche im Grab von Fridas Schulfreund zusammenhängen.

Romy Fölck nimmt ihre Leser;innen mit ins Boot, lässt sie eigene Ermittlungen anstellen und streut immer wieder kleine Hinweise ein, um selbst die Puzzleteilchen in das bereits vorhandene Ermittlungsergebnis einzupassen und zu schauen, ob die Vermutungen auch stimmen. Die Erzähltempi wechseln sich ab, führen durch rasante und aufregende Passagen, um dann wieder zurück auf den Hof der Paulsens zurückzukommen und dort für ein paar Momente zum Durchschnaufen und Innehalten zu sorgen. Auch steht Frida vor einer schwierigen Entscheidung, die zukunftsweisend ist. Wird es einen gemeinsamen Lebensweg mit Torben in der Marschebene oder verschlägt es Frida nach Bayern ?

Die Krimireihe hat auch mit Band 6 nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüßt und Romy Fölck beweist, dass sich ihre Figuren immer weiter entwickeln und mit jedem Fall aus der Marsch neue Wege gehen. Sei es in der Persönlichkeitsentwicklung, sei es in der Denk- & Arbeitsweise oder auch auf der Gefühlsebene. Hier liegt noch so viel Potenzial für weitere Bücher, die hoffentlich noch geschrieben werden ; )

Der aktuelle Fall liest sich flott von der Hand weg, bietet von der Thematik her einen sehr aufschlussreichen Einblick in eine nicht ganz alltägliche Lebensform und ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite.

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Veröffentlicht am 16.08.2023

Gerechtigkeit statt Rache

Wilde Jagd
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Das Leben von Quintus Erlach steht am Scheideweg und er kehrt in das Dorf seiner Kindheit zurück, um sich ein paar Gedanken zu machen, wie es weiter gehen soll. Seine Tochter schweigt sich aus, seine Frau ...

Das Leben von Quintus Erlach steht am Scheideweg und er kehrt in das Dorf seiner Kindheit zurück, um sich ein paar Gedanken zu machen, wie es weiter gehen soll. Seine Tochter schweigt sich aus, seine Frau zieht es vor, als Gehörnte lieber weit, weit weg zu sein. Auch im Dorf Stein am Gebirge scheint Quintus auf Mauern des Schweigens zu treffen, obwohl hier nichts im Verborgenen bleibt. Mit Pflegerin Evelina scheint sich eine außergewöhnliche Freundschaft anzubahnen, , die anders ist als das, was Erlach bisher kennt.


René Freund ist ein Meister der leisen Worten, die mit vielen Zwischentönen ganz viele Nuancen des Miteinanders für die Leser;innen bereit hält und neugierig auf die neue Geschichte aus der Feder des Autors macht. Quintus ist dabei der Inbegriff eines zerstreuten Professors, der es nicht leicht hat und weder den Reizen der weiblichen Welt noch dem Alkohol widerstehen kann. Das bugsiert ihn einerseits an den Rand der Gesellschaft, macht ihn aber andererseits zugänglich für Übernatürliches, das ihm in Gestalt von Evelina regelrecht vor die Füße fällt.

Was Quintus dann erlebt, ist so klug ausgedacht und unglaublich spannend erzählt, dass die Seiten quasi wie von Zauberhand umgeblättert werden und die Lesenden in eine Handlung hineinzieht, die von Übernatürlichem, Verbrecherischem, Geld, Macht, Geheimnissen und dörflichem Zusammenhalt erzählt und Quintus fast in den Wahnsinn treibt.

Freund bedient sich unterschiedlicher Genres und füllt in seinen Mixbecher kriminalistische, humorige, gesellschaftskritische und vergangenheitsbewältigende Zutaten ein, schüttelt diese mit ein bisschen Philosophie und heraus kommt ein Roman, der so typisch für den Autor ist: Leise im Ton, aber unmissverständlich in der Botschaft.

Es kann eben niemand dem Gegenüber hinter die Stirn schauen, um zu sehen, was tatsächlich für ein mieses Spiel gespielt wird und gerade in kleinen Ortschaften halten die Bewohner:innen zusammen wie Pech und Schwefel, um unliebsame Entdeckungen vor den Blicken anderer zu schützen. Weil manchmal einfach nicht sein kann, was nicht sein darf. Quintus erfährt viel Neues, auch seine Person betreffend, was nicht immer einfach wegzustecken und mit dem ein oder anderen Herzschmerz verbunden ist.

Tiefgründig und feinsinnig erzählt, ermöglicht Freund Einblicke ins Übersinnliche, findet aber am Ende doch für alles eine logische und nachvollziehbare Erklärung und hält eine überraschende Wendung für seine Leserschaft bereit, die schockierend und erschütternd zugleich ist.

Wer auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Roman ist, der sich wirklich vom Mainstream abhebt, der greift zu René Freunds Büchern und findet gerade mit "Wilde Jagd" eine Lektüre, die berührt und nachdenklich stimmt.

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Veröffentlicht am 09.08.2023

Verstörender Alltag in der Vernichtungsmaschinerie

Willkommen in Auschwitz
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Tadeusz Borowski überlebt Auschwitz, aber die Schrecken dieses Ortes sitzen tief. So tief, dass er, der dem Tod durch Gas entkommen ist, Jahre später den Freitod durch Gas wählt, um einer Welt zu entfliehen, ...

Tadeusz Borowski überlebt Auschwitz, aber die Schrecken dieses Ortes sitzen tief. So tief, dass er, der dem Tod durch Gas entkommen ist, Jahre später den Freitod durch Gas wählt, um einer Welt zu entfliehen, in der er nie wieder Fuß fassen konnte. In seinem Buch "Willkommen in Auschwitz" berichtet er mit einer unglaublich ruhigen, distanzierten Art vom verstörenden Alltag der Vernichtungsmaschinerie und genau diese Distanz ist es, die den Leser:innen die Hölle auf Erden sehr nahe bringt.

Borowski erzählt vom Hunger, von immer mehr Menschen, die ermordet werden, sodass das Böse übermächtig wird und den Alltag beherrscht. Und doch blitzen immer wieder kleine weiße Punkte in all diesem Morden auf und streuen die Saat des Guten, der Hoffnung. Ein Ort, an dem das Schlimmste seit Menschengedenken grausame Realität ist und an dem Borowski mit einer fast schon stoischen Kälte die Selektion an Rampe beschreibt, die dadurch noch erschreckender wird.

Das Buch gibt in leisen, eindringlichen Worten die Steigerung des Grauens wieder, denn in Auschwitz zählt nicht das Leben eines Einzelnen, sondern nur der Tod, das Vernichten von Vielen. Es sind die Erinnerungen, die zu Dämonen werden, die Borowski nie mehr los lassen - genau so, wie das Gelesene die Leser:innen noch lange beschäftigen wird

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Veröffentlicht am 05.08.2023

Hab in meinem Herzen drinnen einen wundersamen Schmerz (R.Schock)

Der Liebende
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Monsieur Hansen hat in seinem Leben schon viele Romanzen gesehen, aber noch nie selbst eine wirklich erlebt. Als katholischer Priester hat er den weltlichen Dingen entsagt, ist aber trotzdem weltoffen ...

Monsieur Hansen hat in seinem Leben schon viele Romanzen gesehen, aber noch nie selbst eine wirklich erlebt. Als katholischer Priester hat er den weltlichen Dingen entsagt, ist aber trotzdem weltoffen geblieben. Als Madame Janssen seine neue Nachbarin wird, ändert sich das bisher so ruhige und doch eher zurückgezogene Leben des pensionierten Geistlichen. Denn Madame Janssen liebt und feiert das Leben und genau das scheint Monsieur Hansen gefehlt zu haben. Als sie schließlich das Unsagbare ausspricht und Monsieur Hansen um einen Gefallen bittet, drohen die Gefühle beide zu übermannen. Denn der Himmel hängt voller Geigen und öffnet gleichzeitig seine Pforten für den letzten Weg...

Martin Ehrenhauser hat mit "Der Liebende" ein sehr feinfühliges, tiefsinniges und zugleich sehr berührendes Buch geschrieben, das sich mit ganz vielen Tabuthemen befasst und trotzdem, oder gerade deswegen, den Weg in die Herzen der Leser:innen findet.

Liebe und Sex im Alter, Sinnhaftigkeit des Zölibats, Sterbehilfe und Liebe über den Tod hinaus prägen die Seiten, ohne reißerisch zu wirken oder als Schlagzeile gedacht zu sein. Vielmehr hat Ehrenhauser ein ganz feines Gespür für die leisen Töne, die viel mehr bewirken, als laute Worte es jemals könnten. Seine Hauptfiguren stehen am Scheideweg des Lebens - beide aus unterschiedlichen Beweggründen und es gelingt dem Schreibenden, ihre Gefühls- & Gedankenwelt zugänglich zu machen. Zweifel, Angst, Hoffnung und Hingabe werden zu emotionalen Begleitern während der gesamten Lektüre und tragen die Leser:innen mal auf einer hellen, mal auf einer grauen Schleierwolke durch den Roman.

Auch wenn der Ausgang der Handlung traurig und tragisch ist, weht ein Hauch von Romantik, Melancholie und gegenseitigem Respekt durch die Seiten und ich bewundere sowohl Monsieur Hansen als auch Madame Janssen für ihre mentale Stärke, ihre gegenseitige Achtung, das Begegnen auf Augenhöhe und ihre echten, ehrliche Gefühle. Je stärker die Schmerzen werden und Madame Janssen in der Bewältigung ihres Alltages beschneiden, desto stärker wird die Liebe von Monsieur Hansen zu dieser Frau, die ihn die Liebe gelehrt hat.

Des sanfte Hinübergleiten in seinen Armen ist eine Szene, die mir tief unter die Haut geht und ich muss einige Augenblicke innehalten, um weiterlesen zu können. Ein Buch, das trotz der vielen ersten Themen auch ganz viel Leichtigkeit und Poesie in sich trägt und uns allen zeigt, dass die Liebe alle Hürden und selbst den Tod überwinden kann.

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