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Veröffentlicht am 30.08.2023

Der Camper

Der Trip – Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand.
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Evelyn Jancke, forensische Psychologin, arbeitet eng mit der Polizei zusammen. Zuletzt hat es Morde auf verschiedenen Campingplätzen gegeben, an einem Schauplatz findet man einen Zeugen, nach dessen Beschreibungen ...

Evelyn Jancke, forensische Psychologin, arbeitet eng mit der Polizei zusammen. Zuletzt hat es Morde auf verschiedenen Campingplätzen gegeben, an einem Schauplatz findet man einen Zeugen, nach dessen Beschreibungen ein Phantombild angefertigt wird. Evelyn ist schockiert, sieht der Mann doch fast genauso aus wie ihr Bruder Fabian, aber der ist seit zwei Jahren, als er mit seiner Frau zu einem Wohnmobiltrip aufgebrochen ist, spurlos verschwunden. Was hat Fabian mit der Mordserie zu tun? Ist er tatsächlich noch am Leben?

Der Prolog lässt schon ahnen, dass es auch diesmal nicht beschaulich zugeht, und tatsächlich handelt es sich im Laufe der Zeit um die zweiundfünfzigjährige Psychologin Jancke, welche hier den Verstand zu verlieren droht. Ihr Bruder, der sie nach Vaters Tod stets beschützt und umsorgt hat, ist seit zwei Jahren unauffindbar. Aber das Phantombild sieht ihm zum Verwechseln ähnlich. Soll Evelyn hoffen, dass er noch lebt, aber zum Mörder, in den Zeitungen „der Camper“ genannt, geworden ist? Ist das besser als die nagende Ungewissheit, welcher sie mit Streifzügen durch Bars und Nachtlokale zu entkommen versucht?

Auf wenige Hauptfiguren, die forensische Psychologin Evelyn Jancke und den Kriminalhauptkommissar Gerhard Tillmann, beschränkt sich dieser einnehmende Fall, sodass sich die Handlung sehr kompakt und übersichtlich gestaltet. Wie gewohnt, schreibt Strobel fesselnde Szenen, das Tempo ist hoch, die Spannung durchgehend vorhanden, sodass ich das Buch an einem Nachmittag gelesen habe. Unerwartete Wendungen führen zu Überraschungen, bald zweifelt man selbst, ob man etwas übersehen hat, Evelyn phantasiert oder jemand lügt. Eine kurze, aber schlüssige Auflösung rundet die Ermittlungen rund um den Camper ab, womit alle Fragen geklärt sind.

Ein gelungener Thriller aus der bewährten Feder Armin Strobels, der mich bestens unterhalten hat. Von mir gibt es verdiente fünf Sterne und eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 27.08.2023

Der Zufall führt Regie

Diese paar Minuten
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Zwölf Kurzgeschichten, alle ganz und gar aus dem Alltag gegriffen, erzählt Rudolf Habringer in seinem kompakten Band „Diese paar Minuten“. Ehebruch, Fahrerflucht, Schwierigkeiten bei der VWA, Banküberfall, ...

Zwölf Kurzgeschichten, alle ganz und gar aus dem Alltag gegriffen, erzählt Rudolf Habringer in seinem kompakten Band „Diese paar Minuten“. Ehebruch, Fahrerflucht, Schwierigkeiten bei der VWA, Banküberfall, Erpressung … eine vielfältige Themenauswahl unterhält den Leser von der ersten bis zur letzten Seite mit raffinierten Handlungen.

Ein sachlicher, fast berichtender Erzählstil zieht sich durch sämtliche Geschichten, jeweils wird nur ein Ausschnitt aus dem Leben der Protagonisten beleuchtet, ähnlich einer einzelnen Szene in einem Film. Dem aufmerksamen Leser wird aber nicht entgehen, dass einem etliche Figuren mehrfach begegnen, lediglich in unterschiedlichen Zusammenhängen. Als Schauplatz dient ein nicht näher definiertes Hügelland an der Donau, die Personen treffen in der Schule, im Sportverein, am Arbeitsplatz oder einfach als Nachbarn im Dorf aufeinander. Traurige, böse oder skurrile Episoden werden eindrücklich beschrieben, über Schuld oder Unschuld darf kaum jemand urteilen, denn viele von ihnen sind selbst verstrickt in geheime Ränkespiele.

Zwölf ethisch und moralisch bedenkliche Erzählungen, und doch scheinen sie dem Alltag entnommen zu sein. Wie oft führt der Zufall Regie im Leben, sodass, gleich einem Dominoeffekt, zig andere Menschen durch einen einzelnen Augenblick einer Handlung ebenso beeinflusst werden.

Ein kleines Büchlein mit großem Unterhaltungswert, den Namen Rudolf Habringer werde ich mir merken!

Veröffentlicht am 23.08.2023

Am Ufer

Die Kälte der Mur
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Einzelne Leichenteile werden entlang der Murufers in der Nähe von Graz gefunden. Gendarm Wilhelm Koweindl ist nahe daran, die Ermittlungen einzustellen, denn niemand hat etwas gesehen, niemand hat etwas ...

Einzelne Leichenteile werden entlang der Murufers in der Nähe von Graz gefunden. Gendarm Wilhelm Koweindl ist nahe daran, die Ermittlungen einzustellen, denn niemand hat etwas gesehen, niemand hat etwas gehört. Unterdessen wirkt Fräulein Ida Fichte als Hauslehrerin und erlebt, wie nach dem Dienstmädchen auch noch die Hausherrin verschwindet. Ein spannender Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Mit ihrem unverwechselbaren Schreibstil fesselt Gudrun Wieser auch mit ihrem zweiten historischen Krimi, welcher im Jahre 1882 im Gebiet rund um die Mur spielt. Wer sich durch Band Eins geschmökert hat, weiß, wie Ida und Wilhelm einander kennengelernt haben und versteht die Anspielungen auf einen früheren Fall. Aber auch ohne dieses Vorwissen können die Bücher unabhängig voneinander gelesen werden. Mit grausigen Funden wird Koweindl diesmal überrascht und sucht nach ergebnislosen Ermittlungen Rat bei Ida, die jedoch nicht nur als helfende Hand gesehen werden möchte. Nachdem vorerst beide Hauptfiguren in getrennten Kapiteln agieren, laufen später die Fäden wieder zusammen. Schön verfolgen kann man als Leser die gut charakterisierten Figuren samt ihrer Entwicklung. So wird doch aus dem anfangs eher ruhigen und fast schwerfällig wirkenden Gendarmen ein flott eingreifender Ordnungshüter, wenn es drauf ankommt. Und auch Ida legt an Selbstbewusstsein deutlich zu. Nach und nach eintrudelnde Informationen sowie unerwartete Wendungen bewirken die Lebendigkeit der Handlung und steigern die Spannung sukzessive.

Eine ungewöhnliche Geschichte im passenden historischen Kontext, auch diesen Band empfehle ich gerne weiter.

Veröffentlicht am 22.08.2023

Im Mädchenpensionat

Jenseits der Mur
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Im steirischen Gratwein, nahe der Landeshauptstadt Graz, führt Oberlehrerin Fräulein Berta Stieglitz ihr Mädchenpensionat mit der im Jahre 1882 gebotenen Strenge. Trotz aller Vorsicht liegt nach dem Tanzerl-Abend ...

Im steirischen Gratwein, nahe der Landeshauptstadt Graz, führt Oberlehrerin Fräulein Berta Stieglitz ihr Mädchenpensionat mit der im Jahre 1882 gebotenen Strenge. Trotz aller Vorsicht liegt nach dem Tanzerl-Abend eines der behüteten Mädchen tot am Wegesrand, geschmückt mit rosa Bändern, obwohl Charlotte Linhard gar kein Rosa mochte. Schon mit den ersten Befragungen ist Gendarm Wilhelm Koweindl sehr gefordert, duldet doch die Oberlehrerin keine Männer vor und schon gar nicht in ihrer ehrenwerten Schule. So lässt er sich gerne darauf ein, mit dem Fräulein Lehrerin Ida Fichte, welche jung und aufgeschlossen ist, gemeinsam Informationen zusammenzutragen und entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen.
Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber schnell durchaus überzeugend ist Gudrun Wiesers eloquenter Schreibstil, der bestens zum Genre des historischen Krimis passt und viele längst vergessene Wörter wieder zum Vorschein bringt. Das Pensionat samt Schülerinnen und Personal wird treffend beschrieben, die Kaiserzeit zum Leben erweckt. Als Leser fühlt man sich gleichsam zurückversetzt in ein Jahrhundert, in dem Gehorsam unabdinglich war und jeder strikt seinen Platz in der Gesellschaft einzunehmen hatte. Nichtsdestotrotz schafft es das kluge und unerschrockene Fräulein Ida, selbst Nachforschungen anzustellen und sich mit dem eher zurückhaltenden Gendarmen Koweindl auszutauschen. An mehr denken die beiden gewiss nicht, denn ein Gspusi gehört sich nicht, und Heiraten geht auch nicht, denn Ida hat schon zwei Anträge ausgeschlagen und Koweindl fehlt schlicht das Geld für eine anständige Ehekaution. Neben solcherlei zwischenmenschlicher Überlegungen gilt es aber ohnehin, einen Täter zu finden, denn mittlerweile gibt es eine zweite tote Schülerin zu betrauern.
Ein Mädchenpensionat als Schauplatz für polizeiliche Ermittlungen, bestens recherchierte Details zum Lehrerinnenalltag und zum Gendarmeriedienst (siehe „Ein Wort zum Schluss“), verknüpft mit glaubwürdiger Phantasie, das ergibt den sehr lesenswerten Kriminalroman „Jenseits der Mur“. Der Folgeband „Die Kälte der Mur“ liegt schon griffbereit. Ich kann nur empfehlen, zuzugreifen und sich ebenfalls in weit zurückliegende Jahre entführen zu lassen und mitzurätseln mit Ida Fichte und Wilhelm Koweindl!


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Veröffentlicht am 21.08.2023

Zwischen Bibel, Tora und Koran

Es sei denn, es geschieht ein Wunder
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Linda hat gerade ihr Abitur abgelegt, da packt sie auch schon ihren Rucksack und bricht auf nach Israel. Nach sieben Jahren Vorbereitung weiß sie bereits viel über das Land und den jüdischen Glauben, sodass ...

Linda hat gerade ihr Abitur abgelegt, da packt sie auch schon ihren Rucksack und bricht auf nach Israel. Nach sieben Jahren Vorbereitung weiß sie bereits viel über das Land und den jüdischen Glauben, sodass sie bald konvertieren und die israelische Staatsbürgerschaft annehmen möchte. Sowohl in der Schule als auch von ihren Gasteltern wird sie überaus freundlich aufgenommen, ihr Traum scheint sich zu erfüllen. Aber nach gar nicht allzu langer Zeit bemerkt sie die Zwistigkeiten zwischen den Juden und den Muslimen, hinterfragt ihre Einstellung zum Judentum und verliebt sich zu guter Letzt tatsächlich in einen Muslim im arabischen Ramallah. Ihrem kurzfristigen Entschluss, Achmad zu heiraten, stehen ihre Eltern in Deutschland skeptisch gegenüber. Können Liebe, unterschiedlicher Glaube und Tradition nebeneinander bestehen? Gibt es eine Brücke zwischen Bibel, Tora und Koran?

Mit ihrem schlichten Schreibstil trifft Elke Ottensmann ins Schwarze, wenn sie gut verständlich die jüdischen Traditionen erklärt, die außerordentliche Gastfreundschaft, auf die Linda im Ausland trifft. Dasselbe gilt für die muslimische Familie Achmads im Westjordanland. Was die junge Deutsche jedoch nicht weiß, ist die Tatsache, dass man hier nie jemanden vor den Kopf stößt, sondern stets Haltung bewahrt. Und die Ehre der Familie steht ohnehin über allem. Während Linda durch die sprichwörtliche rosa Brille schaut, hofft Mutter Martina daheim auf Gottes schützende Hand und eine glückliche Fügung.

Die Autorin erzählt geschickt aus Lindas Sicht und bisweilen auch aus Martinas Blickwinkel, verknüpft dadurch ganz unterschiedliche Erwartungen und verbindet alles mit einer höheren Macht, sei diese Gott genannt, Jahwe oder Allah. Interessante Informationen werden wie nebenbei eingestreut. Ohne jemals einen schulmeisterlichen Ton anklingen zu lassen, flicht Ottensmann alles Wissenswerte klug ins Geschehen ein. So lernt man als Leser einerseits viel über fremde Kulturen und Gebräuche, kann aber andererseits auch nachvollziehen, welche Gefühle Linda leiten und in ihrem Tun bestärken.

Elke Ottensmann legt mit diesem Buch einen überzeugenden Roman vor, welcher auf wahren Begebenheiten beruht. Ich habe ihn sehr gerne gelesen und empfehle ihn ebenso gerne weiter!