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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.10.2023

Über die nicht immer einfache Beziehung zwischen Enkel und Großeltern

Sylter Welle
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Max ist mit seinen Großeltern als Kind jedes Jahr im Sommer nach Sylt zum Campen gefahren. Jetzt ist er längst erwachsen und seine Großeltern fahren noch ein letztes Mal nach Sylt. Zwar nicht auf den Campingplatz, ...

Max ist mit seinen Großeltern als Kind jedes Jahr im Sommer nach Sylt zum Campen gefahren. Jetzt ist er längst erwachsen und seine Großeltern fahren noch ein letztes Mal nach Sylt. Zwar nicht auf den Campingplatz, aber in die gleiche Gegend. Max besucht sie dort drei Tage. Aus seiner Sicht wird in drei Kapiteln, jeweils eines pro Tag, beschrieben, was passiert. In die aktuellen Geschehnisse werden Erinnerungen an die Urlaube in der Kindheit oder auch Geschehnisse in der Jugend seines Vaters eingeflochten.

Die Kapitel sind sehr unterschiedlich lang, insbesondere das erste Kapitel umfasst die Hälfte des Romans. Hier fand ich es etwas schwierig, zu unterbrechen. Auch ist es zum Teil etwas schwierig herauszufinden, ob gerade die Gegenwart oder Episoden aus der Vergangenheit beschrieben werden. Für mich hat das aber durchaus auch den Reiz des Romans ausgemacht.
Der Schreibstil lässt sich sehr gut lesen, die Sprache hat mir sehr gefallen. Einige Sätze habe ich bewusst mehrmals gelesen, weil sie für mich so eindrücklich waren. Einige Szenen waren sehr emotional, wirkten auf mich aber gleichzeitig authentisch und realistisch.
Die Protagonist:innen sind nicht immer sympathisch, aber als Leserin erfährt man im Laufe des Romans, weshalb die Figuren so handeln könnten, wie sie handeln. Letztlich haben die Charaktere alle Ecken und Kanten, was sie umso interessanter macht.

„Sylter Welle“ ist für mich ein Roman, der die ungeschönten familiären Verbindungen zwischen Generationen herausarbeitet, mit all ihren positiven, aber auch negativen Seiten. Mir hat der Roman sehr gefallen und ich kann ihn allen weiterempfehlen, die sich auf einen schön geschriebenen, leisen Roman einlassen möchten.

Veröffentlicht am 02.10.2023

Gelungener zweiter Teil um Lilly Hed

Im Sturm
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In einem abgelegenen Dorf in Nordschweden ist ein Mord geschehen, bei dessen Aufklärung durch die örtliche Polizei es nicht vorangeht. Deshalb werden Lilly Hed und ihre Freundin und Polizeikollegin Liv ...

In einem abgelegenen Dorf in Nordschweden ist ein Mord geschehen, bei dessen Aufklärung durch die örtliche Polizei es nicht vorangeht. Deshalb werden Lilly Hed und ihre Freundin und Polizeikollegin Liv als erfahrene Kolleginnen mit frischem Blick nach Nordschweden beordert. Als ein Sturm aufzieht, der den Ort von der Außenwelt abschneidet und für einen massiven Stromausfall sorgt, geschieht ein weiterer Mord. Die Situation in dem Dorf spitzt sich zu, Misstrauen und Unruhe machen sich breit.
Neben dem Plot um die Ermittlungen spielen wie auch im ersten Teil der Reihe die Privatleben der Ermittlerinnen eine große Rolle. Sowohl Lilly als auch Liv haben Probleme zu bewältigen, an denen die Leser:innen teilhaben. Gerade zu Beginn nimmt die private Handlung größeren Raum als die Kriminalgeschichte ein und die Ermittlungen und der Fall nehmen nur langsam Fahrt auf.

Mir persönlich hat der Krimi wie schon Band 1 sehr gut gefallen. Ich mag es bei dieser Reihe sehr, dass die Privatleben der Ermittlerinnen eine große Rolle spielen. Lediglich wenige Abschnitte habe ich als etwas unnötig und den Krimi überladend empfunden. Den Kriminalfall fand ich spannend, trotz der etwas gemächlichen Entwicklung und auch der Schreibstil lässt sich sehr gut lesen.

Wer einen rasanten, actiongeladenen Krimi erwartet, wird bei „Im Sturm“ eher nicht auf seine Kosten kommen. Wer bereit ist, sich auf das etwas gemächlichere Tempo und das Privatleben der detailliert gezeichneten Protagonistinnen einzulassen, ist bei den Fällen um Lilly Hed genau richtig.

Veröffentlicht am 27.08.2023

Berührender Roman

Bei euch ist es immer so unheimlich still
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Nachdem mich der erste Roman von Alena Schröder schlicht umgehauen hat, bin ich mit großen Erwartungen in den zweiten Roman um Familie Borowski gegangen.

Silvia Borowski fährt im Jahr 1989 mit ihrer Babytochter ...

Nachdem mich der erste Roman von Alena Schröder schlicht umgehauen hat, bin ich mit großen Erwartungen in den zweiten Roman um Familie Borowski gegangen.

Silvia Borowski fährt im Jahr 1989 mit ihrer Babytochter Hannah von Berlin zurück in ihre Heimat ins baden-württembergische Ildingen zu ihrer Mutter Evelyn. Evelyn und Silvia haben, seit Silvia nach Berlin gegangen ist, keinen bis maximal sporadischen Kontakt. Trotzdem hat Silvia das Bedürfnis, aus Berlin rauszukommen und zu ihrer Mutter zu fahren. Dies ist die eine Zeitebene, während sich die zweite Ebene mit Silvias Aufwachsen in Ildingen befasst. Sie beginnt noch vor Silvias Geburt mit dem Kennenlernen von Evelyn und ihrem zukünftigen Ehemann Karl und begleitet Silvias Aufwachsen. Auch wird im Laufe des Romans klarer, was zu Silvias überstürzter Flucht nach Berlin im Teenageralter geführt hat.

Auch „Bei euch ist es immer so unheimlich still“ habe ich sehr gerne gelesen. So umgehauen wie der erste Roman um Familie Borowski hat mich der zweite Teil nicht, das kann aber auch daran liegen, dass ich zu hohe Erwartungen hatte.

Der Schreibstil von Alena Schröder ist leicht und gut zu lesen und ihr gelingt es, die zum Teil beklemmende Atmosphäre im Ort Ildingen und im Haus Borowski über die Jahrzehnte greifbar und vorstellbar zu machen. Auch die immer komplizierte und distanzierte Beziehung zwischen Evelyn und Silvia ist realistisch beschrieben, weder zu dramatisch oder übertrieben ins Gegenteil verkehrt. Nicht nur die Personen Silvia und Evelyn sind mehrdimensional und plastisch beschrieben, auch die anderen Charaktere haben Raum bekommen und wirken authentisch. Dadurch entwickelt sich eine ganz eigene Spannung.

Alles in allem würde ich „Bei euch ist es immer so unheimlich still“ als ein Plädoyer für Kommunikation und offene Gespräche bezeichnen. Der Roman ist gut geschrieben und schildert die Entwicklung der Beziehung zwischen Mutter und Tochter über mehrere Jahrzehnte anschaulich. Ich kann den Roman weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 23.08.2023

Klare Leseempfehlung!

Vatermal
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Arda liegt mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Krankenhaus und muss hoffen, dass die Ärzt:innen mit den unterschiedlichen Therapieansätzen Erfolg haben. Seine Mutter und Schwester Aylin besuchen ...

Arda liegt mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Krankenhaus und muss hoffen, dass die Ärzt:innen mit den unterschiedlichen Therapieansätzen Erfolg haben. Seine Mutter und Schwester Aylin besuchen ihn abwechselnd und erzählen jeweils ihre Geschichte. Geschichten, die Arda helfen, zu verstehen. Gemeinsam besuchen sie ihn nie – zu tief sind die Verletzungen und Gräben, die Arda und die Leser:innen mehr und mehr nachvollziehen können. Andere Passagen sind Ardas Erinnerungen an sein Aufwachsen, seine Kindheit und Jugend, den Dönerladen, seine Freunde und das Gymnasium, das Warten auf Amtsfluren und die große Schwester, die alles für ihren kleinen Bruder gibt. Seine Vaterlosigkeit und die Frage nach dem wieso ist allgegenwärtig, auch dadurch, dass er seinen Vater zum Teil direkt anspricht.

Obwohl der Roman vor dem Hintergrund der lebensbedrohlichen Situation von Arda spielt, habe ich die Atmosphäre als überhaupt nicht bedrückend empfunden. Necati Öziri beschreibt das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Welten so unaufgeregt, dass ich ihm und seiner Sprache einfach gerne gefolgt bin. Wenn er erschütternde Erlebnisse und Ungerechtigkeiten beschreibt, tut er dies nicht anklagend, sondern als Tatsachenbericht, jedoch nicht ohne den Leser:innen ins Gedächtnis zu rufen, dass es um „echte“ Menschen mit Gefühlen geht. Gerade das hat den Roman für mich so berührend gemacht. Der Roman wirft Fragen auf, lässt einen zum Teil fassungslos zurück. Die Sprache lässt sich sehr gut lesen, ich habe Necati Öziris Schreibstil als sehr passend und oft einfach schön empfunden. Gleichzeitig habe ich als Leserin einiges über die soziale und politische Situation in der Türkei und in Deutschland erfahren, was mir so nicht klar war bzw. was ich mir kaum vorstellen konnte.

Wer sich auf diesen schönen, berührenden und gleichzeitig erschütternden Roman einlassen mag, dem wird „Vatermal“ hoffentlich genauso gut gefallen wie mir.

Veröffentlicht am 28.07.2023

Einfach schön

Die Erinnerungsfotografen
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Das Fotostudio von Herrn Hirasaka ist ein besonderer Ort. Hier kommen die Menschen an, die verstorben sind, bevor sie „ganz hinüber“ gehen. Ein Bote liefert Fotos der verstorbenen Personen und diese haben ...

Das Fotostudio von Herrn Hirasaka ist ein besonderer Ort. Hier kommen die Menschen an, die verstorben sind, bevor sie „ganz hinüber“ gehen. Ein Bote liefert Fotos der verstorbenen Personen und diese haben die Aufgabe, für jedes ihrer Lebensjahre eines auszuwählen. Herr Hirasaka stellt diese dann zusammen, sodass die Verstorbenen sich ihren Lebensfilm ansehen, bevor sie gehen. Sie haben die Möglichkeit gemeinsam mit Herrn Hirasaka zu einem Tag in ihrem Leben zurückzureisen und ein neues Foto aufzunehmen, wenn z.B. das ursprüngliche Foto kaputt ist. Sie können an diesem Tag zwar nichts verändern, aber ihn von außen noch einmal erleben.

„Die Erinnerungsfotografen“ besteht aus drei Geschichten, die theoretisch auch unabhängig voneinander gelesen werden können. Trotzdem würde ich empfehlen, die letzte der drei auch zuletzt zu lesen. In den Geschichten geht es jeweils um einen Verstorbenen, der oder die bei Herrn Hirasaka ankommt und von ihm begleitet wird. So erfährt man als Leser:in vom Übergang der Personen sowie deren Leben, Träumen und Wünschen.

Mir hat jede der Geschichten unwahrscheinlich gut gefallen und mich fast beseelt zurückgelassen. Ich hätte gerne noch weitere Geschichten gelesen und Menschen auf diese Weise kennengelernt. Obwohl ich generell keine Kurzgeschichten lese, hat es die Autorin geschafft, dass ich mich unverzüglich tief in den Geschichten wiedergefunden habe. Ich konnte mir die Orte, die Personen, Gerüche und Geräusche fast so vorstellen, als wenn ich selbst dort gewesen wäre. Die Schreibweise hat mir außerordentlich gut gefallen.

Auch die Aufmachung des doch recht schmalen Buches ist sehr geschmackvoll und hat mit zu einem ganz besonderen, berührenden Leseerlebnis beigetragen.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für alle, die nicht immer Action brauchen und Lust haben, zu genießen.