Wolf Haas ist mit Eigentum ein kleines Kunstwerk gelungen. Die Sätze und Gedanken sind schneidend, schnell, galoppieren nahezu angesichts des nahenden Ablebens der 95 Jährigen und doch erzeugt das Geschriebene ...
Wolf Haas ist mit Eigentum ein kleines Kunstwerk gelungen. Die Sätze und Gedanken sind schneidend, schnell, galoppieren nahezu angesichts des nahenden Ablebens der 95 Jährigen und doch erzeugt das Geschriebene gleichzeitig so viel Wärme und Empathie für den Lebensweg seiner Mutter, den Wolf Haas, mal bissig, mal melancholisch, mal genervt, jedoch immer liebevoll und mit viel Humor beschreibt.
1923 geboren hat die Mutter Inflation, die Kriegsjahre in den Arbeitsdienst 1000km verschickt von Österreich nach Norddeutschland, die Nachkriegsjahre als Serviererin in der Schweiz, und später ein Leben immer am Existenzminimum im ländlichen Österreich. Dieses Leben, es hat sie hart gemacht, eigenbrödlerisch, unnachgiebig und seltsam. Wolf Haas beweist sich als Chronist mit Sinn für die Entbehrungen, zuweilen sehr lustigen Kuriositäten, und auch Leistungen der Mutter in diesem ereignisreichen Leben, dessen Ende er nun begleitet.
Mattanza, so viel sei verraten, ist die traditionelle Thunfischjagd bzw. konkret das Töten der Thunfische, als eine der Phasen des Thunfischfangs (Tonnara). Der Roman beschreibt das Leben auf der süditalienischen ...
Mattanza, so viel sei verraten, ist die traditionelle Thunfischjagd bzw. konkret das Töten der Thunfische, als eine der Phasen des Thunfischfangs (Tonnara). Der Roman beschreibt das Leben auf der süditalienischen Insel Katria von 1960 an über 5 Jahrzehnte bis ins Jahr 2012. Katria lebt vom Thunfischfang, der Takt und Leben aller EinwohnerInnen bestimmt. Im Mittelpunkt Eleonora Greco, genannt Nora, der „göttliche Fehler“, denn sie kam gegen alle Erwartungen und Hoffnungen als Mädchen, und nicht als Junge und gebührender Nachfolger des großen Raìs zur Welt. In Ermangelung an Alternativen wird Nora trotz ihres Geschlechts zum Nachfolger ihres Großvaters ernannt und von diesem als Oberhaupt der Thunfischfänger, und aufgrund seiner stillen Autorität implizit der ganzen Gemeinschaft, ausgebildet.
Der Stil und die Geschichte erinnern mich unmittelbar an Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel García Marquez. Dort das fiktive Macondo als Ausgangspunkt einer Familiensaga an der kolumbianischen Karibikküste, hier die süditalienische Insel Katria (die es tatsächlich gibt und heute Favignana genannt wird). Ein Hauch von magischem Realismus weht durch die Zeilen, wenn Noras Gefühl der Ausgrenzung, ihre Verbundenheit mit dem Meer, der Aberglaube in der Dorfgemeinschaft, die vom Thunfischfang geprägte Gemeinschaft, mit ihren BewohnerInnen und all ihren Eigenheiten mit viel Liebe zum Detail, den Menschen und der Sprache beschrieben werden. Germana Fabiano nimmt uns mit in eine Welt aus Geschichten, Gerüchten, Glauben, „kaum wahrnehmbaren Gesten, Blicken, die hin und her gehen, geflüsterten Worten“. Da ist beispielsweise Don Tanino dei Tonni von dem niemand, einschließlich ihm selbst noch seinen richtigen Nachnamen weiß, als er hundert wurde, habe er verkündet nicht mehr zu sterben.
Wenn die Rolle und innere Berufung des Raìs beschrieben wird, „du wirst in deinem Gesicht die Routen tragen, die du auf dem Meer zurückgelegt hast, die Furchen, die dir die Sonne in die Haut brennt, und eine Zärtlichkeit, die niemand je in dir erkennen wird“, dann kommt darin nicht nur eine gewisse Magie zum Ausdruck sondern auch die unbändige Liebe zum Meer und gleichzeitig der Respekt vor der Natur und der Gewalt des Ozeans.
All diese Geschichten und Traditionen sind es die jahrhundertealtes Wissen konservieren und bis in die Moderne das Leben der InselbewohnerInnen prägen. Fabiano verfasst so mit der Geschichte um Nora eine Chronik dieser Insel und des Thunfischfanges bis in die Moderne, die auch das Leben auf der Insel verändert, sei es durch den Tourismus oder den Fluchtbewegungen über das Mittelmeer.
Besonders gefällt mir, dass eine Frau im Mittelpunkt der Geschichte steht und diese damit auch eine Geschichte von Emanzipation und Ermächtigung in einer Welt die Männern vorbehalten war, ist. Über Jahrhunderte war der Raìs ein Mann und man glaubte nur männliche Nachfahren, wären traditionell der Aufgabe gewachsen. In Mattanza kann man Nora beobachten, wie sie mit Talent und ebenso viel harter Arbeit und Disziplin diese vermeintlichen Gewissheiten Lügen straft und sich den Respekt der Männer erarbeitet. Dabei erleben wir beim Lesen immer wieder wie Nora versucht ihre Rollen als Frau und als Raìs auszutarieren und sowohl die Rollen als auch sich selbst dabei neu zu erfinden.
Ein Lesevergnügen, bei dem man ganz nebenbei auch viel über den Thunfischfang lernt (eine sehr schöne Skizze der Fanganlagen ist im Anhang des Buchs beigefügt). Und immer im Mittelpunkt das Meer als Sehnsuchtsort und Respekt erheischende Naturgewalt zugleich.
In Kummer aller Art wirft Mariana Leky in kurzen Episoden einen Blick auf die Alltagsprobleme von Nachbarinnen, Freunden und Verwandten. Dies gelingt ihr mit einer Warmherzigkeit und einem Blick für zuweilen ...
In Kummer aller Art wirft Mariana Leky in kurzen Episoden einen Blick auf die Alltagsprobleme von Nachbarinnen, Freunden und Verwandten. Dies gelingt ihr mit einer Warmherzigkeit und einem Blick für zuweilen auch skurrile Details, die mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht haben. Der Kummer aller Art, und die kleinen Macken, sind es doch letztlich, die uns alle menschlich machen. Und so wachsen beim Lesen auch die Figuren in Lekys Buch mit all ihren Macken und Sorgen ans Herz. Ein Buch, so klug und liebevoll geschrieben, dass es einem warm ums Herz werden lässt.
Nicht zuletzt ist auch der Einband sehr wertig gefasst und das Cover mit Krokodil und Rahmung sieht sehr gut aus. Ein Buch zum Selberlesen und Verschenken gleichermaßen.
Der Roman beschreibt in sehr kurzweiliger Erzählweise die Geschichte der Familie von Lilli Gruber, genau genommen ihrer Urgroßmutter Rosa mit dem Urgroßvater Jakob und deren Kindern. Man kommt als Leserin ...
Der Roman beschreibt in sehr kurzweiliger Erzählweise die Geschichte der Familie von Lilli Gruber, genau genommen ihrer Urgroßmutter Rosa mit dem Urgroßvater Jakob und deren Kindern. Man kommt als Leserin nicht umhin Rosa für ihren Mut und ihre Haltung in den historisch bewegenden Jahren zu bewundern. Der Roman umspannt die Zeit vor dem ersten Weltkrieg, über den Krieg bis zur Nachkriegszeit als Südtirol italienisch wurde. Letztlich war es so spannend, dass ich mir direkt den zweiten Teil gekauft habe, denn ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Hella, Rosas Tochter, und dem Rest der Familie in den Jahren des Nationalsozialismus weitergeht.
Ich habe ganz nebenbei viel über die Geschichte Südtirols beim Lesen gelernt und fand auch schön, dass dem Buch Bildmaterial beigefügt ist. Insgesamt daher nicht nur ein Buch zum Mitfühlen und Mitfiebern, sondern eine Dokumentation Südtiroler Geschichte.
Gabriele von Arnim reflektiert in „Der Trost der Schönheit“ über Vergangenes, das heutige Sein in einer Welt mit vielen Krisen und Herausforderungen, was uns erwartet und dies alles vor dem Hintergrund ...
Gabriele von Arnim reflektiert in „Der Trost der Schönheit“ über Vergangenes, das heutige Sein in einer Welt mit vielen Krisen und Herausforderungen, was uns erwartet und dies alles vor dem Hintergrund eines fortgeschrittenen Alters. Wieviel „Werden“ ist im Alter noch möglich oder ist es nur noch ein „Vergehen“? Dabei thematisiert sie auch das Aufwachsen in einer Generation, die mit dem tief verinnerlichten Glaubenssatz des „Nicht Fühlens“ der Nachkriegszeit erzogen wurde. Sich davon zu befreien ist nicht weniger als eine Lebensaufgabe, an der uns die Autorin ein bisschen teilhaben lässt.
Allein mit ihrer Sprache erzeugt sie immer wieder wunderschöne Bilder, wie den „vom Regen glänzend schimmernden länglichen Wunderteppich aus gelben, braunen, rötlichen und grünen Blättern“ oder wenn die „Phantasie zum Schmetterling wird, der zum Blütennektar fliegt“.
Das Buch ist keine stringente Erzählung und liefert auch weniger eindeutige Antworten. Es ist vielmehr eine Einladung an die Lesenden, der Autorin bei ihrer Reise in sich selbst, dem Erinnern und Entdecken, dem Zweifeln und Erhellen über Schmerz, Ängste, Fühlen, Verlust und Freude aber auch aktuelle Themen wie Krieg und Klimawandel zu folgen. Eine Einladung zum Nachdenken über das Leben, was wir erlebt haben und erwarten, was das Erlebte mit uns macht. So zum Beispiel, wie wundervoll beschrieben, die fehlende Unschuld mit der wir nach schweren Ereignissen, die das Leben abverlangt, von da an auf Neues blicken.
Aber auch und zuallererst eine Einladung zu entdecken, welche Kraft selbst die kleinsten Dinge haben uns mit ihrer Schönheit zu erfreuen und so Kraft ebenso wie Mut und ja, auch Trost, spenden oder wie von Arnim es ausdrückt „Schönheit sehen, empfinden, leben“.
Besonders macht das Buch, dass die Autorin immer wieder von einer abstrakten Ebene und philosophischen Gedanken, auf ihre eigene Gefühls- und Erfahrungswelt blickt und so für die Leserin das Geschriebene nicht nur nachvollziehbar sondern mit-erlebbar wird.
Sie (er)schafft damit genau das, was sie eigentlich (nur) beschreiben möchte - der Trost der Schönheit, er liegt auch in den Stunden mit diesem Buch und seinen Zeilen.