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Veröffentlicht am 30.08.2023

Mo und Karl

Sieben Tage Mo
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„Sieben Tage Mo“ – Der Titel deutet darauf hin, dass sich alles nur um Mo dreht. Dabei hat Mo doch noch seinen Zwillingsbruder Karl.

Seit seiner Geburt ist Mo geistig behindert, Karl ist gesund zur Welt ...

„Sieben Tage Mo“ – Der Titel deutet darauf hin, dass sich alles nur um Mo dreht. Dabei hat Mo doch noch seinen Zwillingsbruder Karl.

Seit seiner Geburt ist Mo geistig behindert, Karl ist gesund zur Welt gekommen. Ihre Mutter ist überwiegend alleinerziehend und berufstätig. Also muss sich auch Karl oft um seinen Bruder kümmern – und dafür natürlich auf vieles verzichten.

Ich weiß, wie wichtig es ist, dass auch Geschwisterkinder geistig behinderter Menschen wahrgenommen werden und Anerkennung bekommen.

Der Autor Oliver Scherz sagt mit Herz und Verstand das, worauf es ankommt. Er beschreibt sehr realitätsnah, wie es Karl geht, indem er ihn die Geschichte erzählen lässt.

Mich hat das Buch nicht losgelassen. Ich konnte spüren, wie sehr Karl seinen Bruder liebt, aber auch, dass die Belastung für einen zwölfjährigen Jungen sehr groß, manchmal einfach zu groß ist. Viel zu wenig Zeit hat er für sich, für seine Bedürfnisse, seine Freunde…

Für Mo scheint das Leben leichter, sorgloser zu sein. Dass er aber auch ein ganz empfindliches Gespür hat und merkt, wenn er etwas „falsch“ gemacht hat, zeigen Sätze wie: „Mo brauchte beide Hände, um mir über den Rücken zu streicheln.“ Seine Art, sich zu entschuldigen.

Es ist ein berührendes Buch, das auch von gefährlichen Unternehmungen erzählt, von Menschen, die nicht nachdenken, sondern sich lustig machen über Menschen wie Mo, aber auch von denen, die ohne Berührungsängste ganz einfach mit ihm in Kontakt kommen.

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Veröffentlicht am 26.08.2023

Vom Suchen und Vergessen

Erinnerungen des Waldes
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Schönrinde liegt mitten im Dorfwald. Hier führt Archibald Fuchs mit viel Liebe und Sorgfalt die Buchhandlung, die er von seinem Vater übernommen hat. Bereits an dieser Stelle muss ich meine Begeisterung ...

Schönrinde liegt mitten im Dorfwald. Hier führt Archibald Fuchs mit viel Liebe und Sorgfalt die Buchhandlung, die er von seinem Vater übernommen hat. Bereits an dieser Stelle muss ich meine Begeisterung für die Illustrationen der Künstlerin Sanoe weitergeben. Die Buchhandlung befindet sich direkt in einer uralten Eiche, und die ist ganzseitig abgebildet und sieht zauberhaft aus. Man kann sich gut vorstellen, dass der Buchhändler hier glücklich ist und seine Arbeit liebt.

Aber dann kommt Ferdinand Maulwurf zu ihm. Der ist tieftraurig und in großer Not, weil er spürt, dass er immer vergesslicher wird. Für Archibald Fuchs steht fest, dass er jetzt als Freund und Helfer für Ferdinand da sein muss, und die beiden machen sich auf die Spurensuche nach der Vergangenheit von Ferdinand.

Der Autor Mickaël Brun-Arnaud erzählt eine spannende Geschichte zum Thema Demenz. Bei Ferdinand ist es die „Alles-vergessen-Krankheit“. Dass man mit dieser Krankheit Freunde braucht und Menschen, die einem zur Seite stehen und helfen, das weiß der Autor sehr wohl. Und es ist berührend und bewegend, wie einfühlsam er das Thema in die Tierwelt überträgt und es dadurch nicht nur für Kinder leichter zugänglich macht. Die vielen großen und kleinen farbigen Illustrationen sind eine zusätzliche Bereicherung für die zu Herzen gehende Geschichte.

Ein großartiges Buch, in dem es neben dem Vergessen auch um Erinnerungen, um Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Vertrauen, Verständnis und ganz viel Liebe geht.

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Veröffentlicht am 15.08.2023

Die Geschichte Abrahams wird lebendig

Abraham
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Die Bibelgeschichte von Abraham als Thriller? Da bleibt von der eigentlichen Bibelgeschichte sicher nicht viel übrig, so dachte ich. Aber ich wurde eines Besseren belehrt.

Damaris Kofmehl bleibt mit ihrer ...

Die Bibelgeschichte von Abraham als Thriller? Da bleibt von der eigentlichen Bibelgeschichte sicher nicht viel übrig, so dachte ich. Aber ich wurde eines Besseren belehrt.

Damaris Kofmehl bleibt mit ihrer Erzählung ganz nah dran an der Bibelgeschichte. Doch mit ihrem Wissen, ein wenig Fantasie und ganz viel Leidenschaft gelingt es ihr, aus einem kleinen Abschnitt der Bibel einen großartigen Roman zu schaffen, der den Begriff „Thriller“ wohl verdient.

Wertvoll beim Lesen ist für mich die Karte „Abrahams Wanderschaft“ am Anfang des Buches. Auch die Übersicht über Personen und Namensbedeutungen gefällt mir und ist hilfreich, ebenso wie die Unterteilung in verschiedene Abschnitte, zu denen jeweils die Bibelstellen eingefügt sind.

Schon durch die Bibel habe ich Abraham für seinen starken Glauben bewundert. Die Autorin hat allerdings durch ihren ausführlichen spannenden und bildhaften Stil meine Sicht auf die Geschichte auf einen neuen Level gestellt. Das ganze Geschehen, die Orte, die Personen: Alles sehe ich vor meinem inneren Auge besser als in einem Film. Dabei finde ich gut, dass Damaris Kofmehl auch immer wieder die Ängste und Zweifel Abrahams in die Geschichte einwebt. Das bestärkt mich darin, dass auch ich Zweifel und Fragen haben darf, die aber meinen Glauben auch kräftigen.

Großartig ist außerdem, durch Abraham zu erkennen, dass niemand Angst haben muss, wenn eine Aufgabe bewältigt werden muss. Er sagt zu seinem Sohn Isaak: „Gott lädt uns nie mehr auf, als wir zu tragen vermögen. Wenn wir ihm nachfolgen, brauchen wir uns vor nichts zu fürchten.“

Übrigens, die Geschichte von Isaak … Bitte lest das Buch selbst. Von mir gibt es dafür eine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Die Namenlosen und ein Koffer

Die Lesereise
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„Ein alter Mann reist durch die Lande und liest vor einfachem Publikum zu allen nur denkbaren Themen. Ein Junge wird sein Assistent und zieht den Koffer voller Manuskripte von Ort zu Ort.“ So heißt es ...

„Ein alter Mann reist durch die Lande und liest vor einfachem Publikum zu allen nur denkbaren Themen. Ein Junge wird sein Assistent und zieht den Koffer voller Manuskripte von Ort zu Ort.“ So heißt es am Anfang der Buchbeschreibung.

Ich bin begeisterte Brüseke-Leserin. Darum lasse ich mich gern mitnehmen auf „Die Lesereise“ und komme auch hier voll auf meine Kosten. Allein wegen seiner gekonnten Wortspielereien gefallen mir die Bücher des Autors.

Die beiden Hauptprotagonisten bleiben als der Alte und der Junge namenlos, wobei der Junge in der Geschichte der Ich-Erzähler ist und dem Alten alle notwendigen Handgriffe abnimmt. So kann der sich auf seine Vorträge konzentrieren. Als ehemaliger Professor der Philosophie weiß er sich auszudrücken und auch, wenn er seine Vorträge eher für die „einfachen“ Leute hält, zu denen ich mich zähle, dann geht es mir so, wie manchmal auch dem Jungen, wenn der sagt: „Ich muss zugeben, dass ich nicht gleich begriff, worauf er hinauswollte.“

Trotz des großen Bildungsunterschiedes ergänzen die beiden sich gut und passen wunderbar zusammen. Und der Alte versteht es sehr wohl, den einfachen Menschen auch „verzwickte“ Themen zu erklären. Besonders haben mir seine Vorträge zu den Themen „Zeit“ und „Alkohol“ gefallen.

Im Roman begegnen wir vielen Dichtern und Denkern, wobei dem Autor deren Namen nicht wichtig sind. Sie sind für ihn einfach Hinz und Kunz – vielleicht daher auch der Alte und der Junge ohne Namen?

„…Wir können große Denker nicht nach ihrem Leben beurteilen. Ideen sind eine Sache, Politik eine andere … weil sie politisch oder moralisch geirrt haben.“

Was ich für mich aus den Vorträgen des Alten mitgenommen habe, ist die Tatsache, dass man häufig nur allzu leicht Vorurteile bildet und Menschen verurteilt.

Ein wunderbares Buch mit einer berührenden Geschichte neben all den interessanten Vorträgen und einem unerwarteten und sehr emotionalen Ende.

Für „Die Lesereise“ gebe ich gern meine volle Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Manchmal kommt alles anders

Kontur eines Lebens
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Louis und Frieda sind viele Jahrzehnte verheiratet. Selbstverständlich, dass er seiner pflegebedürftigen Frau beisteht und hilft. So soll es auch bleiben. Doch manchmal kommt es anders. Plötzlich ...

Louis und Frieda sind viele Jahrzehnte verheiratet. Selbstverständlich, dass er seiner pflegebedürftigen Frau beisteht und hilft. So soll es auch bleiben. Doch manchmal kommt es anders. Plötzlich ist Louis nicht mehr da und Frieda zieht in ein Pflegeheim. Inzwischen ist sie 81 Jahre alt und erst jetzt stellt sie sich ihren Erinnerungen.
Der Autor Jaap Robben erzählt Friedas Geschichte in verschiedenen Zeitebenen. Wir lesen, wie sie heute ihre Tage verbringt, dass ihr Sohn Tobias und seine Frau ihr bei vielen Dingen helfen, und erfahren viel über Louis und ihre gemeinsame Zeit. Es war eine gute Zeit.
Doch es gibt auch die Jahre, die noch weiter zurück in die Vergangenheit führen. Diese Erlebnisse hat Frieda ganz fest in ihrem Inneren verschlossen und erst jetzt ist sie bereit, sich ihren Erinnerungen zu stellen und ihre Geschichte zu teilen.
Sie ist noch nicht mal zwanzig Jahre alt, als sie in den Sechzigerjahren mit Otto ihre erste große Liebe kennenlernt. Doch die Liebe steht unter keinem guten Stern. Otto ist verheiratet, Frieda wird schwanger. Undenkbar in der damaligen Zeit, ein Kind allein großzuziehen. Mit großem Einfühlungsvermögen gelingt es Robben, die Dramatik der Situation zu beschreiben. Nicht nur, dass Otto seine Frau nicht verlässt, muss Frieda die Erfahrung machen, dass sie von ihren Eltern verachtet wird und plötzlich ganz allein auf sich gestellt ist.
Auch wenn Frieda im Alter nicht ohne Ecken und Kanten ist, so ist sie mir dennoch ans Herz gewachsen. Ihre Geschichte und die ihres verlorenen Kindes hat mich zutiefst berührt. Das hat zum größten Teil Jaap Robben mit seinem lebensnahen, emotionalen und einzigartigen Schreibstil bewirkt. Er hat mit seiner Geschichte von Frieda Tendeloo eine Geschichte geschrieben, die stellvertretend für unendlich viele Frauen steht, die damals in derselben Situation waren und Ähnliches erleben mussten wie Frieda.

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