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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.09.2023

Was ist Richtig oder Falsch?

Der Club
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Hans wird mit fünfzehn Vollwaise, kommt aufs Internat und lernt dort Boxen.
Irgendwann lädt seine Tante Alex ihn auf eine Universität in Cambridge ein: Dort gibt es einen elitären Boxclub, in dem ein Verbrechen ...

Hans wird mit fünfzehn Vollwaise, kommt aufs Internat und lernt dort Boxen.
Irgendwann lädt seine Tante Alex ihn auf eine Universität in Cambridge ein: Dort gibt es einen elitären Boxclub, in dem ein Verbrechen begangen wurde. Unter einem Decknamen soll Hans Mitglied werden und das Rätsel lösen.

Den Einstieg in Takis Würgers Debütroman "Der Club" mochte ich sehr: Er wirkt zugleich schnörkellos und märchenhaft, ich war sofort gebannt.
Dieser nüchterne, präzise Schreibstil zieht sich durch das gesamte Buch, man hat als LeserIn teilweise das Gefühl, man habe eine Enthüllungsreportage vor sich. Im Gegensatz zu "Unschuld" lässt Würger den LeserInnen hier auch deutlich mehr Spielraum für eigene Gedanken und Meinungen.

Insgesamt werden wieder sehr viele wichtige Themen angesprochen, aber keins besonders detailliert ausgearbeitet - bis aufs Boxen. Man bemerkt hier definitiv die eigenen Erfahrungen des Autors. Für mich persönlich hätte dieses spezielle Thema ruhig etwas kürzer, die anderen dafür ausführlicher behandelt werden können.

Obwohl früh klar ist, worin das Verbrechen besteht und wer dafür verantwortlich war, wird der Spannungsbogen bis zum Schluss gehalten. Denn es geht vielmehr um die Frage: Welchen Preis ist Hans bereit zu zahlen, um endlich dazuzugehören? Was ist richtig und falsch? Gibt es verschiedene Wahrheiten?

Am Ende verlief mir wieder alles zu glatt und wurde zu rund aufgelöst. Dennoch hat mir das Buch etwas besser gefallen als "Unschuld".

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Veröffentlicht am 30.08.2023

Spannend bis zum Schluss

Der Kastanienmann
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Die Polizei steht vor einem Rätsel: In Kopenhagen taucht eine grausam entstellte Leiche auf, es gibt weder Verdächtige, noch ein Motiv für den Mord. Die einzige Spur ist das am Tatort platzierte Kastanienmännchen, ...

Die Polizei steht vor einem Rätsel: In Kopenhagen taucht eine grausam entstellte Leiche auf, es gibt weder Verdächtige, noch ein Motiv für den Mord. Die einzige Spur ist das am Tatort platzierte Kastanienmännchen, welches die Fingerabdrücke eines Mädchens trägt, das seit einem Jahr tot ist.

Mit gut 600 Seiten veröffentlicht Søren Sveistrup einen eher langen Thriller. Das tut der Spannung allerdings keinen Abbruch: Sobald ein Fünkchen Langeweile aufkommen könnte, überrascht er mit einem unerwarteten Ereignis, einem weiteren Verdächtigen oder einer neuen Spur.
Mit zwei Einzelkämpfern, die beide eigentlich gar nicht bei der Mordkommission sein wollen, schafft er ein interessantes Ermittlerduo. Die Charaktere sind allgemein gut ausgearbeitet und authentisch, auch wenn man nicht alles über sie erfährt. Ich mochte es, dass neue Figuren nach und nach ins Spiel kommen, sodass man trotz vieler Personen nicht durcheinander kommt.
Auch die skandinavisch-herbstliche Atmosphäre wird wunderbar vermittelt. Der Autor führt die Lesenden ebenso wie sein Ermittlerteam immer wieder auf falsche Spuren und es macht Spaß, diesen zu folgen.
Als ich gerade dachte, dass es nun aber genug ist mit falschen Fährten, kam man der Lösung endlich auf die Spur.
Das Ende hingegen war etwas unglaubwürdig, sowohl das Motiv bzw. Plan des Täters, als auch der gesamte Showdown und das etwas zu postive Happy End.
Dennoch hat mich das Buch gut unterhalten und die ein oder andere Nacht wachgehalten, weil ich es einfach nicht aus der Hand legen konnte.

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Veröffentlicht am 30.04.2023

Authentische Romanbiografie

Sisi
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Karen Duves Romanbiografie "Sisi" beginnt zwanzig Jahre nach ihrer Heirat und umfasst etwa drei Jahre.
Ihre Lieblingsbeschäftigung sind inzwischen wilde Jagden, bei denen sie ihr außergewöhnliches Reittalent ...

Karen Duves Romanbiografie "Sisi" beginnt zwanzig Jahre nach ihrer Heirat und umfasst etwa drei Jahre.
Ihre Lieblingsbeschäftigung sind inzwischen wilde Jagden, bei denen sie ihr außergewöhnliches Reittalent zur Schau stellen kann. Als ihre achtzehnjährige Nichte Marie Louise am Hof erscheint, macht Elisabeth sie zu ihrer engsten Vertrauten - bis auf einmal auch Marie Louise Aufmerksamkeit vom männlichen Adel bekommt. Es beginnt ein intrigantes Spiel, um die junge Konkurrentin loszuwerden.

Ich gehöre zu den wenigen, die die "Sissi"-Filme mit Romy Schneider nicht gesehen haben, bin mir aber sicher, dass dieses Buch ein ganz anderes Licht auf die legendäre Kaiserin wirft: Keine Märchenprinzessin, die in einem Traumschloss wohnt, sondern eine höchst unzufriedene Frau mit narzisstischen und depressiven Zügen, die ständig im Mittelpunkt steht und deren Leben von allen kommentiert und kritisiert wird. Kein Wunder, dass sie sich wahnhaft um ihr Gewicht sorgt, dreimal am Tag ihre Taille messen lässt usw.
Duve zeichnet ein sehr authentisches Bild von Elisabeth und romantisiert dabei kein bisschen. Sie gibt ihren ambivalenten Charakter gut wieder und überrascht mit interessanten Details. Stellenweise wirkt die Kaiserin dabei sogar höchst unsympathisch - was aber in Anbetracht ihrer Vergangenheit kein Wunder ist. Apropos Vergangenheit: Man braucht nicht viel Vorwissen, um das Buch lesen zu können, ich würde aber empfehlen, zumindest einmal den Wikipedia-Artikel über Sisi zu lesen, um die Kontexte besser zu verstehen.
Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten, sodass man das Buch trotz der vielen langen Namen, Adelstitel und historischen Berufsbezeichnungen flüssig lesen kann.
Ich persönlich konnte viel Neues lernen, nicht nur über den österreichischen Adel im neunzehnten Jahrhundert, sondern auch über die Epoche im Allgemeinen und zu guter letzt über Pferde - denn ein großer Teil dreht sich um Elisabeths Liebe zum Reiten. Aus diesem Grund hat sich die Geschichte für mich stellenweise ziemlich gezogen, nichtsdestotrotz gebe ich gerne ⭐️4/5⭐️.

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Veröffentlicht am 19.04.2023

Spannend und zum Nachdenken anregend

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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Großmutter Evelyn ist die letzte lebende Verwandte der 27-jährigen Hannah. Obwohl sie sie regelmäßig im Seniorenheim besucht, weiß Hannah kaum etwas über ihre eigene Familie. Deswegen überrascht es sie ...

Großmutter Evelyn ist die letzte lebende Verwandte der 27-jährigen Hannah. Obwohl sie sie regelmäßig im Seniorenheim besucht, weiß Hannah kaum etwas über ihre eigene Familie. Deswegen überrascht es sie auch, als sie einen Brief aus Israel findet, der Evelyn als Erbin von wertvollen, verschollenen Gemälden betitelt, die während des Nationalsozialismus eingezogen wurden.
Sie macht sich auf die Suche nach den Bildern - und nach ihrer Familiengeschichte.

Mit dem ungewöhnlichen Titel "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" hat Alena Schröder direkt mein Interesse geweckt. Ohne zu wissen, worum es geht, ahnt man doch direkt, dass Kunst hier eine Rolle spielt.
Und das tut sie auch: Die Suche nach den verschollenen Gemälden bietet eine spannende, informative Storyline. Sie formt aber nur einen Rahmen für die eigentlichen Themen des Buches; es geht viel um die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen zum Muttersein, zur Selbstverwirklichung und falschen Erwartungen.
Dies zieht sich in dem Roman über ganze vier Generationen von Frauen. Abwechselnd erzählt Schröder aus Hannahs Perspektive in der Gegenwart und Evelyns Mutter in der Vergangenheit, beginnend in den 1920er Jahren.
Beide Zeitstränge verlaufen chronologisch und zeichnen zusammen ein Familienbild voller Konflikte.

Schwere, geschichtliche Themen rund um den Nationalsozialismus und den zweiten Weltkrieg hat die Autorin geschickt in die Handlung eingewebt und es dabei geschafft, sich weder in historischen Details zu verlieren, noch sie unzulänglich zu thematisieren.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen, er regt zum Nachdenken an, hat dabei aber trotzdem genug Inhalt, um die Spannung aufzubauen und zu erhalten. Er konnte bei mir jedoch keine tiefen Gefühle erzeugen, so richtig warm wurde ich mit den Figuren nicht.

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Veröffentlicht am 12.04.2023

Kurzweilige Gesellschaftskritik

Die spürst du nicht
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Zwei gut situierte Familien planen einen erholsamen gemeinsam Urlaub in einer toskanischen Villa. Die vierzehnjährige Sophie Luisa darf ihre Schulfreundin Aayana aus Somalia mitnehmen.
Doch schon am ersten ...

Zwei gut situierte Familien planen einen erholsamen gemeinsam Urlaub in einer toskanischen Villa. Die vierzehnjährige Sophie Luisa darf ihre Schulfreundin Aayana aus Somalia mitnehmen.
Doch schon am ersten Abend kommt es zu einer Katastrophe, die alles verändert. Der Roman handelt hauptsächlich von den Handlungen, die nach dem Unglück geschehen.

In "Die spürst du nicht" wirft Daniel Glattauer viele Fragen auf, die sich damit beschäftigen, was ein Menschenleben eigentlich wert ist.
Er schafft dabei ein sehr überspitztes Gesellschaftsbild und bedient sich an vielen Stereotypen, um seine Aussage zu unterstreichen. Die einzelnen Figuren repräsentieren stellvertretend unsere aktuelle (Internet-)Gesellschaft.

Die Geschichte wird chronologisch und aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt, darunter auch Online-Artikel inklusive Kommentare der LeserInnen (von Gutmesch bis Internettroll ist alles vertreten). Dies verdeutlicht die Aussage des Buches: Dass man alles aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und niemals einseitig denken sollte.
Ich mochte sehr, dass hier einmal eine Flüchtlingsfamilie zu Wort kommen darf und ihre Geschichte bringt einem nochmal ins Gedächtnis, dass hinter jedem Flüchtenden ein Einzelschicksal steckt und niemand grundlos sein Heimatland verlässt.

Der ungewöhnlichen Schreibstil hat mir von Anfang an gefallen, immer wieder hatte ich das Gefühl, ein Theaterstück zu lesen.

Insgesamt liest sich das Buch wirklich flüssig und ich konnte es kaum aus der Hand legen, die Aussage finde ich sehr wichtig (schon allein deswegen sollte man das Buch gelesen haben) und den Schreibstil ansprechend.
Was mir hingegen gar nicht gefallen hat, war das Ende; es kam mir doch zu konstruiert vor, es gab zu viele Zufälle, war mir zu rund und dadurch leider wenig glaubwürdig.

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