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Veröffentlicht am 17.08.2017

Liebeserklärung an la familia mit all ihren Macken

Ein Haus voller Träume
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Die drei längst erwachsenen Geschwister Jo, Tom und Lucy treffen sich ein letztes Mal in ihrem Elternhaus, bevor dieses verkauft werden soll. Anlass ist der Tod ihrer Mutter Hope, deren Asche sie an diesem ...

Die drei längst erwachsenen Geschwister Jo, Tom und Lucy treffen sich ein letztes Mal in ihrem Elternhaus, bevor dieses verkauft werden soll. Anlass ist der Tod ihrer Mutter Hope, deren Asche sie an diesem Wochenende verstreuen wollen. Davor soll, gemäß Hopes letztem Wunsch, noch einmal eine Party steigen, wie sie die gebürtige Engländerin selbst oft in ihrem spanischen „Haus voller Träume“ veranstaltet hat. Nachbarn, Freunde und Verwandte sind eingeladen und die Geschwister haben alle Hände voll zu tun – und neben der Trauer um ihre Mutter außerdem noch mit einigen persönlichen Problemen zu kämpfen. Es wird für alle Beteiligten ein intensives Wochenende, an dem sich einiges für immer verändern wird …


Auch für den Leser ist „Ein Haus voller Träume“ ein intensives Erlebnis. Die Handlung des immerhin 475 Seiten dicken Buches erstreckt sich über vier Tage, an denen man hautnah Hopes letzte (posthume) Feier in der "Casa de Suenos“ miterlebt. Sie rollt anfangs sehr gemächlich an und stellenweise hat das Buch einige Längen; zum Teil wurde mir die Spannung über zu viele Seiten aufgebaut. Doch die Ereignisse sind nachvollziehbar, schließlich werden auch einige Geheimnisse gelüftet und trotz der vielen Figuren und ihrer unterschiedlichen Biografien ist der Roman nicht überladen. Eine der großen Stärken von Fanny Blake ist ihr Talent, Atmosphäre zu erzeugen: Im „Haus der Träume“ würde man nach der Lektüre am liebsten selbst den nächsten Urlaub verbringen, so gut hat man es während des Lesens kennen und lieben gelernt. Auch die drei charakterlich extrem unterschiedlichen Geschwister und ihre Sichtweisen bringt die Autorin dem Leser so nahe, dass man sich doch irgendwie in jede der Figuren einfühlen kann. Am Ende sind sie wie gute Bekannte, die man am liebsten weiterbegleiten möchte. Ein schöner Sommerroman, der sowohl Lust auf Spanien als auch Lust auf ein Familientreffen macht, denn wie heißt es im Roman so schön: „Was zählt, ist doch die Familie, oder?“

Veröffentlicht am 25.08.2024

Selbstfindung in Brasilien

Sobald wir angekommen sind
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Ben Oppenheim ist Ende vierzig, semi-erfolgreicher Schriftsteller, nicht praktizierender Jude, lebt in Zürich und von seiner Ehefrau Marina getrennt. Er hat zwei Kinder, eine Geliebte und jede Menge Selbstzweifel. ...

Ben Oppenheim ist Ende vierzig, semi-erfolgreicher Schriftsteller, nicht praktizierender Jude, lebt in Zürich und von seiner Ehefrau Marina getrennt. Er hat zwei Kinder, eine Geliebte und jede Menge Selbstzweifel. Als der Krieg in Osteuropa jedoch näher zu rücken scheint und Marina und er den Ausbruch des dritten Weltkriegs befürchten, sind sich beide für einen Moment ihrer Sache ganz sicher. Kurz darauf sitzen sie mit Kindern und Gepäck im Flugzeug nach Brasilien – in das Land, in das schon Bens Vorbild Stefan Zweig auf seiner Flucht vor den Nationalsozialisten emigriert ist. Für einen Moment scheint alles möglich, doch dann muss Ben feststellen, dass er seine Unsicherheiten und Probleme nicht in Zürich zurückgelassen hat.

Wäre die Hauptfigur nicht schon fortgeschrittenen Alters, wäre ich glatt versucht, diesen Roman mit „Coming of Age“ zu beschreiben. Doch Ben ist längst erwachsen. Eventuell befindet er sich in einer Midlife-Crisis, doch die Ängste, mit denen er kämpft, scheinen ihn bereits den Großteil seines Lebens zu begleiten und werden von ihm gerne auf seine jüdische Herkunft und die Last der Geschichte zurückgeführt – Bens Reflektionen hierzu haben mich zum Teil berührt und zum Teil überfordert. Paradoxerweise sind diese Ängste sowohl mit extremer Selbstkritik als auch der Gewohnheit, die Schuld bei anderen zu suchen, gepaart. Da der Erzähler Bens Innenleben und Gedanken minutiös enthüllt, bleibt Leserinnen und Lesern wenig erspart: Seine Larmoyanz ist allgegenwärtig und nur erträglich durch die glücklicherweise ebenfalls vorhandene Selbstironie und die pointierte Sichtweise auf das Leben. Als seine Ex zu ihm sagt: „Je schlechter es dir geht, desto lustiger bist du“ antwortet Ben zum Beispiel: „Ohne Deine Hilfe könnte ich das nicht.“
Der Humor und die Neugier darauf, ob und wie Ben sein Leben in den Griff kriegt, haben mich bei der Stange gehalten. „Sobald wir angekommen sind“ liest sich kurzweilig, auch wenn die Hauptfigur einem ein gewisses Maß an Geduld abverlangt. Etwas ratlos, was ich aus diesem Roman eigentlich mitnehme, bleibe ich am Ende dennoch zurück.

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Gute Spannungsunterhaltung trotz Logikschwächen

Schneesturm
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Thriller, in denen ein Mord passiert, wenn eine Gruppe von Menschen entweder geplant oder ungewollt von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es viele. Sehr viele. Da es unendliche Möglichkeiten gibt, ...

Thriller, in denen ein Mord passiert, wenn eine Gruppe von Menschen entweder geplant oder ungewollt von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es viele. Sehr viele. Da es unendliche Möglichkeiten gibt, diese Ausgangssituation auszugestalten, ist das aber kein Problem. Tríona Walsh hat sie auf die abgelegene irische Insel Inishmore verlagert, auf der immerhin über 900 Leute leben. Die Clique, die sich nach zehn Jahren dort wiedersieht, ist also nicht wirklich unter sich. Das Cover grenzt die Identität des Mörders/der Mörderin allerdings trotzdem schon stark ein – wer es schafft, sollte also am besten drauflos lesen und sich das Buch nicht zu genau angucken. Ganz interessant ist allerdings die Karte in der hinteren Umschlagklappe – die hätte ich wiederum fast übersehen.

Hauptfigur Cara ist die (einzige) Inselpolizistin auf Inishmore und verwitwete Mutter von zwei Kindern. Nachdem ihr Mann Cillian bei einem tragischen Unglück vor 10 Jahren gestorben ist, hat sich die Clique um die beiden zerstreut – nur drei der Freunde wohnen noch auf der Insel, zwei leben in London und Cillians Bruder Seamus hat sogar in den USA Karriere gemacht. Doch zu diesem traurigen Jubiläum treffen sie sich zwischen den Jahren in Cillians‘ und Seamus‘ verwaistem Elternhaus. Draußen tobt ein Schneesturm, doch richtig kuschlig wird es drinnen auch nicht. Nähe und Vertrautheit lassen sich nicht auf Knopfdruck wieder herstellen – vor allem nicht, wenn mehrere Anwesende Geheimnisse hüten …

Das Cover von „Schneesturm“ wirkt durch die Farbgebung und die hinter den Bergen verschwindende Schrift ziemlich bedrohlich (der orange Farbschnitt passt perfekt dazu und ist ein toller Hingucker!). Der Thriller selbst kann da nicht ganz mithalten – tatsächlich geht „Schneesturm“ vielleicht eher in Richtung Krimi; ganz am Ende kam es sogar zu einer Situation, bei der ich an Hercule Poirot denken musste. Zweifellos gibt es spannende Passagen, aber atemlos mitgefiebert habe ich nicht. Teilweise verfranst sich die Geschichte auch etwas, doch am Ende schafft es Tríona Walsh erstaunlich gut, die losen Enden wieder zusammenzuführen. Bei näherem Nachdenken erschien mir längst nicht alles so richtig logisch, gut unterhalten habe ich mich jedoch trotzdem gefühlt.

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Veröffentlicht am 09.01.2024

Vorhersehbarer Wohlfühlroman

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Das Cover dieses Romans macht nicht nur Lust auf Schokoladenkuchen, es passt auch perfekt zum Inhalt. Hauptfigur von „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ ist eine 77-jährige Hobbybäckerin, wobei dieses Wort ...

Das Cover dieses Romans macht nicht nur Lust auf Schokoladenkuchen, es passt auch perfekt zum Inhalt. Hauptfigur von „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ ist eine 77-jährige Hobbybäckerin, wobei dieses Wort ihrer Leidenschaft kaum gerecht wird: Jenny Quinn backt täglich, für Freunde, Nachbarn und ihren Ehemann Bernard, hütet Familienrezepte ihrer Eltern und früherer Generationen und findet ihre Erfüllung darin. Passenderweise ist jedes Kapitel mit dem Namen einer darin vorkommenden Kreation überschrieben, von Brandy Snaps bis Yorkshire-Kuchen mit Trockenfrüchten. Viele der Backwaren sagten mir nichts, oft habe ich mir Bilder gewünscht – oder zumindest das ein oder andere Rezept am Buchende. Leider wurde hier nichts aufgenommen.

Auch in Jenny Quinns Lieblingsfernsehsendung geht es um das Thema Backen. Sie verpasst keine Folge von „Das Backduell – Backen auf der Insel“ und sieht schließlich einen Aufruf, dass neue Kandidat*innen für die Sendung gesucht werden. Mrs. Quinn kann sich nicht vorstellen, tatsächlich in eine Fernsehsendung eingeladen zu werden – ist sie nicht zu alt oder überhaupt gut genug? Doch die Sehnsucht ist geweckt und sie bewirbt sich; ohne Bernard, mit dem sie seit 59 Jahren glücklich verheiratet ist, etwas zu verraten. Denn vermutlich klappt es ja eh nicht – diese Begründung fand ich allerdings etwas dürftig, nachdem Bernard als herzensguter, sie immer unterstützender Ehemann geschildert wird. Leserinnen und Leser ahnen natürlich schon, dass Jenny Quinn Teilnehmerin des Backduells wird. Die Szenen rund um die Fernsehproduktion habe ich dann auch am liebsten gelesen.

Es gibt allerdings auch immer wieder Einschübe aus der Vergangenheit, die Mrs. Quinns Leben nacherzählen und schließlich ein großes, lange zurückreichendes Geheimnis lüften. Auch hier lässt sich bald erahnen, worum es sich handelt. Und das hat mich an „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ generell gestört: Der Roman ist ziemlich vorhersehbar. Die Geschichte plätschert relativ glatt vor sich hin, kein Charakter schert aus der Rolle, alle benehmen sich so, wie man es von ihnen erwarten würde, keine Brüche, kaum Unvorhersehbares. Dabei hätten mehrere Figuren das Potential gehabt, neue Facetten oder etwas mehr Tiefgang hineinzubringen, sie bleiben aber stattdessen etwas eindimensionale, farblose Komparsen. Bernard ist liebend und verständnisvoll, die Großnichte einfach niedlich, Jennys junger Konkurrent Azeez ein richtiger Schatz und die Producerin Carys ihr größter Fan. Ich habe gar nichts gegen Wohlfühlromane, aber von dem hier hatte ich mir doch etwas mehr versprochen. Das Potential wäre durchaus dagewesen, es hätte einfach ein paar Ecken und Kanten gebraucht.

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Veröffentlicht am 01.09.2023

Stimmung & Atmosphäre

Die Neapolitanische Saga 1: Meine geniale Freundin
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Dass ich „Meine geniale Freundin“ gelesen habe, ist schon eine ganze Weile her. Tatsächlich ist es damals für mich beim ersten Band der neapolitanischen Saga geblieben, da mich die Geschichte nicht ganz ...

Dass ich „Meine geniale Freundin“ gelesen habe, ist schon eine ganze Weile her. Tatsächlich ist es damals für mich beim ersten Band der neapolitanischen Saga geblieben, da mich die Geschichte nicht ganz so sehr gepackt hat. Die Hassliebe von Lila und Lenù fand ich anstrengend, die meist nur flüchtig auftauchenden männlichen Protagonisten teilweise schwer auseinanderzuhalten und etwas deprimiert hat mich die Geschichte auch. Aber es kann ja immer sein, dass man ein Buch ein paar Jahre später anders bewertet und die Idee, mich dem Ganzen nochmal mit Hilfe einer Graphic Novel zu nähern, fand ich reizvoll.

Tatsächlich ist der Zugang zur illustrierten Adaption von „Meine geniale Freundin“ viel leichtfüßiger. Die Zeichnungen vermitteln sofort Atmosphäre. Stimmungen werden durch kühle Farben und ausdrucksvolle Augenpartien ausgedrückt, Armut und Trostlosigkeit des Rione, wo die Geschichte spielt, sind sofort greifbar. Als ich den Roman gelesen habe, hatte ich danach den Eindruck, dass mir einiges an Wissen über das damalige Italien fehlt, um die Situation der Protagonistinnen richtig erfassen zu können ... nach der Graphic Novel habe ich zumindest ein besseres Gefühl dafür.

Obwohl er großformatig ist und mehr als 250 Seiten fasst, kann der Comicroman die Geschehnisse natürlich längst nicht so detailliert schildern wie das Original. So werden viele Episoden nur angedeutet oder sehr verkürzt erzählt, zudem verleiten die plakativen Illustrationen, schnell durch die Seiten zu fliegen. Dadurch geht natürlich einiges verloren. Die Graphic Novel als Ergänzung zum Roman zu lesen, ist vermutlich ideal und wird der Geschichte am ehesten gerecht. Ich frage mich nur: Machen das so viele Menschen, dass sich das für den Verlag wirtschaftlich lohnt? Oder richtet sich die Graphic Novel vor allem an richtige Ferrante-Fans? Ich habe sie gerne durchgeblättert, gekauft hätte ich sie mir aber nicht.

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