Oksanen erzählt von einer lesbischen Dreiecksbeziehung – von deren himmelhochjauchzenden Beginn bis zum tragischen Ende.
Als die Ich-Erzählerin die charismatische und attraktive Piki kennenlernt, verliebt sie sich Hals über Kopf. Doch erst nach einiger Zeit wird ihr klar, dass Piki Geheimnisse vor ihr hat: Durch eine Angststörung ist sie im Alltag stark eingeschränkt und ist unfähig, einfachste Tätigkeiten auszuführen. Deshalb ist sie abhängig von ihrer Exfreundin Bossa, die Dinge wie Einkaufen und Wäschemachen für sie erledigt. Doch die Erzählerin will diese Intimitäten nicht hinnehmen. Zu Eifersucht und Misstrauen gesellen sich ihre eigenen psychischen und finanziellen Probleme – und es dauert nicht lange, bis sich der schwelende Konflikt zwischen ihnen gewaltsam entlädt.
Oksanens zweiter Roman ist ein scharf beobachtetes Porträt einer toxischen Beziehung in Anlehnung an Robert Aldrichs Film »Was geschah wirklich mit Baby Jane?«
Ungemütlich und schonungslos zeigt die Autorin auf, wie schnell und brutal psychische Krankheiten die darunter Leidenden an den Rand der Gesellschaft katapultieren können.
«Piki war eindeutig die coolste Lesbe der Stadt, als ich als junges Mädchen nach Helsinki kam und in puncto Frauen noch völlig unerfahren war»
Mit einem knisternden Feuerwerk beginnt in den 90ern die Liebesbeziehung ...
«Piki war eindeutig die coolste Lesbe der Stadt, als ich als junges Mädchen nach Helsinki kam und in puncto Frauen noch völlig unerfahren war»
Mit einem knisternden Feuerwerk beginnt in den 90ern die Liebesbeziehung der Ich-Erzählerin und Piki. Piki mit ihrer charismatischen stimme. Diese Beziehung hätte ewig andauern können. Was anfangs gut war, wird getrübt, denn keine der beiden jungen Frauen ist frei von seelischem Ballast. Viele unbeantwortete Fragen später merkt die Ich-Erzählerin, dass Pikis Depression sich sehr von ihrer eigenen unterscheidet. Doch Piki redet nicht über ihre Probleme. Stattdessen kommt Bossa, ihre Ex-Freundin. Sie erledigt die Einkäufe, wäscht Pikis Wäsche. Pikis Wäsche, in der sie gemeinsam geschlafen und sich geliebt haben. Die Ich-Erzählerin kann diese Übernahme der Intimitäten nicht akzeptieren, und wie eine unüberwindbare Hürde steht Bossa mittendrin in ihrer Beziehung. Die ungelösten Konflikte verhindern ein gemeinsames Glück und explodieren in einer Art, an die sich im Nachgang niemand erinnern will.
Sofi Oksanen greift Themen abseits der und doch mitten innerhalb der Gesellschaft auf. Man nehme depressive Hauptcharaktere, eine einfallsreiche Art Geld zu verdienen, rühre eine ungesunde Dreiecksbeziehung ein und es kommt heraus ein Ende, mit dem zumindest ich nicht gerechnet hätte.
Die Story des Buches ist nicht linear erzählt. Manche Lücken füllen sich nur mit Vorstellungskraft auf, was passiert sein könnte. Die Charaktere sind nicht so voll entwickelt, dass man als Leser:in eine Antwort auf alle Handlungen hat. Habe ich bei diesem Buch aber auch nicht vermisst, sondern die Geschichte von Anfang bis Ende genossen.
Mit „Baby Jane“ erscheint dieser Tage der zweite Roman der finnisch-estnischen Autorin Sofi Oksanen, ins Deutsche übersetzt von Angela Plöger. Dieser 2005 erstmals auf Finnisch erschienene Roman enthält ...
Mit „Baby Jane“ erscheint dieser Tage der zweite Roman der finnisch-estnischen Autorin Sofi Oksanen, ins Deutsche übersetzt von Angela Plöger. Dieser 2005 erstmals auf Finnisch erschienene Roman enthält bereits alle Bestandteile späterer Werke der Autorin. Es geht um die toxische Beziehung eines lesbischen Paares, verwebt darin das Leben mit und den sozialen Abstieg aufgrund von psychischen Erkrankungen, wirft einen Blick auf den Broterwerb im Zwielicht der Gesellschaft und verortet das Ganze in der Homosexuellenszene Helsinkis.
Wie auch schon in ihrem aktuellstem Werk „Hundepark“ erfahren wir gleich zu Beginn, in welchem Zeitraum sich die Romanhandlung abspielen wird. So legt die Autorin die Handlung von 1995 bis 2005 an. Die Ich-Erzählerin berichtet uns von ihrem Ankommen in der Gay Szene Helsinkis Mitte der 1990er Jahre. Dort initiiert wird sie durch die burschikose Piki. Eine Beschützerin, die die sehr feminine Erzählerin aufnimmt und mit Haut und Haaren in eine leidenschaftliche, lesbische Beziehung umschließt. Doch das Glück beginnt nach und nach zu bröckeln. Durch einen Zeitsprung nach nur wenigen Seiten des Buches ans Ende des genannten Zeitraums erfahren wir, dass diese Liebesbeziehung nicht gut ausgehen wird.
Oksanen nimmt uns ganz selbstverständlich mit in die lesbische Beziehung der beiden Protagonistinnen, führt uns ein in die Szene Helsinkis, die noch halb in verborgenen Nachtclubs stattfindet und mit den Ausläufern der AIDS-Epidemie zu kämpfen hat. Sie hebt das Tabu um die Beschreibung lesbischer Sexualität auf und beschreibt intensiv die erste, leidenschaftlich-sexuelle Phase der Liebesbeziehung. Und genauso ungeschönt bewegen sich die Frauen auf eine Katastrophe zu und wir erkennen nach und nach die toxischen Anteile der Beziehung. Denn die Ich-Erzählerin, selbst an Depressionen erkrankt, erfährt nicht nur immer mehr über die stark einschränkenden psychischen Erkrankungen ihrer Geliebten und verstrickt sich in (CAbhängigkeiten zu ihr, sondern findet sie auch heraus, dass eine längst verflossene Ex-Freundin Pikis, Bossa, ebenso in einer Abhängigkeit zu Piki steht und sie durch Aufrechterhaltung wiederum einer Abhängigkeit von Piki zu ihr ein gefährliches Beziehungsgeflecht heraufbeschwört. Immer stärker gewinnt die Phrase „Leidenschaft, die Leiden schafft“ hier an Bedeutung und lässt bei den Leser:innen schlimme Vorahnungen aufkommen. Es ist dabei hervorzuheben, dass die Autorin nicht einem Narrativ folgt, indem nur eine Person in der Beziehung zu deren Untergang beiträgt, sondern alle Beteiligten Fehler machen. So sagt die Erzählerin über sich selbst an einer Stelle, die habe „von den falschen Taten die allerfalschesten“ begangen. Das Aufschlüsseln dieser Beziehungsdynamiken und der entsprechenden Mechanismen gelingt der Autorin einfach ganz hervorragend.
Besonders eindrücklich schafft es Oksanen - mal wieder - sehr gut recherchierte, gesellschaftliche Themen in den Romanplot einfließen zu lassen, ohne dass es belehrend wirkt. So erfahren die Lesenden sehr viel über psychische Erkrankungen, deren Behandlung und der, wenn nicht genügend finanzielle Ressourcen vorhanden sind, soziale Abstieg, der damit in Verbindung stehen kann. Somit verbindet sie nicht nur den Themenbereich „class“ mit psychischer Gesundheit sondern auch sexueller Orientierung. So müssen sich die Protagonistinnen einen Broterwerb (rund um sexuelle Fetische) im Zwielicht der Gesellschaft suchen, ein Themenkomplex, der immer wieder in den Werken Oksanens eine Rolle spielt. So packt sie nicht einfach nur aktuelle Problemthemen in einen Roman und erwähnt diese Probleme nur am Rande, um sie in den Ring zu werfen und en vogue zu sein. Nein, sie verhandelt ausgesuchte Bereiche, die wie oben bereits erwähnt, sehr ausführlich und gut recherchiert sind. So ist dieser Roman nicht nur erzählerisch interessant sondern auf jeden Fall ebenso intellektuell anregend.
Sprachlich geht die Autorin gewohnt schonungslos und rasant vor. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und das muss man mögen. Ich mag ihre Sprache, in der tollen Übersetzung von Angela Plöger, ebenso sehr, wie den Aufbau des Romans mit seinem zu Beginn angedeutetem Unheil, welches aber en detail erst ganz zum Schluss zutage gefördert wird und überrascht. So avanciert der Roman zu einem echten Pageturner mit Niveau. Ich wurde in die Geschichte dieser Frauen, die nicht mit aber auch nicht ohne einander sein können, hineingezogen und habe entsprechend das Buch kaum weglegen können. Wegen mir hätte der Roman gern den Umfang von „Hundepark“ haben können. So bleibt es aber ein kleiner, rasant erzählter Roman, der mich trotzdem vollkommen überzeugt hat vom schriftstellerischen Können der Autorin.
Wer also den Sprung in eine ungemütliche, schonungslose und gleichzeitig literarisch ansprechende Geschichte wagen möchte, dem empfehle ich diesen Roman aus dem Frühwerk von Sofi Oksanen sehr. Ein kleines Highlight in diesem noch jungen Jahr 2023.
Titel: Baby Jane
Autor: Sofi Oksanen /@sofioksanen
Genre: Roman /Gesellschaftsliteratur
Verlag: Kiwi Verlag /@kiwi_verlag
Seiten: 224
🎭 Inhalt:
Helsinki 1995 - 2002
Eine junge Frau taucht ...
[Rezension]
Titel: Baby Jane
Autor: Sofi Oksanen /@sofioksanen
Genre: Roman /Gesellschaftsliteratur
Verlag: Kiwi Verlag /@kiwi_verlag
Seiten: 224
🎭 Inhalt:
Helsinki 1995 - 2002
Eine junge Frau taucht in die Homoszene der Stadt ein.
Als sie die zehn Jahre ältere Piki kennenlernt entwickelt sich zwischen den beiden eine intensive, sehr leidenschaftliche Beziehung.
Doch nach und nach wird deutlich das Piki sehr tiefgreifende Probleme hat die sie nur ungern preis gibt...
🎭 Eigene Meinung:
Dramatisch, Intensiv, ehrlich, direkt und mit einem sehr lebendigen Einfühlungsvermögen, so würde ich den Schreib-und Erzählstil von Sofi Oksanen beschreiben.
In ihrem neusten Buch behandelt Sofi O. das umfangreiche Thema der Depressionen und anderer psychischer Erkrankungen.
Ohne zu beschönigen, fast schon energisch mit dem Finger drauf zeigend, beschreibt die Autorin die toxische Verhaltensmuster die sich zwischen ihren drei Protagonistinnen nach und nach aufbauen und in einer dramatische Abwärtsspirale münden.
Alle drei Frauen im Roman, haben ihr eigenes psychisches Leiden, worurch sie eine ganz eigene Rolle in ihrer Dreiecksbeziehung einnehmen.
Das Leiden des Einen nährt das Leiden des Anderen und man ahnt sehr schnell das es nicht gut Enden kann...
Und obwohl ein dramatischer Schluss absehbar erscheint, ist der Spannungsbogen des Buches zum zerreißen gespannt, vom ersten Wort bis zur letzten Zeile.
Im Anhang des Buches habe ich allerdings etwas wie eine Adressliste zb. mit Internetseite zum Thema
"Depressionshilfe-/Aufklärung für Betroffene und Angehörige" vermisst.
Dieses Buch ist ein Spiel mit dem Feuer, denn es ist eine Geschichte dreier lesbischer Frauen, die alle miteinander verbunden sind. Da ist zunächst die Ich-Erzählerin, die sich in „coolste Lesbe der Stadt“ ...
Dieses Buch ist ein Spiel mit dem Feuer, denn es ist eine Geschichte dreier lesbischer Frauen, die alle miteinander verbunden sind. Da ist zunächst die Ich-Erzählerin, die sich in „coolste Lesbe der Stadt“ Piki verliebt. Piki ist leider durch ihre Angststörung im alltäglichen so eingeschränkt, dass sie weiterhin auf die Hilfe ihrer Ex angewiesen ist: Bossa. Die hat immer noch einen Schlüssel, wäscht die Wäsche und geht für Piki einkaufen. Ein Drama ist unausweichlich, dass sich hier in Helsinki der Jahre 1995 bis 2002 abspielt.
Sofi Oksanen, die finnische Autorin, die in Skandinavien schon etliche Preise eingeheimst hat, hat mit dem im Original bereits 2005 erschienen Roman `Baby Jane` nun auch in Deutschland eines ihrer frühen Romane veröffentlich. Wer die Folgeromane kennt, sollte das wissen, den dieser hier ist weniger komplex und ihre nun schon gereifte kühle Prosa ist im Ansatz erst erkennbar.
Knapp 200 Seiten umfasst der Roman und es bleibt alles recht vage und wird wenig ausgeführtDer Roamn hinterlässt aus meiner Sicht massive Lücken für die Leserschaft, die es sich gelohnt hätte zu schließen. Aber trotzdem gut geschrieben und die Fragilität durch psychologischen Instabilitäten wird eindrücklich gezeichnet auch mit einigen amüsanten Stellen.
Super aus dem Finnischen übertragen ins Deutsche von Angela Plöger. Vor allem gibt es am Ende des Romans ein Glossar der Übersetzerin, das hilft bestimmte Einrichtungen und Begriffe im Kontext besser zu verstehen.