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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.09.2023

Elena Fischers Debüt war für mich ein bittersüßes Lesevergnügen

Paradise Garden
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Die 14-jährige Billie und ihre Mutter Marika leben in einer Hochhaussiedlung. Viel Geld haben sie nicht. Am Anfang des Monats gibt es manchmal einen Paradise Garden in der hiesigen Eisdiele, am Ende des ...

Die 14-jährige Billie und ihre Mutter Marika leben in einer Hochhaussiedlung. Viel Geld haben sie nicht. Am Anfang des Monats gibt es manchmal einen Paradise Garden in der hiesigen Eisdiele, am Ende des Monats Nudeln mit Ketchup. Doch Marika schafft es auch mit wenig Geld, das Leben der beiden bedeutungsvoll zu gestalten, nicht zuletzt, weil das Mutter-Tochter-Duo einige herzliche Nachbarn haben. Die einträchtige Zweisamkeit wird unterbrochen, als die kranke Großmutter aus Ungarn anreist, mit der Marika kein gutes Verhältnis hat und die Billie noch nie getroffen hat.
Marika, die mit Billie nie über ihren Vater und wenig über die eigene Vergangenheit in Ungarn geredet hat, gerät mit der unerwünschten Großmutter in einen Zwist, der Billies Leben komplett auf den Kopf stellt. Es drängt Billie nach Antworten, und kurzerhand macht sie sich in dem kaputten Nissan auf den Weg nach Norddeutschland, wo sie die Spuren ihrer Herkunft hinzuführen scheinen.

Elena Fischers Debüt war für mich ein bittersüßes Lesevergnügen. Die erste Hälfte des Buches ist geprägt von dieser innigen Mutter-Tochter-Beziehung, die zweite Hälfte ist geprägt durch Billies schmerzliche Suche nach ihren Wurzeln und Antworten auf Fragen, die ihr nie beantwortet wurden. Ein kleines Beispiel, wie sehr mich dieses Buch beeinflusst hat: Auf der Arbeit ging ich gut gelaunt in die Mittagspause und kam wieder mit einem negativen Gefühl zwischen den Rippen. Es dauerte einige Momente, bis ich gewahr wurde, dass Billies Schmerz kurzzeitig zu meinem geworden ist und ein Teil ihrer Traurigkeit auf meine Stimmung übergegangen war. Wenn Literatur sowas schafft, kann sie nur gut sein! Lest dieses Debüt!

Veröffentlicht am 11.09.2023

Warme und humorvolle Erzählweise über einen Außenseiter

Peanuts und andere Katastrophen
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Ein Streich seiner Mitschüler kostet den 12-jährigen Ambrosius fast das Leben. Drei Jungs schmuggeln dem Allergiker eine Ernuss ins Pausenbrot. Ab sofort heißt es: Homeschooling. Für Ambrosius war es nicht ...

Ein Streich seiner Mitschüler kostet den 12-jährigen Ambrosius fast das Leben. Drei Jungs schmuggeln dem Allergiker eine Ernuss ins Pausenbrot. Ab sofort heißt es: Homeschooling. Für Ambrosius war es nicht die erste Schikane seiner Mitschüler. Er möchte aber seine überfürsorgliche Mutter nicht beunruhigen und stellt alles viel positiver dar, so dass seine Mutter denkt, er hätte gute Freunde. Die Wahrheit ist aber, dass Ambrosius gar keine Freunde hat und eine seiner liebsten Beschäftigungen eine Runde Scrabble am Küchentisch gegen seine Mom ist.
Als Cosmo, der Sohn der Nachbarn aus dem Gefängnis entlassen wird, ergreift Ambrosius die Chance und bekommt ihn dazu, Ambrosius ins Gemeindezentrum zu einem Scrabble-Club zu fahren, an dem er so gerne teilnehmen würde. Cosmo, der für Brettspiele so gar nichts übrig hat, hat sicher nicht damit gerechnet, dass es beim Scrabble-Club etwas gibt, das sein Interesse auf eine ganz besondere Weise erweckt. Nur darf von den allwöchentlichen Ausflügen Ambrosius Mutter nichts erfahren. Aber natürlich lässt die alles auffliegen lassende Katastrophe nicht lange auf sich warten...

Susin Nielsen hat mich ursprünglich mit "Adresse Unbekannt" über einen Jungen, der mit seiner Mutter zusammen obdachlos in einem VW Bulli wohnt begeistert, und so konnte ich natürlich nicht anders als mir alle ihre anderen Bücher ebenfalls sofort zu besorgen, nachdem ich von deren Existenz hörte. "Peanuts und andere Katastrophen" wartet mit derselben warmen und oft humorvollen Erzählweise über einen Außenseiter beim Knüpfen herzlicher Freundschaften auf. Und auch in diesem Buch weicht sie sich nicht davor zurück, schwierige Themen in die Geschichte einzubauen. Klar freue ich mich schon auf die nächsten Bücher auf meinem Stapel von ihr!

Veröffentlicht am 11.09.2023

Nach dem Femizid

Warum wir noch hier sind
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Wie lebt man weiter mit dem Verlust eines Menschen, der grausam aus dem Leben gerissen wurde? Mit 14 war Etty unbestreitbar zu jung, sie hatte noch ein ganzes Leben in Aussicht. "Femizid", ein bisher abstraktes ...

Wie lebt man weiter mit dem Verlust eines Menschen, der grausam aus dem Leben gerissen wurde? Mit 14 war Etty unbestreitbar zu jung, sie hatte noch ein ganzes Leben in Aussicht. "Femizid", ein bisher abstraktes Wort, hält in der Realität der besten Freundin der Ich-Erzählerin schlagartig Einzug.
Wie ein Pendel schwingt die Erzählerin des Buches zwischen der Pflege ihrer älter werdenden Großmutter und der Fürsorge ihrer Freundin Heide hin und her. Beides zerrt an Nerven und Kraftreserven, und doch kann kein Schmerz schlimmer wiegen als jener der Mutter, die darauf wartet, ihr Kind beerdigen zu dürfen. In der Trauer steht für die Freundinnen die Zeit gewissermaßen still, während die Welt sich zwanghaft weiterdreht.

Etty ist die inhaltsfüllende Leerstelle dieser Geschichte, ihre Präsenz liegt in der Abwesenheit. Marlen Pelny hat ein kraftvolles Buch geschrieben, über dessen Inhalt nicht viel gesagt werden darf. Man muss diese Geschichte selbst lesen, denn nur dann erlebt man wie die Gefühle der Beteiligten in diesem Buch auf einen selbst übergehen und einen Kloß im Hals verursachen. Lest dieses Buch!

Veröffentlicht am 03.09.2023

Lesbische Dreiecksbeziehung mit Depressionen und anderen Hürden

Baby Jane
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«Piki war eindeutig die coolste Lesbe der Stadt, als ich als junges Mädchen nach Helsinki kam und in puncto Frauen noch völlig unerfahren war»
Mit einem knisternden Feuerwerk beginnt in den 90ern die Liebesbeziehung ...

«Piki war eindeutig die coolste Lesbe der Stadt, als ich als junges Mädchen nach Helsinki kam und in puncto Frauen noch völlig unerfahren war»
Mit einem knisternden Feuerwerk beginnt in den 90ern die Liebesbeziehung der Ich-Erzählerin und Piki. Piki mit ihrer charismatischen stimme. Diese Beziehung hätte ewig andauern können. Was anfangs gut war, wird getrübt, denn keine der beiden jungen Frauen ist frei von seelischem Ballast. Viele unbeantwortete Fragen später merkt die Ich-Erzählerin, dass Pikis Depression sich sehr von ihrer eigenen unterscheidet. Doch Piki redet nicht über ihre Probleme. Stattdessen kommt Bossa, ihre Ex-Freundin. Sie erledigt die Einkäufe, wäscht Pikis Wäsche. Pikis Wäsche, in der sie gemeinsam geschlafen und sich geliebt haben. Die Ich-Erzählerin kann diese Übernahme der Intimitäten nicht akzeptieren, und wie eine unüberwindbare Hürde steht Bossa mittendrin in ihrer Beziehung. Die ungelösten Konflikte verhindern ein gemeinsames Glück und explodieren in einer Art, an die sich im Nachgang niemand erinnern will.

Sofi Oksanen greift Themen abseits der und doch mitten innerhalb der Gesellschaft auf. Man nehme depressive Hauptcharaktere, eine einfallsreiche Art Geld zu verdienen, rühre eine ungesunde Dreiecksbeziehung ein und es kommt heraus ein Ende, mit dem zumindest ich nicht gerechnet hätte.
Die Story des Buches ist nicht linear erzählt. Manche Lücken füllen sich nur mit Vorstellungskraft auf, was passiert sein könnte. Die Charaktere sind nicht so voll entwickelt, dass man als Leser:in eine Antwort auf alle Handlungen hat. Habe ich bei diesem Buch aber auch nicht vermisst, sondern die Geschichte von Anfang bis Ende genossen.

Veröffentlicht am 03.09.2023

Eine super Abenteuergeschichte zum Lachen und Schmunzeln!

Zehn Wünsche, sieben Abenteuer und eine sprechende Katze
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Als Ed und Roo von ihren Eltern für eine Ferienwoche zur Betreuung der betagten Nachbarin übergeben werden, ahnen sie schon beim Eintreten in das alte Haus, dass es eine der langweiligsten Wochen ihres ...

Als Ed und Roo von ihren Eltern für eine Ferienwoche zur Betreuung der betagten Nachbarin übergeben werden, ahnen sie schon beim Eintreten in das alte Haus, dass es eine der langweiligsten Wochen ihres Lebens sein wird. Miss Filey hält W-Lan für eine Kekssorte und hat außer ein paar verstaubten Brettspielen und Puzzles nicht viel zu bieten, das die Langeweile vertreibt. Erst mit Auftauchen des echt schrägen Nachbarsjungen Willard kommt ein wenig Abwechslung in die antiquierte Bude. Die drei Kinder finden in einer Schublade Geburtstagskerzen. Beim Anzünden stellen sie fest, dass sie magische Kräfte haben und offenbar Wünsche erfüllen können. Schlagartig wird die langweiligste Ferienwoche zum großartigsten Erlebnis, als sich die drei Kinder zusammen mit dem plötzlich sprechenden und sehr mürrischen Kater von Miss Filey in einem nicht enden wollenden Abenteuer wiederfinden.

Wer eine witzige Abenteuergeschichte für Kinder sucht, ist mit diesem Buch bestens beraten! Besonders der lustige Willard und der zynische Kater Attlee 🐈‍⬛ haben es mir angetan und immer wieder für Lacher gesorgt! Ed und Roo sind ein besonderes Geschwisterpaar, denn Ed sitzt im Rollstuhl, und die jüngere Roo hat immer ein Gespür dafür, das Gesicht ihres Bruders zu wahren, so dass er manche unangenehme Dinge nicht selbst aussprechen muss. Eds Einschränkung wird nicht aufdringlich oft erwähnt, sondern läuft in der Geschichte als genau so ein Begleiter mit wie die anderen Beteiligten, was auf mich die Wirkung hatte, dass ich auf den Seiten immer mal wieder selbst darüber nachgedacht habe, wie er die Situation jetzt gerade wohl meistert. Ich mochte es, was das Buch in der Hinsicht für ein Bewusstsein beim Lesen bei mir geschaffen hat.
Ich kann diese warmherzige, abenteuerliche Freundschaftsgeschichte einfach allen ans Herz legen, sie liest sich total schön!