Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen (Arthur Schopenhauer)
Um die familieneigene Molkerei weiterhin am Laufen zu halten, geht Lina eine Zweckehe mit Thees ein. Als Frau ist es ihr nicht gestattet, die Geschicke des Betriebes zu lenken, aber auch Thees hat nicht ...
Um die familieneigene Molkerei weiterhin am Laufen zu halten, geht Lina eine Zweckehe mit Thees ein. Als Frau ist es ihr nicht gestattet, die Geschicke des Betriebes zu lenken, aber auch Thees hat nicht unbedingt das glückliche Händchen, wenn es ums Geschäft geht. Als Derk Voigt als neuer Obermeier eingestellt wird, weht ein frischer Wind an der Nordseeküste, denn er bringt Ideen aus Dresden mit, die sich dort bereits etabliert haben. Je länger Derk auf dem Hof ist, desto mehr fühlt sich Lina zu ihm hingezogen. Aber es kann nicht sein, was nicht sein darf und Lina wird vom Schicksal immer wieder heimgesucht....
Regine Kölpin erzählt in ihren Büchern historische Geschichten über starke Frauen, die ihren Weg gehen und somit ihrer Zeit weit voraus sind. In "Der Milchhof" krempelt Lina das Frauenbild Ausgangs des 19. Jahrhunderts ordentlich um und nimmt die Leser:innen mit auf ihren Milchhof. Kölpin hat wieder wunderbar recherchiert, um nicht nur die örtlichen Gegebenheiten so genau wie möglich zu beschrieben, sondern auch zeitliches und weltliches Geschehen sowie den technischen Fortschritt sehr authentisch in die Handlung einzubinden.
Ihr Schreibstil ist wie immer flüssig zu lesen, bietet abwechslungsreiche Charaktere , die von liebreizend und warmherzig bis hin zu eiskalt, abschätzig und berechnend reichen und mit ihren Wesenszügen für ordentlich Aufruhr sorgen. Gerade die weniger sympathischen Figuren Talke und Thees zeigen hier ungeschönt ihre wahres Gesicht und es gelingt Kölpin, die Antipathie und Abneigung für diese beiden Personen immer wieder anzustacheln und Ö ins Feuer zu gießen.
Derk ist mir fast ein wenig zu weichgespült, denn er kann/will sich nicht wirklich durchsetzen, gibt zu oft klein bei und lässt sich von der Frauenwelt, die sich gar zu bereitwillig in seine Arme sinken lässt, auf der Nase herumtanzen. Lina hingegen wirkt dagegen fast übermächtig, steht immer einmal mehr auf, als sie gefallen ist und steckt alle Schicksalsschläge weg, nur um die Molkerie zu retten.
Die Schreibende lässt das Schicksal immer wieder hart zuschlagen und spinnt eine Intrige nach der anderen, sodass sich bereits im ersten Band ihrer Trilogie über den Zeitraum von 1890 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges unglaublich viele Dinge ereignen. Manchmal überschlagen sich geradezu die Dinge und dadurch wirkt das Buch ein wenig überfrachtet. Weniger ist manchmal mehr und ich hätte gut und gerne auf ein paar Lügen, hinterfotzig geplante Gemeinheiten und falsche Fuffziger verzichten können.
Der Start in die neue Trilogie ist somit ein wenig verhalten, aber trotzdem bin ich neugierig, wie es auf dem Milchhof weitergehen wird.