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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.09.2023

Die Liste

Kleine Probleme
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Es ist der letzte Tag des Jahres, und der Ich-Erzähler will noch einiges schaffen. Also macht er eine Liste mit Tätigkeiten, die bis Mitternacht erledigt sein sollen. „Die meisten meiner guten Taten muss ...

Es ist der letzte Tag des Jahres, und der Ich-Erzähler will noch einiges schaffen. Also macht er eine Liste mit Tätigkeiten, die bis Mitternacht erledigt sein sollen. „Die meisten meiner guten Taten muss ich noch vollbringen, ich muss noch schnell mein Potenzial ausschöpfen, ich muss noch dieses was in aus dem wird mal was werden, ich muss so vieles noch erledigen, Dringendes, Unangenehmes, eigentlich Schönes, ein paar Lappalien, sehr viel Entscheidendes, diesen ganzen Kram, dieses ganze Alles, dieses einzige Leben.“
Jedes Kapitel ist einer von dreizehn Aufgaben gewidmet; vom Putzen des Hauses bis zum Vollbringen des Lebenswerks erleben wir einen abwechslungsreichen 31. Dezember. Und schnell wird klar, warum dem Protagonisten dafür so wenig Zeit zur Verfügung steht. Er ist ein Meister der Prokrastination und will es nun allen beweisen.
Aus seiner Perspektive lässt er uns an seinen Kämpfen teilhaben und mitfühlen. Die Erfahrungen reichen von schmerzhaft über philosophisch bis hin zu saukomisch. Anhand obiger Kostprobe wird deutlich, wie spielerisch die Autorin mit Sprache umgeht, wie sie kleine Nuancen zu einer Sache in einem Satz unterbringt. Wer hätte gedacht, dass das Ausräumen der Spülmaschine für eine Romanfigur und einen Schriftsteller solch eine Rolle spielen könnten? „Kleine Probleme“ war für mich ein unterhaltsamer Lesegenuss.

Veröffentlicht am 25.08.2023

Unkonventioneller Gartenratgeber

Werden Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?
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“Werden Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?” - Hinter dem nach einem Scherz anmutenden Titel verbirgt sich ein ernst gemeinter Ratgeber zum Thema ...

“Werden Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?” - Hinter dem nach einem Scherz anmutenden Titel verbirgt sich ein ernst gemeinter Ratgeber zum Thema Eigenanbau. Ungewöhnlich ist das Buch dadurch, dass jeweils einzelne Fragen auf ein bis zwei Seiten beantwortet werden. Diese sind in fünf Kategorien unterteilt (Was baue ich an?, Wo baue ich an?, Erlebnis Eigenanbau, Wer knabbert an meinen Pflanzen?, Ernten und Verarbeiten) und können durchaus ausgefallen sein. Neben dem Anbauplan für das Weihnachtsessen gibt es Rezepte oder Bauanleitungen.
An einigen Stellen bleibt das aber doch etwas oberflächlich. Wenn ich Topfnachbarschaften plane, würde ich mich beispielsweise damit beschäftigen, welche Pflanzen gut miteinander auskommen. “Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass Pflanzen Partnerschaften eingehen, um sich gegenseitig zu unterstützen.” Für die konkreten Details muss ich zusätzliche Quellen heranziehen.
Die “außergewöhnlichen Gartenfragen” sind jedoch der Clou. Mir gefallen das originelle Konzept, die Vielseitigkeit der Themen und die hochwertige Verarbeitung des Buchs. Ich empfinde es als gelungene Ergänzung zu konventionellen Gartenratgebern.

Veröffentlicht am 06.08.2023

Freibad-Verführung

Seemann vom Siebener
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Es ist Sommer, das Freibad hat geöffnet. Wir befinden uns in einem kleinen Ort in Schwaben. Man kennt sich und die Geschichten von früher, auch jene von einem Unfall, der an diesem Ort passiert ist.
Die ...

Es ist Sommer, das Freibad hat geöffnet. Wir befinden uns in einem kleinen Ort in Schwaben. Man kennt sich und die Geschichten von früher, auch jene von einem Unfall, der an diesem Ort passiert ist.
Die Perspektive wechselt zwischen verschiedenen Figuren, Badangestellten und Badegästen. Allen voran sei Kiontke zu erwähnen, der Bademeister, der seine Gerätschaften als „Rüsselding“ bezeichnet oder beim Notieren der Wassertemperatur, in Erwartung eines sonnigen Tages, schon mal aufrundet. Auch lassen Formulierungen, wie „Er vertritt die vor Renate sorgsam gehütete Privatmeinung“, durchblicken, wie der Chef der Badeanstalt drauf ist.
Es reihen sich im Laufe des Buchs kleine Episoden aneinander, die erlauben, die unterschiedlichen Charaktere kennenzulernen. Da ploppen nach einem Tagtraum die Bestandteile der Umgebung wieder auf, da werden Spannerlöcher in den Umkleiden entdeckt, da erzählt der Budeninhaber Witze, da bereitet sich eine Kindergruppe aufs „Seepferdle“ vor, und eine Person übt den Seemann, einen Kopfsprung mit den Armen hinter dem Rücken.
Ich habe das Hörbuch als eine gelungene Mischung aus Feinfühligkeit und Humor empfunden. Der Sprecher tat sein Übriges, um die Figuren authentisch darzustellen, beispielsweise indem er, dem Wesen einer Figur entsprechend, Worte fremdsprachigen Ursprungs deutsch aussprach oder gar schwäbelte. Das Ende offenbart einen tieferen Sinn, und schon der Weg dorthin war ein Genuss.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Persönliche Ratschläge

70 Aha-Momente zum Glücklichsein
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Anlässlich ihres 70. Geburtstags teilt Journalistin und Coach Sabine Asgodom eine Weisheit pro Lebensjahr mit uns. Basierend auf ihren eigenen Erlebnissen gibt sie uns Ratschläge, wie wir selbst ähnliche ...

Anlässlich ihres 70. Geburtstags teilt Journalistin und Coach Sabine Asgodom eine Weisheit pro Lebensjahr mit uns. Basierend auf ihren eigenen Erlebnissen gibt sie uns Ratschläge, wie wir selbst ähnliche Situationen reflektieren und verarbeiten können.
Die drei bis fünf Seiten langen Kapitel werden in sieben Kategorien eingeteilt (Vertrauen & Selbstbestimmung, Fehler & Fettnäpfchen, Wertschätzung & Lebensfreude, Glück & Unglück, Wandel & Veränderung, Ballast & Überfluss sowie Pläne, Wunder & Zufälle) und sind unterhaltsame Gedankenanstöße für zwischendurch.
Ich empfinde großen Respekt für die Autorin, die ihre unangenehmen Momente ganz offen und selbstkritisch mit ihrem Publikum teilt. „Wie du schon weißt - ich bin vom Sternzeichen her Klugscheißer, Aszendent Besserwisser. Ich habe aber meine Lektion gelernt: Erst mal Klappe halten. Dann nachfragen, verstehen wollen, abwägen.“
Der Schreibstil ist nicht etwa belehrend, sondern locker und humorvoll. Das Buch ist eine Einladung, von den Erfahrungen einer erfolgreichen Frau zu lernen, auf die ich mich mit Freude eingelassen habe.

Veröffentlicht am 28.07.2023

Frieden finden

Hotel Silence
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Ein Mann beschließt zu sterben. Doch konventionelle Methoden sind schnell verworfen, möchte er doch keiner ihm nahestehenden Person den Leichenfund zumuten. Also begibt er sich an einen Ort, an dem ein ...

Ein Mann beschließt zu sterben. Doch konventionelle Methoden sind schnell verworfen, möchte er doch keiner ihm nahestehenden Person den Leichenfund zumuten. Also begibt er sich an einen Ort, an dem ein Krieg Land und Leute erschüttert hat. Die erwartete Anonymität ist ein Trugschluss, schließlich hat Jonas sein Werkzeug dabei und kann helfen.
Die ungewöhnliche Handlung lässt sich herunterbrechen auf menschliche Gefühle und Beziehungen. Beide Seiten, der Fremde und die Bewohner des nicht eindeutig benannten Landes, zeigen sich verletzlich und nahbar. „Die meisten Narben auf der Haut sind flach und blass und zeigen nur noch einen Bruchteil der Verletzung, die zu ihrer Entstehung führte.“ Die Umstände entfalten gleichzeitig das Potenzial für feinen Humor (welches Tier kommt wohl im Restaurant auf den Tisch) und für Hoffnung (wie die Veränderung in Kinderbildern als Traumaverarbeitung).
Es werden Details eingeflochten, wie Tagebuchseiten, die der Protagonist selbst wiederentdeckt, die eine Nähe zur Figur aufbauen und dennoch das Unverständnis für den Todeswunsch schüren. Auch wenn einiges unausgesprochen bleibt, entspinnt sich eine gleichermaßen eigentümliche wie eindringliche Geschichte. Sprachlich gelingt ganz wunderbar der Balanceakt zwischen Schwere und Leichtigkeit. Ich habe mich gut im Geschehen eingefunden und die Lektüre sehr genossen.