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Veröffentlicht am 19.09.2023

Guter zweiter Streich von Stehn

Nur eine Lüge – Zwei Familien, eine tödliche Verbindung
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Von Malin Stehn hatte ich über die Feiertage zwischen Weihnachten und Neujahr passenderweise „Happy New Year“ gelesen, was mich wirklich gut unterhalten hatte und nun kommt mit „Nur eine Lüge“ schon das ...

Von Malin Stehn hatte ich über die Feiertage zwischen Weihnachten und Neujahr passenderweise „Happy New Year“ gelesen, was mich wirklich gut unterhalten hatte und nun kommt mit „Nur eine Lüge“ schon das zweite Buche, was nach einem recht ähnlichen Prinzip funktioniert. Wir wissen, dass am Ende etwas Schlimmes passiert und wir haben mehrere Perspektiven, um uns nach und nach der Wahrheit zu nähern.

Während ich das erste Buch von der Autorin selbst gelesen habe, war „Nur eine Lüge“ als Hörbuch vorliegend und ich muss wirklich sagen, dass es bei so multiperspektivischen Erzählungen wirklich ein besonderes Geschenk ist, zumal eben für alle vier Perspektiven auch eine eigene Stimme gewonnen wurde, so dass ich alleine schon mit der Stimme jeweils perfekt in die Figur einfinden konnte. Natürlich macht es das Buch nicht weniger gut, aber so zu lauschen und wirklich verschiedene Stimmen im Ohr zu haben, das ist nochmal ein besonderes Highlight. Ich habe mich auch wirklich gut durch die Geschichte leiten lassen, weil die Erzählung gut aufgebaut ist. Sie wird über zwei Zeitebenen hinweg erzählt. Wir haben verschiedene Ereignisse in der Vergangenheit sowie den Hochzeitstag, der einiges noch einmal auf den Kopf stellt. Das Gute ist auch, dass auf beiden Ebenen immer wieder so kleine Hinweise gestreut werden, die eine kleine Wendung darstellen, so dass die bislang getätigten Gedanken sich wieder auflösen und man wieder anders denken muss. Deswegen finde ich auch nicht, dass „Nur eine Lüge“ einen Hänger oder Ähnliches aufweist.

Ich habe zwar zwischendurch mal kritisch darüber nachgedacht, ob es wirklich so clever war, die Perspektiven nur auf Familie Brandt zu verteilen, denn irgendwo ist es doch auch die Geschichte der Nihlzéns. Dennoch hatte es natürlich auch etwas Spezielles, eben diese eine Familie zu haben und dann aus vier Perspektiven sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart einen Blick zu bekommen, der viele Dissonanzen offenlegt. Denn das bleibt in Stehns Stilistik sehr klar erhalten. Natürlich haben wir Fragen zu beantwortet, die aus einem klassischen Kriminalroman entstammen könnten, aber vor allem ist es eben eine Charakterstudie, die am Ende auch so offen gestaltet ist, dass man sich aufgrund der angehäuften Informationen über die Figuren ausgiebig Gedanken machen kann, wie es wohl weitergeht. Es bleibt zwar offen, aber weil man sie kennengelernt hat, bleiben dann doch nur wenige Optionen übrig und das ist eben faszinierend, wie intensiv Stehn da Charaktersierungen schaffen kann.

Dennoch waren die Perspektiven für mich nicht immer gleichwertig. Manchmal hätte ich mir eine andere Gewichtung gewünscht, manches Mal schienen gewisse Kapitel das Geschehen nicht vorwärts zu bringen, aber gerade im Nachhinein denke ich doch, dass alles seinen Sinn hatte. Manches vom Anfang konnte man erst am Ende wieder gebrauchen, um sich da etwas zu erklären. Deswegen muss man klar sagen, dass Stehn es schafft, mit ihren Büchern wirklich komplexe Zusammenhänge zu erzeugen, die einfach zu unterhalten wissen. Mir wurde auf jeden Fall zu keinem Zeitpunkt langweilig.

Fazit: „Nur eine Lüge“ ist ein zweites wirklich empfehlenswertes Buch von Malin Stehn und speziell als Hörbuch mit vier verschiedenen Stimmen gab es nochmal einen Extrakick. Die Figurenstudien sowie die erzeugte Spannung sitzen und kleinere Fragezeichen zwischendurch bleiben eben genau das: klein.

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Veröffentlicht am 05.09.2023

Genau meine Welt

Infinity Falling - Mess Me Up
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Von Sarah Sprinz hat mir die letzte Reihe an der Danbridge Academy nicht so ideal wie die Reihe davor gefallen, weil ich schnell den Eindruck gewonnen hatte, dass die Autorin einen Stil für ihre Figuren ...

Von Sarah Sprinz hat mir die letzte Reihe an der Danbridge Academy nicht so ideal wie die Reihe davor gefallen, weil ich schnell den Eindruck gewonnen hatte, dass die Autorin einen Stil für ihre Figuren hat, der einfach erwachsener ist und damit zu Jugendlichen nicht optimal gepasst hat. Die neue Reihe nun handelt von jungen Erwachsenen, also genau perfekt für den Stil und spielt in der Film- und Serienwelt, wo neben den Büchern mein zweites Zuhause ist. Die Voraussetzungen waren also ideal, dass die neue Reihe wieder genau den Sprinz-Charme für mich entwickelt.

Die geschaffene Welt war wirklich großartig. Man hat gemerkt, dass die Autorin sehr gut recherchiert hat. Da ich beruflich genauer weiß, wie es so bei Produktionen und damit verbundenen Promoauftritten läuft, kann ich wirklich nur festhalten, dass ich alles zwischen den Seiten wiedergefunden habe. Ich finde es auch genau richtig, dass Sprinz eben keine rosarote Welt dazu erschafft, sondern tatsächlich lieber die reale Version, die die Schattenseiten dieses öffentlichen Lebens sehr gut abbildet. Mir haben wirklich viele Details gefallen, wie die Darstellung, warum manche gecastet werden, die Dreharbeiten selbst, das Intimitätscoaching am Set und auch die Veranstaltungen drum herum. Ich fand nichts überzeichnet, somit hat die Autorin angemessen mit der Dramatik gearbeitet, so dass ich eine sehr natürliche Erzählung bekommen habe, bei der ich jetzt schon gespannt bin, wie sie mit den weiteren zwei Bänden fortgesetzt wird.

Nächster Bonus: die ganzen Verbindungen zur „What If“-Reihe. Mit der fing alles an und mit der hat mich die Autorin eingefangen, weswegen es überhaupt nicht wundert, dass mein Herz aufgegangen ist, die lieben Figuren wiederzusehen. Und tatsächlich habe ich auch erst mit diesem Buch begriffen, dass der Cole aus dem angekündigten dritten Band der ist, den ich bereits kenne. Was für eine Idee! Vor allem finde ich diese Verbindungen so passend, weil es eben in der Film- und Serienwelt immer mehr verschachtelte Welten gibt, sogenannte Spin-Offs und die Autorin überträgt das perfekt, indem sie die Welten zweier Reihen von sich miteinander verbindet, aber ohne dass es erzwungen wirkt. Sehr gut!

Kommen wir wieder zurück zum eigentlichen Buch und da muss es jetzt natürlich noch um die Figuren gehen. Ich fand beide wirklich gut gemacht, denn man konnte mit ihnen von Anfang an mitfühlen, denn durch die wechselnden Perspektiven ist man stets in ihrem Innenleben dabei und kann alles nachvollziehen. Die thematischen Inhalte sind natürlich schwer, weswegen es wichtig war, dass die beiden Manager sowie dann eben die Nebenfiguren wie Hope und Scott als Ausgleich da waren, um immer wieder Gemütlichkeit und eine gewisse Zufriedenheit zu erzeugen. Aber Aven und Hayes haben sich natürlich auch gegenseitig viel gegeben, weswegen die Chemie der beiden das A und O war. Grundsätzlich konnte ich mich mehr mit Aven identifizieren, denn ich verstehe den Reiz dieser Welt, kann aber auch gleichzeitig nachvollziehen, dass er privat zu viele Opfer verlangt, weil man sich gefühlt auch nicht mehr selbst gehört. Man hat es deutlich gemerkt, indem sie am Set völlig in ihrem Talent aufgegangen ist, aber dann abseits davon größere Probleme hatte und vor allem nachts von Dämonen heimgesucht wurde. Die Geschichte von Hayes wiederum hat mich mehr mitgenommen, auch wenn mir die entsprechenden Gedanken selbst fremd sind. Zunächst aber Kompliment, das Thema Essstörung mit einem Mann zu behandeln. Sowieso ist generell das Thema erstmal schon ein Risiko, aber die Wahl des Geschlechts ist der Bonus. Ich fand auch die innere Gefühlslage sehr intensiv dargestellt und es hat mich wirklich erschüttert, zumal es eben so konsequent durchgezogen wurde, dass es nicht wie ein Nebenthema wirkte. Richtig stolz hat mich aber gemacht, dass die Autorin keine Wunderheilung dargestellt hat, dass also Hayes mit seinem Problem auch am Ende noch da steht und dass Aven als Gegenstück wirklich gut in vielen Situationen reagiert hat und ihm auch an seinem Tiefpunkt stets mit Liebe begegnet ist. Diese ganze Entwicklung hat mich wirklich tief beeindruckt.

Zum Abschluss habe ich noch einen Punkt, der mir weniger gut gefallen hat, aber zum Glück auch nur wenig Raum eingenommen hat. Die Rückblicke waren in einer merkwürdig unpersönlichen Stilistik geschrieben und haben emotional bei mir für eine Barriere gesorgt. Das fand ich etwas schade, denn im Grunde waren diese Szenen der Anfang von Aven und Hayes und da hätte bei mir mehr ankommen müssen. Nicht optimal waren letztlich auch die vermittelten Hinweise auf den Inhalt des Films. Ich kann mir zwar ungefähr vorstellen, in welche Richtung es geht, aber auch hier wären ein paar Details mehr nicht schlecht gewesen.

Fazit: „Infinity Falling“ ist der Auftakt einer Reihe, der schon jetzt richtig Lust auf mehr macht. Die Stärken von Sarah Sprinz kommen hier wieder optimal zur Geltung, denn sie kann sich bestens in andere Welten einfinden und ausgiebige Recherchen zu einem Thema authentisch fiktional rüberbringen. Setting und Figuren haben mich gleichermaßen mitgenommen und hier will ich unbedingt mehr von lesen.

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Veröffentlicht am 25.08.2023

Große Gefühle in Paris

Heartstopper Volume 3 (deutsche Hardcover-Ausgabe)
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Nachdem ich durch die süße Serie „Heartstopper“ auf Netflix auf Alice Oseman aufmerksam geworden bin, habe ich von ihr bislang nahezu alles gelesen. Nur die Graphic Novels wollte ich nicht schon vorablesen, ...

Nachdem ich durch die süße Serie „Heartstopper“ auf Netflix auf Alice Oseman aufmerksam geworden bin, habe ich von ihr bislang nahezu alles gelesen. Nur die Graphic Novels wollte ich nicht schon vorablesen, da mir die Serie so gut gefallen hat, dass ich mich mehr überraschen lassen wollte. Nun ist Staffel 2 angelaufen, weswegen ich die Volume 3 jetzt gelesen habe.

Während mir bei Volume 1 aufgefallen war, dass Charlie und Nick sehr präsent sind und andere Figuren gar nicht so viel Raum wie in der Serie haben, hat es mir gut gefallen, dass sich Volume 3 mehr aufgeteilt anfühlt. Es ist immer noch in der Hauptsache die Liebesgeschichte von Charlie und Nick, aber immer wieder angereichert durch andere Ereignisse, die ihnen auch selbst eine Erkenntnis verschaffen. Die beiden Jungs sind aber auch wirklich süß und immer wieder muss ich feststellen, wie echt ihre Geschichte wirkt und dass sie so auch bei mir nur durch Bilder unterstützt ankommt. Durch die Serie war ich ja auch schon vorgewarnt, aber ich finde es wirklich toll, dass Oseman so viel Tiefe einbringt und sich auch an komplexere Themen, angelehnt an mentale Gesundheit, heranwagt. Schließlich hat die Serie die Herzen der Fans durch das Süße und Unbeholfene erobert. Dementsprechend war es ein Risiko, besonders Charlie näher zu begutachten und somit auch Triggerwarnungen zu benötigen. Diese sind aber auch in der Stilistik der Graphic Novel sehr gut rübergekommen, wobei mir speziell auch die Recherchen zu den einzelnen Themen, die stichpunktartig zumindest zu lesen sind, gefallen haben. Im Grunde also triggern und anschließendes Helfen in einem. Das ist eine gute Sache, weil sich die Thematik besonders an Jugendliche richtet, die einen sensiblen Umgang hierzu brauchen.

Ich habe die Volume 3 aber auch so gerne gelesen, weil sie der Serie wirklich sehr ähnlich ist. Genau deswegen ist mir aber auch wieder aufgefallen, dass die Serie zuerst schauen eine clevere Wahl ist, weil ich so bei der Graphic Novel noch mehr entdecken und mich konzentrierter fokussieren kann, weil ich nicht übertrieben verführt werde, schnell schnell weiter zu lesen. Denn die einzelnen Seiten sind wirklich von so vielen Details gespickt, dass man sich die Graphic Novel wirklich gut mehrfach durchlesen kann, weil man immer etwas Neues entdecken wird. Speziell hat mir natürlich der Anteil mit Paris gefallen, weil ich selbst schon öfters vor Ort war, auch im schulischen Umfeld, und so vieles wiedererkennen konnte. Aber auch so haben Schulausflüge immer eine besondere Stimmung, und das ist atmosphärisch gut aufgefangen worden. Aber auch beim Rest habe ich viel wiedererkennen können. Kleinere Unterschiede gab es natürlich, aber da konnte ich rückblickend auch verstehen, warum die Serie einen anderen Weg eingeschlagen hat. Das Positive ist auf jeden Fall, dass Abweichungen in Graphic Novel und Serie dennoch für beide Seiten Sinn ergeben.

Alles in allem zeigt sich mir wieder, dass Oseman eine Autorin ist, die inhaltlich viel anzubieten hat. Sie hat mit ihren Graphic Novels etwas geschaffen, das die Menschen berührt und mit der Serienadaption fängt man einfach noch mehr Menschen ein. Dadurch dass sich jetzt auch Volume drei weiter für die Nebenfiguren öffnet, können auch immer mehr ihre eigene Geschichte entdecken. Auch wenn mir manches mal ein wenig die Vorstellungskraft fehlt, lösen diese Geschichten ein Bild und Schrift festgehalten etwas in mir aus.

Fazit: Volume 3 von "Heartstopper" zeigt eine Weiterentwicklung an, weil sich Oseman auch anderen Figuren vermehrt widmet, so dass die präsentierten Geschichten immer vielfältiger werden. Serienfans werden vieles wiedererkennen, aber sie bekommen auch viele nette Gimmicks hinten drauf, was es zu einem besonderen Leseerlebnis macht.

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Veröffentlicht am 25.08.2023

Chinesische Tee-Magie

A Magic Steeped in Poison – Was uns verwundbar macht
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Als „A Magic Steeped in Poison“ angekündigt worden ist, ist mir das Cover vielfältig online begegnet. Ich fand es auch sofort reizvoll, dass ersichtlich war, dass es um die chinesische Kultur gehen würde. ...

Als „A Magic Steeped in Poison“ angekündigt worden ist, ist mir das Cover vielfältig online begegnet. Ich fand es auch sofort reizvoll, dass ersichtlich war, dass es um die chinesische Kultur gehen würde. Ich liebe es nämlich sehr, andere Kulturen über spannende Romane kennenzulernen. Vielleicht habe ich unbewusst mit dem Lesen gewartet, weil eine Dilogie angekündigt wurde. Band Zwei ist nun erschienen, so dass ich die beiden relativ zeitnah hintereinander weg lesen kann. Aber wie hat mir der Auftakt gefallen?

Zunächst einmal finde ich die gesamte Idee der Tee-Magier sehr spannend. Tee kann man bekanntlich viel aus England und eben aus China, so dass die Verbindung wirklich sehr gut passt. Ich musste auch daran denken, dass sich Schulmedizin und andere Bereiche, die eher über die Heilkräfte der Natur kommen, sich oft so unwiderruflich gegenüberstehen. Ich glaube selbst, dass sich diese gegenüberliegenden Seiten nicht ausschließen müssen und dass es oft auch auf einen selbst ankommt, ob man für Heilung bereit ist und daran glaubt. Natürlich sind hier die Heilkräfte der Natur durch Fantasy noch einmal betont, aber ich fand es dennoch nicht unrealistisch, sondern eher als sanfte Übertreibung, die tief in der chinesischen Kultur verwurzelt ist. Zwar hätte ich mir auf jeden Fall gewünscht, dass die einzelnen Fähigkeiten der Magier und ihre Möglichkeiten etwas systematischer vorgestellt worden wären, aber ich fand die einzelnen Ideen, wie man mit verschiedenen Pflanzen verschiedene Tees mit verschiedenen Wirkungen erzeugen kann und wie der Magier dadurch sinnbildlich eine Beziehung zu seinem Patienten eingeht. Die einzelnen Bilder dazu fand ich sehr aussagekräftig und ich habe dazu auch nirgendwo schon was ähnliches gelesen. Da es bekanntlich noch einen zweiten Band gibt, bin ich sehr gespannt, was wir von dieser Welt noch lernen können, denn sie hat wirklich großes Potenzial.

Positiv war sicherlich auch der schnelle Einstieg, denn ehe wir uns versehen, stürzt sich Ning ins große Abenteuer, indem sie in die Hauptstadt reist. Die Entscheidung ist sicherlich etwas impulsiv und wäre unter anderen Umständen vielleicht gar nicht passiert, aber wo sie ihre Schwester leiden sieht, da setzt sich in ihr die Überzeugung fest, dass sie nur die entsprechenden Leute oder Möglichkeiten kennenlernen muss, um Shu retten zu können. Nings Mutter war eine begnadete Magierin, ist aber getötet worden, was die Situation doppelt persönlich macht. Dadurch habe ich mich sehr schnell mit Ning identifizieren können, weil sie eben großen Schmerz empfindet und das irgendwie verarbeiten muss. Es blitzt auch durch, dass sie nie selbst so recht an ihre Fähigkeiten geglaubt hat, obwohl sie immer schon genug Fähigkeiten in sich hatte. Ich mag solche Protagonisten, die in sich viel Potenzial haben, aber nicht selbst an sich glauben und erst durch eine extreme Situation sich selbst kennenlernen. Das ist eine sehr realistische Darstellung, da es den meisten so geht.

In solchen Romanen sind Wettkämpfe immer ein interessantes Setting, weil sie viel Spannung, Herausforderung und Überraschungen bieten. Aber es war gut, dass das nicht der einzige Fokus des Buches ist, weil die Geschichte so reicher an unterschiedlichen Handlungen ist. Mit den einzelnen Herausforderungen hat man deutlich gemerkt, dass Ning immer wieder über sich hinauswachsen und auch viel Mut beweisen musste, weil sie sich mit dem Leben in der Großstadt nicht auskennt und daher in diverse Fettnäpfchen getreten ist. Da hat mir dann speziell auch gefallen, dass Ning nie verschüchtert wirkte, sondern eine bodenständige innere Einkehr hat, für die sie bedingungslos eintritt. Weiterer Pluspunkt ist sicherlich auch, dass es mit Kang - nennen wir es vorsichtig - eine Liebesgeschichte gib, die sich dennoch nicht unangenehm in den Vordergrund drängt. Das ist ja leider öfters das Problem, dass die Frau etwas kopflos wirkt, wenn sie sich verliebt hat. Hier war es eher gleichberechtigt: beide fanden sich auf Anhieb interessant, beide haben sich aber auch misstraut, so dass manches impulsiv und anderes wiederum sehr rational war. Am Ende würde ich sogar sagen, dass all die Beziehungen, die Ning zu dem ersten Band eingeht, relativ gleichberechtigt sind. Das macht einen abwechslungsreichen Roman aus, der immer wieder überraschen kann.

Im Grunde gibt es einen großen Hauptzweig der Handlung, doch viele kleine Aspekte spielen da zusammen rein. Das finde ich geschickt gemacht, weil eben nicht nur in der Hauptstadt alles auf dem Spiel steht, sondern weil es das gesamte Reich betrifft und alle irgendwie damit zu tun haben. Dadurch gibt es natürlich mit den Verbindungen viel zu entdecken. Parallel ist aber auch der Einfluss des Politischen sehr groß und es ist deutlich zu merken, dass die entscheidenden Machtspielchen erst im zweiten Band richtig zur Geltung kommen werden. Da bereitet der erste Band gut vor, ohne aber nur diese Funktion zu haben. Denn es passiert eben auch so schon genug an Abenteuern und Herausforderungen, die gut durch den Roman treiben. Daher finde ich es auch gut, dass es nur noch einen weiteren Band geben wird, weil ich schon jetzt den Eindruck habe, dass es ein gut durchdachtes Konzept gibt, was zu einem zufriedenstellenden Ende führen wird. Schon der Ausgang dieses Bandes ist recht offen und absolut spannend angelegt, sogleich gibt es immer noch viele Möglichkeiten, wie die Erzählung weitergehen kann.

Fazit: „A Magic Steeped in Poison“ ist auf eine unterhaltsame Art und Weise ein guter Einblick in die chinesische Kultur, wo ich mich schon fast scheue, wirklich von Fantasy zu sprechen, weil es sich sehr natürlich und überzeugend anfühlt. Das Thema des Buches ist sehr interessant und mit einer starken Protagonistin an der Hand hat sich das Buch toll weglesen lassen. Ich freue mich schon auf den Abschluss.

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Veröffentlicht am 19.07.2023

Zwei Seiten einer Medaille tiefgründig dargestellt

I Was Born for This (deutsche Ausgabe)
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„I Was Born For This”, ein Alice Oseman-Roman aus dem Jahr 2018, ist nun auch endlich in die deutsche Sprache übersetzt worden und angesichts der faszinierenden Themen, die die junge Autorin bislang für ...

„I Was Born For This”, ein Alice Oseman-Roman aus dem Jahr 2018, ist nun auch endlich in die deutsche Sprache übersetzt worden und angesichts der faszinierenden Themen, die die junge Autorin bislang für Jugendliche und junge Erwachsene konzipiert hat, bin ich immer wieder neu gespannt, was sie sich diesmal ausgedacht hat. Diesmal haben wir zwei Teilgeschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die dann aber zusammengeführt werden, dennoch jeweils für sich etwas ganz Eigenes erzählen.

Würde man den Klappentext sonst lesen, würde man wahrscheinlich vermuten, ah, Rockstar-Romance. Angel schwärmt für Musiker Jimmy und hat die zufällige Begegnung mit ihm, die für beide eine stürmische Liebesgeschichte auslöst. Aber nein, Oseman macht kein Standard, weswegen „I Was Born For This” eine ganz andere Geschichte erzählt, bzw. wie eingangs erwähnt gleich zwei Geschichten. Fangen wir bei Angel an, die ihr Leben als völlig durchschnittlich empfindet und nur so gerade eben einen durchschnittlichen Abschluss geschafft hat. Doch das Leben will sie hinter sich lassen und sie lebt voll und ganz für The Ark, die Rockband, die sie ganz in ihren Anfängen entdeckt hat und die sie über all die Jahre hinweg begleitet hat. Es sind aber nicht nur sie und ihre Musik und Texte, sondern es ist auch die Fangemeinschaft, die ihr endlich Zugehörigkeit lehrt und sie voll und ganz ausfüllt. Ich fand das Thema Fan-Dasein hier extrem spannend verarbeitet, denn es werden die düsteren sowie die positiven Seiten gleichermaßen beleuchtet, aber es wird auch erklärt, was es für Fans eben bedeutet, eine solche Leidenschaft zu haben und wie es Lebensretter und Stoppschild zugleich sein kann. Ich fand das Thema aber auch deswegen so interessant, weil „Heartstopper“-Hauptdarsteller Kit Connor sich aufgrund der Fangemeinschaft outen musste. Oseman hatte dieses Buch zwar schon davor geschrieben, aber so ist es quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung geworden, was auch wieder beweist, wie nah Oseman an den Themen ist und wie realistisch sie sie rüberbringt.

Angel ist eben der Fan und ich fand sie sehr authentisch dargestellt, denn sie hat sich durch die Band etwas aufgebaut, was sie von ihrem High School-Leben und auch von zuhause so nicht kannte. Auf die Band konnte sie zwischenmenschliche Beziehungen projizieren, die sie selbst noch nicht kennt, sich aber erträumt und in der Gemeinschaft entdeckt sie Ansätze von dem und das Konzert bietet die Möglichkeit, diese endlich auch im realen Leben auszuleben. Dennoch war bei Angel sehr wichtig, dass sie einen inneren Kompass hat und es wird verdeutlich, dass es ihr Glauben ist. Ich hatte, nachdem angedeutet worden war, dass sowohl Angel als auch Jimmy gläubige Menschen sind, vermutet, dass es ein großes Thema war. Das war es nun nicht, aber unterschwellig eben schon, denn es ging darum, dass jeder an etwas glauben muss und will und wenn es kein religiöser Glaube ist, dann ist es eben ein Schauspieler, eine Band etc. Angel hat aber ihren Glauben, sie hat schon eine Erdung, selbst wenn sie das nicht immer so empfinden kann. Dadurch weiß sie aber auch Grenzen einzuhalten, weswegen sie, als sie als Fan auf die Band trifft, als Fan quasi wegtritt und als Mensch agiert. Sie erkennt, Jimmy und seine Bandkollegen sind wie sie selbst und so kann sie sich immer mehr dem realen Leben stellen.

Ebenso wichtig war aber auch die Geschichte von Jimmy, der Themen wie Depressionen und Angststörungen mit sich bringt, aber auch die gesamte Band repräsentiert die Schattenseiten des Ruhmes. Es war dann auch das völlige Gegenteil, wie das Fan-Dasein betrachtet wird. Nach draußen wird immer wieder betont, dass alle Fans geliebt werden, denn ohne sie wären sie eben nichts, aber innerlich existiert eine Heidenangst. Innerlich gibt es auch Vorwürfe, weil man kaum das wirklich eigene Leben kann, sondern nur das, was von den Fans auf sie projiziert wurde. Auch hier war es aber wichtig, dass es nicht einseitig negativ war, sondern dass sie Band dann in Angel und Juliet andere ‚Fans‘ kennenlernen. Ich fand diese Zusammenführung der Geschichten und dass es nie eine Liebesgeschichte war, echt toll und ich bin regelrecht durch das Buch geflogen. Vermutlich meine schnellste Lektüre des Jahres, weil es so gut war. „Loveless“ bleibt zwar unerreicht, aber „I Was Born For This“ ist auch sehr wichtig und sehr gut gemacht.

Fazit: „I Was Born For This” ist keine Rockstar-Romance, sondern es werden zwei Geschichten erzählt, die quasi zwei Seiten einer Medaille sind: berühmt und Fan sein, aber drum herum wurde noch viel mehr verpackt. Bei der Vielfalt und bei der Tiefgründigkeit konnte ich wieder nicht aufhören.

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