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Veröffentlicht am 28.09.2023

Eine Sammlung von Banalitäten

Das Spiel mit der Angst
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In der Vergangenheit habe ich die Kriminalromane aus Petros Markaris‘ Kostas-Charitos-Reihe immer gerne gelesen, war die Handlung doch fest in der griechischen Realität verankert und ein guter Indikator, ...

In der Vergangenheit habe ich die Kriminalromane aus Petros Markaris‘ Kostas-Charitos-Reihe immer gerne gelesen, war die Handlung doch fest in der griechischen Realität verankert und ein guter Indikator, wie es um die Gesellschaft bestellt ist. Aber leider hat sich der scharfe Blick des Autors im Laufe der letzten Jahre getrübt. Aussagekräftige Inhalte gibt es kaum noch, dafür wiederholt sich seit dem Ende der Schuldenkrise in sämtlichen Veröffentlichungen sein permanentes und enttäuschtes Nörgeln über die gleichen Themen.

Ein neuer Bruch zeigt sich in „Das Spiel mit der Angst“, einer Sammlung von sieben Erzählungen, in der er sich mit der Pandemie und deren Auswirkungen auf das tägliche Leben in seiner Heimat auseinandersetzt. Ein Thema, das für ihn offensichtlich noch nicht abgearbeitet ist und den Eindruck erweckt, dass sich hier ein alter Mann seine Ängste von der Seele geschrieben hat. Quarantäne, Maskenpflicht, Impfgegner, die neue Realität und deren ökonomische Auswirkungen. Er wiederholt sich, ergeht sich in Banalitäten, und es wächst der Wunsch, ihm zuzurufen, „Ja, wir haben es verstanden“. Besonders dann, wenn er das in seinen Büchern wiederkehrende Thema der Solidarität mit den Menschen am Rande der Gesellschaft einfordert, was hier leider äußerst oberflächlich und simpel verarbeitet wird. Wie auch die Geschichte der beiden Imbiss-Besitzer in Deutschland. Der eine Grieche, der andere Türke, im ständigen Wettstreit miteinander liegend, bis sie durch die Initiative ihrer Frauen erkennen, dass ihre Rivalität Kinderkram ist. Und natürlich entschließen sie sich, das Kriegsbeil zu begraben und gemeinsam ein griechisch-türkisches Restaurant zu eröffnen. Och nö.

In drei Stunden gelesen, weil ich es hinter mich bringen wollte. Und das sagt ja wohl alles.

Veröffentlicht am 13.09.2023

Unübersichtlich und langatmig erzählt

Schwarzvogel
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Speziell in skandinavischen Spannungsromanen, in denen eine weibliche Hauptfigur im Zentrum der Handlung steht, ist mir diese Ausgangssituation in letzter Zeit vermehrt untergekommen:

Für ihre Ausbildung ...

Speziell in skandinavischen Spannungsromanen, in denen eine weibliche Hauptfigur im Zentrum der Handlung steht, ist mir diese Ausgangssituation in letzter Zeit vermehrt untergekommen:

Für ihre Ausbildung zur Polizistin verlässt Fredrika Storm in jungen Jahren ihr Elternhaus in Richtung Stockholm. Viele Jahre arbeitet sie bei der dortigen Polizei, bis während eines Einsatzes alles aus dem Ruder läuft. Fredrika hat Probleme damit, dieses traumatische Erlebnis zu verarbeiten und lässt sich zur Kripo in Lund versetzten, ganz in der Nähe ihres Heimatortes. Aber gleich ihr erster Fall macht ihr bewusst, dass man seiner Vergangenheit nicht entkommen kann.

Eine junge Frau bricht auf einem zugefrorenen See ins Eis ein und ertrinkt. Und die einzige Zeugin dieses schockierenden Vorfalls ist Fredrikas Großmutter. Gemeinsam mit ihrem exzentrischen Kollegen Henry wird Fredrika auf den Fall angesetzt, und was sie im Laufe der Ermittlungen herausfinden, reißt alte Wunden auf.

„Schwarzvogel“ ist der erste Band mit Fredrika Storm und scheinbar beabsichtigt die Autorin, mit dieser Protagonistin in Serie zu gehen. Allerdings gibt es doch so einige Schwachstellen, die es bis dahin auszumerzen gilt. Offenbar konnte sich Frau Skybäck nicht entscheiden, ob sie die Geschichte einer dysfunktionalen Familie erzählen oder einen Kriminalroman schreiben wollte, und die Verbindung der beiden Genres hat in diesem Fall dem Spannungsaufbau definitiv nicht gut getan.

Die Familie der Protagonistin, die im Laufe der Ermittlungen immer mehr in Zentrum rückt, ist unglaublich groß, die Verwandtschaftsverhältnisse sind unübersichtlich und jede/r der Beteiligten hat entweder mit einem Problem zu kämpfen oder verbirgt etwas, beides soll unter keinen Umständen ans Tageslicht kommen. Und dann ist da noch das Familiengeheimnis, das spurlose Verschwinden von Fredrikas Mutter, worüber nicht gesprochen wird. Das soll wohl Interesse wecken, wird es doch als Cliffhanger am Ende des Buches eingesetzt. Aber ganz ehrlich? Das interessiert mich nicht die Bohne und kann mich nicht dazu verleiten, diese Reihe weiterzuverfolgen.

Die Autorin schüttet uns mit Andeutungen und Informationsschnipseln zu, wiederholt sich, wenn sie endlos Ermittlungsergebnisse rekapituliert, wieder eine winzige Info hinzufügt und bläht so eine dünne Story auf fast 450 Seiten auf. Von „Psychospannung“ leider keine Spur. Und dem Vergleich mit Elizabeth Georges Lynley-Reihe hält dieser Krimi auch nicht stand. Da war wohl der Wunsch der Marketing-Abteilung der Vater des Gedankens.

Veröffentlicht am 05.09.2023

Kalmanns Demontage

Kalmann und der schlafende Berg
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Seit Kalmanns Begegnung mit dem Eisbären hat sich einiges verändert. Seine Mauser wurde eingezogen, und aus dem stolzen Sheriff von Raufarhöfn ist ein zahnloser Hai geworden. Apropos Hai, mit dem Fischen ...

Seit Kalmanns Begegnung mit dem Eisbären hat sich einiges verändert. Seine Mauser wurde eingezogen, und aus dem stolzen Sheriff von Raufarhöfn ist ein zahnloser Hai geworden. Apropos Hai, mit dem Fischen ist auch Schluss, hat man ihm verboten, seit sein Großvater gestorben ist. Mittlerweile lebt er bei seiner Mutter, die allerdings mit seiner Versorgung überfordert ist, und arbeitet als Einkaufswageneinsammler in einem Supermarkt. Ein Tag ist wie der andere, bis eine Einladung seines amerikanischen Vaters die Monotonie unterbricht. Er möchte seinen Sohn endlich kennenlernen, weshalb ihn Kalmann in Virginia besuchen soll. Klar, dass er Feuer und Flamme für diesen Vorschlag ist, lenkt ihn die Vorfreude doch auch von der Trauer um seinen toten Opa ab.

Soweit die Ausgangssituation in „Kalmann und der schlafende Berg“, und wesentlich weiter möchte ich wegen Spoilergefahr auch nicht auf die Handlung eingehen. Nur so viel, dieser Amerikabesuch hat es aus verschiedenen Gründen in sich, insbesondere Kalmanns Beteiligung an einem denkwürdigen Ereignis der amerikanischen Gegenwart. Eine Passage, die bei mir ungläubiges Kopfschütteln verursacht hat. Hätte man sich sparen können, wie so manchen hanebüchenen Handlungsfaden in diesem Band.

Im Gegensatz zu dem leise erzählten Vorgänger mit den großartigen Naturbeschreibungen Nordislands, setzt der Autor diesmal auf eine konstruierte und maßlos überzogene Story, die unterm Strich eher eine Parodie ist und über weite Strecken ins Groteske abdriftet. Und Kalmann, den wir als liebenswerten und grundehrlichen Zeitgenossen mit gewissen Einschränkungen kennengelernt haben, wird zu einem tölpelhaften Naivling degradiert, geradezu vorgeführt, der nicht davor zurückschreckt, auch gewalttätig gegenüber seiner Mutter zu werden. Och nö, das hat dieser isländische Parzival doch wirklich nicht verdient.

Konnte mich leider nicht überzeugen.

Veröffentlicht am 09.08.2023

Verpatzte Fortsetzung

Der Sündenbock
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Seit 1997 ist pünktlich wie ein Uhrwerk ein neuer Band aus Lee Childs Reacher-Reihe erschienen. Immer wieder die passende Sommerlektüre, actionlastig und auf die Person des Einzelgängers konzentriert, ...

Seit 1997 ist pünktlich wie ein Uhrwerk ein neuer Band aus Lee Childs Reacher-Reihe erschienen. Immer wieder die passende Sommerlektüre, actionlastig und auf die Person des Einzelgängers konzentriert, ohne großen Anspruch. Ende 2018 habe ich in London eine Veranstaltung mit dem Autor besucht, in der er ankündigte, dass er „in Rente“ geht und deshalb sein Bruder Andrew die Serie fortschreibt. Klar, die Cash Cow sollte in der Familie bleiben, aber bereits in „Die Hyänen“ war zu erkennen, dass dieser Wechsel sich nicht unbedingt förderlich auf das gewohnte Konzept auswirken wird. Nun also „Der Sündenbock“ (The Sentinel, 2020), zum ersten Mal mit dem Namen des Nachfolgers auf dem Cover.

Die Story in Kürze: Reacher kommt in eine Kleinstadt in Tennessee. Sieht, wie Schläger einen Mann verfolgen. der sich später als der IT-Verantwortliche des Städtchen entpuppen wird, das von einem Ransomware-Angriff lahmgelegt wurde. Wie üblich verprügelt Reacher die Schläger und erfährt von dem Geretteten, der sich als der IT-Verantwortliche des Städtchens entpuppt, dass ein Ransomware-Angriff die gesamte Infrastruktur lahmgelegt hat und man ihn dafür verantwortlich macht. Und natürlich tauchen die üblichen Verdächtigen auf, die verantwortlich sind und sich in die Politik von Good’s own country einmischen wollen. Gibt’s eigentlich ein einziges Klischee, das Andrew Child ausgelassen hat? Okay, der altmodische Reacher ist nun in der Gegenwart angekommen, aber muss der wortkarge Einzelgänger nun auch zu einem Schläger ohne persönliche Moral und einer Plaudertasche werden?

Das war nix. Zu viel Andrew, zu wenig Lee. Klischeehafte Handlung, keine Spannung, unterirdische Sprache. Für mich ist es definitiv jetzt an der Zeit, die Zelte abzubrechen und weiterzuziehen.

Veröffentlicht am 03.08.2023

Von Spannung keine Spur

Die letzte Nacht
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Karin Slaughters Grand County Reihe habe ich gerne gelesen, waren diese Krimis/Thriller doch immer raffiniert geplottet und ausnahmslos spannend. Als die Autorin dann beschlossen hat, Will Trent und die ...

Karin Slaughters Grand County Reihe habe ich gerne gelesen, waren diese Krimis/Thriller doch immer raffiniert geplottet und ausnahmslos spannend. Als die Autorin dann beschlossen hat, Will Trent und die unsäglich nervende Faith einzuführen und mit ihnen eine neue Serie zu starten, bin ich davon ausgegangen, dass sie das gewohnte Niveau halten kann. Weit gefehlt. Zwar hoffe ich noch immer, dass sie zu alter Stärke zurückfindet, aber auch mit dem aktuellen, als Thriller beworbenen Band „Die letzte Nacht“, konnte sie bei mir leider nicht punkten.

Die zugrunde liegende Story wurde schon vielfach in diversen Kriminalromanen von wesentlich talentierteren Autorinnen erzählt. Vergewaltigung ist immer ein heikles Thema, das es mit Fingerspitzengefühl zu behandeln gilt, und das bekommt Frau Slaughter einfach nicht hin. Ihr geht es immer um Schockmomente und drastische Darstellungen, bei denen es möglichst brutal und abartig zugeht und bei den Leserinnen Gänsehautmomente hervorrufen.

Tja, und auch Täter und Motiv sind nicht außergewöhnlich, im Gegenteil. Wer Geld und Ansehen hat, kann sich alles erlauben, so die gängige Überzeugung, und schon ist damit ein Konsens mit den Leser*innen hergestellt. Das ist einfach nur plump und vorhersehbar. Wenn es dann wenigstens noch spannend wäre, aber nein. Die Story verliert sich im langatmigen Graben in der Vergangenheit und Sara Lintons halbherzigen Selbstreflexionen, die jeden Ansatz von Spannung ausbremsen und das Lesen zu einer zähen Angelegenheit machen. Absolut nicht mein Fall.