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Veröffentlicht am 22.09.2023

Das erwachsene Kind

Ent-Eltert euch!
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Der Ratgeber „Ent-Eltert euch!“ will Erwachsenen dabei helfen, ungesundes Verhalten zu reflektieren und so die Beziehung zu den Eltern oder innerhalb der Familie für sich angenehmer zu gestalten. „Entelterung ...

Der Ratgeber „Ent-Eltert euch!“ will Erwachsenen dabei helfen, ungesundes Verhalten zu reflektieren und so die Beziehung zu den Eltern oder innerhalb der Familie für sich angenehmer zu gestalten. „Entelterung bedeutet, die eigenen Eltern (oder primären Bezugspersonen) aus der Elternrolle zu entlassen und dich selbst aus der Kinderrolle.“
Das Buch ist verständlich geschrieben und nutzt die persönlich wirkende Du-Ansprache. In fünf Kapiteln werden die Dynamiken innerhalb von Familien aufgedeckt, beispielsweise wer welche Rolle einnimmt oder wodurch jemand getriggert wird.
Schwierig fand ich es, den Beispielen zu folgen, weil einzelne Figuren über das Buch verteilt immer wieder auftauchten („Wir treffen Ivana wieder auf Seite 209.“) und dann vorausgesetzt wurde, dass ich mich (im Beispiel 121 Seiten später) an deren Fall erinnern würde.
Als Methode zur eigentlichen Auseinandersetzung mit der spezifischen Situation dient der Mentalog. Das bedeutet, dass realistische Dialoge mit den Eltern aufgeschrieben und Reaktionen vorweggenommen werden, um deutlich zu machen, wie man selbst aus dem Teufelskreis von Anschuldigungen entkommen kann. Es werden über das Buch hinweg immer wieder Reflexionsansätze vorgeschlagen, was mir gut gefallen hat. Es stellt eine Bereicherung bezüglich der Interaktion in der Familie dar.

Veröffentlicht am 17.09.2023

Vom Verschwinden

Zeiten der Langeweile
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Mila steigt aus aus dem Internet. Sie will es nicht mehr nutzen, und sie will nicht, dass Spuren ihrer früheren Präsenz weiter auffindbar sind. „Ich kam mir vor wie eine Heuchlerin: dauerhaft damit konfrontiert, ...

Mila steigt aus aus dem Internet. Sie will es nicht mehr nutzen, und sie will nicht, dass Spuren ihrer früheren Präsenz weiter auffindbar sind. „Ich kam mir vor wie eine Heuchlerin: dauerhaft damit konfrontiert, für eine Person zu bürgen, die ich einmal gewesen war, die jetzt aber nichts mehr mit mir zu tun hatte.“
„Zeiten der Langeweile“ wirkt wie ein Tatsachenbericht, in dem aus Ich-Perspektive der Ablauf eines Experiments geschildert wird. Wie ein solches fühlt es sich an, da die Hauptfigur einen ungewöhnlichen Versuch startet und ihr anfangs selbst nicht klar ist, welch weitreichende Folgen dieser mit sich bringt.
Auf mich wirkte die Entwicklung zunächst akribisch und schließlich manisch. Das ist gut für den Spannungsbogen, doch der Roman bleibt auf dem Niveau der Berichterstattung, während mir die Auseinandersetzung mit dem Zustand fehlt. Als Leserin bemerke ich eine Entfremdung von allem, was Milas Leben ausgemacht hat, und das war mehr als das Internet. Ich verstehe nicht, warum sie einen solchen Preis für ihren Offline-Gang in Kauf nimmt, wenn danach kaum etwas bleibt.
Was das Buch schafft, ist die Auseinandersetzung mit dem digitalen Leben und das Hinterfragen von inzwischen zur Normalität gewordenen Umständen. In Zeiten, wo „digital detox“ zum erstrebenswerten Ziel erklärt wird, bietet es gute Gedankenanstöße.

Veröffentlicht am 08.09.2023

Persönliche Ermittlungen

Wilde Jagd
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Quintus kehrt ins Haus seiner Eltern zurück. Beim Spaziergang mit dem Hund seiner Tochter lernt er eine Altenpflegerin kennen, mit der er sich anfreundet. Sie bittet ihn schließlich um Hilfe bei der Suche ...

Quintus kehrt ins Haus seiner Eltern zurück. Beim Spaziergang mit dem Hund seiner Tochter lernt er eine Altenpflegerin kennen, mit der er sich anfreundet. Sie bittet ihn schließlich um Hilfe bei der Suche nach ihrer Schwester.
Der Protagonist ist selbst nicht mit Glück gesegnet und fasst seine Lage treffend zusammen: „Meine Frau ist weg, meine Tochter redet nicht mehr mit mir, mein Haus bricht zusammen, und ich stinke aus jeder Pore nach Alkohol.“ Nach der Erkenntnis und dem Leiden kommt der Tatendrang. So führt der Heimatbesuch zu einigen Begegnungen, bei denen er alte Bekannte neu kennenlernt.
René Freund findet die treffenden Worte, um seine Figuren zum Leben zu erwecken. Doch dieser Roman ist anders als seine früheren Werke. Mir drängte sich immer wieder der Gedanke an das Genre Cosy Crime auf, wo unbedarfte Zivilisten versuchen, ein Verbrechen aufzuklären. Das wirkte im Verlauf und von der Auflösung her jedoch derart konstruiert, dass es an Glaubwürdigkeit verlor. Insofern fiel es mir schwer, mich auf das Buch einzulassen und die netten Details (wie den Namen des Hundes „Machtnix“) ausreichend zu schätzen.

Veröffentlicht am 02.09.2023

Triester Tagebau

Aussicht auf Mord
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Ein Steinbruch nahe der italienischen Stadt Triest bringt erst antike Goldmünzen und dann frische Leichen zu Tage. Commissario Vossi ermittelt mit seinen Kollegen.
Es war für mich kein Problem, mit diesem ...

Ein Steinbruch nahe der italienischen Stadt Triest bringt erst antike Goldmünzen und dann frische Leichen zu Tage. Commissario Vossi ermittelt mit seinen Kollegen.
Es war für mich kein Problem, mit diesem dritten Band in die Reihe einzusteigen. Die wiederkehrenden Personen werden mit passendem Kontext gut eingeführt. Da ist es eher die Vielzahl der Nebendarsteller, über die es den Überblick zu behalten gilt.
So präsentieren sich zahlreiche Verdächtige, zu denen sich die Ermittler schnell ein Urteil bilden; vorschnell, wie uns als Lesern bereits klar ist. „Ärgerlich nur, dass wir den Mörder zwar kennen und ihm die Tat nachweisen könnten, aber nichts vom Anlass wissen, der dem jahrelangen Hass zum lawinenartigen Durchbruch verholfen hat.“ Auch wenn wir dabei in die Hierarchien der italienischen Polizei eingeführt werden, vermisse ich die realistische Darstellung der Polizeiarbeit.
Von einem Regionalkrimi erwarte ich außerdem, dass lokale Landmarken und Besonderheiten eingebunden werden. Die Stadt selbst habe ich in diesem Roman kaum als solche wahrgenommen, außer ihrer Einbindung in die umliegenden Länder. Immerhin gab es ab und an die Gelegenheit eines Essens mit typischen Gerichten. Italienische Sprache, die für zusätzliche Authentizität gesorgt hätte, wurde kaum verwendet. Vielmehr fand ich die Ausdrucksweise des Autors mitunter etwas sperrig oder schwer verständlich. Die Spannung reichte, um bis zum Ende durchzuhalten und mit einem schlüssigen Ende belohnt zu werden. Für mich war „Aussicht auf Mord“ damit ein durchschnittlicher Kriminalroman.

Veröffentlicht am 27.08.2023

Inselbeobachtungen

Bin das noch ich
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Ein Mann begibt sich auf eine einsame Insel. Er muss den Verlust seiner Fähigkeiten verarbeiten. Er ist Geiger von Beruf. “Er ist nah daran, Mais These zu übernehmen, eine Insel könne einem helfen, wieder ...

Ein Mann begibt sich auf eine einsame Insel. Er muss den Verlust seiner Fähigkeiten verarbeiten. Er ist Geiger von Beruf. “Er ist nah daran, Mais These zu übernehmen, eine Insel könne einem helfen, wieder Herr über sein Leben zu werden, weil sie klar umgrenzt sei und man sich deshalb nicht so winzig vorkomme, trotz des großen Meeres ringsherum.”
So einfach wie die Hütte ist auch der Alltag auf der Insel: Simon beobachtet Seevögel, schreibt seine Gedanken auf, denkt nach. Man merkt, dass er durch und durch Musiker ist, hört er doch überall Tonfolgen, Klänge, die er mit seiner Leidenschaft verbindet. Zum Vogelbeobachter wird er erst dort beim Anblick brütender Möwen.
“Bin das noch ich” ist die Frage, die es zu beantworten gilt. Was bleibt, wenn die Musik geht? Stefan Moster behandelt dieses Thema auf eine feinfühlige Art, die bei seinen Lesern Saiten zum Klingen bringt. Darüber hinaus hätte ich mir gewünscht zu erfahren, wie der Protagonist neben seiner Kontemplation die Umgebung erlebt, dass er auch mal Hunger bekommt oder die Wand anschreit. Der Roman schafft ansonsten eine gelungene Atmosphäre für die Auseinandersetzung mit Musik und Ornithologie.