Falscher Umgang mit sensiblen Thema
Zuallererst ein riesiges Dankeschön an den LYX – Verlag und Netgalley.de für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Dies beeinflusst in keiner Weise meine eigene Meinung.
„Zerbrich uns. Nicht“ ist ...
Zuallererst ein riesiges Dankeschön an den LYX – Verlag und Netgalley.de für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Dies beeinflusst in keiner Weise meine eigene Meinung.
„Zerbrich uns. Nicht“ ist der vierte Teil der „Berühre mich nicht“- Reihe von Laura Kneidl. Die ersten beiden Teile hatte ich schon im letzten Jahr gelesen und da mir die Geschichte um Sage und Luca sehr gut gefallen hatte, musste ich natürlich auch die Geschichte von April und Gavin lesen. Allerdings hatte ich nicht so hohe Erwartungen an die Geschichte wie viele andere Fans der Reihe.
Schon im ersten Teil ist April sehr eingespannt. Die Eröffnung der SHS steht kurz bevor, bald sind die Midterms und nebenbei arbeitet sie noch im Café Le Petit. Doch nach dem Geständnis von Gavin fühlt sich für sie alles sehr viel schwerer an zu schaffen als zuvor. Tatsächlich muss ich sagen, dass ich April in diesem Buch nur selten komplett greifen konnte. Den Anfang fand ich total überzogen und überdramatisiert. Mag eventuell daran liegen, dass ich den Miscommunication Trope überhaupt nicht mag und genau dieser wie auch schon im Vorgängerband ziemlich viel Platz einfordert. Gavin und April hätten vielleicht mehr Zeit miteinander gehabt, wenn sie einfach früher miteinander gesprochen hätten. Dennoch hatte ich die meiste Zeit ein angenehmes Gefühl beim Lesen bis zu dem Punkt, wo April eine Entdeckung über sich selbst macht und diese Umsetzung unfassbar schlecht und unangemessen ist. Darauf komme ich später nochmal zurück. Generell muss ich sagen, dass ich mich in „Vergiss uns. Nicht“ sehr mit April verbunden gefühlt hatte, weil ich das Gefühl verstehe nicht normal zu sein. Das, was April über sich entdeckt, weiß ich inzwischen fast ein Jahr. Daher mochte ich sie ganz gerne. Allerdings hat mir einfach die Liebesgeschichte zwischen April und Gavin gefehlt, denn sie war so sehr in ihre Aktivitäten eingebunden und er hing so extrem in seiner Vergangenheit fest, dass beide kaum Zeit füreinander hatten. Das fand ich echt schade. Dennoch mochte ich Gavin sehr. Er hat viel durchgemacht in seinem Leben, was ihn halt immer noch verfolgt, aber ich konnte es nicht immer fühlen, auch wenn ich mich besser in ihn hineinversetzen konnte als in sie.
Der Schreibstil war, wie von Laura Kneidl gewohnt, sehr flüssig und leicht zu lesen. Dennoch hatte sich die Geschichte von April und Gavin ziemlich gezogen. Meiner Meinung nach hätte für die Beiden ein Band vollkommen ausgereicht. Was mich am meisten gestört hat, war nicht mal der Trope, den ich wirklich nicht leiden kann, sondern (Achtung SPOILER!) das Thema Asexualität. Nicht falsch verstehen, ich habe kein Problem damit, wenn es in Büchern vorkommt (es ist nämlich wichtig, dass darauf hingewiesen wird, dass es das auch gibt), ich habe allerdings ein Problem damit, wenn das Thema „nur“ Mittel zum Zweck ist. Asexualität ist, meiner Meinung nach, ein empfindliches Thema und gerade in der heutigen Zeit, wo das New Adult Genre gefühlt nur noch von Spice oder LGBTQ+ lebt, sollte es nicht so lapidar dahingestellt werden. Asexualität gehört in die LGBTQ+ Sparte, das ist so vollkommen richtig, aber es wurde in diesem Buch einfach nur unglaublich falsch dargestellt. Mich persönlich hat es unglaublich verletzt sowas zu lesen. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Autorin hier nicht wirklich mit dem Thema beschäftigt hat, sondern die Asexualität nur eingearbeitet hat, damit es einen Grund liefert, weshalb April sich für keinen anderen Mann außer Gavin interessiert. Am Anfang von „Vergiss uns. Nicht“ war ich der festen Überzeugung, dass April Aromantisch ist. Es hat alles so gut gepasst. Es wirkte authentisch, aber nach dem ersten Drittel war das Thema verschwunden. Einfach so, als wäre es im Nachhinein hinzugefügt worden. In „Zerbrich uns. Nicht“ findet April dann heraus, dass sie demiromantisch/demisexuell ist und ab da ging es im Buch bergab. Letztes Jahr Ende Oktober habe ich festgestellt, dass ich Aromantisch (Aro) und Asexuell (Ace) bin. Das bedeutet, dass ich keine bis kaum romantische Liebe empfinden kann (in Büchern und Filmen/Serien kann ich sie nachvollziehen, aber selber empfinden für eine Person kann ich nicht) und keine bis kaum sexuelle Anziehung empfinde (kein Bock auf Sex und nicht wirklich daran interessiert es zu ändern). Für mich ist in diesem Moment eine Welt zusammengebrochen und dennoch fühlte es sich an als hätte ich mein Leben lang im Nebel gestanden und in dem Moment war der Nebel weg und ich konnte alles sehen. Die komplette Schönheit des Lebens. Viele Dinge aus meiner Vergangenheit haben plötzlich Sinn ergeben. Diese Erkenntnisse haben mein Leben gravierend aus der Bahn geworfen und damit hatte ich wirklich lange zu kämpfen, daher verstehe ich nicht, wie April innerhalb weniger Stunden einfach so damit klarkam. In diesem Moment stürzt deine komplette Identität ein, denn du bist nicht mehr die Person, die du vorher gewesen bist. Du musst dich einfach wieder neu kennenlernen und gerade bei April hat mir dieser Prozess gefehlt. Stattdessen erzählt sie nach kürzester Zeit Gavin davon und hat einen Tag später mit ihm Sex. Das war für mich schon extrem unrealistisch und hatte mich dort schon sehr geärgert. Aber das, was dann nach Weihnachten im Buch passiert (auf sexueller Ebene), das hat meiner Meinung nach dem Fass den Boden ausgeschlagen. In der ganzen Zeit hatte ich mich als Ace Person nie so gedemütigt und verletzt gefühlt. Es ist wie gesagt ein sehr sensibles Thema, dass in diesem Buch einfach mit Füßen getreten wurde. Menschen wie mir, die aro, ace oder demi sind, wird das Gefühl vermittelt nicht ernstgenommen zu werden. Für mich gehört in eine Geschichte, wo die Protagonistin oder der Protagonist asexuell oder aromantisch ist, kein Spice rein. Man braucht diesen Quoten Spice nicht um ein gutes Buch zu schreiben. Über die Miscommunication hätte ich hinwegsehen können, darüber nicht. (SPOILER Ende)
Es hätte ein wirklich gutes Buch werden können, aber schon lange wurde mir das Ende eines Buches so sehr versaut wie hier. Nach meinem persönlichen Super-GAU hatte ich keine Lust mehr zu lesen und habe die letzten 10% des Buches nur grob überflogen. Das Buch hat mir das Herz gebrochen auf eine komplette andere Art und Weise als ich erwartet habe. Ich habe mich selbst als Leserin benutzt, beleidigt und nicht ernstgenommen gefühlt und das finde ich gerade, wenn man unbedingt ein LGBTQ+ Thema mit einbauen will, unfassbar kritisch. Entweder macht man es wirklich ordentlich und nimmt Rücksicht auf diese Personen oder lässt es direkt sein. In diesem Fall hätte ich von dem Thema zu 100% abgeraten. Für mich gibt es zu diesem Buch keine wirkliche Leseempfehlung. Gerade für die Menschen, die noch nicht selbst festgestellt haben, dass sie ace, aro oder demi sind, ist dieses Buch wirklich kritisch zu betrachten.