Eine Ode an Berlin - die Rohheit der Großstadt und die Zärtlichkeit einer Begegnung
SüdsternVanessa Mitte 20, Pharmakologin, sieht in einem ambitionierten Drogenkurierservice eine sinnvollere Option als in einem Masterstudium, sehr zu Frustration und Unverständnis ihres Freundes, der wiederum ...
Vanessa Mitte 20, Pharmakologin, sieht in einem ambitionierten Drogenkurierservice eine sinnvollere Option als in einem Masterstudium, sehr zu Frustration und Unverständnis ihres Freundes, der wiederum aufstrebender Politiker ist. Deniz, Polizist, schiebt aufgrund von Personalmangel permanent Doppel- und Dreifachschichten und kümmert sich in jeder freien Minute um seinen an Parkinson erkrankten Vater, versucht alles und trotzdem ist es angesichts fehlender Unterstützung der Pflegekasse immer zu wenig. Und um all dies schließt sich Berlin, groß, derb, schnell, wie auch Sprache und Gedanken in Südstern. Tim Staffel schreibt, als verfolge man in Echtzeit die Gedanken der ProtagonistInnen, und erzeugt damit eine Unmittelbarkeit, die mich oft ans Theater erinnert hat.
Es sind Vanessa und Deniz, ihre Begegnung und behutsame Annäherung, die als seltsames Gegenstück zu und Insel in der rauen, manchmal gar rohen Großstadt wirkt. Während sich um Vanessa und Deniz ein Band knüpft, werden über zahlreiche Nebenfiguren einige der zentralen Themen der Gegenwart thematisiert: die oft unzureichende Versorgung von Kranken und Menschen mit Behinderung im aktuellen Gesundheitssystem, Medikamentenmissbrauch und Drogenkonsum um der Leistungsgesellschaft und den Anforderungen einer immer rauer werdenden Gesellschaft zu entsprechen bzw. zeitweise zu entfliehen, PTBS in der Bundeswehr, No Go Areas in Städten, Rassismus bei der Polizei, Mangelnde Akzeptanz und Respekt vor der Polizei, die Sinnlosigkeit im Politikbetrieb als ewiges Karussell von Wahl und Wiederwahl ohne Substanz und Inhalte, um nur einige zu nennen.
Das ist viel, manchmal vielleicht zu viel. Und trotzdem kann der Roman überzeugen, nicht als schöne, leichtgängige Lektüre, sondern Gegenwartsliteratur, die die rauen Seiten der Gegenwart in ihrer Deutlichkeit einfängt und ihnen trotzdem Zärtlichkeit und Hoffnung entgegensetzt.