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Veröffentlicht am 09.09.2023

Neuanfang

Schwarzvogel
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Nach einem Vorfall kehrt die Polizistin Fredrika Storm an ihren Heimatort zurück. Sie will einen Neuanfang wagen, ist aber nicht ganz sicher, ob ihr Geburtsort der richtige Platz dafür ist. Ihr Partner ...

Nach einem Vorfall kehrt die Polizistin Fredrika Storm an ihren Heimatort zurück. Sie will einen Neuanfang wagen, ist aber nicht ganz sicher, ob ihr Geburtsort der richtige Platz dafür ist. Ihr Partner Henry Calment hat einen interessanten Hintergrund, noch ist Fredrika aber nicht ganz schlau aus ihm geworden. Da kommt die Meldung herein, dass eine junge Frau im dünnen Eis des Sees eingebrochen ist. Gemeldet wurde dies ausgerechnet von Gun, Fredrikas Oma. Leider konnte die Frau nur tot geborgen werden und bei ihrem Tod kann es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Es stellt sich heraus, dass die tote Nomi in der Firma von Fredrikas Onkel gearbeitet hat.

In ihren ersten Fall gestaltet sich Fredrika Storms Heimkehr anders als sie gedacht hat. Denn anstatt eines ruhigen Herantastens und Eingewöhnens wird sie gleich in eine Mordermittlung geworfen, die gleich ihre eigene Familie betrifft. Und weil sie jeden im Dorf von früher kennt und auch jeder sie kennt, wird sie häufig angesprochen und um Hilfe gebeten. So ist ihr Bezug zum Ort gleichzeitig hilfreich und belastend. Mehr als einmal kommt Fredrika in die Zwickmühle darüber wie sie mit Verdachtsmomenten gegen die Verwandtschaft umgehen soll. Und den schief gelaufenen Einsatz in Malmö hat sie auch noch nicht verwunden.

Eine neue Krimireihe, deren Beschreibung neugierig macht. Das denkt man beim Lesen des Klappentextes und macht sich gleich daran, die Neugier zu befriedigen. Die Konflikte, die entstehen können, wenn ein Polizist zu nahe der Heimat eingesetzt wird, sind durchaus bekannt. Und manche aus diesem Berufszweig entscheiden sich für einen entfernteren Einsatzort. Nicht jeder möchte Freunde oder Verwandte verhaften. Spannend ist daher, wie Fredrika mit diesem Konflikt umgeht. Und es fällt ihr mitunter durchaus schwer, ihre Verwandten nur in dem Rahmen zu schützen, der als erlaubt durchgehen kann. Man sieht wie Fredrika ihren Weg sucht und kann ihre Lage gut verstehen. Henry Calment wirkt dagegen verschlossener, wenn auch als Partner sehr patent. Verwickelt ist dagegen das Rätsel um Nomis Tod. Da fächern sich immer neue Facetten auf, mit denen man nicht gerechnet hat.

Dieser erste Band einer Reihe ist sehr gut geraten, teilweise mitreißend und verspricht gegen Ende schon einen wiederum fesselnden zweiten Band, der die Neugier weckt.

Veröffentlicht am 30.08.2023

Familie, nein danke

Geschwister im Gegenlicht
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Das hat Sonja immer gedacht, wenn der Gedanke an ihre Eltern aufkam. Auch das Verhältnis zu ihrem Bruder Rolf ist nicht das Beste. Sie scheinen immer aneinander vorbei zu reden. Dann meldet sich Rolf mit ...

Das hat Sonja immer gedacht, wenn der Gedanke an ihre Eltern aufkam. Auch das Verhältnis zu ihrem Bruder Rolf ist nicht das Beste. Sie scheinen immer aneinander vorbei zu reden. Dann meldet sich Rolf mit seiner jüngsten Tochter Nina bei Sonja in ihrem Feriendomizil an der Ostsee an. Ein wenig durcheinander bringt er Sonja damit schon. Sie hat den Tod von ihrem Mann noch nicht richtig überwunden und will nach der Trauerphase erst wieder zum Leben finden. Dass ihre junge Nichte ihr durch ihre alleinige Anwesenheit helfen könnte, geht Sonja nach und nach immer deutlicher auf.

Die Geschwister Sonja und Rolf sind in der Nachkriegszeit im Rheinland aufgewachsen. Wegen eines deutlichen Altersunterschiedes waren sie Bruder und Schwester und doch wieder nicht. Und so scheint es auch heute noch, wo Rolf um die Sechzig ist und Sonja auch schon die Fünfzig überschritten hat. Wie werden sie die gemeinsame Zeit überstehen? Oder wird Sonja getreu ihrem Motto froh sein, wenn die liebe Verwandtschaft sich wieder auf den Weg gemacht hat. Überraschend für Sonja ist Rolf nicht der starke große Bruder, den sie erwartet hat, und für die dreizehnjährige Nina empfindet sie fast schon eine Bindung. Die gemeinsamen Tage halten vielleicht mehr als sie versprachen.

Dieses Hörbuch wird perfekt und angenehm vorgetragen von Hemma Michel. Durch die wunderbare Lesung kann man der Geschichte und den Empfindungen Sonjas und Rolfs sehr gut folgen. Das Schweigen der Eltern hat es ihnen als Kinder erschwert, die Eltern zu erkennen und ihren Weg zu finden. Erst als Erwachsene machen sie sich auf, jeder und jede auf seine oder ihre Weise, das Wesen von Mutter und Vater zu entschlüsseln. Nicht nur Schönes entdecken sie und mit Eltern, die in der Nazi-Zeit ihren Mann oder ihre Frau standen, muss erstmal zurecht kommen, bevor man entscheiden kann, ob und wie man sie konfrontiert. Weder für Sonja noch für Rolf war es leicht und Beide haben Wunden davongetragen. Es besteht die Hoffnung, dass sie als Geschwister ein wenig besser zusammenfinden. Sie auf ihrem Weg zu begleiten, ist ein beeindruckendes Erlebnis, das Gedanken an die eigenen Eltern und Großeltern auslöst. Vielleicht haben Kinder, Enkel und Urenkel doch noch einiges aufzuarbeiten.

Veröffentlicht am 29.08.2023

Musikalische Umerziehung

Sag nicht, wir hätten gar nichts
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Maries Eltern leben in Kanada nachdem sie aus China ausgewandert sind. Allerdings hat der Vater die Familie verlassen und ist nach Hongkong gegangen. Als ihre Mutter im Jahr 1990 erfährt, dass ihr Ex-Mann ...

Maries Eltern leben in Kanada nachdem sie aus China ausgewandert sind. Allerdings hat der Vater die Familie verlassen und ist nach Hongkong gegangen. Als ihre Mutter im Jahr 1990 erfährt, dass ihr Ex-Mann sich umgebracht hat, ist Marie erst zehn Jahre alt. Als kurz darauf die junge Ai-Ming nach den Demonstrationen auf dem Tiananmen Platz bei Marie und ihrer Ma auftaucht, hoffen Mutter und Tochter, eine Erklärung für den rätselhaften Selbstmord des Vaters zu bekommen. Jedoch hat Ai-Ming eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Und gemeinsam erfahren sie eine Geschichte zweier Familien, deren Leben von der Musik und der Kulturrevolution in China geprägt ist.

Sind Marie und ihre Eltern in Kanada heimisch geworden? Allem Anschein nach ist in ihrem Leben eine Leerstelle geblieben. Das gilt wohl in erster Linie für den Vater, der doch sein halbes Leben in China zurückgelassen hat. Ein Teil dieser Hälfte besteht aus Ai-Mings Familie, die auch Verluste zu erleiden hatte. Doch ihren Anfang nimmt die Geschichte in den 1940ern als ein Paar sich findet, über Aufzeichnungen eines Autors und die Affinität zur Musik und einigen großen europäischen Komponisten.

Im Jahr 2016 erstmals veröffentlicht zeigt dieser Roman einen Teil der modernen chinesischen Geschichte. Aus einem in sich ruhenden Land wurde eines, dessen Bevölkerung umerzogen werden musste, um zu guten Kommunisten zu werden. Natürlich blieb dabei einiges auf der Strecke. Menschen, die ein musisches Interesse und Talent hatten, oder die eine Liebe zu alten chinesischen Schriften und auch westlichen Büchern hatten, mussten um ihren Status und mitunter sogar um ihr Leben fürchten. Manchmal blieb keine andere Möglichkeit als das Land zu verlassen. Doch auch in der Ferne ist es nicht immer leicht, selbst wenn man keinen staatlichen Zwängen ausgesetzt ist, so ist es doch nicht jedem gegeben, seinen inneren Frieden zu finden.

Diese vielschichtige Erzählung mag zwar in manchen Bereichen etwas ausführlich geraten sein, doch fasziniert sie durch ihre geschickte Komposition und die liebevollen Worte zur chinesischen Sprache. Diesen Roman kann man nicht einfach so weglesen, doch die Zeit, die man benötigt, ist gut angelegt.

Veröffentlicht am 25.08.2023

Cromwells Fall

Feuer der Vergeltung
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Im Jahr 1540 hat sich der Anwalt Matthew Shardlake aus den Reihen von Thomas Cromwell zurückgezogen. Er hat eine ruhige Existenz mit Eigentumsfällen und der normalen Gerichtsarbeit. Er zögert deshalb als ...

Im Jahr 1540 hat sich der Anwalt Matthew Shardlake aus den Reihen von Thomas Cromwell zurückgezogen. Er hat eine ruhige Existenz mit Eigentumsfällen und der normalen Gerichtsarbeit. Er zögert deshalb als er von Joseph Wentworth gebeten wird, seine Pflegetochter Elizabeth zu vertreten, die des Mordes an ihrem Cousin verdächtigt wird. Die junge Frau schweigt und sieht deshalb einem schweren Foltertod entgegen. Um Elizabeth zu helfen, übernimmt er doch wieder einen Auftrag Cromwells. Mithilfe von dessen Dienstmann Jack Barak soll er eine Apparatur finden, mit der das Griechische Feuer verströmt werden kann und auch die Rezeptur für den Brandstoff soll herbeigeschafft werden.

In den heißen Frühjahrstagen des Jahres 1540 reibt sich Shardlake bei seinem zweiten Auftritt zwischen zwei schwierigen Fällen auf. Seinem verkrümmten Rücken ist das nicht zuträglich, doch eine Hilfe ist sein alter Freund Guy, ein ehemaliger Priester. An seine neue Hilfskraft und Bodyguard Jack Barak muss sich Matthew Shardlake noch etwas gewöhnen. Der junge Mann ist sehr forsch. Nach dem ersten guten Zusammenwirken kann Shardlake jedoch feststellen, dass Barak ein Gewinn für seine Arbeit ist. Doch seine schweigende Mandantin erleichtert es nicht, herauszufinden, was tatsächlich geschehen ist. Doch Shardlake ist sich ziemlich sicher. Elizabeth ist unschuldig. Daneben gestaltet sich die Suche nach dem griechischen Feuer schwierig, denn die Zeugen scheinen schneller zu sterben als sie befragt werden können.

Die Zeit der Tudors bekommt man hier anhand einer Kriminalgeschichte etwas näher gebracht. Mit Matthew Shardlake hat man einen sympathischen und intelligenten Ermittler, der sich seiner körperlichen Einschränkung bewusst ist, aber sich davon nicht ausbremsen lässt. Mit Akribie und Einfallsreichtum versucht er, die Angaben, die an ihn herangetreten wurden, zu bewältigen. Man ist erstaunt über die politischen Intrigen, die gesponnen werden. Und hinsichtlich des Mordes an dem Jungen tun sich die Untiefen einer Familie auf, die das Schweigen Elizabeths verständlich machen. Zwei Fälle, bei denen Shardlake sowohl an seine psychischen als auch an seine physischen Grenzen gehen muss. Die Lage wird für ihn als Mann Cromwells immer gefährlicher. Das Ganze ist informativ und spannend zu lesen. Eine tolle Sache, wenn man dann nebenbei noch ein wenig Geschichtsunterricht bekommt.

Veröffentlicht am 23.08.2023

Das Unerhörte

Commissaire Le Floch und das Phantom der Rue Royale
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Paris im Jahr 1770. Es soll ein großes Feuerwerk geben zu Ehren der Vermählung des Dauphins. Doch wie bei heutigen Ereignissen auch möglich läuft einiges schief sowohl bei der Organisation als auch bei ...

Paris im Jahr 1770. Es soll ein großes Feuerwerk geben zu Ehren der Vermählung des Dauphins. Doch wie bei heutigen Ereignissen auch möglich läuft einiges schief sowohl bei der Organisation als auch bei der Ausführung. Tragischerweise kommt es zu Gedränge und Panik. Commissaire Nicolas le Floch sieht das Unheil kommen, wird aber gehindert, sofort zu helfen. Später stellt sich heraus, dass unter den vielen Toten eine junge Frau zu finden ist, die nicht ins Muster passt. Die junge Elodie wurde nicht zu Tode gedrückt, sondern ermordet.

Bei seinem dritten Fall ist Commissaire le Floch ein erfahrener Ermittler. Nicht so sehr einverstanden ist er mit einer rivalisierenden Polizeibehörde. Diese hat die Absicherung der Veranstaltung an sich gerissen und kläglich versagt. Das kann aber so einfach nicht gesagt werden. So tragisch es ist, der Mord kommt le Floch einigermaßen zu pass, denn unter diesem Deckmantel kann er nach Hinweisen für das Versagen der anderen Polizisten suchen. Doch auch die Mordermittlung gestaltet sich alles andere als einfach. Zwar kann Elodie schnell identifiziert werden, doch ihre Familie ist schon ein seltsamer Haufen. Niemand scheint so richtig zu trauern und so richtig überrascht wirken sie auch nicht.

Wie schön, wenn man zufällig einen alten Bekannten wiedertrifft. Die le Floch Reihe hat einiges zu bieten. Angesiedelt in einer geschichtlich interessanten Zeit entführt sie in das Paris des 18. Jahrhunderts. Man erfährt von Intrigen und Ränkeschmieden. Ein alternder König will seine Macht bewahren, macht aber Fehler im Umgang mit dem Volk. Verschiedene Dienste konkurrieren, was auch nicht zum Wohl der Menschen beiträgt. Dazu kommt ein Fall, der zwar etwas weit hergeholt erscheint, zumindest wenn man an gewisse Dinge einfach nicht glaubt, aber der dennoch spannend ist. Le Flochs teilweise unkonventionelle Ermittlungsansätze gefallen und auch sein Team besteht aus sympathischen Menschen, deren Unterstützung er gewiss sein kann.