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Veröffentlicht am 10.12.2023

Sehr persönliches Sachbuch

Modern Heartbreak - Feministischer lieben
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„Modern Heartbreak“ ist das erste Sachbuch der Autorin und feministischen Bloggerin Laura Melina Berling, die als „littlefeministblog“ auf Instagram bekannt ist. Ausgehend von ihrer eigenen Situation und ...

„Modern Heartbreak“ ist das erste Sachbuch der Autorin und feministischen Bloggerin Laura Melina Berling, die als „littlefeministblog“ auf Instagram bekannt ist. Ausgehend von ihrer eigenen Situation und dem Liebeskummer nach einer plötzlich beendeten Beziehung liefert sie hiermit eine Geschichte über die Liebe in der heutigen Zeit, die in insgesamt vier große Kapitel aufgeteilt ist.

Das erste dürfte das wohl persönlichste sein und handelt von der eigenen Trennung, aber auch davon, wie Scheidung und Tod die Sicht der Autorin auf Beziehungen beeinflusst haben. Trauer und Liebe haben für sie eine feste Verbindung. Zentral ist zudem das Thema der Schuld. Sind wir wirklich „selbst schuld“ am Singledasein? Und warum wird uns Frauen die Liebe als ultimative Erfüllung versprochen? Im zweiten Kapitel geht es dann um Liebe und Macht – darum, wie Abhängigkeit in Beziehungen entsteht (Gewalt, unterschiedlicher Status, ungleich verteilte Fürsorgearbeit, Ehe) und dass stets derjenige die Kontrolle behält, der distanzierter bleibt.

Kapitel drei gibt einen kurzen Abriss über die Geschichte der Liebe von der Antike, über Mittelalter und Romantik bis in die Moderne. Berling zeigt dabei, wie sich die Bewertung von Liebe und Ehe verändert. Im vierten und letzten Kapitel erfolgt dann ein Blick in die Zukunft und vor allem auf das Thema Online-Dating. Die scheinbar unendliche Auswahl an potenziellen Partner*innen dort lässt die Liebe beinahe zur Ware verkommen. Wie kann also Gleichberechtigung und gegenseitige Fürsorge in modernen Beziehung erreicht und der Fokus wieder stärker auf Begegnungen im wahren Leben gelegt werden?

Laura Melina Berling ist hier ein sehr persönliches Buch gelungen. Durch Worterklärungen in den jeweiligen Kapiteln und in einem Glossar am Ende ist es darüber hinaus sehr zugänglich und verständlich. Zudem arbeitet sie mit Triggerwarnungen und Wichtiges ist im Text stets fett gedruckt. Literaturempfehlungen am Ende ergänzen das Gesagte – wer einige dieser Bücher schon gelesen hat, dürfte jedoch die zentralen Gedanken von „Modern Heartbreak“ bereits kennen.

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Veröffentlicht am 07.12.2023

Magische Weihnachtsgeschichte

Weihnachten in Prag
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Es ist Heiligabend und Jára will sich eigentlich mit seinen Freunden in der Altstadt Prags treffen. Doch die kann er nicht erreichen und so macht er sich, nach einem Besuch in der Lieblingskneipe seines ...

Es ist Heiligabend und Jára will sich eigentlich mit seinen Freunden in der Altstadt Prags treffen. Doch die kann er nicht erreichen und so macht er sich, nach einem Besuch in der Lieblingskneipe seines Vater, auf einen Spaziergang durch die weihnachtlichen Straßen. Begleitet wird er dabei von Kavka, der jedoch Kafka genannt wird und dem „König von Prag“, der von sich selbst behauptet, die Schlüssel zur ganzen Stadt Prag zu haben. Schließlich lernen die drei auch noch eine italienische Witwe kennen, die sich auf den Spuren ihres verstorbenen Liebsten befindet.

„Weihnachten in Prag“ ist eine winterliche Kurzgeschichte des tschechischen Schriftstellers Jaroslav Rudiš. Die wunderbaren Illustrationen, die dem Buch seinen Charme verleihen, stammen von seinem Freund, dem Musiker und Comiczeichner Jaromír 99. Gemeinsam gründeten beide übrigens die Kafka Band, die sich musikalisch mit den Werken des berühmten tschechischen Autors auseinandersetzt. Im vorliegenden Text ist es Rudiš literarisches Ich, das erzählend durch die Stadt spaziert.

Die Atmosphäre im Buch ist absolut stimmig. Wir bewegen uns durch die Altstadt Prags, es schneit, das Licht ist wie weichgezeichnet, die Geräusche gedämpft. Zu Beginn verhält sich der Protagonist auch noch ganz pragmatisch, kehrt in eine Kneipe ein und trifft Menschen. Doch nach und nach zieht eine gewisse Magie in die Geschichte ein. Er begegnet zuerst Kavka, dessen Kopf aus unerklärlichen Gründen hell leuchtet, dann dem „König von Prag“, der sich nach seinen Kindern sehnt, sie aber nicht sehen darf. Gemeinsam retten sie Weihnachtskarpfen das Leben, sprechen über Literatur und begegnen schließlich der italienischen Witwe.

„Weihnachten in Prag“ ist ein leises Buch und eine Liebeserklärung an diese besondere Stadt. Die italienische Witwe lässt sie uns durch die Augen ihres „Tesoro“, ihres Schatzes betrachten, der Prag so sehr liebte, aber inzwischen verstorben ist. Teilweise ist es schwer, die Realität von der Fiktion zu unterscheiden, aber in einem solch besonderen Abend darf es auch ruhig ein wenig magisch zugehen. Einziges Manko: einfach zu kurz!

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Veröffentlicht am 12.11.2023

Epische Familiengeschichte

Die Gebärmutter
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Qi Nianci ist die Matriarchin der Familie Chu, eine kleine Frau mit gebundenen Füßen und einem starken Willen, alle(s) um sie herum zusammenzuhalten. Dinge, die für sie selbstverständlich waren, wie die ...

Qi Nianci ist die Matriarchin der Familie Chu, eine kleine Frau mit gebundenen Füßen und einem starken Willen, alle(s) um sie herum zusammenzuhalten. Dinge, die für sie selbstverständlich waren, wie die Rolle der Frau und die Ein-Kind-Politik, entwickeln sich in der Generation ihrer Tochter Wu Aixiang und vor allem der ihrer Enkelkinder ganz anders. Fünf Mädchen sind es und ein Junge, deren Leben sich in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt: mal hin zur traditionellen Familie auf dem Land, mal zum Großstadtleben ohne Kinder.

„Die Gebärmutter“ ist der neuste Roman der chinesischen Schriftstellerin Sheng Keyi. Sie verfügt international über ein sehr anerkanntes Werk, im Deutschen liegt bisher nur diese Übersetzung von Frank Meinshausen vor. Erzählt wird hier auf eine sehr komplexe Weise über mehrere Jahrzehnte hinweg. Die Handlung folgt dabei keinem strikten Ablauf, sondern springt zwischen Figuren und Zeitebenen hin und her, so als würde jemand unmittelbar die Lebensgeschichte der Familie schildern und dabei immer wieder abschweifen. Zum Glück hilft ein Familienstammbaum bei der Orientierung.

Die Handlung beginnt mit der Kastration eines Hahns – einer der späteren Ehemänner der Enkelinnen Qi Niancis tut dies beruflich – damit ist auch das grundlegende Thema das Romans gesetzt: Ehe, Fruchtbarkeit, Reproduktion. Und natürlich haben die Frauen dabei nicht allzu viel mitzureden. Ihre Körper sind fremdbestimmt. Von ihren Müttern oder Schwiegermüttern, ihren Männern oder dem Staat, der sie wahlweise zur Abtreibung oder Sterilisationen zwingt. Manche von ihnen fügen sich, finden Erfüllung in der Rolle als (Gebär-)Mutter, manche kämpfen für ein anderes, selbstbestimmtes Leben.

Es ist eine großartige, geradezu epische Familiengeschichte, die Sheng Keyi hier erzählt und mit der sie einen kritischen Blick auf die chinesische, aber durchaus auch unsere Gesellschaft wirft. Männer kommen hier, bis auf einige Ausnahmen, nicht gut weg, aber ich bin der Meinung, dass diese Geschichte genau so erzählt werden muss. Na gut, vielleicht etwas weniger verwirrend und dafür stringenter.

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Veröffentlicht am 02.11.2023

Solider zweiter Band

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam
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Rentnerin Judith Potts hat sich immer noch nicht recht von den Erlebnissen im letzten Sommer erholt, als sie von ihrem Nachbarn Sir Peter Bailey zu einem Empfang auf seinem Anwesen eingeladen wird. Dieser ...

Rentnerin Judith Potts hat sich immer noch nicht recht von den Erlebnissen im letzten Sommer erholt, als sie von ihrem Nachbarn Sir Peter Bailey zu einem Empfang auf seinem Anwesen eingeladen wird. Dieser möchte nämlich am nächsten Tag seine ehemalige Krankenschwester Jenny Page heiraten. Auf der Feier gerät der Hausherr dann erst in einen Streit mit seinem Sohn Tristram und wird dann von einem Schrank erschlagen. Die Polizei glaubt an einen Unfall, doch Judith und ihre Freundinnen Becks und Suzie wissen es besser und nehmen die Ermittlungen auf.

„Mrs Potts Mordclub und der tote Bräutigam“ ist der zweite Band der Reihe um die Hobbydetektivin und ihre beiden Freundinnen. Robert Thorogood ist darüber hinaus als Autor der „Death in Paradise“-Romane bekannt, auf denen die gleichnamige TV-Serie basiert. Erzählt wird die Handlung erneut aus Judiths Blickwinkel in der dritten Person und Vergangenheitsform. So begleiten wir die Protagonistin hautnah bei ihren Nachforschungen und teilen ihre Gedanken und Rückschlüsse.

Der Fall an sich ist ein klassisches Locked in-Rätsel, denn Sir Peter wird in seinem verschlossenen Arbeitszimmer gefunden, den einzigen Schlüssel in der Tasche. Verdächtige gibt es einige, zumal der Verstorbene erst vor kurzem noch sein Testament geändert hat. Doch neben der Frage, wie der Mord in einem abgeschlossenen Zimmer verübt werden konnte, ergibt sich ein weiteres Problem: alle haben ein hieb- und stichfestes Alibi. Und auch unsere Ermittlerinnen haben alle drei ihre privaten Schwierigkeiten: Judith kämpft mit den Erinnerungen an den letzten Mord und den Tod ihres Mannes, Suzie hat finanzielle Probleme und Becks scheint ein Geheimnis zu verbergen.

„Mrs Potts Mordclub und der tote Bräutigam“ ist ein solider zweiter Band, der eine gute Balance zwischen dem Privatleben der Detektivinnen und dem Kriminalfall bietet. Dieser kommt sehr klassisch daher, am Ende erscheint jedoch die Auflösung des Mords im verschlossenen Raum etwas konstruiert, was ein Mitraten leider erschwert. Dennoch mag ich die Reihe und ihre Figuren gerne und werde sie auch weiterhin begleiten.

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Veröffentlicht am 11.09.2023

Solider Krimi mit modernen Elementen

Mord im Christmas Express
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Es ist der Abend vor Weihnachten und die pensionierte Polizeibeamtin Roz ist auf dem Weg zu ihrer Tochter, die kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes steht. Sie hat den Nachtzug gebucht, der von London ...

Es ist der Abend vor Weihnachten und die pensionierte Polizeibeamtin Roz ist auf dem Weg zu ihrer Tochter, die kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes steht. Sie hat den Nachtzug gebucht, der von London durch die schottischen Highlands nach Fort William fährt. An Bord sind die unterschiedlichsten Fahrgäste: eine Familie mit Kindern, eine Gruppe Student*innen, Mutter und Sohn, einige Einzelpersonen, ein Influencerpärchen und ein blinder Passagier. Doch dann bleibt der Zug unterwegs im Schnee liegen und ein Mord geschieht.

„Mord im Christmas Express“ ist der erste, ins Deutsche übersetzte Roman der Schriftstellerin und Drehbuchautorin Alexandra Benedict. Erzählt wird hauptsächlich aus der Perspektive der Protagonistin (und unfreiwilligen Ermittlerin) Roz in der dritten Person und der Vergangenheitsform; diese wechselt aber auch zu Influencerin Meg und einer weiteren unbekannten Person unter den Reisenden. Die Sprache ist klar und modern, was sich auch in den behandelten Themen widerspiegelt.

Das Buch wird als moderne Version eines Agatha Christie-Romans beschrieben und das kann man durchaus so stehen lassen - wenn auch die Konstruktion des Falls weniger raffiniert ist. Die Autorin präsentiert uns ein klassisches Locked-In-Rätsel, denn das Opfer wurde bei geschlossener Tür im eigenen Abteil getötet, kurz bevor es etwas Wichtiges öffentlich machen konnte. Im Verlauf der Ermittlungen muss Roz außerdem feststellen, dass einige der Anwesenden Geheimnisse und Verbindungen untereinander haben – und am Ende trägt sie auch in guter Poirot-Manier die Auflösung vor.

Thematisch gesehen hätte „Mord im Christmas Express“ durchaus eine Triggerwarnung nötig, denn hier liegt keinesfalls ein Cozy Krimi vor. Roz selbst kämpft seit vielen Jahren mit einer traumatische Erfahrung, die sie von Tochter Heather entfremdet hat und auch einige der Reisenden tragen die unterschiedlichsten „Päckchen“ mit sich herum. Andererseits verleihen gerade diese Hintergrundinformationen und kleinen Nebenstränge der Handlung eine gewisse Tiefe, aber natürlich auch Schwere. Ein solider Krimi mit modernen Elementen.

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