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Veröffentlicht am 01.10.2023

Abwechslungsreiche Erzählung in der die Figuren Höhen und Tiefen erleben

Die Frauen vom Lindenhof - Gemeinsam der Zukunft entgegen
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Im dritten Band der Trilogie „Die Frauen vom Lindenhof“ vom Autorinnenduo Andrea Bottlinger und Claudia Hornung, das die Reihe unter dem Pseudonym Katharina Oswald geschrieben hat, steht ein Generationenwechsel ...

Im dritten Band der Trilogie „Die Frauen vom Lindenhof“ vom Autorinnenduo Andrea Bottlinger und Claudia Hornung, das die Reihe unter dem Pseudonym Katharina Oswald geschrieben hat, steht ein Generationenwechsel bei Familie Wagner an, die seit etwa vierzig Jahren eine Schreinerei für Puppenmöbel in der Nähe von Hall in Baden-Württemberg betreibt. Wer bald die Geschicke des Unternehmens leiten wird und damit entsprechend dem Untertitel „Gemeinsam der Zukunft entgegen“ steuert, entscheidet sich erst zum Ende des Buchs hin.

Marianne, die einst in den 1950ern die Schreinerei ihres verstorbenen Vaters weitergeführt hat, aber seit einem Unfall selbst nicht mehr in der Werkstatt arbeiten kann, gibt das letzte Wort bei wichtigen Entscheidungen nicht ab. Das erfährt auch Franziska, die kurz nach ihrer Geburt von Mariannes Tochter Corinna adoptiert wurde. Schon als junges Mädchen beschäftigt sie sich gerne mit Holz. Während ihre Mutter sie vor einer unüberlegten frühen Entscheidung der Berufswahl schützen möchte, wendet Franziskas Großmutter sich an ihre ältere Nichte, der sie Leitungskompetenz zuschreibt, um ihr die Führung des Unternehmens anzuvertrauen. Die 18-jährige Franziska entscheidet sich dazu, den Sommer des Jahres 1999 im Erzgebirge zu verbringen und dort die besondere Holzkunst der Seiffener zu erkunden. Außerdem findet sie bei dem Sozialpädagogen Christian eine Schulter zum Anlehnen.

Während die beiden ersten Bände zeitlich über mehrere Jahre spielen, zieht sich die Handlung des dritten Teils lediglich über wenige Monate hinweg. Als Leserin lernte ich einiges über die Seiffener Kunst der Herstellung von Spielzeug. Zwar hatte ich noch nie von der erzgebirgischen Tradition des Reifendrehens gehört, die im Roman erläutert wird, aber Räuchermännchen, Pyramiden und Schwibbögen sind mir schon lange bekannt und ebenso typisch für die Region.

In der Zeit, die seit den Handlungen in Band 2 vergangen ist, hat die Jugend mehr Freiheit erlangt, ungehindert ihre Meinung zu äußern und gehört zu werden. Mit Christian führen die Autorinnen eine Figur ein, dessen Beruf ihn mit Jugendlichen zusammenarbeiten lässt. Dadurch werden einige gegenwartsnahe Probleme aufgezeigt.

Im durchgehend abwechslungsreichen Geschehen der Geschichte haben die Protagonistinnen der Familie Wagner einige Sorgen zu ertragen. Die Autorinnen schildern deren bewegende Gefühle im Umgang damit und auch, dass man sich manchmal professionelle Hilfe bei der Bewältigung einholen sollte. Eine Person an der Seite zu wissen, der man sich anvertrauen kann, gibt Mut. Ein offener und ehrlicher Umgang miteinander vermittelt Sicherheit darüber, auf welchen Tatsachen man seine Entscheidungen treffen kann.

Auch im abschließenden Band der Serie „Die Frauen vom Lindenhof“ lässt Katharina Oswald ihre Figuren über viele Höhen und Tiefen gehen, was die Erzählung abwechslungsreich gestaltet. In dritter Generation steht Franziska bereit in den Betrieb der Schreinerei der Familie Wagner einzusteigen und wird noch vor ihrem ersten Arbeitstag mit den Unwägbarkeiten des Berufs konfrontiert. Liebe und Hass, Hoffnung und Resignation führen den Lesenden über die Seiten hinweg. Die Geschichte hat mich bestens unterhalten und daher empfehle ich sie gerne weiter.

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Veröffentlicht am 01.10.2023

Verständliche und unterhaltsame Erzählung über den Wettlauf zur Entwicklung der Polio-Impfung

Die Formel der Hoffnung
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In ihrem Roman „Die Formel der Hoffnung“ beschreibt Lynn Cullen den Werdegang der Ärztin und Forscherin Dr. Dorothy Millicent Horstmann, die sich über viele Jahre ihres Lebens hinweg für eine Prävention ...

In ihrem Roman „Die Formel der Hoffnung“ beschreibt Lynn Cullen den Werdegang der Ärztin und Forscherin Dr. Dorothy Millicent Horstmann, die sich über viele Jahre ihres Lebens hinweg für eine Prävention gegen Kinderlähmung eingesetzt hat. Sie starb 2001 im Alter von 90 Jahren. Als Leserin konnte ich die Wissenschaftlerin in der Zeit von 1940 an bis zum Jahr 1963 begleiten.

Dorothy M. Horstmanns Eltern sind deutscher Herkunft. Wenige Jahre nach ihrer Emigration wird die Mutter zur Alleinverdienenden, doch sie setzt alles daran, Dorothy den Weg für eine Karriere zu ebnen. Die Ärztin fällt immer wieder durch ihre Größe auf und überragt meist ihre Kollegen. Doch bei ihrer Stellensuche wird ihre Bewerbung bewusst übergangen, denn es ist damals schwierig, als Frau eine leitende Position zu erhalten. Nur durch einen Irrtum gelingt ihr der berufliche Einstieg in einem Assistenzprogramm. Doch unbeirrt geht sie ihren Weg, denn ihr Ziel ist es, Kindern eine Zukunft ohne Sorge vor Lähmungen und Tod zu geben.

Der Weg zu einem Impfstoff gegen Polio ist gefüllt mit Hoffnung und vielen Rückschlägen. Es gibt mehrere Virologen, die sich am Wettlauf zur Entwicklung einer Impfung beteiligten. Zweien von ihnen gelingt es schließlich, entsprechende Fortschritte zu verzeichnen. Lynn Cullen verdeutlicht, dass deren Forschung abhängig von Geldgebern war, was für Dorothy ein Problem darstellte. Immer wieder wird sie aufgrund ihres Geschlechts übergangen. Einer Frau wurden Haushalt und Familie zugestanden und erwartet, dass sie ihren Beruf nach einer Heirat aufgab. Die Autorin führt dazu im Roman zahlreiche Beispiele in Form von historischen, weiblichen Personen an. Im Roman spielen sie zwar nur eine Nebenrolle, aber sie in der Realität leisteten sie wichtige Beiträge, damit der Impfstoff gefunden werden konnte, ohne dass ihr Name in Abhandlungen zum Thema Eingang gefunden hat.

Vermutlich blieb Dr. Dorothy M. Horstmann auch deshalb unverheiratet und ohne Kinder, weil sie aufgrund häufig spontan anfallender Reisetätigkeiten in den Fällen von Polioausbrüchen rund um die Welt, immer wieder und auch manchmal lange andauernd von Daheim abwesend war. Dennoch erdenkt die Autorin sich für die Wissenschaftlerin eine Liebe, die sich ganz natürlich in deren Leben einfügt.

Die Ärztin sichert sich die Schätzung ihrer Kollegen durch die Entdeckung, dass das Virus über das Blut in die Nervenbahn eindringt. Obwohl ihr damit eine Ehrung durch einen Nobelpreis verwehrt bleibt, wie sicherlich vielen weiteren Wissenschaftlern auch, erarbeitete sich Dr. Horstmann immer mehr Respekt unter den mit der Erforschung von Polio Beschäftigten.

Lynn Cullen verknüpft in ihrem Roman „Die Formel der Hoffnung“ die ihr durch eine sehr gute Recherche bekannten Fakten des Lebens der Ärztin Dr. Dorothy M. Horstmann mit erdachten, aber überaus passenden Begebenheiten und bringt damit einem breiten Publikum eine bedeutende, aber eher unbekannte weibliche Persönlichkeit näher. Nebenher übt sie Kritik an der Gesellschaft in den mittleren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts im Umgang mit Frauen, die eine berufliche Karriere anstreben. Als Leserin erfuhr ich viele Details über den Wettlauf zur Entwicklung des Impfstoffs gegen Polio, die die Autorin verständlich und auf unterhaltsame Weise in ihre Erzählung einfließen lässt. Sehr gerne empfehle ich das einfühlsam geschriebene Buch weiter.

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Veröffentlicht am 22.09.2023

Zwischen Wahrheit, Legenden und Flunkereien

Nincshof
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Im Burgenland, direkt an der Grenze zu Ungarn, liegt das fiktive Örtchen Nincshof. Wohlüberlegt hat die Autorin Johanna Sebauer den Haupthandlungsort ihrer Geschichte so genannt, denn „nincs“ bedeutet ...

Im Burgenland, direkt an der Grenze zu Ungarn, liegt das fiktive Örtchen Nincshof. Wohlüberlegt hat die Autorin Johanna Sebauer den Haupthandlungsort ihrer Geschichte so genannt, denn „nincs“ bedeutet im ungarischen „es gibt keins“. Die Verschwörung dreier Bewohner will genau das erreichen, nämlich nichts Geringeres, als dass das Dorf aus dem Gedächtnis der Welt verschwindet. Alten Legenden nach war das früher so und brachte den Vorteil, dass sie staatlichen Verpflichtungen wie zum Beispiel dem Zahlen von Steuern und der Wehrpflicht entgingen. Sie möchten wieder frei in allen ihren Entscheidungen werden. Die große Herausforderung stellen die heutigen sozialen Medien dar und ich war von Beginn an nicht nur gespannt, wie sie ihr Ziel erreichen wollen, sondern natürlich auch, ob sie erfolgreich sind.

Als erstes werben die Oblivisten, wie die Verschwörer sich nennen, die bereits über achtzigjährige Erna für ihr Vorhaben an. Nebenher hat deren Mitwirken den Effekt, dass sie einen Versammlungsort in ihrer Küche haben und sich gerne von ihr mit leckeren Snacks versorgen lassen. Der Zuzug einer Familie aus Wien trübt ihre Erfolge, denn mit deren Plan, einer Irrziegenzucht Touristen anzulocken, stehen sie konträr dazu, das Dorf dem Vergessen anheim zu geben.

Der Roman ist eine herrliche Komödie, die mit vielen eigenartigen Ideen aufwartet zu denen Ernas nächtliche Besuche im Swimmingpool der Nachbarn gehören, Pusztafeigen und deren Wirkung sowie jede Menge Einfälle und deren Umsetzung durch die Oblivisten. Die Figuren sind liebevoll gestaltet, voller Eigenleben und ausgestattet mit zahlreichen Macken. Zwischen der amüsanten Geschichte schwingt das Thema des Heischens nach Aufmerksamkeit. Viele versuchen in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen und inszenieren sich entsprechend, wobei sie andere ungewollt ins Rampenlicht rücken und ihre Entscheidungsfreiheit dabei ein Stück einschränken. Johanna Sebauer weist dadurch darauf hin, dass dies eins der Dinge des Zuviels ist, die neben zu viel Arbeit, zu viel Essen und zu wenig Zeit an unserer Gesundheit knabbern.

Wahrheit, Legende und Lügen sind in Nincshof eng beieinander angesiedelt und die Erzählungen über die Vergangenheit und die Ereignisse der Gegenwart lassen sich nicht einfach zuordnen, was sehr zum Vergnügen des Lesenden beiträgt. Ich habe das Buch sehr genossen und vergebe gerne eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Dritter Teil der Fräulein vom Amt- Serie: hält mit den beiden vorigen Büchern überaus mit

Fräulein vom Amt – Spiel auf Leben und Tod
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Im Jahr 1925 erstickt unweit der Spielstätte des Internationalen Schachturniers in Baden-Baden die noch jugendliche Wäscherin Gertrude in einer Wäschetrommel der Dampfwaschanstalt. Im dritten Band der ...

Im Jahr 1925 erstickt unweit der Spielstätte des Internationalen Schachturniers in Baden-Baden die noch jugendliche Wäscherin Gertrude in einer Wäschetrommel der Dampfwaschanstalt. Im dritten Band der Reihe über das Fräulein vom Amt mit dem Untertitel „Spiel auf Leben und Tod“ von Charlotte Blum bemüht sich Alma Täuber, die titelgebende Protagonistin, um die Aufklärung der Umstände unter denen die Angestellte der Wäscherei ums Leben kam. Eine Kollegin hat sie um ihre Mithilfe gebeten, denn die Verstorbene ist eine Cousine und Mitbewohnerin von ihr.

Alma zögert zwar zu helfen, aber es ärgert sie, dass die Kollegen von Kriminalkommissar Ludwig Schiller, mit dem sie bereits seit längerem fest befreundet ist, den Tod der Wäscherin als Selbstmord oder Unfall zu den Akten heften. Schnell erkennt sie Ungereimtheiten und überlegt gemeinsam mit ihrer Freundin und Mitbewohnerin Emmi und ihrem Cousin Walter, der beruflich in der Stadt ist, wie sie an nähere Informationen über die Verstorbene und deren privates Tun und Lassen gelangen kann.

Am Schachturnier hat sie zunächst wenig Interesse, begleitet ihren am Spiel interessierten Freund aber zu einer Veranstaltung und erfreut sich an der Atmosphäre der Veranstaltung. Später erfährt sie davon, dass während der Spiele Langfinger unterwegs sind. Die Ermittlungen kommen nur schleppend voran. Alma weiß, dass es weit hergeholt ist zu überlegen, ob der Tod von Gertrude in Verbindung mit den Diebstählen steht, bis sie in eine für ihr eigenes Leben bedrohliche Situation gerät.

Erneut verbindet das Autorinnenduo, das unter dem Pseudonym Charlotte Blum schreibt, einen fiktiven Kriminalfall mit historischen Fakten, zu denen das Schachturnier gehört, das von der Stadtverwaltung der Kur- und Bäderstadt damals veranstaltet wurde. Es gelingt ihnen, durch zahlreiche Beschreibungen der Umgebung, kulturellen Begebenheiten und politischen Hintergründen ein vorstellbares Bild der damaligen Zeit entstehen zu lassen. In einem Glossar am Ende des Buchs erhält man kurze Erläuterungen zu damals wichtigen Persönlichkeiten, zu Literatur, Musik und verschiedenen zeitgeschichtlichen Begrifflichkeiten.

Die Entwicklungen im Fernmeldewesen in Form der technischen Neuerung des Selbstwählapparats bringen Alma zum Grübeln über ihre berufliche Zukunft. Mit den neun Kolleginnen ihrer Schicht kommt sie gut zurecht. Man hilft einander oder lästert gemeinsam. Ihren Heiratswunsch hat die Protagonistin bisher aufgeschogen, weil sie dann ihre Arbeitsstelle aufgeben müsste. Täglich wartet sie darauf, dass es Entlassungen geben wird.

Bei den Ermittlungen sorgen die Verbindungen zu Bekanntschaften der lebenslustigen Emmi für AnsprechpartnerInnen, die Alma dazu nutzt, weiterführende Informationen zu erhalten. Aufgrund ihrer vergangenen Erfahrungen machte sie diesmal auf mich einen forscheren Eindruck, wenn es darum ging, sich unbekannten Situationen auszusetzen wie beispielsweise dem Besuch eines als verwerflich angesehenen Lokals.

Mit dem dritten Band „Spiel auf Leben und Tod“ der Serie um Alma Täuber, dem „Fräulein von Amt“ knüpft Charlotte Blum nahtlos an die erfolgreichen ersten beiden Bände an. Der zu ermittelnde Fall ist ansprechend gewählt und ungewöhnlich, so dass er Anreiz zum Miträtseln bietet. Die Verknüpfung mit dem tatsächlich stattgefundenen Schachturnier des Jahrs 1925 in Baden-Baden ist geschickt gesetzt und in der Umsetzung gelungen. Das Buch ist ein Must-Read für alle Fans der Serie und sehr gerne empfehle ich das Buch an alle Freunde historischer Kriminalromane weiter.

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Veröffentlicht am 11.09.2023

Einfühlsame Erzählung über zwei Frauen verschiedener Jahrhunderte und die Wertschätzung ihrer Arbeit

Marschlande
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Zwei Frauen und 500 Jahre, die sie voneinander trennen und dennoch findet Jarka Kubsova in ihrem Roman „Marschlande“ verbindende Elemente in deren Suche nach einem eigenständigen Leben. Abelke Bleken lebte ...

Zwei Frauen und 500 Jahre, die sie voneinander trennen und dennoch findet Jarka Kubsova in ihrem Roman „Marschlande“ verbindende Elemente in deren Suche nach einem eigenständigen Leben. Abelke Bleken lebte im 16. Jahrhundert und ist eine historisch verbürgte Person, die die Autorin mit Leben füllt. Die im Südosten Hamburgs ansässige Britta Stoever ist dagegen eine rein fiktive Figur, in deren Charakter sich manche Leserin sicher wiederfinden wird. Der Alltag der beiden ist sehr verschieden in eben jener, als Marschlande bezeichneten Gegend, stellt aber die zwei Frauen in ihrer jeweiligen Zeit vor besondere Herausforderungen.

Abelke bewirtschaftet den großen geerbten Hufnerhof ganz allein, nachdem ihr Personal nach einem Deichbruch sie verlassen hat, um andernorts mehr zu verdienen. Sie steht in der Verantwortung, die Schäden am Deich in kurzer Zeit ausbessern zu müssen. Ihre Hoffnung auf Hilfe schwindet immer mehr und sie erkennt, dass ihre Rolle als Frau damit in Zusammenhang steht, denn die meisten ihrer Zeitgenossen und -genossinnen sehen das weibliche Geschlecht als Versorgerin von Küche und Kindern. Aber Abelke ist ohne Partner*in.

Auch Brittas Mann sieht Jahrhunderte später seine Frau am liebsten am Herd und in der Umsorgung der Tochter und des Sohns. Er selbst ist im Beruf erheblich eingespannt und stolz darauf, mit seinem Gehalt den kürzlichen Hauskauf finanzieren zu können. Britta erhält in ihrem Halbtagsjob, dessen Anforderungen hinter ihren Kenntnissen zurückbleiben, kaum Anerkennung.

Bei beiden Frauen nährt sich die Wut darüber, dass sie nicht gleichberechtigt behandelt werden. Abelke fühlt sich im Vergleich mit anderen Hufbauern zurückgesetzt und Britta spürt das Ungleichgewicht, wenn es um die Aufgabenverteilung in ihrer Ehe geht. Dabei nutzt auch Reden nichts, denn diejenigen, die ihren Vorrang erworben haben und damit auch eigene Vorteile, werden von ihrer Position kaum weichen. Wenn sie aus ihrem Umfeld heraus unterstützt werden, kann es sein, dass sie gleicher als gleich werden; Orwell lässt grüßen. Währenddessen staut sich bei den Frauen der Frust an.

Britta beschäftigt sich mit dem Schicksal Abelkes, nach der in Hamburg eine Ringstraße benannt ist, und wird sich dabei umso mehr ihrer eigenen Probleme bewusst. Anders als früher findet sie heute offene Ohren für ihre Sorgen und vermag es, Konsequenzen zu ziehen.

Jarka Kubsova bindet die von ihr geschilderten Lebensabschnitte der Frauen in eine Umgebung ein, die häufiger extremen Wetterkapriolen ausgesetzt ist. Stürme und Überschwemmungen fordern den Bewirtschaftern der Böden einiges ab. Dank der schnörkellosen Beschreibungen konnte ich mir die Gegend beim Lesen gut vorstellen und empfand sowohl die Härte der damaligen Bestellungsarbeiten wie auch die Schönheit der malerischen Landschaft, wie sie sich bis heute darstellt.

In ihrem Roman „Marschlande“ beschreibt Jarka Kubsova einfühlsam zwei Frauenleben, die durch viele Jahrhunderte getrennt sind und in denen sich dennoch Gemeinsamkeiten in ihrem Streben nach Selbstbestimmung finden. Wie in ihrem Buch „Bergland“ setzt sie auch hier eine Akzentuierung auf das Ansehen der Arbeit von Frauen und zeigt im Vergleich von damals und heute, wie klein der Fortschritt auf dem Gebiet der Gleichberechtigung ist. Für mich ist das Buch erneut ein Lesehighlight und darum empfehle ich es gerne weiter.

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