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Veröffentlicht am 12.09.2023

Der Fluch

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Wien, 1894: Im Kunsthistorischen Museum liegt eine Mumie – grundsätzlich nichts Außergewöhnliches, diese konservierte Leiche ist jedoch nicht mehrere tausend Jahre alt, sondern noch recht frisch, schließlich ...

Wien, 1894: Im Kunsthistorischen Museum liegt eine Mumie – grundsätzlich nichts Außergewöhnliches, diese konservierte Leiche ist jedoch nicht mehrere tausend Jahre alt, sondern noch recht frisch, schließlich hat man den bekannten Ägyptologen Professor Alfons Strössner noch wenige Wochen zuvor gesehen. Schnell geht man von einem Fluch aus, möchte den Fall alsbald schließen, doch Leo von Herzfeldt glaubt nicht an Übernatürliches, sondern an einen gefinkelten Mord.

Mit seiner unvergleichlichen Art, Geschichten zu erzählen, fesselt Oliver Pötzsch seine Leser auch bei diesem zweiten Fall im historischen Wien von Anfang bis zum Ende. Von ägyptischen Ausgrabungen über diverse Bräuche der Leichenbestattung bis zum Tierpark am Prater und in Wiens Unterwelt erstrecken sich die interessanten und bestens recherchierten Themen. Im Kommissariat geht es nicht immer freundlich zu, dennoch bleibt der „Piefke aus Graz“, zudem noch Jude, mit seinen neuen Ermittlungsmethoden seiner Linie treu und lässt sich nicht unterkriegen. Das Flair von Wien Ende des 19. Jahrhunderts ist bestens eingefangen, die flackernden Gaslampen, Pferdetramways, neumodische Automobile, das unterirdische Kanalnetz, elegante Herren mit schwarzen Anzügen und Zylinder, Damen mit modernen Kostümen, daneben einfache Arbeiter in abgewetzter Kleidung oder Totengräber Augustin Rothmayer, von dem immer ein etwas strenger Geruch ausgeht, der aber überaus intelligent und belesen ist. Mit Kameras werden Tatorte abgelichtet, was nicht immer auf Verständnis sorgt, da die Archive ohnehin schon überquellen, aber die moderne Kriminalistik nach Hans Gross muss auch in Wien Einzug halten. Exzellent charakterisierte Figuren und eingestreute Wiener Dialektwörter erschaffen eine außerordentlich gelungene Atmosphäre, der man sich einfach nicht entziehen kann, für Nichtwiener gibt es am Ende ein Wörterbuch „Wienerisch für Piefkes“ und für alle interessierten Leser ein überaus wertvolles Nachwort mit Hinweisen auf Tatsachen und wahre Begebenheiten, welche Eingang in den Roman gefunden haben.

Kurzum, auch diesmal halte ich ein wunderbares Buch aus der Feder Oliver Pötzsch‘ in Händen, das ich sehr gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Das Testament

Groll
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Zum Nachteil seiner sehr jungen Ehefrau möchte der bekannte und erfolgreiche Chirurg Vittorio Leonardi sein Testament abändern. Wenige Wochen danach ist er tot. Hat die nunmehrige Witwe rasch nachgeholfen ...

Zum Nachteil seiner sehr jungen Ehefrau möchte der bekannte und erfolgreiche Chirurg Vittorio Leonardi sein Testament abändern. Wenige Wochen danach ist er tot. Hat die nunmehrige Witwe rasch nachgeholfen oder handelt es sich tatsächlich um einen schlichten Herzinfarkt? Die ehemalige Staatsanwältin und aktuell (illegale) private Ermittlerin Penelope Spada wird von Leonardis Tochter Marina zwei Jahre später zu Rate gezogen. Der Fall scheint klar und aussichtslos, denn der Tote wurde umgehend eingeäschert.

Mit unverwechselbarem Schreibstil erzählt Carofiglio diese Geschichte aus der Sicht der – in ihren eigenen Augen – gescheiterten Penelope. Zigaretten, Alkohol und ausufernde Sporteinheiten bringen sie durch den Tag, Bullterrier Olivia ist ihr einziger treuer Begleiter. Während sie sich in die Nachforschungen vertieft, schwenkt die Handlung immer wieder um fünf Jahre in die Vergangenheit zu einem anderen interessanten Fall, zu Penelopes Zeit als Staatsanwältin. Ruhig und strukturiert legt diese ihre Ermittlungen an, eine stilistisch hervorragende Reise zu menschlichen Überlegungen und psychologischen Abgründen beginnt. Fein charakterisiert werden die wesentlichen Figuren, langsam nähert man sich der Wahrheit an, denn nichts als die Wahrheit ist das, was die Opfer wirklich wollen.

Ein absolut außergewöhnlicher Kriminalroman, der durch die Sprache eines Staatsanwaltes besticht und einem aussichtslosen Unterfangen Raum gibt. Auch die wenigen Figuren und die (Rahmen)Handlung überzeugen rundum. Schön, dass ich mit „Groll“ einen weiteren fabelhaften Schriftsteller kennengelernt habe!

Veröffentlicht am 03.09.2023

Leiche im Lavafeld

Verlogen
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Wenige Wochen vor Weihnachten finden spielende Kinder im Lavafeld bei Grábrók eine verweste Leiche auf. Tatsächlich handelt es sich um die seit sieben Monaten vermisste alleinerziehende Mutter Maríanna. ...

Wenige Wochen vor Weihnachten finden spielende Kinder im Lavafeld bei Grábrók eine verweste Leiche auf. Tatsächlich handelt es sich um die seit sieben Monaten vermisste alleinerziehende Mutter Maríanna. Während die Polizei ursprünglich von Selbstmord ausgegangen ist, muss sie nun dieses Urteil revidieren, denn die Zeichen deuten jetzt auf Mord. Ein weiterer kniffliger Fall für das kleine Team der Kripo Akranes im isländischen Vesturland.

Phantastisch erzählt Eva Björg Ægisdóttir auch diesen zweiten Kriminalfall rund um Ermittlerin Elma und fesselt mit ihrer ruhigen Herangehensweise ihre Leser. Völlig unaufgeregt schildert die Autorin die bisherigen Überlegungen zum vermeintlichen Selbstmord, die beiden Polizisten rollen den Fall neu auf, Zeugen werden zum zweiten Mal vernommen, Unterlagen hervorgekramt, Anhaltspunkte für Täter und Motiv gesucht. Zwischendurch gibt es Kapitel, die von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung berichten und bereits bei der Geburt vor fünfzehn Jahren beginnen. Auch ein wenig vom Privatleben der Kommissare Elma und Sævar fließt ins Geschehen mit ein, lässt alles recht lebendig und realistisch werden, sodass das Lesen von der ersten Seite an Spaß bereitet. Die komplizierten isländischen Namen sind zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch, am Ende gibt es der Übersichtlichkeit halber sogar ein gut strukturiertes Personenverzeichnis. Besonders schön bei dieser Krimireihe gefällt mir die Herzlichkeit und die ungezwungene Art, wie die Isländer miteinander umgehen, das Ansprechen mit „Du“ und Vornamen ist hier ganz selbstverständlich. Dennoch ist auch auf der abgeschiedenen Insel nicht alles eitel Wonne und Elma, die anfangs geglaubt hat, in Akranes nichts Außergewöhnliches zu tun zu haben, steckt bereits zum zweiten Mal in einer komplizierten und verzwickten Mordermittlung.

Ein überaus gelungener Fall mit großartigen Überraschungen und psychologisch gefinkelten Irreführungen. Die Beziehungen der Figuren untereinander sind verworren, dennoch perfekt durchdacht und bilden den brillanten Mittelpunkt dieses Buches. Ich kann nach „Verschwiegen“ nun auch „Verlogen“ voller Überzeugung weiterempfehlen. Wer überwiegend unblutige, aber interessante Krimis mit sympathischen Kriminalisten liebt, liegt mit dieser Reihe goldrichtig!

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Veröffentlicht am 31.08.2023

Geeiste Leiche und Fleischskandal

Tödlicher Isarfrost
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Ein brennendes Auto und eine zu Tode gekommenen Fahrerin – ein kleines Detail aus der Rechtsmedizin lässt jedoch den vermeintlichen Unfall zum Tötungsdelikt werden und Clara Liebig beginnt, mit ihrem Team ...

Ein brennendes Auto und eine zu Tode gekommenen Fahrerin – ein kleines Detail aus der Rechtsmedizin lässt jedoch den vermeintlichen Unfall zum Tötungsdelikt werden und Clara Liebig beginnt, mit ihrem Team zu ermitteln. Sehr zu ihrem Leidwesen priorisiert ihr Vorgesetzter, Kommissariatsleiter Wolfgang Reitmayer, aber just zu diesem Zeitpunkt einige Fälle von Fleischvergiftung – „Leberkas und Bier müssen in Bayern unantastbar sein“, so sein Credo. Mit wenig Schlaf und viel Kaffee vom legendären Foodtruck vor dem Münchener Revier heißt es also, zwei wichtigen Ereignissen nachzugehen, obwohl der Chef ausdrücklich empfiehlt, den Fall rund um das Auto im Englischen Garten zurückzustellen.

Ein ganz besonderes Team begegnet dem Leser bei diesem zweiten Isar-Krimi. Da ist zum einen die temperamentvolle Hauptkommissarin Clara Liebig mit ihrem Bauchgefühl und ihren ganz speziellen Gedankengängen, bei welchen Puzzleteile in ihrem Kopf umherschwirren und bisweilen an die richtigen Plätze fallen, zum anderen ihr norddeutscher Kollege, Superrecognizer Thorwald von Weidecke, der zwar hochintelligent ist, aber weniger firm, was soziale Kompetenz betrifft und das Verständnis bayerischer Regionalausdrücke. Ergänzt wird das trotz aller Unterschiede hervorragende Team von Iris Becker, die seit ihrer Spezialausbildung in New York stets englische Brocken in ihre Sätze packt und Lisa Traublinger mit fröhlichem Gemüt und messerscharfem Verstand, der zuverlässige Matthias Brauhofer ist vorerst erkrankt. So ist es kein Wunder, dass die Nachforschungen nicht nur ehrgeizig, sondern auch durchaus unterhaltsam vonstattengehen und ich da und dort herzlich lachen durfte – nicht immer liest man beispielsweise davon, wie versucht wird, Kaffeeflecken auf der Kommissarin Oberteil zu entfernen. Hinweise auf wunderschöne Märchen und Kinderreime sowie diverse Wortspiele runden den flüssigen Schreibstil Marie Bonsteins gelungen ab, nicht zuletzt trägt der krummbeinige Dackel Gustl zum Lesevergnügen bei. Lebendig und kurzweilig geht es flott durch die Kapitel, die beiden ganz unterschiedlichen Fälle garantieren Abwechslung im Geschehen. Ein wenig Persönliches tut der Sache gut und lenkt keineswegs von der gut durchdachten Handlung ab, welche selbstverständlich schlüssig aufgeklärt wird.

Tödlicher Isarfrost ist mein bislang erstes Buch von Marie Bonstein, aber ganz gewiss nicht das letzte. Auch wenn ich mich bei diesem in sich abgeschlossenen Krimi sehr gut zurechtgefunden habe und die Figuren bestens gezeichnet sind, so interessiert mich nun doch, was zuvor passiert ist – Mörderisches Isarflimmern wird demnächst bestellt. Von mir gibt es verdiente fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 30.08.2023

Auf den Spuren einer Hexe

Marschlande
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Zur Zeit der großen Allerheiligenflut im Jahre 1570 lebt Abelke Bleken allein mit ihrem Gesinde und allerlei Tieren auf ihrem großen Bauernhof im Marschland. Das ist in der Nachbarschaft nicht gern gesehen, ...

Zur Zeit der großen Allerheiligenflut im Jahre 1570 lebt Abelke Bleken allein mit ihrem Gesinde und allerlei Tieren auf ihrem großen Bauernhof im Marschland. Das ist in der Nachbarschaft nicht gern gesehen, gehört doch ein Mann ins Haus. Knapp fünfhundert Jahre später übersiedelt Britta Stoever mit ihrer Familie in den Hamburger Speckgürtel, wo sie den Namen Abelke Bleken auf einem Straßenschild entdeckt. Als Geografin neugierig geworden, forscht sie nach, wem diese Erinnerung gilt.

Wunderbar zu lesen ist Jarka Kubsovas Schreibstil, voller Bilder und Melodien zwischen den Zeilen. Zum Beispiel regnet es im Marschland bisweilen Frösche! In zwei Zeitebenen mit Abelke und Britta als Hauptfiguren, spielt dieser eindrucksvolle Roman und verbindet die jeweiligen Kapitel mit hervorragenden Übergängen. Zum einen lernen wir die emsige Bäuerin Abelke kennen, welche im Einklang mit der Natur lebt, zum richtigen Zeitpunkt aussät und ihre Tiere gut behandelt, aber dennoch mit List und Tücke enteignet wird. Zum anderen lebt fünf Jahrhunderte später Britta an einem ganz nahen Ort und leidet darunter, für ihre Familie ihre Forschungsstelle an der Universität aufgegeben zu haben und für die Haushaltsarbeit nicht die geringste Wertschätzung zu bekommen. Beide Frauen sind hervorragend charakterisiert, man fühlt sich ihnen beim Lesen sofort nahe. Deutlich kann Autorin Jarka Kubsova zeigen, dass Frauen in einer Zeitspanne von fünfhundert Jahren vor ganz ähnlichen Problemen stehen, die zwei Geschichten sind so unterschiedlich und dennoch zeigen sich in der Gesamtheit etliche Parallelen. Interessant ist dann auch noch das Nachwort, in dem Kubsova einige historische Fakten rund um Abelke Bleken liefert, ein Teil dieser Geschichte beruht also tatsächlich auf wahren Begebenheiten.

Ein Buch, das unter die Haut geht und nachdenklich stimmt. Ich kann Marschlande nur weiterempfehlen!

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