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Veröffentlicht am 03.12.2023

Sei die Heldin deines Lebens, nicht das Opfer. - Nora Ephron

Die Postbotin
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1919 Berlin. Während des Krieges haben die Frauen die Hauptlasten und –arbeiten erledigt, weil alle Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Nun sollen sie ihren Platz für die Rückkehrer räumen. Postbotin ...

1919 Berlin. Während des Krieges haben die Frauen die Hauptlasten und –arbeiten erledigt, weil alle Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Nun sollen sie ihren Platz für die Rückkehrer räumen. Postbotin Regine sowie ihre Kolleginnen sind davon gar nicht begeistert und wollen dies nicht einfach so hinnehmen, obwohl ihre Arbeitsbedingungen sehr schlecht sind, und das Geld fürs Leben kaum reicht. Regine wendet sich an den Gewerkschaftsboss Kurt in der Hoffnung, dass dieser die Frauen unterstützt, damit sie weiter ihrer Arbeit nachgehen können. Ob es Regine und ihren Kolleginnen gelingt, die drohende Entlassung abzuwenden?
Elke Schneefuß hat mit „Die Postbotin“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der dem Leser die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen kurz nach dem ersten Weltkrieg deutlich vor Augen führt. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser gedanklich sofort ins vergangene Jahrhundert reisen, wo er sich in der Weimarer Republik wiederfindet und sich an Regines Fersen heftet. Schon Regines Vater hat als Beamter bei der Reichspost gearbeitet, und Regine ist seinem Beispiel gefolgt. Nun ist der Krieg beendet und die Frauen sollen ihre Anstellungen verlieren, damit Kriegsheimkehrer ihren Aufgaben übernehmen. Es wird nicht nur über den Kopf der Frauen hinweg entschieden, sondern sie sollen auch um ihr Auskommen gebracht werden, auf das sie oftmals angewiesen sind. Nach damaliger männlicher Auffassung sollen sich Frauen eher um Heim und Herd kümmern, aber davon sind Regine, ihre Kolleginnen und Freundinnen weit entfernt. Jede für sich hat einen eigenen Grund, warum sie sich gegen diese Sichtweise auflehnt und sich gegen den Verlust ihres Arbeitsplatzes sowie den Lohn stemmt. Die Autorin wartet mit Geschichten der aus unterschiedlichen Schichten stammenden Frauen auf, die jede ihr eigenes Päckchen zu tragen haben. So kümmert sich Regines Freundin Evi um ihre depressive Mutter und hofft auf die Rückkehr ihres Bruders. Währenddessen kommt Regines Familie trotz mehreren Verdienern kaum mit dem Geld aus. Die Bekanntschaft mit dem charmanten Kurt lässt Regines Herz höher schlagen, auch wenn sie sich vor allem Unterstützung erwartet, damit die Frauen ihre Stellen behalten können. Der Autorin gelingt es sehr gut, die damalige Stimmung innerhalb Berlins sowie die Rolle der Frauen einzufangen und dem Leser während der Lektüre zu vermitteln. Armut, Hunger und Verzweiflung spiegeln sich in den einzelnen Schicksalen überdeutlich wieder.
Die Charaktere sind liebevoll und glaubwürdig ausgestaltet, sie nehmen den Leser schnell in ihre Mitte, der ihnen auf Schritt und Tritt folgt, um ihr Schicksal mitzuerleben. Regine ist eine offene, ehrliche und vor allem direkte Frau, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Sie kämpft für ihre Träume und Überzeugungen und kann auch andere motivieren, sich ihr anzuschließen. Jedoch sind ihr durch die Gesellschaft immer noch ziemlich die Hände gebunden. Kurt Bödecker ist ein sympathischer attraktiver Mann, der sich einem Aufstieg bei der Gewerkschaft gegenüber sieht. Die Frauen bei der Post erhoffen sich von ihm einiges an Unterstützung für ihr Dilemma. Aber auch Gretchen, Evi, Hetti und Bernadine spielen wichtige Rollen in dieser Geschichte, die durch die unterschiedlichen Schicksale sehr kurzweilig zu lesen ist.
„Die Postbotin“ punktet mit sympathischen Protagonisten, einer unterhaltsamen Handlung und einen gut recherchiertem Hintergrund, so dass die Lektüre ein kurzweiliges Vergnügen ist. Verdiente Leseempfehlung für einen kuscheligen Nachmittag auf der Couch!

Veröffentlicht am 12.09.2023

Wenn wir wirklich wissen, wofür wir brennen, dann leuchten wir! (Albert Einstein)

Das Haus der Perlen – Strahlen der Liebe
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1924 München. Seit Jahren führt das Ehepaar Henya und Jakob Schmerler nun das traditionsreiche Schmuckgeschäft Thomass. Tochter Lulu wurde ebenfalls mit dem Juwelenvirus geboren und wünscht sich nichts ...

1924 München. Seit Jahren führt das Ehepaar Henya und Jakob Schmerler nun das traditionsreiche Schmuckgeschäft Thomass. Tochter Lulu wurde ebenfalls mit dem Juwelenvirus geboren und wünscht sich nichts mehr als Goldschmiedin zu werden, so dass ihr Vater Jakob sie schon bald in die Lehre nimmt. Ihr älterer Bruder Valentin dagegen arbeitet als Anwalt in einer angesehenen Kanzlei. Als der Eigentümer des Juweliergeschäfts, Fritz Thomass, sowohl das Wohnhaus als auch das Geschäft beim Glücksspiel an den ewigen Widersacher Gehrke verliert, steht die Familie Schmerler vor den Scherben ihres Lebens. Doch dann naht Rettung durch die Ankunft von Ayumi, die im Auftrag ihres Onkels Kokichi Mikimoto ein Ladengeschäft in München finden soll, um dort die weltberühmten Mikimoto-Perlen zu vertreiben. Während Valentin sich sofort in Ayumi verliebt, durchlebt ausgerechnet Lulu immer wieder ein Wechselbad der Gefühle, denn ihr Angebeteter ist nicht nur der Sohn des Erzfeindes, zwischen ihnen gibt es auch immer wieder Missverständnisse, bis Tobias auf einmal spurlos verschwunden ist…
Mit „Strahlen der Liebe“ legt das Autorenduo Charlotte Jacobi den finalen Band ihrer Perlenhaus-Trilogie vorgelegt, der nicht nur mit gut recherchiertem historischen Hintergrund glänzt, sondern auch mit einer weit verzweigten Familiengeschichte zu unterhalten weiß. Der flüssig-leichte und bildhafte Erzählstil bringt den Leser zurück ins vergangene 20. Jahrhundert, um sich dort im Juweliergeschäft Thomass einzunisten und den Familienmitgliedern, allen voran Valentin und Lulu, auf Schritt und Tritt zu folgen. Während Valentin seinen Beruf als Rechtsanwalt in einer Kanzlei ausübt, verdingt sich Lulu erst als Verkäuferin im eigenen Laden. Insgeheim jedoch möchte sie eine Ausbildung zur Goldschmiedin machen, um all ihre Ideen in die Tat umsetzen zu können. In Australien packt Jakob Schmerlers alter Freund Daku mit seiner Familie die Koffer, da die Geschäfte schlecht laufen. Eine Einladung von Kokichi Mikimoto, dem Onkel seiner Frau, nach Japan soll die Wende bringen. Tochter Ayumi ist sofort Feuer und Flamme für die japanischen Zuchtperlen und eignet sich mit Hilfe von Kokichi einiges an Wissen an, mit dem sie dann nach München geschickt wird, um dort ein Ladenlokal zu finden. Über wechselnde Perspektiven erhält der Leser nicht nur einen guten Einblick in die japanische Perlenkunst, sondern erlebt parallel die Schwierigkeiten mit, die das Haus Schmerler und das Juweliergeschäft Thomass erreichen. Während im Hintergrund Hitler versucht, mit seinen Schergen Unruhe in München zu verbreiten, Drogen Einzug in die Tanzlokale halten sowie Hass und Intrigen zu einem Toten und einer Verhaftung führen, reist der Leser zwischen München und Italien hin und her. Der Spannungslevel wird durch die Perspektivwechsel in die Höhe gepuscht und lässt Raum für allerlei Spekulationen, die nach und nach aufgeklärt werden.
Die Charaktere besitzen authentische menschliche Eigenschaften, die sie dem Leser ans Herz wachsen und ihnen auf Schritt und Tritt folgen lassen. Lulu ist eine liebenswerte, offene junge Frau mit Talent. Tobias Gehrke ist ein herzensguter Kerl, der sich nichts mehr wünscht als ein eigenes Restaurant. Valentin ist ein zurückhaltender, eher pragmatischer Mann, den nichts so leicht aus der Reserve locken kann. Ayumi betört nicht nur mit ihrem exotischen Aussehen, sondern auch mit ausgeprägtem Wissen und Cleverness. Aber auch Jakob, Henya, Kokichi, Daku, Gesa, Joetze und der alte Gehrke tragen auf ihre Weise zum Unterhaltungswert der Handlung bei.
„Strahlen der Liebe“ bildet einen gelungenen Abschluss der Perlen-Trilogie um das Traditionsjuweliergeschäft Thomas am Münchner Marienplatz und überzeugt mit Familiengeschichte, Liebe, Intrigen und guter historischer Hintergrundrecherche. Verdiente Leseempfehlung für eine unterhaltsame sowie lehrreiche Lektüre!

Veröffentlicht am 12.09.2023

Es sind immer die einfachsten Ideen, die außergewöhnliche Erfolge haben. (Tolstoi)

Das Kaufhaus – Zeit des Wandels
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1909 Berlin. Die Kaufhäuser von Leonhard und Flora Tietz sind mittlerweile in jeder größeren deutschen Stadt und werden von ihnen und ihrer engeren Verwandtschaft geführt. Sohn Alfred soll demnächst in ...

1909 Berlin. Die Kaufhäuser von Leonhard und Flora Tietz sind mittlerweile in jeder größeren deutschen Stadt und werden von ihnen und ihrer engeren Verwandtschaft geführt. Sohn Alfred soll demnächst in die Geschäftsführung einsteigen, deshalb reist er nach Berlin, um dort im Auftrag seines Vaters Aktien zeichnen zu lassen, damit Tietz demnächst an die Börse gehen kann. Durch einen Zufall begegnet er im von Oscar geführten dortigen Kaufhaus Tietz der jungen Lehrerin Margarete. Zwischen den beiden sprühen sofort die Funken, doch sie verlieren sich wieder aus den Augen. Aber Alfred lässt nicht locker, diese wunderbare Frau in Berlin aufzuspüren und stürzt sich dabei in so allerlei fragwürdige Unternehmungen, bis er Margarete wiedergefunden hat. Von da an kann sie nichts mehr trennen, sie gibt sogar ihre geliebte Stelle auf, um mit Alfred nach Köln zu gehen. Doch die Kaufhauswelt Tietz steht immer öfter harten Gegnern gegenüber, die sich gegen die Übermacht wehren und dabei auch nicht vor Gewalt und Zerstörung halt machen…
Susanne von Berg hat mit „Zeit des Wandels“ den Abschlussband ihrer historischen Hertie-Trilogie vorgelegt, der durch die Verflechtung von Fiktion und Realität eine unterhaltsame Lektüre verspricht und dem Leser gleichzeitig eine Zeitreise spendiert. Der flüssige und farbenfrohe Erzählstil bringt den Leser schnell ins 20. Jahrhundert, um sich dort unsichtbar unten den Mitgliedern der Familie Tietz zu bewegen und vor allem Albert zu folgen. Dieser macht sich mit einem Auftrag seines Vaters auf den Weg von Köln nach Berlin, wo er einerseits in Oscars Warenhaus-Dependance einige neue Ideen aufschnappt und andererseits auf die Frau seines Lebens stößt. Während er alles daran setzt, Margarete für sich zu gewinnen, muss er nebenbei auch miterleben, wie Konkurrent Wertheim seinem Onkel Oscar das Leben schwer macht und ihn ausbooten will. Daheim in Köln sehen sich Leonhard und Flora Anfeindungen anderer Ladenbesitzer ausgesetzt, die zunehmend radikaler und gewalttätiger werden. Die Autorin hat gut recherchiert und den historischen Hintergrund mit ihrer Handlung verwoben. So darf der Leser gemeinsam mit Margarete und Alfred per Zeppelin von Berlin nach Köln reisen, auf deren Reise auch die Wuppertaler Schwebebahn von oben zu sehen ist. Der Spannungslevel zwar ist mäßig, die Perspektivwechsel zwischen einigen Protagonisten verleihen der Geschichte aber Kurzweiligkeit.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und lassen mit ihren menschlichen Eigenschaften den Leser nahe an sich heran. Flora und Leonhard sind inzwischen alt geworden, doch noch immer brennt die kaufmännische Leidenschaft in ihren Adern. Beide sind liebevolle und kreative Menschen, die nichts auf die Familie kommen lassen und sich auch um jeden und alles selbst kümmern wollen. Oscar und Betty sind mittlerweile verheiratet und mit ihrem Kaufhaus erfolgreich. Alfred ist ein junger Mann mit Prinzipien, freundlich, aufgeschlossen, auf der Suche nach der großen Liebe. Margarete hat eine Frau mit einem Herz aus Gold, der die Bedürftigen am Herzen liegen. Sie ist wohlbehütet und gut erzogen aufgewachsen, hält viel auf Werte wie Freundschaft und Ehrlichkeit. Protagonisten wie Wertheim sind in dieser Geschichte das Salz in der Suppe, denn sie bringen mit ihrem Neid und ihren Intrigen etwas Unruhe hinein.
„Zeit des Wandels“ bildet einen gelungenen Abschluss der Hertie-Trilogie, die mit einem Mix aus Familiengeschichte, Missverständnissen, Liebe, Einfallsreichtum und historischem Hintergrund eine unterhaltsame Lektüre für den Leser bietet. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 05.09.2023

Es kommt der Tag, der alles lösen wird. (Friedrich von Schiller)

Hickory Hills
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2020 Atlanta, Georgia. Allie hat ihre Zukunft schon genau geplant. Gemeinsam mit ihrem Verlobten Austin möchte sie ein Therapiezentrum mit Pferden auf dem Gestüt ihrer Großmutter Dale eröffnen, doch dann ...

2020 Atlanta, Georgia. Allie hat ihre Zukunft schon genau geplant. Gemeinsam mit ihrem Verlobten Austin möchte sie ein Therapiezentrum mit Pferden auf dem Gestüt ihrer Großmutter Dale eröffnen, doch dann kommt alles ganz anders. Nach dem Tod von Dale muss Allie erfahren, dass ihre Großmutter das Gestüt an einen Immobilienhai verloren hat und ihre Zukunftspläne Geschichte sind. Allie will sich damit nicht abfinden und sucht verzweifelt nach Möglichkeiten, ihr versprochenes Erbe doch noch zu bekommen. Dabei stößt sie auf die Vergangenheit von Dale und alte Familiengeheimnisse, von denen Allie keine Ahnung hatte. Ob sie erkennt, welchen Schatz ihre Großmutter ihr wirklich hinterlassen hat?
Elizabeth Musser hat mit „Hickory Hills“ einen sehr tiefgründigen, emotionalen Roman vorgelegt, der den Leser über zwei unterschiedliche Zeitebenen gut zu unterhalten weiß. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser sofort mitten hinein ins Geschehen, wo er zum einen Allie in der Gegenwart zur Seite steht, zum anderen aber auch die Vergangenheit von Großmutter Dale in den 30er/40er Jahren miterleben lässt. Im Wechsel erlebt der Leser einerseits die Enttäuschung von Allie über das verlorene Erbe und ihre geradezu besessene Suche nach dem versprochenen Nachlass ihrer Großmutter, während er andererseits Einblick in Dales Leben als erfolgreiche Spring- und Dressurreiterin und ihre Liebe zum Pferdesport sowie zu Jungendliebe Tommy bekommt bis hin zu den großen Veränderungen durch den 2. Weltkrieg. Die Autorin verknüpft beide Zeitstränge auf wunderbare Weise miteinander, gibt die Emotionen von Verlust, Enttäuschung sowie Hoffnungsschimmer sehr gut an den Leser weiter, der sich gemeinsam mit Allie auf der Suche nach dem „Schatzkästchen“ immer mehr dem Familiengeheimnis nähert. Während die Geschichte um Dale dem Leser sehr nah ans Herz geht, steht er Allie eher als Beobachter gegenüber, zu sehr von ihrer Enttäuschung geleitet und verbissen wehrt sie sich dagegen, dass ihre Träume nicht erfüllen. Dabei zeigt sich umso deutlicher, dass sie den Kampfgeist ihrer Großmutter geerbt hat und ihr sehr ähnlich ist. Der christliche Aspekt wurde von der Autorin sehr gut mit ihrer Handlung verwoben, in dem es vor allem um Hoffnung, Respekt, Genügsamkeit und Gottvertrauen geht.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften ausgestattet und liebevoll in Szene gesetzt, so dass der Leser sich nur zu gern an ihre Fersen heftet, um die Vergangenheit und die Gegenwart mit ihnen zu erkunden. Dale ist eine sympathische Frau, zielstrebig, ehrgeizig, mutig, kämpferisch und stark. Jugendliebe Tommy ist ein fröhlicher Filou, der mutig und abenteuerlustig ist, jedoch auch einiges wegstecken muss. Allie ist mit ihrer Sturheit nicht gerade eine Sympathieträgerin. Zeitweilig wirkt sie hart, völlig verbohrt und unbeugsam, will mit dem Kopf durch die Wand und stößt viele mit ihrer Art vor den Kopf. Es dauert eine Weile, bis sie anfängt, sich auf das eigentliche Erbe ihrer Großmutter zu konzentrieren und den Wert dessen schätzen zu lernen. Aber auch Nanny Husy spielt eine große Rolle in dieser tiefgründigen Geschichte.
„Hickory Hills“ ist nicht nur eine tiefgründige Geschichte über zwei Zeitebenen, interessanten Protagonisten sowie einem zu lüftenden Familiengeheimnis, sondern spiegelt das gesamte Kaleidoskop von Gefühlen wieder. Die Seiten jagen nur so dahin und fesseln den Leser bis zum letzten Moment. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 28.08.2023

Viele Tränen sind Perlen, die nicht gehoben wurden. - Peter Sirius

Das Haus der Perlen – Glanz des Glücks
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1888. Seit Marie Thomass ins Münchner Juweliergeschäft kam, sind 44 Jahre vergangen. Inzwischen ist das Geschäft nach ihrem Bruder Carl Thomass benannt, der dieses mit seiner Familie unterhält. Die 19- ...

1888. Seit Marie Thomass ins Münchner Juweliergeschäft kam, sind 44 Jahre vergangen. Inzwischen ist das Geschäft nach ihrem Bruder Carl Thomass benannt, der dieses mit seiner Familie unterhält. Die 19- jährige Henya Schmerler, deren Vater in Frankfurt als Notar arbeitet, hat bei Carl eine Anstellung als Schmuckverkäuferin ergattert und darf schon am ersten Arbeitstag die Bekanntschaft von Erzherzogin Marie Therese machen. Auch die Begegnung mit dem Goldschmiedelehrling Jakob ist für Henya schicksalhaft, denn beide verlieben sich sofort ineinander, obwohl Jakob kurz vor seinen Wanderjahren steht, die ihn nach Australien zu Henyas Großonkel Moritz Schmerler und dessen Perlenfischerei führen sollen. Als Henya in ihrem Gästezimmer ein altes Tagebuch findet, ist sie von dem Inhalt sofort fasziniert, gehörte es doch der verstorbenen Marie Thomass. Schon bald kommt sie einem alten Geheimnis auf die Spur, dass Jakob in Australien plötzlich lüftet…
Das Autorenduo Charlotte Jacobi hat mit „Glanz des Glücks“ den zweiten Band ihrer Perlenhaus-Trilogie vorgelegt, der dem ersten in punkto Familiengeschichte und gut recherchiertem Hintergrundwissen über die Perlenzucht in nichts nachsteht. Der flüssige, gefühlvolle und farbenfrohe Erzählstil beamt den Leser sofort in die Vergangenheit und ins Juweliergeschäft Carl Thomass in München, wo er Henya Schmerler über die Schulter schauen darf und einige Schicksalsmomente miterlebt. Im Juweliergeschäft Carl Thomas ist die jüngste Generation am Start. Henya kommt aus Frankfurt nach Bayern, da sie nicht nur ihren Traumberuf ausüben darf und ihre große Liebe Jakob kennenlernt, sondern mit seiner Hilfe auch ein altes Familiengeheimnis aufdeckt. Als Leser vermisst man im ersten Moment die liebgewonnene Marie, doch wird man mit den neuen und einigen altbekannten Charakteren schnell warm. Der Tagebuchfund ist ebenso spannend inszeniert wie Jakobs Aufenthalt in Australien, aber auch Henyas persönliches Schicksal geht dem Leser schnell ans Herz. Einige Machenschaften sind wirklich kriminell. Die Lage für ledige schwangere Frauen erforderte zur damaligen Zeit so einiges an Phantasie und Vorschiebung falscher Tatsachen, um das Kind nicht einfach entzogen zu bekommen. Auch die Machtverhältnisse und Intrigen zwischen einigen Charakteren sind unfassbar böse, was dem Spannungslevel der Handlung gut tut und den Leser mitreißt.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen Ecken und Kanten versehen, so dass sie sofort eine Nähe zum Leser herstellen, der ihnen nur zu gerne bei ihren Unternehmungen folgt. Henya Schmerler ist eine liebenswerte junge Frau, die ihren Beruf liebt und sich um ihre Mitmenschen sorgt. Sie ist neugierig und offen. Jakob ist ein lieber Kerl, der ein großes Interesse an fremden Tierarten und der Perlenzucht hegt. Er ist ehrlich, hilfsbereit und schließt schnell Freundschaften, nur das Verhältnis zu seinem Vater ist vergiftet, denn jener ist die Hinterhältigkeit auf zwei Beinen. Kutscher Leonhard spielt diesmal nicht nur eine Nebenrolle, auch der Doktor rückt in den Fokus des Geschehens. Ebenso verhelfen einige andere Protagonisten sowie überraschende Wendungen der Geschichte zu dem gewissen Etwas.
„Glanz des Glücks“ ist eine gelungene Fortsetzung über das traditionsreiche Münchner Juweliergeschäft Thomas. Historische Recherche sowie eine durchweg unterhaltsame, verzweigte Familiengeschichte mit einigen Intrigen sorgt für schöne Lesestunden. Verdiente Leseempfehlung!