Ein Fühlen verändert ein Leben
Ellyn lebt auf einer ärmlichen Farm irgendwo im England des Jahres 1573. Sie muss hart arbeiten, wird von ihrem älteren Bruder Tomas schikaniert und geschlagen. Die Mutter hat sich in ihr Schicksal ergeben, ...
Ellyn lebt auf einer ärmlichen Farm irgendwo im England des Jahres 1573. Sie muss hart arbeiten, wird von ihrem älteren Bruder Tomas schikaniert und geschlagen. Die Mutter hat sich in ihr Schicksal ergeben, ist hart geworden und verlangt das auch von ihrer etwa 10-jährigen Tochter. Ellyn jedoch zeigt große Liebe für ihre gerade geborene kleine Schwester Agnes. Der bettlägerige Vater ist kaum mehr als ein Babysitter für Agnes und hadert mit seinem Schicksal. Ellyns Lebensweg scheint unverrückbar vorgezeichnet, bis sie eines Tages - zum ersten Mal in ihrem Leben - in den nächsten Ort zum Markt geschickt wird, um mit ihrem Bruder ein Schaf zu verkaufen. Dort hört sie Gesang aus der Kirche und ist völlig gefangen von diesen neuen Tönen. Schlafwandlerisch kann sie das Gehörte wiedergeben, mit einer Stimme, die sofort Aufmerksamkeit erregt. Aber: Sie ist ein Mädchen und Singschulen sind nur für Jungen ...
Der Roman von Nell Leyshon überrascht, ja erscheckt geradezu durch den Sprachstil, beginnt man ihn zu lesen: Ohne Punkt und Komma, nur Kleinschreibung, verkürzte Sätze, Vulgärsprache etc. Alles wird aus der kindlichen Sicht von Ellyn beschrieben und diese kennt nur, was sie täglich sieht:
"er [Gott] hat auch diese ganze scheiße geschaffen in diesen sieben tagen stell dir vor du kannst machen was du willst und dann entscheidest du dich scheiße zu machen" (S. 28) Ellyn kann nicht machen was sie will. Sie kennt nichts außer dem heruntergekommenen Hof und ihrer Arbeit, aber sie hat dieses "fühlen" in sich - und sie hat eine kleine Schwester. Das gibt ihr genug Antrieb, um ihr Schicksal gegen alle Widerstände selbst in die Hand zu nehmen. Unmerklich, schleichend ändert sich mit Ellyns Leben auch ihre Sprache. Das finde ich großartig gemacht und der Übersetzerin Wibke Kuhn gebührt größte Anerkennung. Der Roman hat mich - trotz oder gerade wegen des Schreibstils - von Beginn an gefesselt. Ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Ellyn weitergeht. Überrascht war ich von den vielen historischen Details, die die Autorin eingebaut hat. Wenn Ihr den Roman gelesen habt, recherchiert ein bisschen, da gibt es Großartiges im Internet zu entdecken. Ein ungewöhnlicher Roman in jeder Beziehung, den ich sehr empfehlen kann.