Intrigen und Ränkespiel
Philadelphia Carteret stammt eigentlich aus einer wohlhabenden Familie des englischen Adels. Doch nachdem ihre Mutter sich nach ihrer Geburt von der Familie losgesagt hat, muss sich die mittlerweile 23 ...
Philadelphia Carteret stammt eigentlich aus einer wohlhabenden Familie des englischen Adels. Doch nachdem ihre Mutter sich nach ihrer Geburt von der Familie losgesagt hat, muss sich die mittlerweile 23 jährige als Lehrerin für Gesang durch das London des Jahres 1815 schlagen und so sich selbst und ihre Mutter vor dem Hungertod retten. Doch als die Mutter ernstlich erkrankt beschließt Philadelphia, sich an die wohlhabende Familie zu wenden, in der Hoffnung, auf finanzielle Unterstützung. Doch schnell merkt die junge Dame, dass sie eine Doppelgängerin im Kampf ums Geld hat, und auch sonst scheint kaum jemand glücklich über ihre Anwesenheit zu sein. Und schneller als Philadelphia schauen kann wird sie schon in das Ränkespiel rund um das Erbe des Lord Bollington gezogen.
Ich hatte schon einmal das Vergnügen mit Joan Aiken und wurde vor allem vom sprachlichen Stil der Autorin begeistert. Sie vermag es besonders gut, ein unheimliches und düsteres Setting zu erzeugen, sodass bei mir beim Lesen sogleich ein recht herbstliches Gefühl aufgetreten ist, vor allem, wenn sich die Handlung auf dem Stammschloss des Lord Bollington abspielt, auch wenn die Geschichte eigentlich in den Monaten Mai und Juni spielt. Atmosphärisch wird ein detailreiches Bild der Handlung und des Handlungsschauplatzes gezeichnet, ohne dass dabei die Gesichte langweilig zu werden drohe. Darüber hinaus vermag es Joan Aiken auch auf überaus überzeugende Art und Weise die unterschiedlichen Charaktere darzustellen. Vielseitig und individuell entsteht eine Sammlung aus den unterschiedlichsten Figuren, von liebreizend und naiv, bis hin zu gerissen und hinterhältig. Ein Händchen dürfte sie dabei vor allem beim Schreiben von Kindercharakteren haben. So finden sich in der Geschichte zehn Geschwister, die zwar nur sehr wenig Raum einnehmen, dennoch war ich von der überzeugend kindlichen Art, wie sie sprechen und in ihrer Handlungsweise dargestellt sind, überzeugt. Vor allem aber - und die Befürchtung hatte ich - handelt es sich bei Philadelphia um kein sonderlich naives, dummes oder ansträngendes Wesen, dass das Klarkommen mit ihr besonders leicht machte.
Auch die Geschichte hat mir wirklich sehr gut gefallen. Dieses Spiel aus falschen Verwandten, Doppelgängerinnen, heimlich geschlossenen Abmachungen, Lug und Betrug mag vielleicht ziemlich klassisch und abgedroschen wirken. Mir aber hat das Verfolgen Philadelphias durch dieses Dschungel sehr viel Spaß gemacht. Allerdings muss man dabei auch sagen, dass die Geschichte ohne sonderlich große Überraschungen aufwarten kann. Von Anfang an ist eigentlich klar, wem zu trauen ist, und wer sich als klarer Antagonist erweist. Zwar habe ich mir immer wieder gedacht, dass die eine oder andere Figur wirklich Potential hätte, unsrer Lieben Philadelphia in den Rücken zu fallen.
Wie dem auch sei, die Geschichte ist nett und unterhaltsam, eine willkommene Abwechslung zu dem, was ich sonst so lese, und hat einfach Spaß gemacht, auch wenn sie im Großen und Ganzen recht vorherseebar ist. Von der Autorin werde ich aber definitiv noch weitere Bücher lesen.