Bund der Frühlingstöchter
„Es ist löblich, dass du ehrlich bist. Aber du darfst dein Herz nicht auf der Zunge tragen. Von einer wohlerzogenen jungen Dame wird erwartet, dass sie sich stets in Zurückhaltung übt und die Contenance ...
„Es ist löblich, dass du ehrlich bist. Aber du darfst dein Herz nicht auf der Zunge tragen. Von einer wohlerzogenen jungen Dame wird erwartet, dass sie sich stets in Zurückhaltung übt und die Contenance bewahrt.“
„Das Pensionat am Holstentor - Frühlingstöchter“ ist der erste Band der Hostentor-Dilogie von Anne Perbandt. Er erschien im Juni 2023 im Rowohlt Verlag.
Für mich passt in diesem historischen Roman einfach alles! Von der ersten Seite an, war ich gefesselt von Noras, Henrys und Gesches Geschichte.
Die Handlung spielt in Lübeck im Jahr 1899. Nora von Jagow ist für ein Mädchen ihrer Zeit eher untypisch. Anstatt zu sticken ist sie viel lieber an der frischen Luft unterwegs, reitet gern und ist insgesamt eher ein Wildfang. Da ihr Bruder Henry das heimische Gut für einige Zeit verlassen muss, wird Nora auf ein Mädchen-Pensionat geschickt, auf dem sie weibliche Manieren erlernen soll. In Lübeck angekommen kreuzen sich direkt die Wege aller Hauptfiguren. Henry und Nora lernen Gesche kennen, die eine Stelle als Lehrerin im Pensionat bekommen möchte. Gesche rettet Nora aus einer recht unglücklichen und gefährlichen Situation und erkämpft sich so einen Platz im Herzen der von-Jagow-Geschwister. Im Pensionat lernt Nora schnell Freundinnen kennen, doch ihren Jugendfreund Karl, den Stallknecht des Guts vergisst sie darüber nicht…
Anne Perbandt thematisiert in ihrem Roman die Rolle der Frau zum Ende des 19. Jahrhunderts sowie die damals noch vorherrschenden Standesunterschiede und -dünkel.
Hierfür gestaltet sie absolut authentische und zeittypische Figuren, die zum Teil stereotyp für entsprechende Rollen stehen. So sind Nora und Gesche die jungen Frauen, die nicht der gesellschaftlichen Norm folgen, sondern aus ihr ausbrechen. Gerade Nora fällt es schwer, sich an gesellschaftliche Regeln zu halten. Gesche hat im Leben natürlich schon mehr erfahren als Nora und kann sich entsprechend besser anpassen. Nichtsdestotrotz ist sie aber jemand, der unkonventionell denkt und der sich für die Bildung von Frauen einsetzt. Mit dieser Einstellung eckt sie entsprechend auch im Pensionat an, denn die Pensionatsleiterin ist von der ganz alten Schule und hält nichts davon, dass mittlerweile auch Mädchen in naturwissenschaftlichen Fächern und Leibesertüchtigung unterrichtet werden sollen. Geschickt webt die Autorin hier historische Fakten bezüglich des Schulsystems der damaligen Zeit ein. Dieses befand sich in der Entwicklung und die Schulbildung der Mädchen wurde zentral erweitert.
Auch die Liebe kommt als zentrales Thema nicht zu kurz. Unstandesgemäß beginnt sich zwischen Henry und Gesche eine Verbindung zu entwickeln, die nach damaligen Ansichten nicht existieren darf. Auch Nora hat Gefühle für Karl, die ebensowenig standesgemäß sind. Die daraus entstehenden Konflikte werden im Roman gut aufgezeigt und sorgen für eine gute Prise Spannung.
Gefallen hat mir zudem die enge Freundschaft und der Zusammenhalt der Mädchen im Pensionat. Schnell findet sich Nora hier ein und auch innerhalb der Viererclique werden Standesunterschiede immer wieder deutlich. Auch das Schicksal von jungen Frauen, die ohne Familie aufwachsen wird in Noras Freundeskreis aufgezeigt. So hat Fanny als Waise kaum eine Chance, als ihr unerwartet ein unfreiwilliger Heiratsantrag gemacht wird…
Die Erzählperspektive wechselt zwischen Henry, Nora und Gesche. Kurzzeitig wird auch aus personale Erzählperspektive von Noras und Henrys Vater berichtet. Gefühle und Gedanken der Hauptfiguren werden so unkompliziert vermittelt und es ergibt sich ein schlüssiges Gesamtbild der Handlung.
Der Schreibstil der Autorin ist ebenfalls im gesamten Roman wunderbar flüssig und bildhaft. Szenen, Figuren und Handlungsorte werden brillant beschrieben und schnell entsteht das Gefühl, selbst mitten im Geschehen zu sein.
Mein Fazit: Mich hat der Roman von Anna Perbandt absolut begeistert. Ich mochte einfach alles - die Liebesgeschichten, das Pensionsatsfeeling, die Freundschaft der Mädchen, das Setting… - und freue mich unglaublich auf die Fortsetzung! Von mir gibt es also 5 von 5 Sternen und eine klare Leseempfehlung.