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Veröffentlicht am 13.01.2024

Gut, aber nicht ganz wie erwartet

Austrian Psycho Jack Unterweger
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Das Cover des Buches zeigt eine Bildcollage, ein zersplittertes Foto von Jack Unterweger. Darauf wirkt die Person verzerrt und abstrakt, es ist durchaus eine unheimliche Darstellung. Die Innenseite des ...

Das Cover des Buches zeigt eine Bildcollage, ein zersplittertes Foto von Jack Unterweger. Darauf wirkt die Person verzerrt und abstrakt, es ist durchaus eine unheimliche Darstellung. Die Innenseite des Buches zeigt ein schwarz-weiß Foto von Unterweger, dieses Mal aber freundlich lächelnd im Blitzlichtgewitter der Fotografen. Beide Bilder zeigen auf sehr anschauliche Weise die beiden Seiten des Mannes, um denen es im Buch gehen wird.

Es ist für mich kein schlechtes Buch, aber auch nicht ganz das, was ich erwartet habe. Erwartet (oder vielleicht auch etwas erhofft) hatte ich mir eine Auseinandersetzung des Falles Unterweger mit der österreichischen Gesellschaft, insbesondere mit der Literaturbranche von einem Außenstehenden. Das ist nur zum Teil der Fall. Es ist eine Mischung aus erzählender Reportage und Kritik. Wobei letzteres eher zögerlich und oft nur widerwillig durchkommt. Malte Herwig ist in diesem Fall eher ein Herausgeber, den eigentlichen Text hat ein anonym bleibend wollender Autor verfasst. Dieser gibt unumwunden zu, sich an der „Befreiungsaktion“ für Unterwegs beteiligt gewesen zu sein und aus der Literaturbranche zu kommen. Herwig konfrontiert den unbekannten Autor mit den Fakten des Falles, lässt ihm Akten, Briefe, Tonbandmitschnitte und aufgezeichnete Interviews zukommen. Der unbekannte Autor gibt sich teilweise durchaus Mühe auch die „andere Seite“ des Falles zu betrachten. Von Verstehen würde ich an dieser Stelle nicht sprechen, denn meiner Meinung nach ist der unbekannte Mann davon meilenweit entfernt die Wahrheit, die Fakten auch nur verstehen zu wollen. Der Autor verfällt in eine Art Verteidigungsmodus. Die Erkenntnis, dass Unterweger alle getäuscht hat, indem er den unterschiedlichen Gruppen genau das vorgespielt hat, was diese hören bzw. sehen wollten und ihm nützlich war; dagegen sträubt er sich mit aller Macht. Er wirft auch Herwig auch immer wieder vor, ihn von seiner gefassten Meinung abbringen zu wollen. Der unbekannte Autor geht an diesen Stellen wenig schmeichelhaft mit dem Herausgeber um.
Manchmal wirkt der Text etwas wirr, dann springt er zwischen Reportage und eigenen Gedanken hin und her. Das ist mitunter gar nicht so leicht zu lesen, vor allem wenn Interviewausschnitte mit Unterweger integriert werden. (Was für ein Schwätzer dieser Mann war! Unglaublich.)

Am Ende wird der Autor dann doch ein wenig nachdenklich und stellt seine Rolle und die anderer Autoren in Frage. Dieser Moment dauert allerdings auch nicht lange und die Selbstkritik ist auch eher sehr sehr dünn. Am meisten negativ aufgestoßen ist mir, dass Unterwegers Opfer für ihn gesichtslose „Etwasse“ sind. Er blendet sie aus, als hätten sie nie existiert. Als wären sie eine reine Erfindung der Medien um einem beliebig ausgewählten Menschen Verbrechen anzulasten. Es wirkt auf mich so unglaublich empathielos.

Eine umfassende und abschließende Analyse des ganzen Falles wird vermutlich nie möglich sein. Daher war das Buch durchaus ein interessanter Einblick in die Gedanken eines Beteiligten und seine Beweggründe. Über das Ausmaß kann man eigentlich nur den Kopf schütteln und hoffen, dass wir als Gesellschaft heute, nach so vielen Jahren, weiter sind.

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Veröffentlicht am 26.10.2023

Hervorragender Vergangenheitsteil, schwache Gegenwart

Marschlande
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Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen, einmal in der Vergangenheit und einmal in der Gegenwart.
Den Vergangenheitsteil finde ich unheimlich toll. Man bekommt gut die Gegebenheiten des Landstrichs vermittelt, ...

Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen, einmal in der Vergangenheit und einmal in der Gegenwart.
Den Vergangenheitsteil finde ich unheimlich toll. Man bekommt gut die Gegebenheiten des Landstrichs vermittelt, wie die Leute ticken und wie hart des bäuerliche Leben zu dieser Zeit gewesen sein muss. Und es wird sehr deutlich, wie schwer es vor allem für eine alleinstehende Frau gewesen sein muss, die es schafft einen Hof selbst zu führen und das auch erfolgreich. Abelkes Geschichte hat mich sehr fasziniert und ihr Schicksal mich sehr berührt. Die Ungerechtigkeiten, die ihr widerfahren, haben mich wütend gemacht und ich wäre am liebsten durch die Seiten gestiegen und hätte Abelke verteidigt.

Mit dem Gegenwartsteil habe ich so ein wenig meine Probleme. Er ist mir zu sehr gespickt mit Klischees. Das kann funktionieren, aber es fühlt sich für mich an wie eine Auflistung der größten Frauen-/Familienklischees, die man derzeit so finden kann. Dadurch fällt es mir unheimlich schwer, mich in Brittas Probleme hineinzuversetzen. Ich finde den überwiegenden Teil einfach ziemlich belanglos. Erst am Ende wird für mich ein bisschen dessen sichtbar, wie Brittas Geschichte auch hätte erzählt werden können. Ohne Klischees und ohne Feminismus-Keule.

Ich finde ja selten ein Nachwort wirklich spannend und meistens lese ich es auch tatsächlich nicht. Aber hier ist das Nachwort wirklich gut gemacht. Interessant und informativ, es hat mich wirklich sehr gelockt sich mit einem mir eher unbekannten Thema auseinanderzusetzen, tolle Anreize zur weiteren Lektüre.
Aber der Gegenwartsteil - der ist mir einfach zu platt, zu plakativ, zu klischeehaft und auch nicht wirklich interessant. Er kann für mich absolut nicht mit der Geschichte um Abelke Bleken mithalten. Aber alleine für diesen Teil würde ich das Buch noch einmal lesen.

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Veröffentlicht am 13.09.2023

Gut, aber nicht überragend

Die weite Wildnis
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Die ersten beiden Bücher der Autorin habe ich mit großer Begeisterung gelesen. Umso gespannter war ich natürlich auf "Die weite Wildnis".

Es ist wieder ein historisches Setting. Dieses Mal zur Zeit der ...

Die ersten beiden Bücher der Autorin habe ich mit großer Begeisterung gelesen. Umso gespannter war ich natürlich auf "Die weite Wildnis".

Es ist wieder ein historisches Setting. Dieses Mal zur Zeit der ersten Siedler in der Neuen Welt verortet. Der Leser erlebt das relativ kurze, arbeitsreiche, ungerechte, schmerzhafte und von Unterdrückung bestimmte Leben einer jungen Frau anhand ihrer Erinnerungen. Obwohl - so richtig namenlos ist sie, je nach Blickwinkel betrachtet, nicht. Man gibt ihr als Baby eine Art "Moralbezeichnung" als Namen. Sie ist Zeit ihres Lebens eher ein Gegenstand, denn ein Mensch. Um dem Tod zu entkommen (warum genau wird im Verlauf des Buches deutlich), flieht sie mitten im Winter in die unbekannte Wildnis. Das Leben auf ihrer Flucht ist extrem hart und stellt sie immer wieder vor neue Herausforderungen. Und es ist schon erstaunlich, mit welchen Tricks sie sich durchschlägt und am Leben erhält.
Hier kommt auch die größte Stärke des Buches zum Tragen. Die Schilderungen der Wildnis, der Einsamkeit, des Lebenskampfes und der Beschreibungen von Wetter und Natur. Man bekommt eine Vorstellung davon, wie einsam es auf dieser Flucht zugehen muss, wie Hunger und Verzweiflung täglich zunehmen.

Es ist für mich ein gutes und durchaus interessantes Buch. Groffs toller Stil erzählt sehr eindringlich und bildhaft von Schmerzen, Widrigkeiten, Verzweiflung und dem Verlust des eigenen Glaubens. Auch Themen wie Versklavung, Missionierung und Kolonialisierung sowie deren Auswirkungen werden aufgegriffen.

Ich würde nicht sagen, dass mich das Buch enttäuscht hat. Aber trotz des tollen Stils und der anderen interessanten Aspekte, hat es mich letztlich einfach nicht so gepackt und in Begeisterung versetzt.

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Veröffentlicht am 28.06.2023

Habe mir mehr erwartet

Porträt auf grüner Wandfarbe
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Das Buch konnte mich leider nicht restlos begeistern.
Die Grundidee finde ich toll und einige Aspekte der Geschichte haben mir auch durchaus gut gefallen. Zum Beispiel das Thematisieren von Schuld innerhalb ...

Das Buch konnte mich leider nicht restlos begeistern.
Die Grundidee finde ich toll und einige Aspekte der Geschichte haben mir auch durchaus gut gefallen. Zum Beispiel das Thematisieren von Schuld innerhalb der Familie über Generationen hinweg, die dadurch ausgelösten Empfindungen. Mir haben Ellas Erzählungen aus der Vergangenheit sehr viel besser gefallen, als die Gegenwart. Ella als Figur wirkt auf mich sehr viel sympathischer und zugänglicher, als alle anderen Figuren. Gwen, Theo, Lily – alle blieben mir immer fremd und oberflächlich. Mich hat auch zunehmend diese permanente groß aufgeblasene Geheimniskrämerei genervt. Es gibt keine einfachen Erklärungen, alles ist so super geheim, dass selbst Gwen als Hauptfigur Glück hat, gelegentlich ein paar Brocken der Zusammenhänge hingeworfen zu bekommen. Es gibt an jeder Ecke ein neues großes Familiengeheimnis, das gelöst werden muss. Was eben noch absolut wichtig und dringend war, wird dann relativ zügig abgehandelt. Man hat nur manchmal nicht das Gefühl, dass es vorwärts geht. Es wirkt auf mich dann sehr überladen. Zu viele Dinge, die einander gereiht sind. Es fehlte mir da einfach an Persönlichkeit, etwas, dass die Geschichte für mich greifbar und miterlebbar macht. Schade, ich hatte mir hier mehr erhofft.

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Veröffentlicht am 08.04.2023

Familiengeschichte

Träume aus Eis
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Eine unterhaltsame, leichte und angenehm zu lesende Familiengeschichte mit einem kleinen historischen Kern. Dieser liegt in der Marke JOPA-Eis und dessen Vermarktung durch zunächst eine kleine Eisdiele ...

Eine unterhaltsame, leichte und angenehm zu lesende Familiengeschichte mit einem kleinen historischen Kern. Dieser liegt in der Marke JOPA-Eis und dessen Vermarktung durch zunächst eine kleine Eisdiele in München.
Die Autorin hat es sprachlich einfach gehalten, versieht einige ihrer Figuren zusätzlich mit bayrischer Mundart. Ich tue mich leider immer recht schwer damit, Mundarten zu lesen. Das war manchmal ein wenig anstrengend für mich und hat meinen Lesefluss ein bisschen gestört. Es ist grade so an der Grenze für mich, mehr hätte es für meinen Geschmack auch nicht sein dürfen.
Die Figuren haben zwar viel Herz mitbekommen, aber leider nicht ganz so viel Tiefe. Ihr Handeln und die Geschehnisse rund um den kleinen Eissalon sind daher auch ein bisschen vorhersehbar.

Alles in allem aber ein Buch, mit dem man es sich wunderbar auf dem Sofa gemütlich machen kann und weil das Gesamtpaket stimmig ist, bekommt man eine richtig schöne Lesezeit damit geschenkt.

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