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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.11.2024

Tiefgründiger Roman, der berührt, aber auch wütend macht!

Bright Young Women
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Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Mord, Blut, (sexualisierte) Gewalt gegen ...

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Mord, Blut, (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen (bis Vergew+ltigung), Grooming, M+ssbrauch von Kindern, Misogynie, S+xismus, Queerfeindlichkeit
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: M+ststück

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Serienkiller
- inspiriert durch wahre Begebenheiten (Ted-Bundy-Morde)
- Frauenfreundschaften / weibliche Solidarität
- starke/erfolgreiche/intelligente Frauen
- Misogynie, Sexismus, Victim Blaming, Täterschutz in den Medien
- Trauer
- 70er-Jahre in Amerika
- LGBTQAI+-Themen
- 2 Handlungsstränge

Meine Rezension

„Bright Young Women“ hat mich mit seinem Titel sofort an einen meiner absoluten Lieblingsfilme erinnert: „Promising Young Woman“. ♥ Und thematisch gibt es durchaus ein paar Überschneidungen. In beiden Fällen werden junge, intelligente Frauen mit vielversprechenden Karriereaussichten durch männliche Gewalt aus der Bahn geworfen und müssen mit den schrecklichen Dingen, die ihnen passiert sind, leben lernen. Der Klappentext hat mich direkt neugierig gemacht, deshalb war mir schnell klar, dass ich dieses Buch lesen muss!

Doch konnte „Bright Young Women“ meine hohen Erwartungen auch wirklich erfüllen oder reiht es sich ein in die vielen mittelmäßigen Bücher, die ich dieses Jahr schon gelesen habe? Mit großer Freude kann ich verkünden, dass ich mit dem vorliegenden Roman ENDLICH (ja, im November, fragt nicht!) mein erstes Jahreshighlight gefunden habe! ♥ Aus meiner Sicht hat Jessica Knoll einen rundum gelungenen, mitreißenden, berührenden (und wütend machenden) Roman geschrieben, den man kaum aus der Hand legen kann, der die Gefühle der Hauptfiguren äußerst nuanciert beschreibt und auch bei den Beziehungen untereinander richtig weit in die Tiefe geht.

Es ist eine fiktive Geschichte, die jedoch auf den wahren Morden von Ted Bundy basiert – mir hat es Spaß gemacht, hier zu recherchieren und auseinanderzudividieren, was Fakt und was Fiktion ist. „True-Crime-Bücher gibt es viele!“, werdet ihr jetzt sagen. Stimmt natürlich! Jedoch macht ein Aspekt „Bright Young Women“ zu etwas ganz Besonderem: die frische und so WICHTIGE feministische Perpektive. Endlich sind die Überlebenden mehr als bloße Randnotizen, endlich geht es um sie – um ihr Leben, das durch die Morde erschüttert wurde, um ihre Stärke, um ihre Trauer, um ihre Freundschaften, um ihre Resilienz und die Art, wie sie (erfolgreich) mit den Folgen von männlicher Gewalt leben lernen.

Interessanterweise hat die Autorin es geschafft, einen ganzen Roman zu schreiben, ohne den Namen des Serienkillers auch nur einmal zu erwähnen – hier wird er zum „Angeklagten“ reduziert. Schicht um Schicht trägt Jessica Knoll hierbei das mediale Lob, die Faszination, den Hype, die Verherrlichung und die Überhöhung des Frauenmörders ab und offenbart einen Durchschnittstypen, der sich selbst maßlos überschätzt und der sich scheinbar von starken, intelligenten, lebensfrohen Frauen bedroht fühlte – denn genau sie hat er sich als Opfer ausgesucht. Vom gewohnten Narrativ – von dem ihm nachgesagten Charme und seiner angeblich beeindruckenden Intelligenz – bleibt am Ende nicht viel übrig. Außerdem offenbart die Autorin, wie sich in der damaligen Gesellschaft (heute ist es zumindest etwas besser) Misogynie, S_xismus, Queerfeindlichkeit und Inkompetenz zu einem System vereint haben, das Opfern die Schuld gab, sie nicht ernst nahm, sie sich selbst überließ und sie immer wieder retraumatisiert hat. Ein System, dass mindestens eine Mitschuld an den späteren Morden trägt, weil es sie hätte verhindern können.

Erzählt wird die Geschichte auf zwei Zeitebenen und mithilfe von zwei Handlungssträngen, die sich mehr und mehr überschneiden. Im Mittelpunkt stehen hier starke, reflektierte, zielstrebige und intelligente Frauen, die jedoch auch Schwächen und Fehler haben, wodurch es sehr leicht ist, sich mit ihnen zu identifizieren und mit ihnen mitzufiebern und mitzufühlen. Für die äußerst liebevolle Figurenzeichnung gibt es also von mir einen Daumen nach oben!

Negativ aufgefallen sind mir aus feministischer Sicht nur am Anfang der Male Gaze bei den Beschreibungen weiblicher Körper und die geschilderte Stutenbissigkeit (einfach unnötig!) – zum Glück dreht sich das im Laufe des Buches dann komplett. Mein einziger ernsthafter Kritikpunkt sind das langsame Tempo und die geringe Handlungsdichte. Wirklich langatmig fand ich „Bright Young Women“ zum Glück an keiner Stelle, aber mehr Spannung hätten diesen Roman ohne Frage NOCH besser gemacht. Aber auch so bin ich wirklich begeistert (übrigens auch von der Sprecherin und vom Hörbuch, das ich parallel gehört habe!) und überzeugt davon, dass „Bright Young Women“ nicht mein einziges Buch von Jessica Knoll bleiben wird!

Mein Fazit

„Bright Young Women” ist für mich ein mitreißender, berührender, tiefgründiger und richtig gut geschriebener Roman, der endlich den Opfern von Ted Bundy eine (wenn auch fiktive) Stimme gibt, ihre Leben und ihre Stärke in den Mittelpunkt rückt und das Bild, das lange Zeit in der Öffentlichkeit von ihm gezeichnet wurde, geraderückt. Aus meiner Sicht deshalb ein wichtiges Buch, das ihr euch nicht entgehen lassen solltet! Und für mich ganz klar ein Jahreshighlight!

Bewertung (in Schulnoten)

Cover / Aufmachung (altes Cover): 1+ ♥
Idee: 1+ ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 1+ ♥
Tiefe: 1+ ♥
Umsetzung: 1-2
Worldbuilding: 2
Einstieg: 2
Ende: 1+ ♥
Schreibstil: 1+ ♥
Figuren: 1+ ♥
Spannung: 2
Pacing/Tempo: 3
Wendungen: 2
Atmosphäre: 2
Emotionale Involviertheit: 1-2
Feministischer Blickwinkel: 1-2
Einzigartigkeit: 1+ ♥

Insgesamt:

Note 1-2

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 20.07.2024

Rundum gelungenes Kinderbuch mit wichtiger Botschaft!

Kleiner Löwe, großer Mut
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Seit der junge Löwe Tobe ein Bein verloren hat, wird er von den anderen Tieren nicht mehr ernst genommen und unfreiwillig geschont. Dabei will er doch nur ein ganz ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Seit der junge Löwe Tobe ein Bein verloren hat, wird er von den anderen Tieren nicht mehr ernst genommen und unfreiwillig geschont. Dabei will er doch nur ein ganz normales Löwenleben leben! Und dass er das kann, wird er allen beweisen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Altersempfehlung: 4+
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt oder getötet.
Inhaltswarnungen: -
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Leben mit Behinderung / Inklusion
- Diversität
- Mut & Selbstvertrauen
- Optimismus
- Freundschaft

Lieblingszitate

„Tobe ist ein ganz gewöhnlicher kleiner Löwe.“ Seite 3

„‚Wir wollen dich schonen‘, antworten seine Freunde.
Tobe versteht das nicht.
‚Wer hat denn gesagt, dass ich geschont werden will?‘, fragt er.“
Seite 4

Meine Rezension

Nach längerer Zeit war es für mich wieder einmal Zeit für ein Kinderbuch, damit ich für meine zukünftigen Nichten und Neffen gut gerüstet bin. „Kleiner Löwe, großer Mut“ war da auf jeden Fall die richtige Wahl!

Was mir so gut daran gefallen hat? Fast alles! Unter anderem haben mich der einfache, flüssige und verständlich Schreibstil und die süße Geschichte (für Kinder ab 4) von Tom Belz und Carolin Helm auf ganzer Linie überzeugt. Im Mittelpunkt steht hier ein junger Löwe namens Tobe, der (wie der Autor selbst) ein Bein verloren hat und nun mit dieser Behinderung leben muss. Die anderen Tiere unterschätzen ihn aber ständig, wollen ihn schonen und schützen, obwohl er doch nur ein ganz normales Löwenleben leben, eigene Entscheidungen treffen und ernst genommen werden möchte. Dass er das auch schafft, will er seinen Freund:innen durch eine Mutprobe beweisen – ob es klappt, werde ich an dieser Stelle nicht verraten, hierzu müsst ihr schon selbst das Buch lesen… 😉

Mit „Kleiner Löwe, großer Mut“ zeigt der Autor (der nicht nur Vereinsfußballer und Schlagzeuger einer Band war, sondern sogar mit nur einem Bein und Krücken den Kilimandscharo bestiegen hat), wie normal und schön ein Leben mit Behinderung sein kann. Der Löwe Tobe kann hier Kindern (und sicher auch Erwachsenen) sowohl als positives Vorbild dienen als auch dabei helfen, Vorurteile über Menschen mit Behinderung abzubauen, weshalb die Geschichte aus meiner Sicht ein sehr wertvolles, empfehlenswertes Kinderbuch zum Thema Inklusion ist! Übrigens tritt Tom Belz auch als Sprecher in Schulen auf – eine wichtige Information für alle Pädagog:innen, die es ermöglichen wollen, dass ihre Kinder einmal einen Autor „hautnah“ erleben können.

Sehr gut gefallen haben mir auch die wunderschönen, farbenfrohen Illustrationen von Alexandra Helm und die vielen kleinen Details, die mich oft zum Schmunzeln gebracht haben (z. B. der Gesichtsausdruck der Käfer, wenn der Löwe laut brüllt). Diese Prise Humor war wirklich ein großer Pluspunkt! Interessant fand ich auch die Verbindung aus Natur und Menschlichem: Da gibt es im Buch schon einmal einen Filmeabend mit Popcorn, Sport mit Schutzhelm und eine Punktewertung für den besten Sprung ins kühle Nass.

Punkteabzug gibt es von mir nur für die Darstellung einiger weiblicher Figuren. Diese werden recht klischeehaft durch lange Wimpern, Schleifen am Kopf, Röcke, Bikini-Oberteile (bei einem Hasen, ernsthaft?) und einmal sogar durch Tutu und Krone (= Prinzessin) gekennzeichnet. Das geht im Jahr 2024 einfach besser!

Mein Fazit

Für mich ist „Kleiner Löwe, großer Mut“ ein rundum gelungenes Kinderbuch mit schönen Illustrationen, einer tollen Hauptfigur und einer wichtigen Botschaft. Lediglich bei der Darstellung der weiblichen Figuren hätte ich mir hier weniger Klischees und einen moderneren Zugang gewünscht. Von mir gibt es trotzdem eine Empfehlung!

Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Geschichte / Inhalt: 5 Sterne ♥
Ausführung: 4,5 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Hauptfigur: 5 Sterne ♥
Figuren: 4 Sterne
Illustrationen: 5 Sterne ♥
Rollenbilder/Feminismus: 3 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★,5 Sterne

Dieses Buch erhält von mir viereinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.12.2023

4,5 Sterne: Rundum gelungene, fesselnde Fortsetzung mit einem Love Interest zum Verlieben!

Das Reich der Sieben Höfe – Flammen und Finsternis
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Feyre hat es geschafft: Sie hat Amarantha besiegt, den Fluch gebrochen und das Fae-Reich gerettet. Doch sie ist auch traumatisiert, kann nicht schlafen, muss sich immer ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Feyre hat es geschafft: Sie hat Amarantha besiegt, den Fluch gebrochen und das Fae-Reich gerettet. Doch sie ist auch traumatisiert, kann nicht schlafen, muss sich immer wieder übergeben. Es hilft nicht, dass Tamlin aus Angst um ihre Sicherheit anfängt, sie im Schloss einzusperren. Und dann wäre da auch noch der gefürchtete High Lord der Nacht, Rhysand, bei dem sie wegen eines Vertrages jeden Monat eine Woche verbringen muss… Aber ist der Hof der Nacht wirklich so schrecklich, wie alle Welt glaubt?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1/5 (aktuell)
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis etwas länger

Inhaltswarnung: Blut, Gewalt, Tod, Gewalt gegen Frauen, s+xualisierte Gewalt Gaslighting, toxische Beziehung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: H+re (für alle Geschlechter), Miststück, Weib

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Slow-Burn-Liebesgeschichte (sehr langsam!)
- Found Family
- nicht viel, aber detaillierter Spice
- Magie und magische Wesen (Fae usw.)
- Intrigen, Politik
- Umgang mit Trauma
- toxische Beziehung bzw. Befreiung daraus
- Liebesgeschichte im Fokus, trotzdem auch Worldbuilding & Handlung vorhanden
- Setting: Hof der Nacht, Winter, Berge
- unaufdringlicher Feminismus
- viele starke Frauenfiguren

Meine Rezension

„Nur wenige haben je die Grenze zum Hof der Nacht überschritten und überlebt.“ Seite 548

Nachdem mir Band 1 des „Reichs der sieben Höfe“ in den Sommerferien so überraschend gut gefallen hatte, war eine Verlängerung unserer Leserunde auf Bookstagram schnell beschlossen. Meine Erwartungen an Band 2 waren sogar noch höher, weil er immerhin als bester Teil der Reihe gilt…

Doch konnte mich auch die Fortsetzung wieder überzeugen oder haben wir es hier mit einem mittelmäßigen zweiten Band zu tun (was ja ganz oft bei Reihen der Fall ist)? Hier kann ich euch beruhigen (bzw. beunruhigen, falls ihr entsetzt seid, dass mir ACOTAR gefällt): Auch Band 2 liefert wieder ab und die Liebesgeschichte ist dieses Mal sogar NOCH besser!

Tamlin mochte ich in Band 1 ja noch sehr (zum Glück aber kein Tattoo stechen lassen, yes!), aber die traumatischen Ereignisse haben ihn sehr zum Negativen verändert. Diese Entwicklung finde ich keinesfalls an den Haaren herbeigezogen, sondern sie ist stringent und glaubwürdig – was Tamlin allerdings keine Spur sympathischer macht. Sein Beschützerinstinkt nimmt überhand und kontrolliert jetzt IHN. So engt und sperrt er Feyre immer mehr ein, weil er den Gedanken nicht ertragen kann, dass ihr etwas passieren könnte (was leider auch nicht unwahrscheinlich ist). Doch das ist noch nicht alles: Er traut ihr nichts zu, sieht sie als Besitz, hat seine Wut nicht unter Kontrolle, will eine brave Ehefrau aus ihr machen, die sich aus den Regierungsangelegenheiten heraushält und stattdessen die pompöse Hochzeit plant.

Auftritt Rhysand, der sich für alle Fehler in Band 1 ernsthaft entschuldigt, feministische Reden schwingt, Feyre ernst nimmt, zu jeder Zeit auf Consent achtet, keine Angst vor ihren Fähigkeiten hat und sie sogar noch trainiert und zur Kriegerin ausbildet. Da schlägt das Herz DIESER Feministin natürlich direkt höher! Seite für Seite hat sich dieser Kerl in mein Herz geschlichen, bis ich mich selbst (und nicht nur ein bisschen!) in ihn verliebt hatte – und das passiert mir selten! Für mich ist Rhysand ein wirklich toller Love Interest und der ideale „Book Boyfriend“. Feyres Gefühle für ihn nachzuvollziehen war dementsprechend einfach.

„Rhysand, der High Lord des Hofs der Nacht, stand neben mir. Dunkelheit umwaberte seine Gestalt wie Tinte, die im Wasser Schlieren zieht.“ Seite 592

Sarah J. Maas entwickelt die Enemies-to-lovers-Liebesgeschichte extrem langsam und erzeugt eine unglaublich dichte, kribbelnde Atmosphäre zwischen Rhysand und Feyre. Weil so lang im Buch nicht viel passiert außer Mini-Annäherungen und Wortgefechten, haben selbst kleine Momente eine große Wirkung: Wenn Rhysand beispielsweise Feyre den Waffengurt umschnallt und dabei ihre Oberschenkel an der Außenseite berührt, könnte man ausrasten vor Glücksgefühlen! Und das hat es wirklich, dieses Buch – mich viele Stunden lang glücklich gemacht, denn für mich ist das ein echter Wohlfühlroman zum Eintauchen und Alles-um-sich-herum-Vergessen. Was den Spice betrifft (wenn er dann mal vorkommt, denn erneut sind es wenige Szenen), so ist dieser in diesem Band allerdings deutlich detailverliebter, ausufernder und direkter (weniger poetisch) – hier mochte ich Band 1 deutlich lieber, aber das ist sicher Geschmackssache.

Thematisch stehen die emotionale und physische Entwicklung der Hauptfigur, der Umgang mit Trauma, Vorurteile, die Befreiung aus einer toxischen Beziehung, Freundschaft, Liebe, aber auch Diskriminierung, Macht, Intrigen und Politik im Vordergrund. Erneut werden diese Dinge mit angemessener Tiefe (für Romantasy) behandelt. Ein absolutes Highlight war natürlich Rhysands Freundeskreis, der zusammenhält wie Pech und Schwefel (Found-Family-Trope der feinsten Sorte!). Aus feministischer Sicht hat mir Band 2 auch deutlich besser als der Auftakt gefallen, was nicht zuletzt an Rhysand liegt, den man durchaus als Feministen bezeichnen könnte. Seine Führungsriege besteht z. B. (auch) aus intelligenten, starken, teilweise furchteinflößenden Frauen, wodurch er sich jedoch nicht einschüchtern lässt. Außerdem wird mit den traditionellen Geschlechterrollen immer wieder gebrochen (z. B. haben wir hier ein männliches Opfer von s+xueller Gewalt), auch wenn es trotzdem ein paar unnötige Klischees gibt, die man sich hätte sparen können. Abzug gibt es wieder für die Übersetzung: Wie schwer kann es sein, eine Frau z. B. als „VerräterIN“ zu bezeichnen und hier zu gendern?!

„Und unter meiner Haut, in meinen Knochen hämmerte und pulsierte etwas. Erhob sich, stieg auf, peitschte durch mein Blut.“ Seite 591

Mein einziger Kritikpunkt ist dieses Mal, dass die Handlung im Vergleich zu Band 1 etwas zu sehr in den Hintergrund tritt und dass man das Buch kürzen und straffen hätte müssen, um das Tempo und die Spannung durchgehend hoch halten zu können. Das Ende wurde mir dann jedoch fast wieder etwas zu hastig abgehandelt, hier hätte ich mir dann doch ein paar Seiten mehr gewünscht. Beim Pacing gibt es also noch Luft nach oben – und von mir einen halben Stern Abzug.

Mein Fazit

„Flammen und Finsternis“ ist vielleicht nicht ganz perfekt (beim Pacing und der Spannung gibt es noch etwas Luft nach oben), aber doch eine richtig gute, deutlich feministischere, fesselnde, mitreißende und berührende Romantasy-Fortsetzung. Band 3 ist schon ganz fest eingeplant – ich kann es kaum erwarten, noch mehr von der Autorin zu lesen! Von mir gibt es jedenfalls wieder eine Leseempfehlung!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 4,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 3,5 Sterne
Tempo: 3 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.12.2023

Richtig gute, mitreißende Vampir-Romantasy fürs Herz! ♥

When The King Falls
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Achtung! Die Rezension enthält leichte Spoiler!

Inhalt

Jedes Jahr wählt der Vampir-König eine neue menschliche Braut aus, von der er sich in den kommenden Monaten ernähren wird. Dieses Jahr hat es ...

Achtung! Die Rezension enthält leichte Spoiler!

Inhalt

Jedes Jahr wählt der Vampir-König eine neue menschliche Braut aus, von der er sich in den kommenden Monaten ernähren wird. Dieses Jahr hat es Florence nach 8 Versuchen endlich in die Top 10 und zum großen Ball der Entscheidung geschafft. Sie hat Glück und wird erwählt. Was der König eigentlich nicht weiß: Florence gehört zu einer Familie von Rebell:innen, die den Herrscher stürzen wollen. Seit Generationen haben sie auf genau diese Moment hingearbeitet. Jetzt liegt es an der geliebten Tochter und Schwester, die sie für das Wohl der Menschen geopfert habe, den Vampirkönig zu töten…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1/2
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis etwas länger

Inhaltswarnung: Blut, Tod, Trauer, Gewalt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Slow-Burn-Liebesgeschichte
- Enemies to lovers (dt. von Feindschaft zu Liebe)
- stilvoller Spice
- Vampire
- Respektvoller Love Interest, der Wert auf Consent legt
- Machtgefälle, das NICHT ausgenutzt wird
- unaufdringlicher Feminismus
- Frauenfreundschaft
- wenig Worldbuilding

Wollt ihr wirklich meine Sicht? Dann lest mein Rezensionsgedicht!

“Ich will wissen, wer der Mann ist, in dessen Hände ich mein Leben lege. Ich will sein Gesicht sehen und mir endlich vorstellen können, wie er aussieht, wenn er stirbt.“ Seite 14

Es wirkte wie eine Falle, Cover und Farbschnitt waren einfach zu schick,
doch seit ich es gesehen habe, glaub‘ ich auf Liebe auf den ersten Blick!
Klappentext gelesen – irgendwas mit Vampiren, wird schon passen –
und schnell das Buch in meinen Einkaufswagen fallen lassen.
Klar, das Ding könnte über die Laufstege in Paris stolzieren,
aber auch für die inneren Werte braucht es sich nicht zu genieren!

Im Gegenteil, starker Einstieg und danach geht es nur noch bergauf,
ich bin sicher, auch ihr würdet ihn nicht bereuen, diesen Kauf!
Flott und fesselnd geschrieben, Spannung, Fokus auf Gefühle und Innenwelt,
kurz: eine Vampir-Romantasy, wie sie mir gefällt!

Auch wenn die Rebellin Florence beim großen Ball noch so offensiv um den Vampirkönig und die Stelle als Blutbraut wirbt,
eigentlich will sie nur sein Gesicht sehen, damit sie endlich weiß, wie er aussieht, wenn er stirbt.
Dass sie den König hasst, kann sie im Bad neben seiner Schwester nicht verhehlen,
doch – was für ein Twist – die rennt zu ihrem Bruder und überzeugt ihn, sie zu wählen.
Nicht wie eine Spionin, sondern devot soll sie sich geben,
aber Florence als unterwürfiges Mäuschen? Nicht mehr in diesem Leben!

Die Familie so: Florence, unser Schatz, du verstehst das sicherlich!
Um diesen Krieg zu gewinnen, müssen wir jemanden opfern, und zwar: dich.
Du schaffst das, das wissen wir, weil wir dich kennen –
und falls doch nicht, erreg keine Aufmerksamkeit und versuch nicht zu rennen.
Viel Glück, liebes Kind, wir geben dir die Pille mit im Kleid,
und beobachten deine lebensgefährliche Mission aus der Sicherheit.

Florence‘ Auftrag ist klar: Komm dem Vampirkönig näher, Zielort: Bett.
Doch der Plan hat eine Schwachstelle, denn: Verdammt, ist der NETT!
Ihre Rolle und ihre echten Gefühle lassen sich immer schwerer trennen,
am liebsten würde sie einfach davor wegrennen.
Denn egal, was sie fühlt – fest steht das Ende:
Sie muss ihn töten zur Sonnenwende!

Um die Mission nicht zu gefährden, wäre es wichtig, dass Florence sich niemals gegen ihn verteidigt,
trotzdem hat sie ihn nach zwei Treffen schon dreimal beleidigt.
Wirkliche Assassinen-Skills hat sie (leider!) nicht, aber ihr Mundwerk schießt schneller als Lucky Luke‘s Schatten,
und – zack – ist schon wieder eine Konversation vollkommen außer Kontrolle geraten.
Mir als Leserin zauberten diese Momente ein Schmunzeln ins Gesicht,
und ganz ehrlich, was Besseres gibt es doch nicht!

Ich habe aufgelacht, breit gegrinst, die Geschichte hat mich berührt
und mit jeder Seite erneut zum Weiterlesen verführt!
Man fühlt so mit Florence mit, spürt jedes Kribbeln, ihren Schmerz,
ja, dieses (feministisch angehauchte) Buch ist wirklich was fürs Herz!
Auch das Hörbuch wird wunderbar von Dagmar Bittner gelesen,
sie gibt jeder Figur eine eigene Stimme, ein eigenes Wesen.

Bleibt mir fern mit euren Christian Greys, Huntern und Mafia-Bossen,
Benedict ist ein respektvolles Monster, und das hab‘ ich genossen!
Endlich mal kein Milliardär, der sich in einen Kontrollfreak verwandelt,
sondern ein Typ, der sich um die Prota kümmert und sie echt gut behandelt.
Consent ist ihm wichtig, Rücksicht immer vorhanden,
solche Männer sind „hot“, das hat Marie Niehoff verstanden.
Dazu noch eine ausgezeichnete Chemie und die dichte Atmosphäre –
wäre schön, wenn das bei jeder Liebesgeschichte so wäre!

Für Denis Scheck wäre die Lektüre wahrscheinlich eine ganz fürchterliche Qual –
naja, zum Glück ist das für mich mittlerweile ein Qualitätsmerkmal.
Ich schreibe seine Empfehlungen ganz genau mit, all die wichtigen Sachen –
nur um dann das genaue Gegenteil zu machen…
Herr Scheck, wollen Sie sich nicht lieber „hochwertige Literatur“ besorgen?
Die Mülltonne mit den „schlechten“ Büchern bitte an meine Adresse, ich werde sie fachgerecht entsorgen!

Alle anderen bekommen aber genau das, was sie sich erwarten,
da spielt die Autorin mit offenen Karten.
Eine mitreißende Liebesgeschichte, später lovers, vorher natürlich enemies,
am besten hat mir gefallen, dass sich die Autorin dabei so viel Zeit ließ!
Als nach einer gefühlten Ewigkeit die Annäherung endlich kam,
passte sie dann sogar mir in den Kram (und das heißt was!).

What a ride – und dann lässt man uns einfach warten? Hey!
Doch was ist das? Band 2 schon im Jänner?! Marie Niehoff – SLAY!
Zum Cliffhanger am Ende – es stimmt, der ist gemein,
aber die Fortsetzung wollte ich sowieso lesen, also will ich mal nicht so sein…
4,5 Sterne, denn ich hätte gern noch mehr erfahren über diese fremde Welt,
dann ist es um die Wertung nächstes Mal sogar noch besser bestellt.

Mein Fazit

Nach langer Zeit ist das endlich wieder ein richtig gutes Vampirbuch gewesen,
deshalb meine Empfehlung: Lesen, lesen, lesen!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 4,5 Sterne
Worldbuilding: 2,5 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Figuren: 4,5 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Tempo: 4 Sterne
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 3 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.09.2023

Wollte es hassen, hab mich stattdessen verliebt… Jahreshighlight! ♥

Das Reich der sieben Höfe – Dornen und Rosen
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Spoilerfreie Rezension!

Klappentext (Lovelybooks)

Als die junge Jägerin Feyre im Wald einen Wolf tötet, erscheint eine furchteinflößende Kreatur. Und verschleppt Feyre in das Reich der Fae. Bald entdeckt ...

Spoilerfreie Rezension!

Klappentext (Lovelybooks)

Als die junge Jägerin Feyre im Wald einen Wolf tötet, erscheint eine furchteinflößende Kreatur. Und verschleppt Feyre in das Reich der Fae. Bald entdeckt Feyre, dass Tamlin, ihr Entführer, ein Prinz der Fae ist. Gefangen an seinem Hof merkt Feyre, dass ihre Gefühle sich Tamlin gegenüber ändern und keine Legende, die sie je über die trügerisch schönen, mächtigen Fae gehört hat, kann das ändern. Doch was Feyre nicht weiß: Tamlin ist verflucht…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 2 von 5
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis länger

Inhaltswarnung: Gewalt (auch gegen Frauen), Blut, Folter, explizite S+x-Szenen, Prostitution, Tod von Tieren, Tierquälerei
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: H+re (aber für beide Geschlechter), Weib

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- starke weibliche Hauptfigur
- Romantasy, aber mit gut durchdachtem Plot & Worldbuilding
- Liebesgeschichte: enemies to lovers (dt. von Feindschaft zu Liebe)
- Märchen-Neuerzählungen („Die Schöne und das Biest“)
- Magie und magische Wesen (Fae, Gestaltwandler:innen)
- unerwartete Wendungen
- Setting: Frühling
- Kampf gegen das Böse / David-gegen-Goliath-Geschichte

Meine Rezension

„Wenn er aus Prythian kam, wenn er irgendeine Art Fae war, dann drohten mir noch ganz andere Gefahren als die, gefressen zu werden. Wenn er ein Fae war, dann sollte ich mich umdrehen und weglaufen, so schnell ich konnte.“ Seite 9

„Das Reich der sieben Höfe“ (im Englischen oft als ACOTAR abgekürzt) gehört sicher zu den bekanntesten und gehyptesten Romantasy-Reihen auf Bookstagram, in der Blogger:innen-Szene und generell auf dem Buchmarkt. Da ich über die Jahre immer wieder auch sehr negative Rezensionen zur Reihe gesehen hatte, habe ich sie über viele Jahre bewusst gemieden. Doch heuer hat mich der Instagram-Algorithmus schließlich mürbe gemacht, der mir immer wieder Reels zu den Büchern in die Vorschläge gespült hat: Mir reichte es! Ich wollte endlich diese Reels verstehen, ich wollte endlich mitreden können! Schnell war der Entschluss gefasst, Band 1 zu lesen, und genauso schnell war eine Gruppe mit Gleichgesinnten für eine Leserunde gefunden. Das gemeinsame Lesen und Diskutieren hat großen Spaß gemacht, danke dafür!

„Was für eine verfluchte Macht besaßen sie, dass sie ihr Reich so anders gestalten konnten als wir das unsere, dass sie die Jahreszeiten und das Wetter kontrollieren konnten, als wären sie ihnen untertan?“ Seite 65

Da ich damit gerechnet hatte, dass ich das Buch generell, mindestens aber aus feministischer Sicht hassen und auf Bookstagram in meinen Storys „ironisch“ kommentieren würde, traf es mich gänzlich unvorbereitet, als ich gemerkt habe, dass es mir tatsächlich… gefällt. Denn, ja, verdammt, Sarah J. Maas KANN fesselnd schreiben – und zwar so mitreißend, dass man nur so durch die Seiten fliegt und das Buch kaum noch weglegen kann. So anschaulich, dass man alles vor sich sieht und so fantasievoll und atmosphärisch, dass man wirklich vollkommen in ihre Welt eintaucht. Die eine oder andere schöne Stelle im Buch habe ich mir sogar markiert. Ja, das „Reich der sieben Höfe“ ist keine hohe Literatur und nein, es wird keine Buchpreise gewinnen – aber das will es ja auch nicht. Was es hingegen will, nämlich über Stunden richtig gut zu unterhalten, DAS gelingt ihm wunderbar. Nun wollt ihr sicher noch eine Sache wissen: Gab es Logiklöcher? Tja, keine Ahnung! Mit einem aufgewühlten Herzen und Tränen in den Augen lassen die sich so schwer erkennen! Ihr wisst doch, wenn mich ein Buch emotional berührt, bin ich verloren!

Ganz oft habe ich übrigens gehört, dass ACOTAR als „fairy p+rn“ bezeichnet wurde. Leute. Leute! Jetzt mal im Ernst! Zweieinhalb auserzählte S+x-Szenen in über 500 Seiten (E-Book) sind für euch schon P+rnographie? Dann solltet aber niemals einen Blick auf die nachmittägliche Lieblingstelenovela meiner Oma werfen. Absolut skandalös, was da abgeht! Es würde euch wahrscheinlich schockieren. Also kurz: Nein, zumindest ACOTAR 1 ist meiner Meinung nach weder Er+tik-Buch noch „Smut“-Feuerwerk noch „fairy p+rn“! Dazu kommt, dass ich von der Art, wie Sarah J. Maas weibliches Verlangen und die S+x-Szenen beschreibt, regelrecht verzaubert war: Statt den primitiven und ordinären Schilderungen, die ich erwartet habe, wird uns hier ganz kompromisslos der „Female Gaze“ (dt. weibliche Blick) serviert – mit einem Fokus auf Gesichtsregungen und Gefühle, wodurch mal einfach als Leser:in emotional total mitgenommen wird. Ich fand diese Momente jedenfalls sehr passend, sehr ästhetisch (stellenweise fast poetisch) und gar nicht unangenehm beschrieben und habe sie überraschend gern gelesen.

Im Vergleich mit der englischen Ausgabe ist mir allerdings nicht nur aufgefallen, dass stellenweise von Alexandra Ernst nicht nur freier und weniger elegant übersetzt wurde als erhofft (leider!), sondern dass auch die S+x-Szenen stellenweise leicht entschärft wurden – ganz im Gegensatz übrigens zu den ganzen Szenen voller Gewalt, Blut und Folter. Doppelmoral? Ja. Überraschend? Nicht wirklich. Gestört hat mich auch, dass Feyre, eine Frau, immer wieder z. B. als „Ernährer“ usw. bezeichnet wurde – im Englischen gibt es diese gegenderten Formen nicht, im Deutschen aber sehr wohl, und es wäre schon nett und zeitgemäß, wenn dann bei der Übersetzung auch die weibliche Form, nämlich ErnährerIN, verwendet werden würde!

Erfrischend fand ich, dass es einen gut durchdachten Plot (bei dem auch Kleinigkeiten später wichtig werden), ein gelungenes Worldbuilding und viele unerwarteten Wendungen gibt, die einen eiskalt treffen. Mir ist es nämlich auch bei Romantasy wichtig, dass die Handlung (wie hier) eben NICHT nur Beiwerk ist. Dabei ist ACOTAR sicher nicht das tiefgründigste Buch, das ihr je gelesen habt, oder das Buch, das euch zum Nachdenken bringen wird wie kein anderes zuvor – aber es behandelt Themen wie Erwachsenwerden, Emanzipation von der Familie, Liebe, Armut, Unterdrückung, Vorurteile und Freundschaft mit angemessener Tiefe.

Auch die Figurenzeichnung hat mich absolut überzeugt. Die Charaktere wachsen einem ans Herz und wirken nach einer Weile wie echte Menschen; man vergisst total, dass sie ja alle nur fiktiv und erfunden sind. Ein größeres Kompliment gibt es meiner Meinung nach für Schriftsteller:innen nicht! Die Figuren bekommen außerdem fast alle so einen unvergesslichen Auftritt, dass man sie nie mehr vergisst und es unmöglich ist, sie miteinander zu verwechseln. Feyre ist eine starke Protagonistin, die sich nichts sagen lässt, und sich im Laufe der Geschichte glaubhaft weiterentwickelt und über sich hinauswächst.

Tamlin mochte ich als Love Interest (zumindest in diesem ersten Band), obwohl da die Meinungen in unserer Leserunde sehr auseinandergingen und es zu leidenschaftlichen Diskussionen kam. Warum? Tamlin ist sehr sensibel und kein Mann, der hart durchgreift – im Gegenteil, er wird eher passiv und duckt sich, wenn er Druck ausgesetzt ist, aber er hat ein gutes Herz. Gerade das gefiel mir an ihm, weil es mal nicht diese toxische, sondern eine andere Art von Männlichkeit war. Ich konnte sein Verhalten immer nachvollziehen und er tat mir auch leid, denn ein guter Anführer für seinen Frühlingshof ist er sicher nicht. Ich habe allerdings immer ein Herz für die Außenseiter und die Menschen (oder auch Fae), die Fehler machen – also auch für ihn. Eine feministische Analyse lässt mich ebenfalls insgesamt zufrieden zurück, denn es gibt nicht nur eine starke weibliche Protagonistin, die sich auf viele verschiedene Arten durch das Buch kämpft, sondern auch eine mächtige, extrem furchteinflößende Bösewichtin, die gerne einmal die typischen Geschlechterrollen umkehrt und versucht, Fae-Männer in ihr Bett zu zwingen.

Einen halben Stern Abzug gibt es trotzdem, und zwar dafür, dass man gerade am Anfang auf das eine oder andere Klischee trifft und manche negativen Figuren (besonders Feyres undankbare Familie) so überzeichnet werden. An einigen Stellen war es mir auch ein bisschen „too much“ (dt. zu viel) – zu schwülstig, zu pathetisch, zu dramatisch, zu sehr „in your face“. Für Subtilität war da leider wenig Platz. Allerdings wird das im Laufe des Buches dann besser. Mein Hauptkritikpunkt und absoluter Fremdscham-Moment war aber diese komische „Jungfrauen-Zeremonie“ (um nicht zu spoilern, werde ich nicht näher darauf eingehen). Einfach nur cringe und unangenehm – das hätte man sich echt sparen können! Auch Rhysand, der in diesem Band als Antagonist auftritt, leistet sich ziemlich toxisches Verhalten. Den Großteil davon konnte ich ihm verzeihen, als er seine Motive enthüllte, aber zweimal waren seine Handlungen absolut unnötig und grausam (einmal packt er Feyres verletzt Hand, um ihr Schmerzen zuzufügen und ein Argument zu gewinnen, einmal küsst er sie übertrieben grob). Deshalb steht er jetzt im 2. Band (den ich bereits begonnen habe und gerade mit großer Freude lese) bei mir auch „unter Beobachtung“. Jetzt kann er zeigen, wie er wirklich ist und so manches wiedergutmachen – oder auch nicht. Jetzt gibt es jedenfalls keine Ausreden mehr!

Mein Fazit

Meine Grundeinstellung dem Buch gegenüber war am Anfang alles andere als wohlwollend, ich war mir sogar ziemlich sicher, dass ich es hassen würde – doch dann hat mich die Autorin mit jedem Satz mehr um den Finger gewickelt und sich immer mehr in mein Herz geschrieben. War da vielleicht Fae-Magie im Spiel? Wer weiß das schon! Jedenfalls hat mich der erste Band des „Reichs der sieben Höfe“ auf ganzer Linie überzeugt. Er hat mich gefesselt, emotional berührt und viele Stunden lang wunderbar unterhalten. Den Hype hat sich Sarah J. Maas aus meiner Sicht redlich verdient. Für mich war ACOTAR 1 jedenfalls ein Jahreshighlight! Da draußen schwirren ja so viele Rezensionen und Meinungen herum – emotionale Liebeserklärungen und leidenschaftliche Hassreden –, vielleicht ist es an der Zeit, dass auch ihr euch endlich euer eigenes Bild macht. Und wer weiß, vielleicht erwartet den einen oder die andere von euch ja auch (wie mich) eine positive Überraschung?

Bewertung

Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4,5 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 5 Sterne ♥
Tempo: 4 Sterne
Wendungen: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 4,5 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Sterne!

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