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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.10.2023

Die Privatdetektivin

Glutspur
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Liv Jensen arbeitet vorübergehend als Privatdetektivin in Kopenhagen und sucht für ihren Polizeikollegen Petter nach Anhaltspunkten zu einem drei Jahre alten Mordfall, der ungeklärt zu den Akten gelegt ...

Liv Jensen arbeitet vorübergehend als Privatdetektivin in Kopenhagen und sucht für ihren Polizeikollegen Petter nach Anhaltspunkten zu einem drei Jahre alten Mordfall, der ungeklärt zu den Akten gelegt werden soll. Verwirrende Ermittlungen in Norwegen nehmen ihren Lauf.

Ein angenehmer Schreibstil begleitet den Leser durch den komplizierten Fall, bei dem sich die Zusammenhänge erst spät und dann recht knapp erschließen. Verschiedenen Handlungssträngen in unterschiedlichen Zeitebenen gilt es zu folgen, wobei die einzelnen Abschnitte jeweils übersichtlich voneinander getrennt sind durch kursive Schrift oder Sternchen im laufenden Kapitel. Liv kämpft mit Schwierigkeiten, wobei man nicht genau erfährt, was da im Vorfeld passiert ist und warum sie zwischenzeitlich ihre Detektei eröffnet. Auch sonst trifft man auf eher schwierige Charaktere, die ihr Päckchen tragen und keine Sympathieträger im engeren Sinn sind. Aber darauf kommt es nicht an, hier gibt es einen alten Mord aufzuklären, ein Selbstmord wirft Fragen auf und eine dritte Leiche im Wald hält Petter Bohm auf Trab. Die Ermittlungen kommen eher stockend voran, wenige Anhaltspunkte und ein bisschen Zufall führen zu entscheidenden Hinweisen, welche dann doch ein zufriedenstellendes Ergebnis hervorbringen.

Interessante Hintergründe, viele Puzzlesteine, die nur langsam an ihren Platz finden und eine eher ruhig dahinfließende Handlung prägen Liv Jensens erste Ermittlungen. Gerne darf es künftig ein bisschen mehr Spannung sein, aber ich möchte Liv sehr gerne auch beim nächsten Fall wieder begleiten.

Veröffentlicht am 02.10.2023

Carl Bruns

Helle Tage, dunkle Schuld
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Nach vielen Kriegsjahren im Pütt kehrt der jüdische Kriminalbeamte Carl Bruns wieder ins Essener Polizeipräsidium zurück. Hohe Ämter im Polizeiwesen sind aber immer noch mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern ...

Nach vielen Kriegsjahren im Pütt kehrt der jüdische Kriminalbeamte Carl Bruns wieder ins Essener Polizeipräsidium zurück. Hohe Ämter im Polizeiwesen sind aber immer noch mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern besetzt. 1948 geht Bruns einem Massenmord nach, der drei Jahre zuvor, also gegen Kriegsende, passiert ist, zugleich müssen auch aktuelle Verbrechen aufgeklärt werden. Dabei trifft er auf seine Jugendliebe, die mittlerweile verwitwete Krankenschwester Anne.

Schreckliche Geschehen während des Weltkriegs und auch in den Jahren danach sind Inspiration für Eva Völlers hier vorliegenden Kriminalroman. Beruhend auf erschütternden Tatsachen entwirft die Autorin eine fiktive Handlung, die Gänsehaut verursacht und den Leser um etliche Jahrzehnte zurückversetzt, so lebendig lesen sich die Szenen. Carl und Anne sind ebenso treffend charakterisiert wie alle anderen Figuren, die eine größere Rolle spielen, das Elend in Kellerwohnungen, der erbitterte Kampf um ein paar Bissen Brot wird mehr als glaubwürdig geschildert.
Auch wenn es etwas dauert, bis man sich unter all den Personen und Handlungssträngen zurechtfindet und die Zusammenhänge klar werden, so liest sich das Ganze doch recht flüssig, neben der Kriminalhandlung erzählt Völler auch noch eine feine, kitschfreie Liebesgeschichte. Falsche Verdächtigungen und unerwartete Offenbarungen bringen am Ende noch ordentlich Schwung ins Geschehen, sodass es bis zuletzt spannend bleibt.

Wer wissen möchte, wie es mit Carl aus dem Ruhrpott weitergeht, ob die Geheimnisse der Nazis weiterhin einfach unter den Teppich gekehrt werden oder ganz andere Themen angesprochen werden, freut sich gemeinsam mit mir auf die Fortsetzung dieses Krimis.

Veröffentlicht am 30.09.2023

Dr. Horstmann

Die Formel der Hoffnung
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Dr. Dorothy Millicent Horstmann hat es im Jahre 1940 nicht leicht. Während in Europa der Krieg tobt, kämpft man in Amerika gegen die Poliomyelitis. Als Ärztin ist es ihr oberstes Ziel, diese schreckliche ...

Dr. Dorothy Millicent Horstmann hat es im Jahre 1940 nicht leicht. Während in Europa der Krieg tobt, kämpft man in Amerika gegen die Poliomyelitis. Als Ärztin ist es ihr oberstes Ziel, diese schreckliche Krankheit zu besiegen, aber als Frau, auffällig mit ihrer Größe von 185 Zentimetern, steht sie stets im Schatten von Albert Sabin und Jonas Salk. Sorgfältige Recherche und eine interessante fiktive Handlung verbinden sich zu diesem lesenswerten Roman.

Mit der beeindruckenden Szene, wie D.M. Horstmann ihre erste Stelle im Vanderbilt-Hospital antritt, beginnt diese auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte. Die Skepsis gegenüber einer Frau als Ärztin, der erbitterte Wettlauf um einen Impfstoff, um Ruhm und Erfolg, das Unvermögen der Herren in der Wissenschaft, gemeinsam ein Ziel anzustreben – all das wird recht anschaulich geschildert. Dorothy setzt ihre ganze Kraft ein, um die vorwiegend im Sommer grassierende Seuche Poliomyelitis eizudämmen und um eine Impfung als Vorbeugung zu entwickeln, denn die erkrankten Kinder leiden unter grauenhaften Behandlungsmethoden mit Ganzkörpergips und Eiserner Lunge. Schon allein beim Lesen bekommt man Gänsehaut, wenn man sich diese Qualen vorstellt.

Fesselnde Tatsachen rund um Viren, deren Erforschung und die Suche nach einem passenden Impfstoff füllen die Kapitel, zwischen den arbeitsreichen Tagen bleibt kaum Zeit für Privates oder gar die Liebe. Dennoch schildert Lynn Cullen auch den Alltag der Forscher, das Schicksal der Ehefrauen und Kinder von im Rampenlicht stehenden Männern. Gar nicht so wenige Frauen sind beteiligt am Zusammenfügen von notwendigen Puzzlesteinen, an die Öffentlichkeit dringen ihre Namen aber kaum. Trotz einiger eher langatmigen Passagen und unerwarteten Zeitsprüngen sind die zwanzig Jahre spannend, die es bis zur breiten Anwendung der Polioimpfung kommt. Auch das Nachwort samt einem übersichtlichen Personenregister ist sehr aufschlussreich.

Detaillierte Rechercheergebnisse treffen auf eine gut erdachte Romanhandlung, Cullens Schreibstil ist angenehm zu lesen, den vorherrschenden Zeitgeist in den 1940er bis 1960er-Jahren hat die Autorin gekonnt eingefangen. Ein überaus interessantes Buch, das ich gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 28.09.2023

Wien ohne Kitsch und Romantik

Tanz der Furien – Wiener Abgründe
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Wien, 1880: Leopold Kern wird als Sonderermittler eingesetzt, besondere Kontakte zur Halbwelt haben ihm den Spitznamen Hurenpoidel eingebracht. Auch diesmal geht es um Prostitution, Schulden und Bandenkrieg. ...

Wien, 1880: Leopold Kern wird als Sonderermittler eingesetzt, besondere Kontakte zur Halbwelt haben ihm den Spitznamen Hurenpoidel eingebracht. Auch diesmal geht es um Prostitution, Schulden und Bandenkrieg. Während die Feierlichkeiten anlässlich Kaiser Franz Josefs 50. Geburtstag vorbereitet werden, will sich Kern für seine Versetzung auf ein Abstellgleis im Polizeidienst rächen und gerät bald selbst mitten in verbrecherische Vorgänge in der Wiener Leopoldstadt.

Nicht zimperlich geht Peter Lorath mit seiner Wortwahl um, der blade Ferdl, päule gehen, Häf’n, Grispindel und Schwuf passen perfekt in die weniger noblen Grätzel, in denen auch diesmal wieder die Handlung spielt. Ein wenig Liebelei zwischen dem Steininger und einem Wäschermadl kann da kaum ablenken von brutalen Handgemengen und Messerstechereien, bösen Intrigen und verfeindeten Verbrechergruppen. Ausgezeichnet platziert der Autor das spannende Geschehen in eine aufregende Zeit des Umbruchs und zeigt dem Leser ein Wien ohne Kitsch und Romantik. Vielmehr lenkt er unser Augenmerk auf die staubigen Baustellen entlang der Ringstraße, ausgebeutete Arbeiter, die kaum genug zum Leben haben, Wohnungsnot, Prostitution, Geschlechtskrankheiten und Wundbrand. Ein anderes Wien, die dunkle Sicht auf die Gründerzeit ist es, das bei Peter Lorath Neugierde weckt, ebenso wie der Ermittler Kern, welcher seine ganz persönliche Geschichte mit sich trägt – keiner, der auf den ersten Blick sympathisch ist, keiner, der sich klaglos seinem Schicksal fügt, sondern aufmüpfig und impulsiv daherkommt und als begnadeter Kriminalist gilt.

Die Verstrickungen, wer gegen wen agiert, wen man als Verbündeten und wen als Feind ansehen kann, sind kompliziert und ein wenig verwirrend, nichtsdestotrotz bleibt das Geschehen stets interessant und hält die eine oder andere Überraschung bereit.

Lebendige Bilder, eine authentische Sprache und Szenen mit mafiaähnlichen Gruppen prägen den lesenswerten zweiten Teil der Krimireihe „Leopold Kern“. Ich empfehle auch diesen gerne weiter und bin gespannt, ob und wie es weitergeht.

Veröffentlicht am 16.09.2023

Blumen vor dem Tod

Der Botaniker
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Getrocknete Blumen und Gedichte verschickt der raffinierte Mörder, den man bald „Der Botaniker“ nennt – wer seine Post bekommt, ist wenig später tot. Während der Ermittlungen in diesem schier unlösbaren ...

Getrocknete Blumen und Gedichte verschickt der raffinierte Mörder, den man bald „Der Botaniker“ nennt – wer seine Post bekommt, ist wenig später tot. Während der Ermittlungen in diesem schier unlösbaren Fall wird auch noch die phantastische Pathologin aus dem Team verhaftet, da sie augenscheinlich ihren Vater ermordet hat – eine klare Sache, denn neben anderen Indizien finden sich nur ihre Fußspuren im Schnee rund ums Haus. DS Washington Poe ist auf allen Seiten gefordert.

Erst einmal dauert es ein wenig, bis man sich an den anfangs unterschiedlichen Schauplätzen zurechtfindet, die komplizierten Zusammenhänge werden erst später klar. Auch die Figuren sind eher irritierend, handelt es sich bei Chefin Stephanie Flynn, Ermittler Washington Poe, Pathologin Estelle Doyle und Analystin Tilly Bradshaw doch um ein recht schräges Team mit mehr als ungewöhnlichen Charakteren. Der Fall rund um den Botaniker ist klug angelegt, obwohl die Taten stets angekündigt werden, schafft es die Polizei nicht, die Adressaten der Gedichte zu schützen. Auch für die Pathologin scheint eine Verurteilung wegen Mordes unausweichlich, denn Poe wird das Rätsel um den glänzenden Schnee am Tatort wohl nicht lösen können?

Kurze Kapitel, knappe Dialoge und makabre Witze im Ermittlungsteam charakterisieren diesen außergewöhnlichen Kriminalroman. Rasch fliegen die Seiten dahin, selbst wenn einem manchmal die Handlung doch ein bisschen zu ausführlich vorkommt. Die Auflösung der beiden Fälle birgt überraschende Momente, die Krönung kommt aber erst ganz zum Schluss, Dranbleiben lohnt sich also!

Ein ungewöhnlicher Krimi, den man so noch nicht gelesen hat. Durchaus eine Empfehlung für alle, die das Ausgefallene suchen und mit komplizierten Ermittlern ihre Freude haben.