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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

überzeugend

Ein guter Tag zum Leben
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Lisa Genova hat für sich fast eine Marktlücke auf dem Buchsektor gefunden, denn in all ihren bisherigen Romanen, die in Deutschland übersetzt wurden, geht es um schwere Erkrankungen, die das Leben der ...

Lisa Genova hat für sich fast eine Marktlücke auf dem Buchsektor gefunden, denn in all ihren bisherigen Romanen, die in Deutschland übersetzt wurden, geht es um schwere Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen einschneidend verändern.
Im neuen Roman „Ein guter Tag zum Leben“ ist Chorea Huntington das Thema. Diese Erbkrankheit wird mit 50 prozentiger Wahrscheinlichkeit an die Kinder weitergegeben und ist bis heute nicht heilbar sondern führt nach dem Ausbruch innerhalb von 10-20 Jahren zum Tod.
Der irischstämmige Polizist Joe weiß nicht, dass er die Krankheit von seiner Mutter geerbt hat. Erst als er auffällige Krankheitssymptome zeigt, wird die Diagnose gestellt und stürzt ihn, seine Frau Rosie und die vier erwachsenen Kinder in eine schwere Krise. Nicht nur, dass sich die Familie mit Joe’s schnell schlechter werdender Gesundheit auseinandersetzen muss, sie müssen auch alle entscheiden, ob sie sich selber testen wollen und egal ob sie gen-positiv sind oder nicht, wie sie damit umgehen wollen.
Man merkt Genova an, dass sie sich in ihrem Genre auskennt, dass sie gut recherchiert hat und die Nöte und Ängste ihrer Figuren sehr gut beschreiben und ausdrücken kann. Das Thema und die Krankheit werden auf jede nur erdenkliche Weise beleuchtet und der Prozess hin zur Akzeptanz und Bewältigung der erschütternden Diagnose wird authentisch und lebendig beschrieben. Man empfindet schnell Empathie für die Hauptdarsteller, leidet mit ihnen, macht sich mit ihnen ähnliche Gedanken. Durch die unterschiedlichen Positionen der Personen findet man mehr als eine, die man als Leser für seine eigene einnehmen kann. Auch wenn Chorea Huntington Gott sei Dank eine seltene Erkrankung ist, so hofft man am Ende doch, dass für tatsächlich Betroffene bald eine adäquate Therapie entwickelt werden kann.
Das Ende lässt einige Entwicklungen in der Schwebe. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache aber ich fand es gut, denn gerade dass nicht alles bis zum Ende erzählt wurde lässt der Hoffnung und der Phantasie des Lesers noch einen Freiraum.
Das Buch hat mir gut gefallen - wenn man so was bei so einem schwierigen Thema überhaupt sagen kann. Mich haben sowohl der Schreibstil als auch die spannende Geschichte überzeugt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Histo-Highlight

Herrin des Nordens
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Zum Inhalt:

Das Buch handelt von einer Zeit, in der Dänen noch das waren, was wir heute Wikinger nennen. Sie glaubten an Odin und Thor und Freya, waren Händler und Seeleute und bei Bedarf auch fürchterliche ...

Zum Inhalt:

Das Buch handelt von einer Zeit, in der Dänen noch das waren, was wir heute Wikinger nennen. Sie glaubten an Odin und Thor und Freya, waren Händler und Seeleute und bei Bedarf auch fürchterliche Krieger. Das Land und die Handelsstädte waren schwer umkämpft und es gab jede Menge größere und kleinere Allianzen, die immer wieder versuchten, die Gebiete zu erobern und die dort ansässigen Dänen entweder zu vernichten oder zu unterjochen.

Im Jahre 1044 ist Haithabu noch immer einer der wichtigsten Umschlagsplätze für Waren aller Art an der Nordseeküste. Sigmund führt sein erfolgreiches Handelsgeschäft seit vielen Jahren und mangels männlichem Erben plant er, seine Tochter Ingunn in die Geschäfte einzuführen. Sie ist klug und aufgeweckt und verliebt sich Hals über Kopf in den jungen Torge. Den zieht es aber als Krieger mit dem Dänenkönig Sven nach England. Ingunn bleibt mit seinem Eheversprechen zurück. Während der Zukünftige in fernen Kriegen kämpft, trifft sie immer wieder auf dessen Bruder Jon, der seinerseits sein Herz an die kluge und eigenwillige Dänin verloren hat. Immer wieder wird Haithabu von den verfeindeten Norwegern angegriffen. König Sven, der mit jeder Menge Kriegspech gesegnet ist und gerne mal mit seinem Schiff Reißaus nimmt, wenn das Schlachtenglück sich abwendet, setzt schließlich Jon dafür ein, dass er die Küste und Haithabu vor den Feinden mit allen Mitteln schützen soll.

Meine Meinung:

Es ist eine aufregende und blutige Zeit, in der Sigmund und Ingunn mal mit mehr, mal mit weniger Glück ihr Handelsgeschäft führen und für ihre Lieben sorgen. Sie müssen dabei so manchen Schicksalsschlag verwinden. Die Autorin, Martha Sophie Marcus, schaffte es schnell, die verschiedenen Persönlichkeiten dieses Buches in mein Herz zu schreiben. Ingunn ist eine starke und liebenswerte Heldin, die im Lauf der Geschichte nicht nur zu sich Selbst sondern auch zum Mann ihres Lebens findet und die nebenbei ihrem Vater hilft, das der Seehandel in Haithabu nie ganz abbricht. Die zweite Hauptperson ist Jon, ein mutiger und unglaublich integerer junger Mann, der anders als sein ungestümer Bruder Torge, nicht nur Kampf und Ehre im Sinn hat und der modern genug ist, dass er auch eine starke Frau an seiner Seite akzeptieren kann.

Dieser Roman vereint im besten Sinne alles zwischen zwei Buchdeckeln, was ein guter Historienschmöker haben muss. Neben hervorragend recherchierter Geschichte, die durch leibhaftige Vertreter wie König Sven unterhaltsam nahegebracht wird, ist es eine herzerwärmende Liebesgeschichte und auch ein abenteuerlicher Wikingerroman voller Kämpfe und Seeschlachten. Herz und Schmerz, Rache und Vergebung, spielen ebenso eine Rolle wie der Glaube. Denn es ist auch eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, der u.a. vom Christentum eingeläutet wird, welches schnell und einschneidend die Lebensweise der Menschen ändern wird. Auch Ingunn und die Ihren bringt es in Gewissenskonflikte, die eindringlich und glaubwürdig geschildert werden.

Man darf sich auf keinen Fall davon schrecken lassen, dass das Buch mit über 700 Seiten etwas umfangreicher ist. Denn keine Seite war für mich zu viel. Von Ingunn und Jon habe ich mich am Schluss nur schwer trennen können. Ich werde sie ebenso vermissen wie all die anderen Personen in diesem Buch, die mit so viel Herzblut geschildert wurden. Die wundervolle Una und Eskil, der am Schluss genau das richtige sagt. Die scharfzüngige Helga, die dahinter nur ihr Herz aus Gold versteckt. Sigmund, Meyla, Svantje und all die anderen.

Das Buch ist eines meiner Histo-Highlights und nimmt es mühelos mit Rebecca und Sabine auf. ;)

Veröffentlicht am 15.09.2016

empfehlenswert

Der Hut des Präsidenten
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Eine besondere Geschichte:
Antoine Laurain erzählt in seinem neuesten Buch „Der Hut des Präsidenten“ eine ganz besondere Geschichte. Eine, in der ein unscheinbarer Hut ungeahnte Kräfte in seinen Besitzern ...

Eine besondere Geschichte:
Antoine Laurain erzählt in seinem neuesten Buch „Der Hut des Präsidenten“ eine ganz besondere Geschichte. Eine, in der ein unscheinbarer Hut ungeahnte Kräfte in seinen Besitzern freisetzt.
Der eigentiche Eigentümer ist niemand geringerer als der amtierende Präsident Frankreichs, Francois Mitterand. Der lässt seine Kopfbedeckung aus Versehen in einer Brasserie liegen und Daniel Mercier findet den Hut und obwohl er weiß, wem er gehört, gibt er ihn nicht sofort zurück. Schnell merkt er nämlich, dass der Hut scheinbar positive Kräfte in ihm freisetzt, die es ihm ermöglichen, bei seinem Chef Eindruck zu machen und seine Fähigkeiten in ein besseres Licht zu stellen. Er bekommt einen neuen Job und fühlt sofort, dass der Hut wichtig ist. Aber dann vergisst er seinerseits den Hut im Zug und der findet schnell eine neue Besitzerin.
Auch der ergeht es ähnlich wie Daniel. Und mit jedem neuen Besitzer weckt der Hut die besten Eigenschaften im Menschen und verändert ihr Leben zum Positiven. Aber nicht jeder ehemalige Besitzer ist gewillt, den Hut so ohne weiteres ziehen zu lassen.
Wie mir das Buch gefallen hat:
Es war mein erstes Buch dieses Autors. Es hat einen, meiner Meinung nach, typisch französischen Erzählstil. Auf relativ wenigen Seiten schafft er es, einige Menschen sehr genau und intensiv zu beschreiben. Ihre Schwächen und ihre Wünsche und die Veränderung, die der magische Hut mit ihnen macht. Dabei vermeidet er allzu phantastische oder unglaubwürdige Elemente, stellt die Wirkung des Hutes als eine Möglichkeit dar, die vielleicht aber auch nur der Phantasie der Menschen entspringen könnte und die geheimnisvoll aber durchaus nachvollziehbar erscheint. Es gibt ein paar überraschende Wendungen und die Geschichte nimmt einen durchaus spannenden und unerwarteten Verlauf. Das Ende ist charmant und sehr menschlich und hält für Realisten und Romantiker die richtige Mischung bereit.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann es guten Gewissens weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

hervorragender Histo-Roman

Feuerrot
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Zum Inhalt:
Magdalena arbeitet als Magd bei Barbara Humpis, der Frau des Kaufmannes Onofrius Humpis. Sie macht sich Sorgen um ihre Schwester Marie, die schwer krank in der Unterstadt beim Rest ihrer Familie ...

Zum Inhalt:
Magdalena arbeitet als Magd bei Barbara Humpis, der Frau des Kaufmannes Onofrius Humpis. Sie macht sich Sorgen um ihre Schwester Marie, die schwer krank in der Unterstadt beim Rest ihrer Familie lebt. Den Menschen geht es schlecht, denn Unwetter und karge Ernteerträge machen das Leben schwer. In diesem angespannten Klima fällt es dem Hexenjäger und Mönch Kramer leicht, Zwietracht und Angst unter den Ravensburgern Bürgern zu säen. Er macht Hexen und Dämonen für Hunger, Gewitter und Krankheit verantwortlich und ruft dazu auf, diejenigen zu bezichtigen, die als mutmaßliche Hexen ihr Unwesen treiben könnten. Dabei geht Kramer so intelligent und überzeugend zu Werke, dass es schon bald zu ersten Verhaftungen kommt. Beno Humpis, der Enkelsohn des Kaufmannes, ist hin und hergerissen zwischen Glauben, Furcht und Unglauben. Und er fragt sich ein ums andere Mal, ob die Frau seiner Träume, Elisabeth, nicht nur rotes Haar hat, sondern vielleicht auch eine Hexe sein könnte, die ihn und andere mit bösen Kräften verzaubert.

Meine Meinung:
Wer einen Roman über die Hexenverfolgung liest, dem muss klar sein, dass auch grausame und erschütternde Dinge beschrieben werden und dass wahrscheinlich auch die „Helden“ der Geschichte Opfer der Verfolgung werden könnten. Aber beim Lesen von „Feuerrot“ entwickelt man sehr schnell eine große Empathie für die verschiedenen Personen und hofft natürlich als Leser trotz aller Widrigkeiten auf einen guten Ausgang.

Ich möchte hier zur Handlung gar nicht zu viel verraten. Nicht nur Magdalena sondern auch die Ziehtochter der Familie Humpis, Elisabeth, der Enkelsohn Beno und der Schmied Martin sind mir sehr ans Herz gewachsen und bestechen durch gut gezeichnete Charaktere die glaubwürdig agieren und Raum für eine Entwicklung bekommen. Die große Zeit der Hexenverfolgung bricht gerade erst an. Der Verfasser des bekannten Buches „Der Hexenhammer“, Heinrich Kramer, kommt hier persönlich vor und nutzt auch die Fälle in Ravensburg für seine Hexenschrift, die viele Jahre lang den Richtern und Inquisitoren tatsächlich ein wichtiges Handwerkszeug bei den vielen Prozessen werden wird. Erschreckend, welcher Aberglaube sich hier unter den Deckmantel des katholischen Glaubens manifestiert und wie einige wenige gnadenlose Männer vor allem Frauen aber auch deren Familien verfolgten, folterten und vernichteten bis hin zum Scheiterhaufen. Sehr eindringlich wird auch erzählt, wie es zu den Denunziationen der Menschen untereinander kommen konnte und wie die Hexen-Verfahren in all ihrer Grausamkeit und Ungerechtigkeit abliefen. Es ist kaum fassbar mit welcher Unnachgiebigkeit und Ignoranz hier die Menschlichkeit und Menschenliebe mit Füßen getreten wurde und wieviele einfach Bürger zu Helfershelfern wurden, nur um ihrem Neid und ihrer Missgunst genüge zu tun oder um ihre Ängste zu beruhigen. Und mitten drin in all dem Wahnsinn sind die Helden dieses Romans angesiedelt. Und man darf und muss mit ihnen mitleiden und mitfiebern.

Aber keine Sorge. Trotz all des Horrors gibt es auch Lichtblicke. Mehr als eine zarte Liebe erblüht, es gibt Freundschaften, die kein Hexenverfolger zerstören kann, Mut, der auch Leben retten kann und nicht Zerstörung und Hass beschließen das Buch, sondern Zuversicht, sodass es der Leser nach einiger Aufregung und einem furiosen Finale zufrieden und um eine wunderschöne Geschichte bereichert zuklappen kann.

Das Buch gehört meiner Meinung nach nicht ins reine Jugendbuchgenre sondern ist durchaus und unbedingt auch für Erwachsene sehr lesenswert und ist wurde hervorragend unterhalten, war begeistert von der Spannung und habe so nebenbei wieder einiges über die damalige Zeit erfahren.

Veröffentlicht am 15.09.2016

wunderschön

Memory Wall
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Der Einband des kleinen Büchleins „Memory Wall“ ist wunderschön mit seinem seidigen schimmernden Papier und den vielen spiralförmigen Schneckenhäusern. Er verspricht einen Anspruch, der sich durchaus in ...

Der Einband des kleinen Büchleins „Memory Wall“ ist wunderschön mit seinem seidigen schimmernden Papier und den vielen spiralförmigen Schneckenhäusern. Er verspricht einen Anspruch, der sich durchaus in der Novelle von Anthony Doerr widerfindet.
Ich habe nach dem Vorgänger „Alles Licht das wir nicht sehen“ nicht lange überlegen müssen, um mich für dieses neue Buch von Doerr zu erwärmen. Die Geschichte war für mich umso mehr eine Überraschung, da ich vorher die Inhaltsangabe nicht gelesen hatte. Erzählt wird von Alma Konachek, einer 74-jährigen weißen Südafrikanerin, die allein in einem großen Haus wohnt, nur tagsüber betreut von ihrem dunkelhäutigen Diener für Alles, Pheko. Almas Mann ist vor 4 Jahren gestorben und seitdem ist sie an Demenz erkrankt und verliert Stück für Stück alle Erinnerungen. Aber es gibt inzwischen eine Firma, die eine Möglichkeit gefunden hat, Erinnerungen in kurzen Abschnitten auf Kassetten zu speichern, so dass man sie immer wieder in einem Gehirn abspielen kann. Alma hat inzwischen hunderte solcher Kassetten und schaut“ sie sich ständig aufs Neue an; vor allem diejenigen, in denen sie sehr glücklich war.
Nachts, wenn Alma alleine ist, kommt der Gauner Roger in ihr Haus. Er hat den Jungen Luvo dabei, mit dessen Hilfe er in Almas Kassetten nach einer ganz bestimmten Erinnerung sucht. Einer, die ihm sehr viel Geld verspricht, so er sie denn finden sollte und die Informationen darauf an einen anderen verkaufen kann. Dank Almas Demenz kann er immer wieder kommen und niemand weiß davon.
In dieser Novelle, die ja nur 134 Seiten umfasst, steckt ein ganzes Universum voller interessanter Figuren und ein Panoptikum an menschlichen Gefühlen, Wünschen und Fragen über den Wert der Erinnerungen und was das große Vergessen mit den Betroffenen macht.
Obwohl Alma sicherlich vor ihrer Erkrankung eine sperrige Persönlichkeit hatte, war sie mir sympathisch. Vielleicht auch, weil der liebenswerte Pheko sie so sorgfältig und fast hingebungsvoll versorgt, dass ich seine Fürsorge für Alma nachempfinden konnte. Die Frage, ob es nicht eine Bereicherung wäre, wenn man tatsächlich Erinnerungen speichern könnte, ist nicht nur eine rein philosophische, denn es wird ja hier sogar versucht sie zu stehlen. Es gibt wohl einen Markt für gestohlene Erinnerungen und das Ganze hat bereits eine Dimension, die nicht nur positiv für die Betroffenen ist.
Besonders hervorheben möchte ich die wunderschöne Sprache, die nicht nur neue Wortschöpfungen kreiert, die mit der Erinnerungsspeicherung einhergehen, sondern auch Stimmungen, Augenblicke und Gefühle auf eine eindringliche und warme Art und Weise beschreibt. Auch das Setting Südafrika erhält hier viel Raum und ist wichtig für die Handlung.
Es gibt mehr als eine überraschende Wendung und das Ende ist für mich weder zu kitschig-glücklich noch allzu deprimierend.

Ich bin begeistert von dieser Novelle und kann es nur wärmstens empfehlen.