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Veröffentlicht am 10.09.2017

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Früher waren sie unzertrennlich. Sie bildeten eine Einheit, waren Seelenverwandte und verstanden sich ohne auch nur ein Wort zu sagen. Früher, vor etlichen Jahren, in ihrer Kindheit und Jugend, da hatte ...

Früher waren sie unzertrennlich. Sie bildeten eine Einheit, waren Seelenverwandte und verstanden sich ohne auch nur ein Wort zu sagen. Früher, vor etlichen Jahren, in ihrer Kindheit und Jugend, da hatte Hanna ihren Bruder Jan und ihre Freundin Fido um sich und war nicht allein.

Jetzt, als erwachsene Frau und gebildete Forscherin, ist Hanna im ewigen Eis unterwegs, um Eisblöcke aus vielen Metern Tiefe an die Oberfläche zu befördern und die im Eis eingespeisten Luftlöcher zu untersuchen. Ihr kleines Forscherteam ist in unmittelbarer Nähe, aber sie ist doch allein. Allein mit ihren Gedanken, mit ihrer organisierten Art und strengen Denkweise. Erst als ihr Bruder ihr eine Email, die nur einen einzigen Satz beinhaltet, schickt und sie diese liest, ändert sich alles um sie herum und vor allem in ihr. Dieser einzige Satz versetzt Hanna in die Vergangenheit, erinnert sie an die glücklichen Tage mit Jan und Fido und all die Dinge, die sie zusammen erlebt und geplant hatten. Fast jeden Tag haben sie sich gesehen, von Abenteuern geträumt, diese nachgespielt und Zukunftspläne geschmiedet. Sie wollten zusammen die Weiten der eisigen Welt erkunden und so ihrer gemeinsamen Leidenschaft folgen und diese intensivieren.

Doch eines Tages ist Fido fort. Sie ist einfach weg und meldet sich nie wieder bei Jan oder Hanna. Sie verschwindet lautlos aus Hannas Leben, hinterlässt eine enorme Lücke, Zeiten des Schmerzes, Zeiten der Verzweiflung und Wut. Hanna versucht mit dem Kapitel abzuschließen und ihren Weg im Leben zu finden und alles alleine zu meistern, doch am Ende der Welt reißt die Wunde von damals wieder auf und das nur in Folge eines einzigen Satzes. Hanna macht sich erneut Gedanken über ihre damalige Freundschaft und Fidos Verschwinden, hat aber gleichzeitig mit Problemen in ihrem Forscherteam und den schlechten Wetterbedingungen in der Antarktis zu kämpfen. Beides zerrt an ihren Nerven, an ihrem Seelenleben und lässt die sonst so toughe Frau ein wenig weicher und verletzlicher werden.

Die Antarktis als Schauplatz dieser Story ist meines Erachtens perfekt ausgewählt. Die Kälte, die allgemeinen Wetterbedingungen, die endlose Weite und die Abgeschiedenheit vermitteln nicht nur die passende Atmosphäre, um sich in den Zustand der Hauptprotagonistin hineinzuversetzen, sondern spiegeln auch über das ganze Buch hinweg ihre Gedanken und ihr Inneres wieder. Zunächst ist alles ruhig, bis ein leichter Wind geht und sich leichte Spannungen aufbauen, bis die Email des Bruders gelesen wird und sich draußen und gleichzeitig in Hannas Seele ein Sturm entlädt und alles durcheinander bringt und ein Kontrollverlust in allen Bereichen droht.

Wieder einmal wurde im Mare Verlag ein höchst interessantes, anspruchsvolles und originelles Buch veröffentlicht, welches durch einen guten Schreibstil, eine einzigartige Story und ein wundervolles Layout besticht.

Veröffentlicht am 29.07.2017

Sommerkind

Sommerkind
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Ein schöner Tag geht zu Ende, die Farben des Sonnenuntergangs am Himmel faszinieren die Beobachter und Kolja und seine Schwester Malu sind zum Strand gegangen, um das Meer zu beobachten und noch eine Runde ...

Ein schöner Tag geht zu Ende, die Farben des Sonnenuntergangs am Himmel faszinieren die Beobachter und Kolja und seine Schwester Malu sind zum Strand gegangen, um das Meer zu beobachten und noch eine Runde zu schwimmen. Malu zieht es jedoch eher in das Schwimmbad nebenan, während Kolja auf der Bank am Meer sitzen bleibt und weiterhin die Wellen beobachten und seinen Gedanken freien Lauf lassen will. Malus Entscheidung, über den Zaun des Schwimmbads zu klettern und dort schwimmen zu gehen, entpuppt sich als fataler Fehler und verändert alles.

Währenddessen setzt sich Ragna zu ihrem Schwarm Kolja auf die Bank, versucht zaghaft ein Gespräch mit ihm anzufangen und fragt nach einiger Zeit nach seiner Schwester, die noch immer nicht wieder aufgetaucht ist. Im Bruchteil einer Sekunde realisiert die junge Ragna, dass ein Unglück geschehen ist, springt über den Zaun, läuft auf das Schwimmbecken zu und entdeckt die kleine Malu auf dem Beckenboden unter Wasser. Sofort springt sie ins Wasser und zieht Malu an den Rand des Beckens. Ein Beobachter ruft den Notdienst, doch alle Hilfe kommt zu spät. Malu wird fortan zum Sommerkind. Sie ist nicht tot, jedoch liegt sie im Wachkoma und keiner kann sagen wie lange dieser Zustand anhalten und ob es jemals eine Besserung ihres Zustandes geben wird.

Die Familie ist dazu gezwungen von Nord- nach Süddeutschland zu ziehen, damit Malu in einer Spezialklinik behandelt werden kann. Die Ehe der Eltern leidet sehr stark unter diesem Schicksal und Kolja muss sich tagein tagaus die Schuldzuweisungen vor allem der Mutter anhören und wird immer mehr aus dem Kreis der Familie ausgestoßen. Er wird zum Einzelkämpfer, sehnt sich nach Liebe, nach einer Umarmung, nach einer intakten Familie und ein wenig Wärme, die ihm jedoch im familiären Haushalt vorenthalten wird.

Jahrzehnte später begibt sich Ragna auf die Suche nach Kolja und den damaligen Beteiligten, um mehr über den Unfall zu erfahren. Sie hat diesbezüglich eine Gedächtnislücke und kann das Puzzle, welches bruchstückhaft in ihrem Kopf herumschwirrt und sie unentwegt beschäftigt, nicht alleine zusammenfügen. So lernt sie einige von Koljas Weggefährten kennen, spricht mit Menschen, die ihr wichtige Informationen geben und versucht letztendlich für sich die Frage zu beantworten, ob sie Malu damals wirklich gerettet oder ob sie alles nur schlimmer gemacht hat.

Das Buch „Sommerkind“ ist unglaublich berührend, dramatisch, emotional, traurig und melancholisch. Wer nach einer freudigen Story mit happy end sucht ist hier definitiv falsch, denn diese Story hinterlässt Spuren und wirft viele Fragen auf. Es gab Szenen, die mich so sehr beschäftigten, dass ich zunächst nicht weiterlesen konnte. Es ist ein Auf und Ab zwischen Mitleid mit dem kleinen Kolja, Wut über die Vorwürfe der Eltern, der Frage „Was hätte ich an Ragnas Stelle getan?“ und wie würde ich mit der Situation umgehen, wenn mein Kind ein Sommerkind wäre?

Der poetische Schreibstil und die nicht eindeutige Einteilung zwischen Vergangenheit und Gegenwart hat mir zu Beginn ein wenig Probleme bereitet, aber je mehr ich in der Story versunken bin, desto besser und flüssiger konnte ich das Buch lesen. Die Autorin hat viele Begebenheiten und Emotionen mit ihren Worten hervorragend beschrieben und mich damit in ihren Bann gezogen.

Nachdem ich das Buch beendet hatte, habe ich mich ein wenig über die vielen offen gebliebenen Fragen geärgert, doch nun, nachdem einige Tage vergangen sind und ich noch mehr über die Story nachgedacht habe, finde ich diese Wahl der Autorin sehr gut und passend umgesetzt. Denn letztendlich sind die Themen, die sie aufgreift, keine, die mit einem oder zwei Sätzen einfach abgeschlossen werden können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Figuren
  • Erzählstil
  • Gefühl
Veröffentlicht am 26.05.2017

Heute leben wir

Heute leben wir
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In Kriegszeiten geht es ums nackte Überleben. Jeder, egal ob Mann, Frau oder ein Kind, kann zur Gefahr werden. Überall herrscht Chaos und Verderben und der Tod lauert hinter jedem Haus, jedem Baum und ...

In Kriegszeiten geht es ums nackte Überleben. Jeder, egal ob Mann, Frau oder ein Kind, kann zur Gefahr werden. Überall herrscht Chaos und Verderben und der Tod lauert hinter jedem Haus, jedem Baum und in jeder Straße. Man muss wachsam sein, Schutz suchen und sich unauffällig benehmen, um dem Elend zu entgehen. So wie die Bevölkerung Tag für Tag in Angst lebt, so suchen Soldaten pausenlos nach neuen Opfern. Juden sind die Hassobjekte. Sie gilt es zu jagen, zu schänden und zu töten.

Renée ist Jüdin. Sie ist vielleicht sieben Jahre alt, hat ihre Familie im Krieg verloren und flüchtet, wie so viele andere auch, vor den deutschen Soldaten. Glücklicherweise kommt sie zunächst in einem Heim und später bei einem Pfarrer unter, doch als sich die Deutschen dem Städtchen nähern, sieht er sich dazu gezwungen Renée amerikanischen Soldaten anzuvertrauen. Er hofft, dass sie das Mädchen sicher fortbringen, doch ahnt er nicht, dass sich unter der U.S. Uniform deutsche SS-Soldaten verstecken. Während der Autofahrt durch die Wälder merkt Renée schnell, dass sie in die Hände der falschen Männer geraten ist und ahnt, dass dies ihr Ende sein wird. Nach einiger Zeit halten sie an und beide Soldaten zwingen Renée zum Ausstieg, gehen mit ihr ein paar Schritte weiter in den Wald hinein und wollen sie exekutieren. Die Waffe des Soldaten Matthias ist bereits auf das Mädchen vor ihm gerichtet, als dieses sich plötzlich zu Matthias umdreht, ihm in die Augen schaut und für einen kurzen Augenblick die Welt still steht. Renées Blick durchbohrt Matthias, lässt ihn den Atem anhalten und führt zu einer unverhofften Handlung, die selbst Matthias in eine Schockstarre versetzt. Hier wendet sich das Blatt, fortan wird es einen neuen Menschen Matthias geben und fortan muss auch er ums nackte Überleben kämpfen.

Bücher in denen es um den Krieg geht sind immer sehr bedrückend, emotional und aufwühlend. „Heute leben wir“ ist in diesem Punkt nicht anders, jedoch ist es eines der wenigen Bücher, bei denen man die Charaktere unglaublich schnell in sein Herz schließt und von der ersten Seite an mit ihnen mitfiebert und selber den Atem anhält, wenn sich der Feind ihnen nähert. Renée sticht hier besonders heraus, da sie für ihr junges Alter schon sehr erwachsen wirkt und eine schnelle Auffassungsgabe besitzt. Matthias ist ebenfalls ein wertvoller Charakter, da er eine große Veränderung durchlebt und der Leser ihn hierbei begleitet.

Generell hat es die Autorin bewältigt niveauvolle, eigenwillige und originelle Charaktere in die Story einzubauen. Auch wird nicht alles in dem Buch haarklein beschrieben, so das die Phantasie des Lesers gefordert wird, was ich sehr anregend finde. Der Schreibstil der Autorin ist gut, so dass sich das Buch flüssig lesen lässt und sie findet die richtigen Worte, um das schreckliche Kriegsszenario und all die Situationen, in denen sich die Protagonisten befinden, gut einzufangen. Gut finde ich auch, dass der Fokus fast ausschließlich auf die Protagonisten und ihre Erlebnisse gelegt wird und man sich als Leser nicht noch durch die ganze „Hitler-Nazi-Thematik“ kämpfen muss. Somit handelt es sich bei dem Buch tatsächlich um einen bewegenden und fesselnden Roman und nicht um ein weiteres Sachbuch, welches den Krieg, Judenhass etc. erklären will.

Veröffentlicht am 13.05.2017

Die Zeit der Ruhelosen

Die Zeit der Ruhelosen
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François Vély, einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner Frankreichs, schwimmt in Geld, gehört zu der Oberschicht und genießt hier großes Ansehen. Er zieht machtvolle Verbündete an und schließt millionenschwere ...

François Vély, einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner Frankreichs, schwimmt in Geld, gehört zu der Oberschicht und genießt hier großes Ansehen. Er zieht machtvolle Verbündete an und schließt millionenschwere Verträge ab. Doch Geld allein macht nicht glücklich und das spürt er nachdem seine erste Ehefrau den Freitod gewählt hat, sich seine Kinder von ihm abwenden und seine neue Ehefrau mit dieser bedrückenden Situation nicht zurechtkommt und sich ihre Gefühle für Vély regelrecht in Luft auflösen. Der Super-Gau folgt nachdem Vély ein relativ harmloses Interview einem Journalisten gegeben hat und dieses veröffentlicht wird. Alles ändert sich urplötzlich, denn keiner konnte ahnen was für negative Konsequenzen diese Veröffentlichung nach sich ziehen würde. Vély stürzt gesellschaftlich ab und kann nicht glauben das alles, was er sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, von einem Tag auf den anderen zunichte gemacht wurde. Wie soll ein Mensch wie Vély aus der Schlucht, in die er gefallen ist, wieder aufsteigen und die gewohnte Macht zurückerlangen?

Romain Roller kehrt aus Afghanistan als ein psychisches Wrack wieder. Der Soldat hat Dinge gesehen, gehört und erlebt, die sich tief in die Seele eines Menschen bohren und die man nie mehr vergisst. Schreckliche Träume, Panikattacken und eine Schreckhaftigkeit begleiten ihn und erschweren die Rückkehr in den normalen Alltag mit seiner Familie. Zuflucht findet er in einer Affäre mit einer Journalistin, die ihn alles um sich herum vergessen lässt. Doch ist diese Affäre der richtige Ausweg für ihn? Wird er je wieder ein normales Leben führen können?

Osman Diboula ist schwarz und hat sich gegen die vorherrschenden Weißen im Palast des Präsidenten durchgesetzt und dort einen angesehenen Job ergattert. Er wohnte in einem der Ghettos in Paris und hat sich als Autodidakt vieles angeeignet, was ihm den politischen Aufstieg ermöglicht hat. Doch niemand ist vor einem Tritt in ein Fettnäpfchen gefeit und so begeht Diboula einen folgenschweren Fehler und verliert Macht, Ansehen und seine Anstellung. Seine Beziehung wird auf eine harte Probe gestellt und seine Kollegen lassen ihn fallen. Kann er trotzdem den Wiederaufstieg bewältigen und seine politische Karriere fortführen?

Alle drei Charaktere haben vieles gemeinsam. Sie alle streben nach Macht, Ansehen, einer Karriere, Geld und der großen Liebe. Aufgrund all dieser Begehren kreuzen sich ihre Wege früher oder später und all das hat Auswirkungen auf die Zukunft eines jeden einzelnen von ihnen. Alle drei sind ruhelos und streben verzweifelt nach einem inneren Frieden.

Karine Tuil hat einen politischen und gesellschaftlichen Roman geschaffen der viele Themen und Probleme der modernen Gesellschaft direkt, aber auch unterschwellig anspricht - Macht, Sexismus, Geldgier, Krieg, Gewalt, Religion, Liebe, Kunst und Rassismus. Der ständige Drang der Menschen nach Ansehen und einer adäquaten Stellung in einer der besseren Schichten zieht sich durch den Roman. Auch die allgegenwärtige Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Wut wird thematisiert, so dass hier ein sehr abwechslungsreicher, spannender und zeitgenössischer Roman vorliegt. Die Lektüre wird nie langweilig, ist absolut nicht langatmig und die Mischung der so unterschiedlichen Themen finde ich sehr gut ausgearbeitet. Der Schreibstil ist klar, nicht verschnörkelt und die Kapitel haben allesamt eine gute Länge. Allgemein gesehen ist es ein eher düsteres und ernstes Buch mit starken Charakteren, welches sehr zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 23.02.2017

Das Buch der Spiegel

Das Buch der Spiegel
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Katz, ein Literaturagent, wird auf ein Teil-Manuskript aufmerksam, welches ihm schon vor einiger Zeit von einem Herrn Flynn zugesendet worden ist. Allein schon das Anschreiben von Richard Flynn lässt ihn ...

Katz, ein Literaturagent, wird auf ein Teil-Manuskript aufmerksam, welches ihm schon vor einiger Zeit von einem Herrn Flynn zugesendet worden ist. Allein schon das Anschreiben von Richard Flynn lässt ihn aufhorchen, da dieses sehr ungewöhnlich formuliert ist. Also beginnt er mit der Lektüre und findet schnell einen Zugang zu der Story, die sich mit dem genialen Psychologie Professor Wieder beschäftigt. Dieser wurde vor etlichen Jahren brutal in seinem Haus ermordet und Flynn scheint mit seinem Buch diesen Mord und somit den Mörder aufdecken zu wollen. Flynn, damals ein Student, hatte einen guten Draht zu dem Professor und hat eine zeit lang für ihn als Hilfskraft gearbeitet. Er, so scheint es, will nun im hohen Alter die Lasten von seinen Schultern abwerfen und für Aufklärung sorgen.
Begeistert und fasziniert von dem Inhalt des Manuskriptes möchte Katz Flynn unter Vertrag nehmen und den Rest der Story lesen. Er wird hier nur vor das große Problem gestellt, dass Flynn in der Zwischenzeit verstorben ist und niemand weiß wo er das komplette Manuskript versteckt hat. Katz beauftragt daraufhin John Keller, einen Reporter, mit der Recherche- und Sucharbeit und möchte, dass dieser jeder erdenklichen Spur nachgeht und alle Beteiligten von damals aufsucht und befragt. Doch je mehr Beteiligte, Verdächtige und Angehörige Keller befragt, desto mehr Fragen treten auf und umso undurchsichtiger wird der ganze Fall.

Für den Leser bietet dieses Buch nicht nur viel Spannung und Rätselraten, sondern auch viel Verwirrung und Denkarbeit. Zunächst liest der Leser das Teil-Manuskript von Flynn mit und lernt so alle Protagonisten kennen. Sofort versucht man hier die Handlungen ebendieser zu analysieren und fragt sich schon zu Beginn wer vielleicht der Mörder oder die Mörderin sein könnte. Im weiteren Verlauf begleitet der Leser Keller bei seinen Befragungen und möchte auch hier alle Puzzleteile zusammenfügen und dem Täter/der Täterin auf die Schliche kommen. Doch so einfach ist das nicht. Das Buch ist so intelligent geschrieben und so spezifisch aufgebaut, dass man die Story einfach nicht durchschauen kann. Es entsteht ein Verwirrspiel auf höchstem Niveau.
Als Leser muss man regelrecht bei der Stange bleiben, um nicht den Anschluss oder gar wichtige Hinweise zu verpassen. Dies kann sich ein wenig anstrengend auf den Lesegenuss auswirken, aber dafür wird man mit einer dramatischen, unterhaltsamen und bemerkenswerten Story belohnt.
Durchweg fragt man sich, was nun die Wahrheit und was nur Fiktion ist? Wer sagt die Wahrheit, wer versucht zu manipulieren, wer spielt ein falsches Spiel und wer will von sich ablenken? Wer kann das, was damals in der Mordnacht geschehen ist noch exakt wiedergeben und wessen Erinnerungen sind über all die Jahre tatsächlich verblasst?

Die Perspektivenwechsel in den Abschnitten und die Menge an Charakteren haben mir keine Probleme bereitet und der Spannungsbogen blieb bis zuletzt erhalten. Ein nebulöses, fesselndes und aufregendes Buch mit absoluter Leseempfehlung.