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Veröffentlicht am 29.09.2023

Ein Trompe-l’œil in Buchform

Die Gouvernanten
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Sie sind wie kleine Vogerl, gefangen in einem goldenen Käfig. Doch wenn sich die goldene Tür zum Garten der Villa öffnet, gibt es für die Gouvernanten kein Halten mehr. Alle Sehnsüchte, wilden Fantasien ...

Sie sind wie kleine Vogerl, gefangen in einem goldenen Käfig. Doch wenn sich die goldene Tür zum Garten der Villa öffnet, gibt es für die Gouvernanten kein Halten mehr. Alle Sehnsüchte, wilden Fantasien und Gelüste drängen plötzlich wie ein wildes Tier nach draussen und lassen die jungen Frauen ihr gesittetes Dasein vergessen. Jeder Fremde, der ihnen begegnet, muss sich willenlos den Forderungen und Zärtlichkeiten ergeben. Aber die Gouvernanten sind nicht unter sich, sondern das Auge des Nachbarn ist immer allgegenwärtig...


"Die Gouvernanten" von Anne Serre ist ein Trompe-l’œil in Buchform, das sinnlich und ekstatisch zugleich ist, verführt und die Leser;innen zu Verbündeten des voyeuristischen Nachbarn macht. Serre hat eine sehr plastische Schreibweise, die aus einem altertümlich anmutenden Gemälde eine bewegte Szenerie werden lässt. Der feine Stoff der Stiefeletten glänzt in der Sonne, das verheißungsvolle Rascheln der Röcke klingt wie ein geflüstertes Versprechen nach mehr und die sinnliche Verführung spricht aus jedem Wort, das aus der Feder der Autorin fließt.

Serre ist eine Wortpoetin, die mit den heißen wilden Gedanken und Sehnsüchten der ansonsten so züchtigen und fast schon gelangweilt wirkenden Gouvernanten spielt, lässt erotische Fantasien aus den Seiten steigen und verwandelt ihr Gouvernanten in Sirenen. Auch spielt sie mit der Leserschaft, genauso wie die Gouvernanten mit den Männern spielen, setzt die weiblichen Reize gekonnt ein und kurbelt das Kopfkino mit erotischen Bildern ab.
Der träge heiße Sommertag lässt nicht nur die Hitze im Garten flirren, sondern kokettiert mit nackten Schenkeln, weichen Rundungen und liebreizenden Lippen, die immer wieder verführerisch locken.

Ein kleine Lustspiel mit dezenter Komik, ästhetischer Erotik und dem ein oder anderen Seitenhieb auf unsere Gesellschaft, die sich allzu leicht verführen lässt.

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Veröffentlicht am 28.09.2023

Sie kennen dich! Sie haben dich ! Sie steuern dich! (Markus Morgenroth)

Todsicher verschlüsselt
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Annalena ist bekannt dafür, sich lautlos wie ein Schatten zu bewegen und genau das ist ihre Lebensversicherung. Doch ein Klingeln ihres Handy bedeutet zunächst nicht nur höchste Gefahr für sie, sondern ...

Annalena ist bekannt dafür, sich lautlos wie ein Schatten zu bewegen und genau das ist ihre Lebensversicherung. Doch ein Klingeln ihres Handy bedeutet zunächst nicht nur höchste Gefahr für sie, sondern lässt ihre Welt zusammenbrechen. Viel Zeit zum Trauern bleibt ihr nicht, denn Annalena will wissen, wer ihren Bruder auf dem Gewissen hat.Sie muss zurück nach Berchtesgaden reisen, um am Ort ihrer Kindheit zu ermitteln. Vor Ort trifft sie auf Helga Herbertsen die auch nicht ganz freiwillig ihre Tätigkeit am Fuße des Watzmanns ausführt. Beide Frauern ermitteln zunächst unabhängig voneinander und stoßen dabei in ein echtes Wespennest....


Arno Wilhelm lässt in "Todsicher verschlüsselt" zwei wirklich grundverschiedene Ermittlerinnen ihre Spürnasen einsetzen, um den Leser;innen zu zeigen, wie einfach es in der Welt der Cyberkiminalität ist, Daten und Informationen zu sammeln, den digitalen Fußabdruck als Grundlage für Manipulation und Verbrechen zu nutzen und trotzdem meist unerkannt im Hintergrund zu bleiben.

Annalena ist eine echt coole Socke und immer, wenn sie auftaucht, habe ich die Musik von "Mission Impossible" im Ohr. Sie ist von ihren Ermittlungsmethoden her eher eine, die es gerne flexibel mag, lässt sich nicht gerne in die Karten schauen und mit dem Gesetz...sie weiß wohl, dass es so was gibt, aber dran halten...eher weniger :) Helga ist eher gemächlich unterwegs, hat aber trotzdem richtig Pfeffer im Hintern, um ihrer mitunter recht aufmüpfigen Truppe die Obacht anzusagen.

Wilhelm bewegt sich sicher auf dem Parkett der Informatik, denn beruflich ist er dort Zuhause und kann so sein breites Fachwissen an die Leser;innen weitergeben. Dies geschieht jedoch nicht trocken und spröde, sondern wirklich aufregend, fesselnd und kurzweilig. Und genau dieses fundierte Wissen ist es, dass den Leser;innen vor Augen führt, wie leicht das Abgreifen von Daten wirklich ist und was daraus entstehen kann, wenn der Datenklau floriert und für miese Machenschaften und Erpressungen genutzt wird.

Der Fall baut sich logisch auf und wird von Kapitel zu Kapitel immer rasanter. Es gibt Szenen, in denen das Grinsen von einem Ohr zum anderen wandert, der Atem vor Aufregung in der Kehle stecken bleibt der Puls regelrecht galoppiert. Immer mittendrin - Annalalena und Helga, die ein wirklich geniales Team bilden, um gemeinsam ans Ziel zu kommen.

Vom Schmierlappen bis falscher Fuffzigger ist alles vertreten, was es an abwechslungsreichen Charakteren in einem guten Krimi braucht. Auch wenn die Thematik sehr ernst ist und nachdenklich stimmt, vergisst der Schreibende nie, ein bisschen Augenzwinkern zwischen den Seiten aufblitzen zu lassen.

Ich hoffe sehr, dass Annalena und Helga keine Eintagsfliegen bleiben und noch viele gemeinsame Fälle lösen dürfen :)

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Veröffentlicht am 28.09.2023

Wenn du glaubst, Du verschwendest dein Leben mit mir, dann geh doch (H. Carpendale)

Das leise Platzen unserer Träume
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Jule und David leben ihren großen Traum vom Haus auf dem Land, aber glücklich sind sie nicht wirklich. Seit Jahren versucht das Ehepaar, das Glück mit einem Kind zu vervollkommnen, aber es will und will ...

Jule und David leben ihren großen Traum vom Haus auf dem Land, aber glücklich sind sie nicht wirklich. Seit Jahren versucht das Ehepaar, das Glück mit einem Kind zu vervollkommnen, aber es will und will nicht klappen. Ganz anders Hellen, denn die Mittvierzigerin hat sich freigeschwommen, vom Ehemann getrennt und versucht nun, als Alleinerziehende Alltag und Job unter einen Hut zu bringen. Was beide Frauen eint: David. Denn David sucht bei Hellen, was er bei Jule schon lange nicht mehr findet. Aber gehen kommt für ihn nicht in Frage....


Eva Lohmann lässt Hellen und Jule in sehr ehrlichen Worten von Lebensplänen, Träumen und Vorhaben erzählen, die sich zu Beginn einer Beziehung immer in rosaroten Farben wunderschönen zu Luftschlössern bauen lassen und dann, wenn das Leben sich verselbstständigt, einfach einstürzen.

Bei Jule und David hat sich die Liebe zu einem wurmstichigen Apfel entwickelt, der langsam aber sicher von innen verfault. Alles Drehen und Wenden nützt nichts mehr, denn sie haben die Basis verloren und das große Schweigen nimmt immer mehr Raum ein. Hellen lebt mit David in einer unkomplizierten Affäre, legt es aber darauf an, das Jule von all dem Wind bekommt.

Es sind all die ungesagten Worte, die in einer Beziehung, die sich längst totgelaufen hat, wie ein Damoklesschwert über den Köpfen schweben und einen Part dazu verleiten/zwingen, sich an anderer Stelle das zu holen, was Zuhause vermisst wird. Lohmann beschreibt das langsame Sterben einer Liebe, die immer nach Plan funktioniert hat, da sich der sehnliche Wunsch nach Kindern einfach nicht erfüllt. Und dann sind da noch die Hürden des Alltags, die Alleinerziehende fast zur Selbstaufgabe zwingen, um den Spagat zwischen Kindern und eigenem Leben doch irgenwie Raum zu geben.

Es ist keine bittere Abrechnung mit schmutziger Wäsche, sondern eine sehr einfühlsam erzählte Geschichte, die wir alle irgendwie kennen- sei es, weil wir einmal selbst betroffen gewesen sind oder im Freundeskreis genau das erlebt haben, was sich hier auf den Seiten sehr authentisch abspielt.

Der Schreibenden gelingt auf gerade einmal 216 Seiten, Träume schweben und zugleich platzen zu lassen, um dann wiederum die schmerzenden Erkenntnisse zu verarbeiten, die das verzweifelte Festhalten an alten Gewohnheiten mit sich bringt. Manchmal wird aus dem Schweigen etwas Neues, Großes, das so sicherlich nicht geplant war. Aber wer nicht den ersten Schritt wagt, wird nie erfahren, was an großen Träumen noch möglich ist, auch wenn der alte ausgeträumt ist.

Ein sehr bewegendes Buch, das immer den richtigen Ton trifft und trotzdem seine Wirkung nicht verfehlt - es geht direkt ins Herz und macht nachdenklich

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Veröffentlicht am 24.09.2023

Hurra, wir leben noch (Milva)

Pericallosa
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Wie stark ist der Mensch, wie stark?
Wie viel Ängste, wie viel Druck kann er ertragen?
Ist er überhaupt so stark, wie er oft glaubt?
Wer kann das sagen?

Hurra, wir leben noch
Was mussten wir nicht alles ...

Wie stark ist der Mensch, wie stark?
Wie viel Ängste, wie viel Druck kann er ertragen?
Ist er überhaupt so stark, wie er oft glaubt?
Wer kann das sagen?

Hurra, wir leben noch
Was mussten wir nicht alles übersteh'n?
Und leben noch
Was ließen wir nicht über uns ergehen?
Der blaue Fleck auf unsrer Seele geht schon wieder weg
Wir leben noch

(Milva)

Es ist nur ein winziger Augenblick, der das Leben von Evelyn Roll von jetzt auf gleich verändert. Ein geplatztes Aneurysma wirft ie aus der Bahn und zwingt sie dazu, ihr Leben noch einmal ganz von vorn zu beginnen. Was einmal klar und deutlich vor ihr gelegen hat, verschwimmt und doch sind da immer wieder Erinnerungsfetzen und Musik, die sie aus den Tiefen zurückholen.

Es ist ein Buch, das unter die Haut geht, weil es so persönlich, so ehrlich und selbstkritisch ist und doch keine Abrechnung mit dem was war, sondern was wahr ist . Eine Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte, die blinde Flecken aufweist und die ein oder andere Frage aufwirft. Es sind Fragen, die die Nachkriegsgeneration von ihren Eltern nie beantwortet bekommen hat und die uns als Enkel:innengeneration noch mehr beschäftigen, da wir oftmals keine Möglichkeit mehr haben uns an diejenigen zu wenden, die Licht ins Dunkel bringen können.

Der Weg zurück ins Leben ist gepflastert mit Träumen, Zerrbildern und jeder Menge Erinnerungen, die sich zunächst nicht eindeutig zuordnen lassen. Immer präsent - die Lieder der jeweiligen Epoche, die es sich als Ohrwürmer bei Evelyn Roll herrlich bequem eingerichtet haben und auch flugs ins Ohr der Leser:innen schlüpfen.

Aber Roll wühlt nicht nur in Erinnerungen und den daraus resultierenden Zusammenhängen, sie befasst sich auch mit der Komplexität unseres Gehirns, das alleine von der Macht des Lassens lebt: Zulassen, loslassen, weglassen. Und genau aus dieser gewagten Kombination entstehen Erinnerungen, formen sich zu neuen Bildern und graben sich ins Gedächtnis.

Während dem Lesen begleitet mich "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgski und unterlegt die Bilder von Rolls Familien-/Geschichte mit den Klängen, die ich schon lange vergessen glaubte. Das Buch liest sich wie eine Familienaufstellung, klärt Beziehungen und Unstimmigkeiten, erzählt von inniger Liebe und ist vor allen Dingen eines: der Neustart in ein Leben, das sich auf das Wesentliche reduziert, weil für alles andere eben kleinen Platz mehr ist.

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Veröffentlicht am 23.09.2023

Das Herzstück des Nordens

KUNTH Hamburg. Das Buch
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Große Pötte, Große Freiheit, Speicherstadt und Alster - Hamburg atmet Geschichte. "Hamburg - Das Buch" öffnet das Tor zur Welt und nimmt die Leser:innen mit auf eine außergewöhnliche Bildreise. Zwischen ...

Große Pötte, Große Freiheit, Speicherstadt und Alster - Hamburg atmet Geschichte. "Hamburg - Das Buch" öffnet das Tor zur Welt und nimmt die Leser:innen mit auf eine außergewöhnliche Bildreise. Zwischen Jugendstilfassaden und knallbuntem Kiez, moderner Kunst und maritimen Geschichten und Geschichte findet jede/r Besucher:in schnell den Ankerplatz des Herzens und verliebt sich in eine Stadt, die voller Gegensätze und charmanten Ecken ist.

Liebhaber:innen von Architektur werden hier ebenso fündig wie Sportbegeisterte , Alstervergnügen und sündige Meile, Wasserlichtkonzert im Planten und Blomen oder rosafarbenes Blütenmeer im Alten Land, stille Winkel und unbekannte Ecken warten darauf, immer wieder neu entdeckt zu werden und alte Gedankenmuster zu durchbrechen. Hamburg ist laut, Hamburg ist bunt, Hamburg hat Herz und genau das vermittelt dieser Sachbildband auf vielfältige Weise.

Der Stadtrundgang zeigt die pulsierende Metropole im hohen Norden mit ihren vielen Gesichtern und wird zur Erlebniswelt op platt. Ein echtes Abenteuer, das von sinnlich bis sündig, kulinarisch bis kultig, exklusiv bis expressiv und launig bis lauschig reicht. Egal ob mit Fischbrötchen oder Franzbrötchen in der Hand, der Abschied fällt schwer.

Und so klingt nach dem Zuklappen der letzten Seite auch Heidi Kabels Gassenhauer noch lange nach:

In Hamburg sagt man Tschüss, das heißt auf Wiedersehn,
In Hamburg sagt man Tschüss, beim Auseinandergehn.
In Hamburg sagt man Tschüss, das klingt vertraut und schön,
Und wer einmal in Hamburg war, der kann das gut verstehn,
Und wer einmal in Hamburg war, der kann das gut verstehn.


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