Eine fantastische Wiederentdeckung antiker Mythologie
Psyche und Eros𝔼𝕣𝕠𝕤 & ℙ𝕤𝕪𝕔𝕙𝕖
Durch ein Missgeschick verliebt sich Eros, der Gott des Verlangens, unwiderruflich in die Sterbliche Psyche. Als die beiden durch einen Fluch voneinander getrennt werden, müssen sie etlichen ...
𝔼𝕣𝕠𝕤 & ℙ𝕤𝕪𝕔𝕙𝕖
Durch ein Missgeschick verliebt sich Eros, der Gott des Verlangens, unwiderruflich in die Sterbliche Psyche. Als die beiden durch einen Fluch voneinander getrennt werden, müssen sie etlichen Gefahren und Gottheiten trotzen, um wieder zueinander zu finden.
Der Mythos um Eros und Psyche gehört zu einem der weniger oft erzählten, dennoch ist er nicht weniger bedeutsam oder schön. Auf fast 450 Seiten begleiten wir Psyche vom Kind zur Frau zur Göttin. Dabei lässt sich die Autorin Zeit, die Erzählung wiederzugeben, indem sie sie voll und ganz ausschöpft und dennoch in keinem Augenblick an Spannung einbüßt.
Die Geschichte selbst hat mir unheimlich gut gefallen - wie man die Figuren über die Jahre hinweg begleitete, der historische Hintergrund, der magisch-mythische Plot, die Liebesgeschichte, die Intrigen der Götter, die Nebenfiguren. Ich muss gestehen, ich bin durchweg beeindruckt und habe absolut nichts zu kritisieren! Im Gegenteil, ich fand es super, dass eine eher selten erzählte Geschichte sich ihren Platz in unser Bewusstsein erkämpft hat - aktuell liest man ja wirklich nur Hades hier, Persephone da. Die Autorin hat sich für Gottheiten und Heroen entschieden, die eher unbekannt, keineswegs aber weniger relevant sind. Toll!
Beeindruckend fand ich auch, wie vielen bekannten Gottheiten und Sagengestalten begegnet wird. Zeus, Hera, Aphrodite, Demeter, Persephone, aber auch Zerberos, Cheiron, Medusa, Odysseus Helena, Agamemnon, Achilles und einem Großteil der Troja-Besatzung - und viele mehr.
Die Unfassbarkeit und Unmenschlichkeit um den trojanischen Krieg zeigen die Welt der Sterblichen auf, während sich die Olympischen Götter über Jahrhunderte hinweg wegen Kleinigkeiten zanken und dadurch wie in den meisten Überlieferungen (und Neuinterpretationen) gleichzeitig menschlich, im Gemüt z.T. kindisch, aber auch allmächtig und grausam erscheinen. Erst durch die Liebe zu Psyche wandelte sich Eros' Wesen, was unglaublich schön mitzuerleben war. Dasselbe gilt für Psyche - einzeln waren beide eine kleine große Katastrophe, zusammen legten sie eine 180 Grad Wendung zum Positiven hin. Ich mochte die beiden als Paar richtig gern!
Psyche war eine wundervolle, starke Protagonistin mit Ecken und Kanten. Es war toll, sie bei der Entwicklung von einer eher verwöhnten Königstochter zu einer selbstständigen jungen Frau mit moralischem Kompass zu begleiten. Sie hatte den Mut, nein zu sagen, und ihr Leben lang für das zu kämpfen, was ihr wichtig ist - letztlich auch für Eros.
Und obwohl Eros mit seinen Lügen alles nur verschlimmert hat, lernte ich ihn doch als fürsorglichen jungen Mann kennen, der stets hinter seiner Frau stand, sie ermutigte und für ihre Persönlichkeit und Fähigkeiten bewunderte. Das stand im scharfen Kontrast dazu, wie die Frauen sonst zu dieser Zeit etwa 1200 v.Chr. behandelt wurden, wie junge Mädchen, fast noch Kinder, an runzlige alter Männer verhökert wurden, wie man Jungfrauen brutal opferte für Nichtigkeiten und wie man ihnen eine eigene Meinung absprach. Psyche und vor allem auch die weiblichen Gottheiten wie Persephone standen diesem vehement und äußerst erfolgreich entgegen und sorgten an einigen Stellen für ein feministisches, emanzipatorisches Aufblühen der Interpretation des Textes.
Der Schreibstil passt perfekt zu einer antiken Sage und ist dennoch gut, flüssig, emotional und spannungsgeladen zu lesen. Nur eine handvoll moderner Wörter wie zB. in jmd "verschossen" sein konnten sich nicht so gut in den Rest der Erzählung einfügen, doch das war die sehr überschaubare Ausnahme.
Die Kritik, der Romantasy Part wäre hier nicht gut herausgearbeitet, kann ich absolut nicht nachvollziehen, weil es sich, kurz gesagt, NICHT um Romantasy handelt, sondern über ein mythologisches Ereignis mit dem trojanischen Krieg als Hintergrund, hier etwa 1200 v.Chr. Es ist KEINE moderne Neuinterpretation, Eros ist kein toxischer Badboy mit Sickpack und eigenem Nachtclub und Psyche ist keine freizügige Studentin 😅 Die Autorin hat bei ihrer Recherche hervorragende Arbeit geleistet und die noch vorhandenen Überlieferungen in Romanform gepackt. Und das hat sie wirklich unglaublich toll gemacht, ich würde auch in Zukunft wieder etwas in die Richtung von ihr lesen. Und auch vom Aufbau Verlag finde ich es großartig, dass Mythologie in ihrer ursprünglichen Form neu veröffentlicht wird und man dadurch Zugang zu oftmals vergessenen Erzählungen erhält.
Auch das Cover finde ich mit den kräftigen Farben richtig gut gelungen & das metallische Gold unter dem Schutzumschlag ist ein absoluter Hingucker 😍
Von mir ganz klare 5/5 ⭐👏🏻