Ganz großes Kino
Ich kannte den Verfasser bisher nicht und war natürlich sehr gespannt. Im Klappentext spricht Philip Pulman, selbst ein Superstar in der Szene, von Alan Garner als dem „wichtigsten britischen Fantasyautor ...
Ich kannte den Verfasser bisher nicht und war natürlich sehr gespannt. Im Klappentext spricht Philip Pulman, selbst ein Superstar in der Szene, von Alan Garner als dem „wichtigsten britischen Fantasyautor seit Tolkien“.
Das ist schon mal ein Brett. Erstaunt war ich von der geringen Seitenzahl des Büchleins, das Genre ist ja ansonsten für dicke Wälzer bekannt, am besten noch Mehrteiler, bekannt. Der Lumpensammler, der titelgebende „ Treacle Walker“ wird in 158 schmalen Blättern erzählt und jedes Wort hat Gewicht. Ich bin sehr versucht, mir das Original zu holen, denn Wortspiele, wie sie hier häufig vorkommen sind nunmal schwer 1:1 zu übersetzen. Die Geschichte um den jungen Joe, der einsam in einem Haus auf einem Berg lebt, böse Comics liest und nicht ganz von dieser Welt zu sein scheint, hat mich sofort in ihren Bann gezogen: ein Märchen, eine Fabel, ein Mysterium. Das „Jetzt“ existiert auf mehreren Ebenen und ist grundverschieden und doch immer ähnlich. Joe, ein naives Kind wirkt gleichzeitig wie ein Erwachsener, der sich weigert Magie anzuerkennen, selbst wenn sie ihn an den Haaren packt. Der Treacle Walker ist ein Freund sein oder doch eher eine Bedrohung? Nicht umsonst bekommt der Junge ein „Auge“, das ihm eine andere Wahrnehmung ermöglicht. Das ist jedoch nicht ungefährlich. Phantasie und Realität zu trennen erscheint notwendig, aber nicht immer sinnvoll. Die Geschichte zu ergründen, macht Spaß. Nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen möchte das Buch gelesen werden.
Ein Interview mit dem Autor zu seinem Alterswerk fand ich sehr erhellend. Er sagte, er habe beim Schreiben versucht, sein Alltagsbewusstsein komplett auszuschalten. Seiner Meinung nach kommen originelle Ideen ausschließlich aus dem Unterbewussten. Der Verstand stört da nur.
Ich denke, in diesen Text kann viel hineininterpretiert werden, er kann irritieren, sogar verärgern, weil er die LeserIn so verwirrt, an vielen Rezensionen sehe ich genau das. Aber er kann genauso gut bezaubern und inspirieren. Ich habe mich für Letzteres entschieden.