Betörend, poetisch, abgründig
Die VegetarierinInhalt:
In drei grossen Kapiteln erzählt Han Kang die Geschichte von Yeong-Hye, die aufgrund eines Traums von einem Tag auf den anderen beschliesst, keine tierischen Produkte mehr zu sich zu nehmen. Im ...
Inhalt:
In drei grossen Kapiteln erzählt Han Kang die Geschichte von Yeong-Hye, die aufgrund eines Traums von einem Tag auf den anderen beschliesst, keine tierischen Produkte mehr zu sich zu nehmen. Im ersten Kapitel wird aus der Sicht ihres Ehemannes erzählt, im zweiten Kapitel ist der Schwager von Yeong-Hye der Protagonist und im dritten Kapitel kommt ihre Schwester zu Wort.
Nach und nach wird klar, dass es Yeong-Hye gar nicht wirklich darum geht, in Zukunft keine tierischen Produkte mehr zu konsumieren, sondern dass ganz andere, rätselhafte Beweggründe hinter dieser Entscheidung stehen.
Die heimlichen Leidenschaften ihres Umfelds, die Gewalt ihres Vaters und das Verlangen ihres Schwagers werden aufgedeckt und das Unverständnis der Südkoreanischen Gesellschaft trägt seinen Teil dazu bei, dass Yeong-Hye durch die Maschen eines Systems fällt, das sämtliche Menschen, welche sich von einer sozialen Norm abwenden, ausgrenzt.
Meine Meinung:
Von ganz vielen Menschen habe ich gehört, dass dieses Buch verstörend sei. Ich kann das zwar nachvollziehen, würde die kurze Geschichte aber eher als ungemein betörend bezeichnen. Die Autorin wählt nämlich eine sehr einzigartige, bildhafte Sprache, die stets ein wenig in der Schwebe zwischen Traum und Wirklichkeit belassen wird und einen enormen Sog entwickelt. Nicht nur beschreibt sie den den schrittweisen Zerfall ihrer Protagonistin absolut authentisch und mit einer Schonungslosigkeit, die ihresgleichen sucht. Sie blickt auch tief in menschliche Abgründe und auf versehrte Körper und Seelen.
Was treibt Yeong-Hye an? Leidet sie an einer Essstörung? Oder an Schizophrenie? Ist alles nur ein Traum oder möchte sie wirklich nur sterben? Das Buch lässt viel Interpretationsspielraum, um das Schicksal unserer Protagonistin zu ergründen und bleibt dabei äusserst vage. Es lässt uns Leser*innen die Verlorenheit spüren, welche Yeong-Hye wohl seit dem Auftreten ihres Traums empfindet.
Das Buch blickt auch sehr kritisch auf das Konstrukt der (lieblosen) Ehe und der Familie und zeigt auf, wie schnell sich Menschen fremd werden können. Ich bin immer noch ganz gebannt von dieser atemlos erzählten Geschichte und möchte unbedingt weitere Bücher der koreanischen Autorin lesen.
Meine Empfehlung:
Mich persönlich hat Han Kang mit diesem kurzen Roman in ihren Bann gezogen und wer aussergewöhnliche, nicht ganz aufgelöste Geschichten mag, die einen Hang zum Morbiden und Skurrilen haben, ist mit diesem Buch ebenfalls bestens beraten.